Protocol of the Session on June 27, 2018

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Aufgaben und Anforderungen an unsere Sicherheitsbehörden verändern sich stetig und nicht zuletzt lehren uns die Erfahrungen aus dem G20-Einsatz, dass wir die Leistungsfähigkeit unserer Polizei ständig weiterentwickeln müssen. Wir treiben deshalb mit großem Aufwand den Personalaufbau bei der Polizei voran. Wir investieren an vielen Stellen in die technische Ausstattung, die Ausrüstung, die Qualifikation und die Arbeitsbedingungen unserer Polizei.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Der nächste wirklich weitreichende Schritt – und das ist, das muss dann schon sagen, tatsächlich eine ganz klare Konsequenz aus G20 – wird die Modernisierung unserer Landesbereitschaftspolizei sein. Ich habe gemeinsam mit der Polizeiführung entschieden, dass wir unsere Bereitschaftspolizei personell und qualitativ deutlich stärken und auch in der Organisationsstruktur ein Stück weit neu aufstellen werden. Kern der Maßnahme wird die Aufstockung der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten um eine dritte 40 Mann starke Einheit für besondere Aufgaben sein.

(Dennis Thering CDU: Zum Thema!)

(Dirk Nockemann)

Diese speziell ausgebildete neue Truppe wird in der Lage sein, auch in besonders schwierigen, unerwarteten örtlichen Bedingungen erfolgreich zu operieren. So etwas wie bei G20 am Freitagabend im Schulterblatt

(Dennis Thering CDU: Was hat denn das mit dem Thema zu tun?)

wird uns nicht noch einmal passieren.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir werden dazu auch nicht noch einmal Spezialeinheiten alarmieren müssen. Denn ich habe volles Vertrauen in unsere Bereitschaftspolizei, dass sie gerade auch mit den dann erweiterten Fähigkeiten solchen und anderen schwierigen Lagen in Hamburg erfolgreich begegnen wird.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Eine zweite glasklare polizeiliche Konsequenz – es war gefragt worden, was wir denn eigentlich in Richtung Linksextremisten tun – steht auch heute schon fest: Wir werden einen neuen Standard für Strafverfolgung von linksextremistischen Gewalttätern nach Ausschreitungen etablieren. Das, was die SOKO Schwarzer Block hier an kriminalistischem Niveau, an Methoden, an Handwerkszeug, an Instrumenten, an Verfahren und auch in der internationalen Zusammenarbeit sehr erfolgreich an Know-how in den Ermittlungen entwickelt hat, werden wir dauerhaft sichern. Diese Fähigkeiten werden wir uns erhalten und auch strukturell im LKA abbilden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Dirk Nockemann AfD: Richtig! Aber zu spät!)

Die Botschaft an die gewaltbereite linksextremistische Szene an dieser Stelle ist völlig klar: Das Entdeckungsrisiko wird hochgehalten, deutlich höher als vor G20.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Und schließlich gehört zu dem Paket, das wir gemeinsam mit Polizeiführung für die Landesbereitschaftspolizei auf den Weg gebracht haben, auch der Vorschlag für eine individuelle Kennzeichnung in geschlossenen Einsätzen. Nun würde es niemanden überraschen, dass der Innensenator, der Polizeipräsident, der Chef der Schutzpolizei sich grundsätzlich ein Leben auch ohne Kennzeichnungspflicht vorstellen können. Aber die Debatte ist nun einmal da.

(Dirk Nockemann AfD: Mit Neumann hätte es das nicht gegeben!)

Sie gewinnt an Fahrt, übrigens auch unabhängig von G20, und wird von Befürwortern wie insbesondere Gegnern teilweise in einer Emotionalität und in einer Tonlage geführt, die in der Sache durch nichts gerechtfertigt ist und weder dem Anliegen noch der Polizei guttut.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der FDP)

Je länger diese Debatte läuft, entsteht ein zunehmend schiefes, zum Teil ein verzerrtes, auch ein schädliches Bild unserer Polizei.

(Dennis Thering CDU: Das habt ihr billigend in Kauf genommen!)

Die Hamburger Polizei legt hohen Wert auf ein offenes, transparentes, rechtsstaatlich einwandfreies und dem Bürger zugewandtes Auftreten. Deswegen sind auch heute schon 80 Prozent der Polizistinnen und Polizisten namentlich gekennzeichnet, übrigens auch die Polizeiführer in geschlossenen Einsätzen. Es besteht auch Einigkeit bei allen Beteiligten darüber, dass alle Kräfte in geschlossenen Einsätzen zur Klärung von Vorwurfslagen persönlich identifizierbar sein müssen. Das Argument der Gegner ist, dafür brauche es keine Kennzeichnungspflicht.

(Dennis Gladiator CDU: Sagt Ihr Polizeiprä- sident!)

Das stimmt in der Regel auch. Wir wissen aber eben nicht und wissen immer weniger, ob es auch wirklich immer stimmt. Denn – und da gibt es dann tatsächlich einen Bezug zu G20, weil wir da nun sehr viele Verfahren gegen Polizisten hatten – wenn wir uns die Verfahren angucken, die die Staatsanwaltschaft bereits eingestellt hat, dann haben wir elf Verfahren, in denen die beschuldigte Polizistin/der beschuldigte Polizist nicht identifiziert werden konnte, davon eines, wo wir sagen können, da habe Kennzeichnung garantiert keine Rolle gespielt, neun, in denen wir es nicht wissen, und ein Verfahren, in dem es sehr wahrscheinlich ist, dass bei einer Kennzeichnung die Kollegin/der Kollege identifiziert worden wäre.

