Protocol of the Session on February 27, 2019

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das ist keine Selbstverständlichkeit in einer Zeit, wo die Flächenknappheit groß ist, weil diese Stadt dramatisch wächst, das erleben wir jeden Tag, Flächen werden nicht nur für Natur und Grünanlagen gebraucht, sondern auch für Verkehr, Gewerbe, Wohnen und eben eine wachsende Bevölkerung, einen verstärkten Wohnungsbau. Zugleich erlebt aber durch den Klimawandel die Natur eine große Belastungsprobe. Da, wo viele Tiere und Pflanzen in der Vergangenheit gut leben konnten, geraten sie durch den Klimawandel unter Druck. Deshalb ist es gerade heute besonders wichtig, der Verinselung entgegenzuwirken und die Biotope zu vernetzen, sodass die Arten sich auch der veränderten Umwelt anpassen können und wandern können. Deshalb ist die Maßnahme, jetzt 23 Prozent unserer Fläche für den Biotopverbund, für die Natur zu reservieren, eine wirklich grundlegende Grundsatzentscheidung, die man nicht geringschätzen sollte.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Hamburg ist nicht nur Spitze bundesweit mit mittlerweile 9,4 Prozent der Fläche unter Naturschutz, sondern 23 Prozent einem Biotopverbund zur Verfügung zu stellen, das ist auch etwas, was selbst in Flächenländern beispiellos ist. Ich finde, das ist gerade in einer Zeit, wo sich viele Menschen in unserer Stadt Sorgen darüber machen, ob unsere Stadt angesichts der Entwicklung grün bleibt, ein sehr wichtiges Bekenntnis dieses Senats und dieser Regierungsmehrheit.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Glocke)

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ovens?

Gern.

Herr Senator, vielen Dank für Ihr klares Bekenntnis zu den Grünflächen in unserer Stadt. Ich habe dazu aber eine konkrete Frage. Wenn wir uns beispielsweise den Bezirk Eimsbüttel anschauen, dann sind unter Ihrer Verantwortung in Ihrer Regierungszeit allein in den Jahren 2016 und 2017 3 144 Bäume weniger auf den Straßen stehend seitdem, weil

(Andrea Oelschläger)

einfach mehr gefällt als nachgepflanzt wurde. Wie wollen Sie damit in Zukunft umgehen, wie wollen Sie den Kahlschlag in unserer Stadt stoppen? Denn alles, was ich von Ihnen höre, ist, dass Sie auf Biotope setzen wollen, während unsere Straßen aber veröden. Und da erwarte ich ein klares Signal vom Senat und einen Stopp dieses Kahlschlags in unseren Wohnquartieren, Herr Senator.

(Beifall bei der CDU und bei Andrea Oel- schläger AfD – Dr. Monika Schaal SPD: Ein neuer Grünfink in der CDU!)

Vielen Dank für die Frage, Herr Abgeordneter. Sie haben vielleicht zur Kenntnis genommen, dass Sie jetzt auf einen Bezirk hingewiesen haben, wo auch aus meiner Sicht im Moment die Situation unbefriedigend ist, weil eben die von meiner Behörde zur Verfügung gestellten Mittel für die Baumnachpflanzung vom Bezirk Eimsbüttel für andere Dinge ausgegeben werden. Das sind sicherlich Themen, an denen wir weiterhin arbeiten werden.

(Philipp Heißner CDU: Wer regiert denn da?)

Ich will aber nur auf eines hinweisen: Bevor wir ins Amt gekommen sind und ich ins Amt gekommen bin, hatten wir eine Negativbilanz bei der Baumnachpflanzung von weit über 2 000 Bäumen. Das haben wir auf wenige Dutzend oder Hunderte reduziert. Insofern ist der Trend, den Sie hier an die Wand gemalt haben, nicht richtig, sondern im Gegenteil, wir haben den Trend umgekehrt, das sollte man dabei nicht vergessen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Insofern ist es deshalb natürlich auch heute bei diesem Biotopverbund wichtig, darauf hinzuweisen – Herr Gamm, Sie haben recht –, auf der Karte an der Grenze zu den Nachbarländern wird es grau, aber in der Abstimmung des Biotopverbunds haben wir uns natürlich mit den Nachbarländern und den Nachbarkommunen abgestimmt. Und auch, wenn es aus föderalen Gründen in unserem Kartenwerk nicht aufgeführt wird, der Biotopverbund geht an der Landesgrenze weiter, und das sieht man auch daran, dass der gemeinsame Ausschuss zwischen der Landesregierung der Freien und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein diese Planungen genauso einstimmig verabschiedet hat, wie es unsere Ausschüsse getan haben. Wir denken über die Grenzen hinaus. Das ist im Sinne der Natur notwendig.

Insofern freue ich mich natürlich – es kommt nicht oft vor, wenn man als Senator einen Plan vorlegt –, dass sowohl der Umweltausschuss als auch der Stadtentwicklungsausschuss einstimmig der Bürgerschaft die Zustimmung empfehlen und, wie ich es eben schon erwähnt habe, auch der gemeinsame Ausschuss zwischen Schleswig-Hol

stein und Hamburg. Insofern kann ich konstatieren, Hamburg, die Bürgerschaft und der Senat haben gemeinsam die wichtige Aufgabe erkannt, die Vielfalt unserer Natur in unserer Stadt zu fördern.

