Unter Federführung der Kulturbehörde gibt es einen runden Tisch zum kolonialen Erbe, der auf Basis historischer Expertise das Thema in die Zivilgesellschaft vermitteln und diskutieren soll.
Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Kolleginnen und Kollegen, ich bitte die Zwischenrufer, leise zu sein. Was der Redner für ein Thema der Regierungserklärung hält, das macht er hier deutlich und das steht bis zu einem gewissen Grad – und ich meine, der ist noch nicht überschritten – in seiner Verfügung. Also lassen Sie den Redner bitte fortfahren.
Die Veranstaltung fand am 23. März statt und wurde von gut 100 Teilnehmern besucht, darunter Professor Zimmerer von der Uni Hamburg und die Bürgerschaftsabgeordneten Norbert Hackbusch von den LINKEN und Alexander Wolf von der AfD. Vor Beginn der eigentlichen Diskussion wurde Herr Wolf von mehreren Teilnehmern lautstark und ultimativ aufgefordert, den runden Tisch zu verlassen.
(René Gögge GRÜNE: Das ist ein anderer Tagesordnungspunkt! – Frank Schmitt SPD: Was hat das mit der Regierungserklärung zu tun? – Glocke)
Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Herr Professor Kruse. – Ich bitte die Zwischenrufer, ruhig zu sein. Wir wollen jetzt ein bisschen Ruhe bewahren. Ich weise aber den Redner darauf hin, dass es einen Antrag zu genau diesem Thema gibt, der heute noch diskutiert wird.
Das schließt doch nicht aus, dass ich, wenn ich hier das Wort habe, das rede, was ich für richtig halte.
Dann mache ich es jetzt einmal kurz. Also er wurde gleich rausgeschmissen, was völlig unakzeptabel ist. Wurde nun von Herrn Dr. Overdick als Vertreter der Kulturbehörde das Anwesenheits- und Rederecht von Alexander Wolf durchgesetzt? Nein, wurde es nicht. Wurde von Professor Zimmerer, der eigentlich die Regeln eines intellektuellen Diskurses kennen sollte, darauf bestanden, dass Herr Wolf nicht diskriminiert teilnehmen kann, zum Beispiel durch die Drohung mit dem eigenen Auszug, was das Problem sicher sofort gelöst hätte? Nein, wurde es nicht. Peinlich, Herr Zimmerer. Wurde von Herrn Hackbusch, den ich eigentlich als engagierten und kenntnisreichen Kulturpolitiker kennengelernt habe, darauf hingewiesen, dass eine Diskussion, bei der man Leute, von denen man annimmt, dass sie abweichende Meinungen äußern, schon vorher ausschließt, nur deklamatorischer Firlefanz ist? Nein, ist mir nicht zu Ohren gekommen. Solche Beispiele sind für mich Belege einer fatalen Entwicklung, die mich ernsthaft umtreibt.
Ich muss jetzt häufig an den Satz von Voltaire denken, über den wir schon in der Schule diskutiert haben. Er hat gesagt:
"Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen."
Die Formulierung ist sicher sehr pathetisch, dem Jahrhundert angemessen, in dem er sie geäußert hat, aber es hat eine klare und wichtige Botschaft, nämlich die Trennung von Form und Inhalt. Heute könnte man sagen, die Trennung von Politik und Rechtsstaat. Der Rechtsstaat sorgt dafür, dass auch die mächtigen Politiker, also Sie auf der Senatsbank, die Gesetze und die Minderheitenrechte achten müssen. Die Minderheitenrechte müssen beachtet werden.
Ich hätte es mir in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht albträumen lassen, dass ich darauf hier noch einmal hinweisen muss, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, nämlich die Meinungsfreiheit für alle. Und das gilt draußen in der Gesellschaft, auf der Straße und auch in der Bürgerschaft.
Es ist eben nicht so, dass die Demokratie in Gefahr ist, wenn es abweichende Meinungen gibt. Es ist ein Zeichen für Demokratie.
Am Ende komme ich jetzt noch einmal auf Olaf Scholz zurück. Ich habe ihn oft in seinen Reden sagen hören …
Den habe ich nämlich oft ungefähr wörtlich in seinen Reden sagen hören, es gebe jetzt Globalisierung und Digitalisierung, das verunsichere die Menschen. Damit wollte er sagen, die ticken jetzt nicht mehr richtig.
