Protocol of the Session on October 17, 2018

Da darf man sich schon die Frage stellen, was in dieser Behörde eigentlich die letzten drei Jahre passiert ist. Und nun brach bei den GRÜNEN offenbar Panik aus, da nun die sehr reale Gefahr bestand, dass die Stadt nicht zurückkaufen darf, weil sie ansonsten gegen die Landeshaushaltsordnung verstoßen würde.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Nein, das tut sie nicht!)

Wie ernst Teile des Senats diese Gefahr eingeschätzt haben, hat exemplarisch die Beauftragung eines Strafrechtsgutachtens durch Senator Dressel gezeigt. Dann wurde uns plötzlich eine meiner Lieblingsgeschichten, die Chinesenlegende, aufgetischt, ein weiterer durchschaubarer Versuch, einen Vergleich zu den Vorgängen rund um den Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz zu konstruieren, um darüber jeden Preis zu rechtfertigen. Als all das noch nicht zum Erfolg geführt hat, hat die BUE kurzerhand ein eigenes Gutachten bei einer Berliner Unternehmensberatung in Auftrag gegeben – wohlgemerkt: einer Unternehmensberatung und nicht einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

(Beifall bei der CDU)

Denn durch den Druck des BDO-Gutachtens sahen die GRÜNEN plötzlich ihre Felle davonschwimmen. Erstaunlich daran ist, dass das BUEKonzept innerhalb von wenigen Wochen nun doch plötzlich bewertet werden konnte. Da frage ich mich schon: Was ist da passiert? Hat Senator Kerstan seinen Mitarbeitern eine Familienpackung Ritalin auf den Schreibtisch gestellt

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Was ist denn das für ein Müll, den Sie erzählen?)

oder hat man einfach das Konzept von Vattenfall genommen und einige Parameter verändert? Nun, diese Frage wird sich durch die Akteneinsicht wohl klären lassen. Und dann geschah, meine Damen und Herren, das Wunder: Bei diesem Gutachten kamen nun völlig überraschend ganz andere Werte

heraus. Plötzlich war die Fernwärme wieder über 1 Milliarde Euro wert; Verwirrung komplett.

(Zuruf von Karl-Heinz Warnholz CDU)

Das Problem dieser beiden Gutachten besteht jedoch darin, dass sie nicht vergleichbar sind. In dem Kerstan-Gutachten wurde nämlich nicht der objektivierte sondern der subjektivierte Unternehmenswert ermittelt und es wurde ein gänzlich anderes Energiekonzept betrachtet. Wenn Sie diese Ergebnisse dennoch vergleichen, können Sie auch Bananen mit Tiefkühltruhen vergleichen, das hätte nämlich eine ähnliche Aussagekraft.

(Dirk Kienscherf SPD: Ein Blödsinn!)

Wie beliebig und abhängig dieses Gutachten von seinem Auftraggeber, sprich von Senator Kerstan, ist, zeigt sich an der Argumentation des wundersamen Wertzuwachses auf über 1 Milliarde Euro. So wird der plötzlich hohe Wert damit begründet, dass die Rendite aus Sicht eines öffentlichen Eigentümers ja viel niedriger angesetzt wird als durch einen privatwirtschaftlichen Eigentümer, und je niedriger die Rendite beziehungsweise der Abzinsungsfaktor, desto höher der Unternehmenswert. Peinlicherweise hat dieselbe Beratung im September 2013 im Auftrag des BUND schon einmal eine Bewertung der Fernwärme vorgenommen, und dort kann man auf Seite 7 lesen: Der Unternehmenswert der Vattenfall Wärme ist deshalb so hoch, weil die Fernwärmeversorgung eine so hohe Rendite ausschöpft. Sie können diese Widersprüchlichkeit gern noch einmal in Ruhe durchdenken und Ihre eigenen Schlüsse ziehen. So werden unsere hanseatischen Grundsätze als gewissenhafte Kaufleute auf dem Altar der Ökopopulisten geopfert.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Da wird kurzerhand nicht eine wirtschaftlich vernünftige Rendite, sondern eine politische Rendite festgelegt, um so eine Entscheidung mit geradezu dramatischen Folgen zu begründen.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Was wäre denn eine vernünftige Rendite? 5,5 Prozent?)

Und die Folgen sind dramatisch. Diese Entscheidung wird die Hamburgerinnen und Hamburger eben nicht nur 950 Millionen Euro kosten, denn die Planungen sehen vor, dass die künftige städtische Gesellschaft insgesamt 1 Milliarde Euro in neue Anlagen investieren muss. Meine Damen und Herren, wir sprechen hier also nicht über 950 Millionen Euro, sondern in Wahrheit über 2 Milliarden Euro.

