Protocol of the Session on January 30, 2019

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will jetzt noch einmal an einem Beispiel verdeutlichen, welchen Geist die Gebührenordnung atmet und welche Auswirkungen das hat. Stellen Sie sich vor – und das ist keine erfundene Geschichte –, Sie seien krank und warteten gerade darauf, dass Ihnen Krankengeld bewilligt wird. Das dauert und Sie haben kaum noch etwas zu essen. In dem Moment kommt f & w fördern und wohnen und verlangt von Ihnen die volle Unterkunftsgebühr. Sie legen den Nachweis über das Krankengeld vor, sagen wir, 900 Euro im Monat, es können aber auch 700 Euro sein. Und trotzdem sollen Sie zum Grundsicherungsamt gehen. Begründung: Damit wir die volle Gebühr bekommen. Wer rechnet, wird merken: Mit der ermäßigten Gebühr würde das reichen, wenn man 210 Euro zahlen muss, sogar bei 700 Euro. Aber wenn man 590 Euro zahlen muss, dann bleibt eben zu wenig zum Leben und dann muss aufgestockt werden. Das will nun aber nicht jeder und das muss auch nicht jeder. Aber f & w fördern und wohnen bleibt dabei, es will die volle Gebühr haben und fragt täglich nach, wo denn das Geld bleibe. Irgendwann sind Sie so entnervt, wollen nur raus bei f & w fördern und wohnen, auch wenn Obdachlosigkeit droht. Und was passiert dann? Man lässt Sie nicht einfach gehen. Sie müssen vorher noch ein Schuldanerkenntnis über die volle Gebührenhöhe unterschreiben. Und das ist nicht erfunden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist eine Praxis, Frau Leonhard, die Sie unterbinden sollten.

Das Beispiel zeigt: Die Gebührenordnung zielt darauf ab, dass f & w fördern und wohnen die Leute zum Amt schickt, weil es die vollen Gebühren kassieren will. Es gibt aber keinen Zwang zum Sozialleistungsbezug. Dem müssen Sie ein Ende setzen, Frau Senatorin.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sehen an dem Beispiel: Es gibt die Gebührengerechtigkeit, von der Sie hier die ganze Zeit geredet haben, eben nicht. Die ist nicht gewährleistet. Die ist noch nicht einmal durch das Verfahren ge

(Senatorin Dr. Melanie Leonhard)

währleistet, weil nämlich gar nicht von vornherein geprüft wird, ob jemand ermäßigte Gebühren zahlen muss oder nicht. Und es gibt auch keine Rechtssicherheit durch die Härtefallklausel bei der Überprüfung der Gebühren. Für Gebührenermäßigung muss es eine gerechte Lösung für Selbstzahlerinnen und Selbstzahler geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Übrigen: Ich bekomme Zuschriften aus ganz Deutschland. Die Leute sind uns dankbar für diese Initiative, die wir ergriffen haben, weil es anderswo sehr oft auch so ist.

Ich nenne trotzdem noch einmal das Beispiel Stuttgart. Das, was Sie da erzählt habe, stimmt nämlich auch nicht. Sie zeigen damit sogar, dass es gar nicht nötig ist, kostendeckend zu sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber dort ging es insbesondere darum, den Zwang zum Sozialleistungsbezug für die Selbstzahlerinnen und Selbstzahler abzuschaffen, und das ist unter Mitwirkung der SPD-Ratsfraktion passiert.

Also noch einmal, Frau Senatorin: Machen Sie endlich den Schritt hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Giffei von der SPD-Fraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kollegin Ensslen! Sie fragen, warum man das vielleicht noch einmal hätte an den Ausschuss überweisen können. Ganz einfach: Sie haben ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das erst einmal eine beachtliche Rechtsauffassung darstellt, das ist doch völlig unbestritten. Das ist sehr detailliert ausgearbeitet. Und natürlich hätte man die dort aufgeworfenen Kritikpunkte und Fragen im Ausschuss besprechen können, wenn man denn daran ein Interesse gehabt hätte.