Ich halte diese Analyse für völlig falsch. Exogene Faktoren und Entwicklungen wie jetzt zum Beispiel Globalisierung und Digitalisierung, die zu Strukturbrüchen führen können – nicht müssen, aber führen können –, hat es immer gegeben und häufig gravierender als im Deutschland des 21. Jahrhunderts. Das Problem heute sind nicht die exogenen Faktoren, sondern die Unfähigkeit und Unwilligkeit der Politiker, rationale und pragmatische Lösungen für die Menschen zu finden. Die etablierte politische Klasse hängt in ihrer Moralwolke fest, und wenn diese Politiker dann nach unten sehen auf die reale Erdoberfläche, erkennen sie häufig frühere SPD-Wähler und reden verächtlich über Populismus. Das wärmt zwar die Seele im eigenen Ortsverein, löst aber keines der Probleme und be
Herr Bürgermeister Tschentscher, ich hoffe, dass Ihr Senat von anderer Qualität sein wird, und wünsche Ihnen dabei viel Erfolg. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kruse, Sie haben uns wieder einmal gezeigt, wie man eine wichtige Regierungserklärungsdebatte eklatant instrumentalisieren kann und sich hier als Opfer geriert. Das war wirklich unterirdisch und ich finde, das war eine Riesenzumutung für das gesamte Haus.
In dieser Stadt, Herr Kruse, hat jeder und jede das Recht, für ihre Meinung auf die Straße zu gehen. Das war immer gegeben und das ist gegeben. Ihre Meinung mag dem einen oder anderen nicht gefallen. Sie demonstrieren, und genauso haben die Tausend anderen Menschen das Recht, ihre Meinung kundzutun, und das müssen Sie ertragen.
Was Sie natürlich immer tun, und ich komme auch gleich zum Schwenk zu Herrn Trepoll und der CDU, ist, dass Sie hier auf etwas hinweisen, und bei Ihnen ist das, Herr Kruse, immer dasselbe … Sie haben vorhin irgendwie von muslimischer Praxis gesprochen, völlig pauschal und undifferenziert. Erklären Sie uns bitte, was das ist. Sie haben alle Muslime irgendwie mit den islamischen Organisationen, mit denen die Stadt Staatsverträge hat, gleichgesetzt. Dabei sollten Sie wissen, wenn Sie das ansprechen, dass die Mehrheit der Muslime, ob praktizierende oder nicht, kulturelle oder religiöse, in dieser Stadt unorganisiert sind,
dass sie nicht Mitglied sind in einer Moschee oder in einem Moscheeverein. Also werfen Sie nicht Dinge durcheinander.
Genau dasselbe hat auch der Kollege Trepoll gemacht. Herr Trepoll, Sie haben auf einen wichtigen Punkt hingewiesen. Es ist tatsächlich so, dass auch ich vom Bürgermeister zum Thema Integration – ich mag das Wort immer noch nicht – ein bisschen mehr erwartet hätte. Er hat das zwar unter dem Stichwort "Sozialer Zusammenhalt" – die Message habe ich vernommen – in allen Themen als Querschnitt mitgedacht und das ist auch eine – kann man machen – vernünftige Vorgehenswei
se, aber ein bisschen konkreter hätte ich es mir auch gewünscht. Aber was gar nicht geht, Herr Trepoll, und das möchte ich wirklich in dieser Deutlichkeit an dieser Stelle sagen, ist Ihre arrogante Kolonialherrenmanier, sich hier hinzustellen und so zu tun, als wenn die Werte, die Sie haben, nicht bei Migrantinnen und Migranten vorhanden wären, als wenn wir von völlig verschiedenen Dingen reden.
Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Ich bitte Sie, selbst wenn er es gesagt haben sollte und Sie zitieren, entspricht es trotzdem nicht dem parlamentarischen Sprachgebrauch.
Es werden immer diese Unterstellungen in den Raum gestellt. Dann kommen die Beispiele bei Herrn Kruse und auch bei Ihnen, Herr Trepoll, Gleichheit von Mann und Frau, Toleranz und so weiter – das ist eine Unterstellung. Das wissen Sie und Sie arbeiten damit genauso pauschal und undifferenziert.
Sie verwenden genau dieselben Methoden, und ich kann Ihnen nur sagen, Herr Trepoll, Sie werden sich wundern. Sie haben vorhin immer wieder von 2020 gesprochen und dass wir dann sehen werden, dass es dann zu einer Wende kommen wird auch in der Sozialpolitik. Ich glaube, wenn es zu etwas kommt, dann wird es sein, dass Sie sehen werden, dass Sie mit dieser Strategie nicht dahinkommen.
Ich möchte in dem Zusammenhang noch einmal daran erinnern. Ich meine, wir sind sicherlich in vielen Feldern, gerade sozialpolitisch und nicht nur in Bezug auf Menschen, die mit Flüchtlingshintergrund hier sind, sondern auch bei länger hier lebenden Migranten, noch ein Riesenstück weit davon entfernt, wirklich die Ziele zu erreichen, die wir uns gesetzt haben, aber dieser Senat setzt die richtigen Schwerpunkte und er geht diesen Weg gemeinsam und mit den Menschen auf Augenhöhe und nicht von oben herab nach dem Motto "Ich erkläre euch die Welt". Das ist ein großer qualitativer Unterschied. Und in der CDU-Zeit von 2001 bis 2011 habe ich auch aus nächster Nähe miterleben dürfen, dass – Sie wissen es genau, Herr Trepoll –