Nun kann es auch für sehr hohe Investitionen immer gute Gründe geben. Hierbei sind insbesondere zwei Zielsetzungen maßgeblich. Erstens: Ich steigere durch die Investition die Effizienz meiner Produktion. Das heißt, ich kann in diesem Falle Wärme günstiger produzieren als vorher. Oder zweitens: Ich steigere dadurch die Erzeugungs

menge und kann diese auch absetzen und erziele so mehr Umsätze und infolgedessen auch mehr Erträge. Beide Ziele werden durch das BUE-Konzept aber nicht erreicht, denn die Energieerzeugung wird künftig sogar noch deutlich teurer. Denn selbst wenn die Preise für CO2-Zertifikate künftig weiter steigen werden, wovon tatsächlich auszugehen ist, und Gas etwas weniger stark davon betroffen wäre als Steinkohle, würde das keinen nennenswerten Effekt haben. Und mehr Absatz wird sich kaum realisieren lassen, da der Absatzmarkt für Wärme sich nur sehr langsam entwickelt. Dennoch versucht der Senat uns nun einzureden, dass dieses Konzept für 1 Milliarde Euro keinen dramatischen negativen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der neuen städtischen Wärmegesellschaft hat.

Was Sie uns hier eigentlich erzählen, möchte ich kurz anhand eines Beispiels erläutern. Stellen Sie sich kurz vor, wir nehmen Beiersdorf, Beiersdorf ist 20 Milliarden Euro wert. Und jetzt sagt man: Ihr müsst den gesamten Unternehmenswert in neue Fertigungsanlagen investieren. Also muss sich Beiersdorf 20 Milliarden Euro Kapital beschaffen. Dann werden die Produktionsanlagen alle komplett ausgetauscht. Wir gehen davon aus, Beiersdorf produziert nur Nivea-Dosen. Die Folge wäre dann, dass aber nicht die Produktion einer jeden einzelnen Nivea-Dose billiger wird, nein, sondern sie wird viel teurer, und Sie würden auch keine einzige Dose mehr verkaufen. Und das soll alles keinen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit haben und damit auch nicht auf die Preise?

(Zuruf von Phyliss Demirel GRÜNE)

Das ist wirtschaftlich an Unlogik nicht mehr zu überbieten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es bleibt noch ein drittes Ziel, die Verringerung des CO2-Ausstoßes. Und mit diesem Aspekt landen wir mitten in Absurdistan. Natürlich kann man theoretisch auch unwirtschaftlichere Lösungen vertreten und damit begründen, dass der Ausstoß von CO2 dadurch verringert wird. Nur genau das wird eben nicht geschehen. Wir wissen von der BUE selbst, dass es keinen Unterschied bei der CO2-Emission zwischen dem Kerstan-Konzept und dem Konzept von Vattenfall und der HGV gibt. Sollte Moorburg für die Wärme-Kopplung angeschlossen werden, wäre natürlich schon ein Anteil der Abwärme aus der Stromerzeugung vorhanden. Dennoch müsste das Kraftwerk mehr Kohle verbrennen – das ist richtig – als vorher, um die zusätzlich benötigte Wärme zu produzieren.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Ah ja!)

Doch genau dieses Hochfahren des Kraftwerks würde genau so viel CO2 ausstoßen wie das Gaskraftwerk von Senator Kerstan. Wir haben es hier also mit einem klimapolitischen Nullsummenspiel

zu tun, das uns alle am Ende 2 Milliarden Euro kosten wird.

Welche politische Motivation dahintersteckt, ist vollkommen klar. Gerade angesichts der aktuellen emotionalisierten Klimadiskussion möchten die Hamburger GRÜNEN natürlich auf der Welle der Anti-Kohle-Hysterie mitsurfen

(Heike Sudmann DIE LINKE: Was heißt hier Hysterie?)

und sich im Vorfeld der Bürgerschaftswahl 2020 als weißer Ritter positionieren.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb wurde jetzt auf Biegen und Brechen ein Konzept zusammengebastelt, das als einziges Ziel hatte, das Kraftwerk Moorburg außen vor zu lassen, alle anderen Ziele waren zweitrangig. Und so haben die GRÜNEN alles auf eine Karte gesetzt, um ihre ökopopulistische Forderung ohne Sinn und Verstand zulasten der Hamburger Steuerzahler auf Biegen und Brechen und letzten Endes auch auf Kosten der SPD durchzusetzen.