Was Sie hier aber tun, finde ich sehr erstaunlich, muss ich sagen. Denn sehen wir uns doch einmal an, wie diese Gebühren in der Praxis in der Regel wirken. In der Regel wirken sie so, dass diejenigen, die im Leistungsbezug sind, die Leistungserstattung vom Leistungsträger bekommen, diejenigen, die sehr wenig verdienen, aufstocken müssen, andere eine ermäßigte Gebühr zahlen. Wenn Sie die Gebühren jetzt senken, dann werden Sie bei weit über 90 Prozent der Leute nicht etwa deren Ausgaben senken, also nicht dem Sozialstaatsprinzip folgend diese Menschen entlasten, sondern Sie entlasten die Leistungsträger und bei den Kosten der Unterkunft den Bund. Sie entlasten also vor allen Dingen den Bundeshaushalt und es geht hier nach der Gebührenreform 2018 um immerhin etwa 50 Millionen Euro im Jahr. Das ist ja

kein Pappenstiel, der in der Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern dadurch, dass wir die Kosten jetzt realistisch abbilden, zu Recht vereinbarungsgemäß fairerweise in Hamburg landet. Und das, finde ich, müssen Sie doch einmal zur Kenntnis nehmen,

(Beifall bei der SPD)

statt zu argumentieren, es sei unzumutbar, einen Antrag zu stellen, wenn man leistungsberechtigt sei. Das müssen in diesem Land alle machen. Wenn Sie sozialleistungsberechtigt sind, wenn Sie Sozialleistungen beziehen wollen, wenn Sie Grundsicherung beziehen wollen, müssen Sie einen Antrag stellen. Und das ist nicht unzumutbar, ganz im Gegenteil, das, finde ich, gehört in diesem Staat dazu. Und diese Menschen sind mit denjenigen, die sie mit dem Bescheid belasten, mit f & w fördern und wohnen, jeden Tag in Kontakt über das Unterkunfts- und Sozialmanagement. Sie haben es also auch noch besonders leicht, Widerspruch zu erheben und auf einen Härtefall hinzuweisen.

Ich kann es, ehrlich gesagt, nicht verstehen, mit welcher Vehemenz Sie hier von Einzelfallkonstruktionen ausgehend das gesamte Konstrukt kritisieren. Man hätte sich über Kalkulationsfragen sehr gut austauschen können. Ich finde es fast ein bisschen schade, dass wir das jetzt nicht machen. Wir haben die dauerhafte Selbstbefassung zur Situation der Geflüchteten. Vielleicht haben wir da noch einmal Gelegenheit dazu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Ich habe keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen. Dann können wir zur Abstimmung kommen.

Wer also möchte den Antrag der Fraktion DIE LINKE aus der Drucksache 21/15732 beschließen? Den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zum Punkt 49 unserer Tagesordnung, Antrag der FDP-Fraktion: Lebenslanges Lernen voranbringen: Offene Hochschulen für Hamburg.

[Antrag der FDP-Fraktion: Lebenslanges Lernen voranbringen: Offene Hochschulen für Hamburg – Drs 21/15841 –]

Die AfD-Fraktion möchte diese Drucksache an den Ausschuss für Wissenschaft und Gleichstellung überweisen.

(Dr. Carola Ensslen)

Wird das Wort gewünscht? – Herr Oetzel von der FDP-Fraktion bekommt es.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In unserer modernen Gesellschaft ist Wissen eine der wertvollsten, wenn nicht gar die wertvollste Ressource. Der Zugang zu Wissen über Bildung und Wissenschaft ist daher der wichtigste Türöffner für eine Teilhabe an der Gesellschaft und nicht zuletzt tragender Pfeiler des Aufstiegsversprechens. Es ist daher eine der vordringlichsten Aufgaben der Politik, Bildungszugänge auf allen Ebenen niedrigschwellig verfügbar zu machen.

(Befall bei der FDP)

Das gilt nicht nur für frühkindliche Bildung und unser Schulsystem, sondern auch für die Erwachsenenbildung, die Hochschulen und das lebenslange Lernen – gerade für diese Bereiche, wo doch das anwendbare Wissen in der Praxis heute eine deutlich geringere Halbwertszeit hat als früher.