Vielleicht, Herr Jersch, auch wenn es in Teilen dieses Biotopverbunds, wie es fachlich so richtig heißt, eine planerische Sicherung bedeutet, sollte man das wirklich nicht so geringschätzen, denn eine planerische Sicherung bedeutet, dass sämtliche Dienststellen dieser Stadt, die mit der Planung beschäftigt sind, Biotopkriterien, Artenschutz in ihre Abwägungen einbeziehen müssen. Das war in der Vergangenheit nicht so, insofern ist das ein großer Fortschritt für ein einheitliches Handeln aller Dienststellen in dieser Stadt, weil das jetzt ein verbindliches Planungswerk für alle Dienststellen dieser Stadt ist. Das sollte man nicht kleinreden, wie Sie es getan haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Und in der Tat ist das ein Prozess, der viele Jahre gedauert hat, auch schon vor meiner Amtszeit begonnen hat, insofern nehme ich jetzt einfach einmal die einstimmige Zustimmung der Ausschüsse als Anerkennung des Sachverstands und des enormen Einsatzes der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meiner Naturschutzabteilung und der beteiligten Behördenmitarbeiter bei der Erfassung, der Bewertung und der Kartierung der Flächen und der Biotope, und werde das auch gern weitergeben an die Mitarbeiter, die mit sehr viel Herzblut in den letzten Jahren dazu beigetragen haben, dass wir diesen doch bedeutenden Schritt für den Naturschutz in unserer Stadt gehen können.

Nachdem wir es geschafft haben, diese Flächen zu sichern, werden wir jetzt vorangehen, um die Qualität in den Gebieten noch weiter voranzubringen. Wenn es denn in der Drucksache so richtig heißt, dass nur die Hälfte der Landschaftsschutzgebiete aus artenschutzrechtlicher Sicht wertvoll ist, bedeutet das natürlich nicht, dass die anderen Landschaftsschutzgebiete nicht wertvoll sind, aber sie sind eben für den Artenschutz, um den es bei dem Biotopverbund doch in erster Linie geht, nicht so entscheidend wie diese Flächen, die durchaus naturschutzfachlich wichtig sind. Im Übrigen, auch die 3,9 Prozent der Prüfflächen, die jetzt ausgewiesen wurden, sind aus Sicht meiner Behörde durchaus biotopschutzwürdig.

Insofern geht es in den nächsten Jahren darum, das, was wir jetzt bewahrt haben, dann in der Qualität voranzubringen. Ich hoffe, dass wir, wenn es darum geht, eine genauso große Einigkeit an den Tag legen, wie wir das jetzt bei der Ausweisung des Biotopverbunds getan haben. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich, dass wir heute diesen großen Schritt, an dem viele Jahre gearbeitet wurde, erfolgreich und gemeinsam beschritten haben. – Vielen Dank.

(Carsten Ovens)

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Senator Kerstan. Die zweite Runde ist eröffnet, aber ich sehe keine Wortmeldungen. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer also möchte der Empfehlung des Ausschusses für Umwelt und Energie aus Drucksache 21/ 16227 folgen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dies wurde dann einstimmig angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 38, Drucksache 21/16189, ein Antrag der Fraktion DIE LINKE: Ein humanitäres Aufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Geflüchtete entwickeln.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Ein humanitäres Aufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Geflüchtete entwickeln – Drs 21/16189 –]

Diese Drucksache möchten die Fraktionen der SPD, der GRÜNEN und der LINKEN an den Innenausschuss überweisen. Die Fraktion DIE LINKE beantragt zusätzlich die Mitberatung im Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration.

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Frau Schneider von der Fraktion DIE LINKE, Sie haben es.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen mit unserem Antrag nichts Unmögliches. Wir wollen ein Landesaufnahmeprogramm, mit dem Hamburg jährlich mindestens 100 besonders schutzbedürftige Geflüchtete aufnimmt, insgesamt mindestens 500, Geflüchtete, deren Schutz in den Aufnahmestaaten nicht gewährleistet ist und die daher darauf angewiesen sind, in anderen Staaten neu angesiedelt zu werden.

(Beifall bei der LINKEN)

In den letzten Monaten haben drei Bundesländer ein solches humanitäres Landesaufnahmeprogramm in vergleichbarer Größenordnung auf den Weg gebracht, Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein. Drei Bundesländer, die weit weniger finanzstark sind als Hamburg. Dennoch hat etwa der Schleswig-Holsteinische Landtag 2018 einstimmig bei Enthaltung der AfD ein Landesaufnahmeprogramm für insgesamt 500 besonders vulnerable Geflüchtete beschlossen, das der CDU-Innenminister, auch er heißt Grote, als bescheidenen Beitrag würdigte.