Objektiv hat dieser Senat in der Energiepolitik für Hamburg in den vergangenen dreieinhalb Jahren fast nichts erreicht. Daher kann man fast von einer bleiernen Zeit der Ergebnislosigkeit sprechen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dirk Kienscherf SPD: Sie haben gar nichts mitge- kriegt!)

Der Zeitpunkt, zu dem Wedel endlich stillgelegt wird, wird klammheimlich immer weiter nach hinten geschoben. Vor einigen Monaten sprachen die GRÜNEN noch von 2021, dann von 2022, gestern habe ich 2023 gehört, und in der Drucksache zum Rückkauf, die ja offenbar Journalisten mittlerweile früher zugänglich gemacht wird als den Abgeordneten, wird bereits von 2024 gesprochen. Doch die Wahrheit dürfte wohl eher bei 2026 bis 2028 liegen, denn alle anderen Konzeptbausteine müssten natürlich zuvor realisiert werden, erst dann kann in Wedel der Stecker gezogen werden. Und wer weiß, vielleicht wird der Leitungsbau unter der Elbe ja noch beklagt, weil der BUND als Organisation traditionell jedes wichtige Infrastrukturprojekt in unserer Stadt blockieren will und plötzlich den Schierlingswasserfenchelschlickwurm findet; wir wissen es nicht.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU Hamburg verfolgt das Ziel, langfristig zu einer vollständig CO2-freien Wärmeversorgung zu kommen. Hierfür wäre es ökologisch und wirtschaftlich vernünftiger, einen Teil der Wärme aus Moorburg auszukoppeln und auf den Bau eines überflüssigen und sehr teuren zusätzlichen Gaskraftwerks zu verzichten. Denn niemand in ganz Deutschland baut heutzutage noch ein neues Gaskraftwerk. Die Nutzung bereits bestehender Kraft

werkskapazitäten wäre deutlich günstiger, viel schneller realisierbar und würde so zu einer deutlich zügigeren Stilllegung des Kraftwerks in Wedel führen – und das, meine Damen und Herren, wäre gut fürs Klima. Parallel können dann sukzessiv dezentrale Versorgungslösungen aufgebaut werden, die den Anteil von Moorburg laufend verringern würden. Wir haben hierzu bereits zahlreiche Anträge eingebracht und werden dies auch weiterhin tun, auch wenn Rot-Grün diese bislang alle abgelehnt hat.

Neben unseren Forderungen nach Tiefengeothermie, oberflächennaher Geothermie und Wärmetauschern halten wir auch den Bau von sogenannten Power-to-Heat-Anlagen für sehr sinnvoll. So wurden allein in Schleswig-Holstein 2017 rund drei Terawattstunden erneuerbare Energien abgeregelt, was rund 14 Prozent der Stromerzeugung ausmacht, und hierfür waren Entschädigungszahlungen in Höhe von 351 Millionen Euro fällig. Hamburg könnte als sogenannte Wärmesenke einen wichtigen Beitrag leisten, damit künftig weniger Strom abgeregelt werden muss, sondern besser genutzt wird. Mit dem Kraftwerk Moorburg würde das problemlos funktionieren, da es so flexibel gesteuert wird, dass die Leistung innerhalb von zehn Minuten an die veränderte Lage angepasst werden kann. Ich bin der festen Überzeugung, dass das der mit Abstand sinnvollere Weg ist.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Politisch haben die GRÜNEN einen klaren Punktsieg gelandet und die SPD am Nasenring durch die politische Manege gezogen.

(Dirk Kienscherf SPD: Was? Kommt mir gar nicht so vor!)

Angesichts der nun drohenden Ausgaben in Höhe von 2 Milliarden Euro bei gleichzeitigem Nulleffekt für den CO2-Ausstoß im Vergleich zu dem anderen Konzept wundere ich mich doch schon, weshalb es in dieser Stadt keinen kollektiven Aufschrei der Entrüstung gibt. Wir als CDU-Bürgerschaftsfraktion sehen uns zusammen mit der FDP in dieser politischen Grundsatzfrage als letzte Verteidiger des gesunden Menschenverstands,

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Letzterer ist diesem Senat nämlich offenkundig abhandengekommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort erhält nun Frau Dr. Schaal für die SPD-Fraktion.

(Zurufe)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Gamm, was Sie hier ab

geliefert haben, hörte sich streckenweise an wie die Bewerbung um einen Platz bei "Wider den tierischen Ernst";

(Dennis Thering CDU: Da sind Sie die Größ- te, Frau Schaal!)