Was ist denn zum Beispiel, wenn jemand beschließt, dass er mit Mitte 40 gern über vertiefte Wirtschaftskompetenz oder über wissenschaftlich fundierte Kenntnisse in den Bereichen Grafikdesign, Chemie oder Norwegisch verfügen würde? Wer mitten im Berufsleben steht, hat oft nicht die Möglichkeit, neben dem Alltag ein Bachelor- oder Masterstudium zu absolvieren. Da sind die Möglichkeiten dann sehr begrenzt. Und an dieser Stelle setzen wir heute mit unserem Antrag an. Wir wollen niedrigschwellige Zugänge schaffen, die es allen Menschen ermöglichen, sich weiterzuqualifizieren oder sich auch einfach nur aus persönlicher Neugier weiterzubilden. Ermöglichen wir den Hamburgern eine flexible Teilnahme an Lehrveranstaltungen, und zwar so, dass sie am Ende auch ein aussagekräftiges Zertifikat mit nach Hause nehmen können. So schafft man Möglichkeiten zielgerichteter Weiterbildung, beugt dem Fachkräftemangel vor und so erfüllt man das Aufstiegsversprechen für Menschen jeden Alters und jeden Hintergrunds.

(Befall bei der FDP)

Wir wollen bei der Umsetzung des Konzepts natürlich auch auf digitale Angebote setzen, denn diese kennen keine Beschränkung von Zeit, Raum oder Zielgruppe. In Hamburg gibt es mit der Hamburg Open Online University bereits erste Ansätze. In weiten Teilen ist der Zugang zur Hochschule aber dem 19. und 20. Jahrhundert immer noch sehr nahe. Unsere Universitäten können noch so exzellent sein, sie verspielen großes Potenzial, wenn das Wissen nur an die unmittelbar Anwesenden und Eingeschriebenen weitergegeben wird. In Zeiten von Breitband-Clouds und Livestreams ist das potenzielle Publikum viel, viel größer.

Wir wissen nicht, wann, wo und unter welchen Umständen das nächste Genie auf die Bühne des Weltgeschehens treten wird. Wir wissen nicht, wie alt dieser Mensch sein wird, woher er kommt oder was ihn ausmacht. Vielleicht erinnern Sie sich: Als die Universität Stanford allen Interessierten einen kostenlosen Onlinekurs zum Thema künstliche Intelligenz anbot, meldeten sich weltweit mehr als 160 000 Menschen für diesen Kurs an. Davon bestanden 23 000 die Abschlussprüfung und bekamen ein Zertifikat der Eliteuniversität. Der beste Stanford-Student kam da nur auf Platz 412. Eine der Absolventinnen des Kurses war Kadisha, ein Mädchen aus Lahore in Pakistan. Ein Rechner mit Internetzugang hat ihr den Zugang zu einigen der hochwertigsten und besten Studieninhalte an einer der besten Universitäten der ganzen Welt ermöglicht und sie hat dieses Zertifikat erwerben können. Wir setzen uns dafür ein, dass solche Geschichten auch in Hamburg für Menschen jeden Alters möglich sind.

(Befall bei der FDP)

Wir werden damit nicht nur den Anforderungen an eine moderne Wissensgesellschaft gerecht, wir tun nebenbei etwas gegen den Fachkräftemangel und ermöglichen allen Bürgern Hamburgs mehr Chancen auf Qualifikation und Selbstverwirklichung. Stimmen Sie unserem Antrag zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Herr Dr. Tode von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lebenslanges Lernen, Weiterbildung und Aufstieg durch Bildung, das gehört zur sozialdemokratischen DNA.

(Dirk Nockemann AfD: Gehörte!)

Gehört immer noch.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Deswegen, aber nicht nur deswegen, haben wir bereits vor zwei Jahren eine Große Anfrage zu Weiterbildungsangeboten der Universitäten gestellt; die Drucksache 21/7364 gibt Ihnen auf 63 Seiten einen ausführlichen Überblick über alle Weiterbildungsmaßnahmen an den Hamburger Universitäten, sowohl privat wie staatlich. Insofern freuen wir uns, dass auch die FDP-Fraktion nach zwei Jahren dieses Thema entdeckt hat, insbesondere weil ich glaube, dass wir mit Ihnen, Herr Oetzel, eine andere FDP haben, als wir sie mit Herrn Dr. Schinnenburg hatten,

(Beifall bei René Gögge GRÜNE)

der uns immer wieder gesagt hat: privat, privat, privat. Und noch mal: privat, privat, privat. Sie sind mittlerweile dabei zu erkennen, dass auch die

(Vizepräsidentin Barbara Duden)

staatlichen Hochschulen hier ein hervorragendes Angebot liefern. Es freut mich, das muss ich wirklich anerkennend feststellen, dass Sie gesagt haben, auch in Ihrem Antrag haben, die Hamburg Open University