(André Trepoll CDU: Einfach wahr?)

Das bedeutet aber, dass wir in jedem einzelnen Fall, in dem ein beschuldigter Polizist nicht identifizierbar ist, den Verdacht im Raume stehen haben, das könne an der Kennzeichnungspflicht liegen und es sei auch gewollt, dass man sich dem entziehe. Ich zitiere einmal Hartmut Dudde, Leiter der Schutzpolizei in Hamburg:

"Diese ständige Verdachtsdebatte hat die Hamburger Polizei nicht nötig."

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der FDP)

Denn selbstverständlich ist es der Anspruch unserer Polizei, immer rechtsstaatlich zu handeln, und selbstverständlich müssen diesbezügliche Zweifel und Vorwürfe immer überprüfbar und aufklärbar sein. Dies übrigens auch schon deshalb, weil die Ermittlungen in den allermeisten Fällen ergeben, dass der Vorwurf sich nicht bestätigt, dass eben kein vorwerfbares Verhalten vorliegt. Wenn das

(Senator Andy Grote)

nicht aufgeklärt wird, steht das immer als Vorwurf gegen die Polizei im Raum. Deshalb können wir als Polizei auch souverän und selbstbewusst nach vorn gehen und sagen: Wir selbst wollen keinen Zweifel daran zulassen, dass wir für unser Handeln geradestehen und dass Zweifel diesbezüglich selbstverständlich auch aufklärbar und überprüfbar sind.

An einer Stelle muss man natürlich den Gegnern recht geben. Die Forderung nach der Kennzeichnungspflicht wird gerade auch von denen intensiv erhoben, die der Polizei mit Misstrauen begegnen; das ist so. Das heißt aber nicht im Umkehrschluss, dass jeder, der sich am Ende nach Abwägung unterm Strich für eine Kennzeichnungspflicht entscheidet, dies aus Misstrauen gegen die Polizei tut. Wir haben inzwischen in der Hälfte aller Bundesländer die Kennzeichnungspflicht eingeführt, darunter vielfach auch CDU-geführte Innenministerien, die das verantworten, zum Teil Innenminister wie der Kollege Beuth aus Hessen, beileibe kein Softie, der sich ausdrücklich hinter die Kennzeichnungspflicht stellt, positive Bilanz auch nach der Auswertung zieht. In Brandenburg ist es erst auf Initiative der CDU hin eingeführt worden.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LIN- KEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Da frage ich Sie jetzt:

(Zurufe von der CDU)

Misstrauen die denn alle ihrer Polizei? Das werden Sie doch nicht ernsthaft behaupten können, genauso wie Sie das nicht für andere europäische Regierungen behaupten können. Oder die Kollegen der FDP: Misstrauen die alle der Polizei? Glauben Sie das wirklich? Und wenn dann ein Innensenator – dem können Sie von mir aus misstrauen – und ein Polizeipräsident und ein Chef der Schutzpolizei gemeinsam einen solchen Vorschlag machen,

(Dennis Gladiator CDU: Das hätten Sie ja tun können, wenn Sie das wollen!)

kann ich auch einmal sagen: Sie kennen die handelnden Personen, glaube ich, ganz gut. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Sie sie zu so etwas vergattern können, dass Sie das anweisen können, so nach vorn zu gehen? Ich glaube, da haben Sie ein falsches Bild von den Personen, um die es geht.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LIN- KEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Wenn die nach vorn gehen und einen solchen Vorschlag machen, wollen Sie denen Misstrauen gegen die Polizei unterstellen? Wollen Sie ernsthaft behaupten, Hartmut Dudde misstraue der Polizei? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich glaube das nicht und ich glaube, es ist Zeit, dass wir auch einmal sagen, über diese Uremotionalität und über diese, sag ich mal, Misstrauensrhetorik seien die Zeit und die Entwicklung und auch die gesellschaftliche Debatte hinweggegangen. Die Polizei steht in der Mitte der Gesellschaft. Sie geht mit sich verändernden Wahrnehmungen und Erwartungen in der Gesellschaft mit. Und selbstverständlich haben wir heute, anders als vor 20 oder 30 Jahren, eine andere Erwartung an die Transparenz staatlichen Handelns, an die Legitimität staatlichen Handelns und auch an die Überprüfbarkeit im Einzelfall und dem entzieht sich auch die Polizei nicht. Das ist jedenfalls nicht die Haltung der Hamburger Polizei. Insofern spiegelt sich das, was Sie hier an Aufgeregtheit und an Kulturdebatte festmachen,

(André Trepoll CDU: Sie waren doch gar nicht da, als wir gesprochen haben!)

nicht wider in dem, was aus der Polizei zurückgespiegelt wird. Hartmut Dudde war am Montag da, hat mit den Hundertschaftsführern gesprochen. Und ich kann Ihnen sagen, dass die Aufgeregtheit gegenüber dem, was wir hier zum Teil wahrnehmen, deutlich reduziert ist. – Vielen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, vereinzelt bei der FDP und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Das war exakt das Doppelte der Redezeit eines Abgeordneten. Den Beifall verbuche ich unter niemandem. – Danke.

Jetzt haben wir in der zweiten Runde Herrn Gladiator für eine Redezeit von drei Minuten.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Zurück in die Zu- kunft!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das kriegt man hin.

Hier ist viel darüber gesagt worden, man solle jetzt keine Konsequenzen voreilig ziehen. Ich möchte an eines erinnern: Es ist Ihr Senat, der hier voreilig Konsequenzen zieht, und zwar nur aufseiten der Polizei und auf keiner anderen Seite.

(Beifall bei der CDU – Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das ist ja deutlich!)