Ja, es geht auch in unserem Antrag um einen bescheidenen Beitrag, 100 Geflüchtete mindestens bei einer Gesamtkapazität von mindestens 500,

bescheiden angesichts von fast 69 Millionen Geflüchteten weltweit, bescheiden angesichts der großen Beiträge, die arme Aufnahmeländer wie zum Beispiel Pakistan, Uganda, Libanon, Bangladesch und andere leisten. Der UNHCR hat für 2018 drei Regionen eine besondere Priorität für Resettlement-Programme zugemessen, darunter Libyen. Vor einigen Wochen nun hat Kanada angekündigt, 700 Geflüchtete aufzunehmen, die in Libyen wie Sklaven gehalten wurden, sowie weitere 100 Menschen, die aus Gefängnissen und Lagern in Libyen gerettet werden konnten und in Flüchtlingslagern im Niger leben. Zum Vergleich, aus dieser Gruppe von Geflüchteten hat das Bundesinnenministerium nur die Aufnahme von 300 zugesagt. Das ist beschämend wenig für ein reiches Land wie die Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der LINKEN und bei Anna Gallina GRÜNE)

Es kann längst von niemandem mehr bestritten werden, Libyen ist die Hölle für Geflüchtete. Wer über Libyen nach Europa zu flüchten versucht, ist in Gefahr, verhaftet oder gekidnappt zu werden. Die Zustände in den offiziellen libyschen Gefängnissen sind katastrophal. Oft sind mehr als 70, manchmal sogar 150 Menschen in einer Zelle, ohne ausreichenden Platz, Luft, Essen, Trinken, medizinische Versorgung, und oft willkürlicher Gewalt ausgesetzt.

Was aus den von Menschenhändlern betriebenen Lagern bekannt wird, ist noch schlimmer. Die Gefangenen werden geschlagen, gefoltert, vergewaltigt, als Sklaven oder für Organhandel verkauft, für Zwangsarbeit missbraucht, und viele werden hingerichtet. Das ist bekannt. Das ist der EU bekannt, das ist Deutschland bekannt, wie ein öffentlich gewordener Bericht des Europäischen Auswärtigen Dienstes zeigt und wie die Bundesregierung auch eingeräumt hat. Trotzdem kooperiert die EU mit der libyschen Küstenwache, unterstützt sie finanziell, bildet sie aus und rüstet sie militärisch auf. Nach Schätzungen von Ärzten ohne Grenzen wurden im ersten Halbjahr 2018 rund 12 000 Menschen mit Unterstützung der EU von dieser Küstenwache aufgebracht und nach Libyen gebracht. Das ist unerträglich.

Hamburg muss sich für die Beendigung dieser Art Zusammenarbeit stark machen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Anna Gallina und Ulrike Sparr, beide GRÜNE)

Und Hamburg muss das Mögliche tun, um Geflüchtete aus den Fängen ihrer Folterer zu befreien und sie aufzunehmen, oder Geflüchtete, die den libyschen Gefängnissen und Lagern entkommen, die physisch und psychisch zerstört sind, für die es oft keine Perspektive gibt, in ihr Herkunftsland zurückzugehen, die ohne Zukunft in Lagern im Niger leben, und denen, wenn sie noch etwas Kraft und

(Senator Jens Kerstan)

Mittel haben, nur die Alternative bleibt, erneut den gefährlichen Weg über Libyen und dann das Mittelmeer zu suchen, mit dem hohen Risiko zu ertrinken.

Mindestens 100 schwer traumatisierte, besonders schutzbedürftige Geflüchtete im Jahr, das ist ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts der vielen Tausende dieser Flüchtlinge in derselben verzweifelten Situation. Das ist das Mindeste, was Hamburg leisten kann zusätzlich zur Aufnahme der Geflüchteten, die im Rahmen der Umverteilung nach Hamburg kommen, und auch zusätzlich zu den Geflüchteten, die im Rahmen verschiedener Programme und Zusagen – sicherer Hafen – nach Hamburg kommen.

Eines ist sicher, und das sage ich mit Blick auf die vielen, vielen Aktiven, unter anderem von Seebrücke, die zum Teil mit Vertretern hier vertreten sind: Die in erheblichen Teilen solidarische Stadtgesellschaft ist bereit für die Aufnahme schwersttraumatisierter Geflüchteter und sie wäre auch bereit, mehr aufzunehmen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Mit unserem Antrag fordern wir den Senat auf, Eckpunkte für die Umsetzung eines solchen humanitären Landesaufnahmeprogramms auszuarbeiten. Weitere Fragen können wir dann ausführlich im Innenausschuss diskutieren. Aber vielleicht komme ich auch noch einmal in einer zweiten Runde wieder. – Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Schneider. – Als Nächster erhält das Wort Herr Wysocki von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielleicht ein paar grundsätzliche Vorbemerkungen zu dem Antrag. Hamburg zeigt bereits auf vielen Feldern humanitäres Engagement, und insbesondere für Geflüchtete. Wir müssen uns also nicht unbedingt an den Beispielen anderer Bundesländer orientieren, sondern hier gehen wir mitunter auch selbst voran. Lassen Sie mich zwei Beispiele dafür nennen.