Protocol of the Session on January 31, 2018

[Senatsantrag: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 12. Juli 2017 "Soziale Schuldnerberatung stärken" (Drucksache 21/ 9646) sowie Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Ausführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (HmbAGInsO) vom 8. Juli 1998 – Drs 21/11637 –]

Diese Drucksache möchten die Fraktionen der SPD, CDU, GRÜNEN und FDP an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen.

Wird das Wort gewünscht? – Frau Engels von der GRÜNEN Fraktion, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Überschuldung ist kein Randproblem. Rund ein Zehntel aller Hamburgerinnen und Hamburger sind betroffen. Gerade Menschen, die in Armut leben, kein eigenes oder nur ein geringes Einkommen haben, können sehr schnell in die Schuldenfalle geraten. Überschuldet ist ein Mensch bereits, wenn er mindestens drei Monate lang seinen vereinbarten Ratenverträgen nicht nachkommen kann, ohne dabei die grundlegende Versorgung wie Miete, Strom, Nebenkosten zu gefährden. Häufig ist ein Arbeitsplatzverlust wegen Krankheit oder eine Trennung der Auslöser, denn Menschen mit niedrigem Einkommen rutschen in Krisensituationen schnell in die Überschuldung und brauchen dann nicht nur eine gute rechtliche Beratung, sondern vor allem eine gute Sozialberatung.

(Beifall bei den GRÜNEN und teilweise bei der SPD)

Die Folgen von Überschuldung sind fatal. Neben Ängsten und Hilflosigkeit führen Schulden auch zu gesundheitlichen Problemen und schränken die

(Vizepräsident Dr. Kurt Duwe)

Teilhabe der Betroffenen am gesellschaftlichen Leben ein. Dies gilt es zu verhindern.

Die Schuldnerberatung wurde im Herbst neu ausgeschrieben. Dies hatten wir im vergangenen Sommer zum Anlass genommen, um eine stärkere soziale Ausrichtung bei der Neuausschreibung einzufordern. Denn wir verstehen die Schuldnerberatung als eine Sozialberatung, die nicht nur isoliert die Verschuldungsproblematik bearbeitet, sondern mit den Betroffenen in ihrer Lebenslage zusammenarbeitet und ihnen hilft, neue Perspektiven zu entwickeln.

(Beifall bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Häufig geht es aber auch erst einmal darum, die Lebensgrundlage zu sichern. Daher brauchen wir ein ganzheitliches Konzept der Schuldnerberatung. Wichtig ist, dass wir die zunehmende Heterogenität der Betroffenen berücksichtigen. Ob Migranten oder Rentner, ob selbstständig oder arbeitslos, die Schuldnerberatung muss allen Menschen ein gutes Angebot machen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dazu gehört, dass auch zukünftig Kleinstselbstständige beraten werden. Das war bisher nicht der Fall und sie liefen immer häufiger in den Schuldnerberatungsstellen auf und brauchten auch Unterstützung durch diese soziale Beratung.

(Präsidentin Carola Veit übernimmt den Vor- sitz.)

Wichtig ist auch, dass die Wartezeiten für die Betroffenen nicht zu lang werden. Daher ist es gut, das ist unser Vorhaben, dass die Wartezeiten in Angriff genommen werden sollen. Künftig soll dem so begegnet werden, dass, wenn die Wartezeiten über 100 Tage lang sind, die Beratungskapazitäten in der Vereinbarung zwischen Trägern und Behörde hochgefahren werden können. Das ist auch ein gutes Zeichen, damit die Wartezeiten nicht zu lang werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Erstmals wurde bei der Neuausschreibung auch die präventive Arbeit aufgenommen. Schließlich wollen wir erreichen, dass die Menschen erst gar nicht in die Verschuldungsfalle geraten.

Was viele bestimmt gar nicht wissen: Die Schuldnerberatung ist eine Leistung im SGB II – viele Menschen in der Beratung beziehen Hartz IV –, denn auch die Lösung von Schuldenproblematiken ist eine wichtige Voraussetzung für eine erneute Arbeitsaufnahme. Deswegen ist klar, dass die Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und Schuldnerberatungsstellen gut funktionieren muss. Die Beratung muss aber freiwillig und vertraulich sein. Ganz wichtig ist für uns, dass zukünftig die Teilnahme nicht mehr mit einer drohenden Sanktion verknüpft wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Kurz- und Notfallberatungen sollen künftig auch in der Förderung vorgesehen sein, denn sie sichern den niedrigschwelligen Zugang in die Beratung und die erste Hilfe in Notsituationen. Eine erweiterte Zielgruppe und tendenziell etwas zu lange Wartezeiten bedeuten aber auch, dass wir eine Ausweitung der Kapazitäten brauchen. Diese Ausweitung wird auch durch die entsprechende Drucksache abgesichert.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die Neuausrichtung und Gesetzesänderung zur Insolvenzordnung wird auch aus der Szene heraus begrüßt. Aber sicherlich habe nicht nur ich die Kritikpunkte zum Gesetz von der LAG Schuldnerberatung erhalten. Ich könnte mir vorstellen, dass alle sozialpolitischen Sprecher und Sprecherinnen diese Mail bekommen haben und bestimmt auch vorher im Gespräch waren. Ich denke, dass wir diese Punkte konstruktiv mit in den Ausschuss nehmen und dort dann angemessen beraten können. Ich freue mich jedenfalls schon auf die fachliche Beratung im Ausschuss dazu.

Insgesamt bin ich froh, dass die Unterstützung von überschuldeten Menschen jetzt durch unsere rotgrüne Initiative weiter ausgebaut wird und Hamburg damit ein kleines Stück sozialer wird. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Frau Bekeris für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die sozialen Schuldnerberatungsstellen in Hamburg werden von der Stadt finanziert, und zwar für diejenigen, die kein oder nur ein sehr geringes Einkommen haben. Sie sind nicht das einzige Angebot in diesem Bereich, aber bestimmt das wichtigste.

Mitte des letzten Jahres haben die Fraktionen von SPD und GRÜNEN mit ihrem Antrag den Senat gebeten, anlässlich der notwendigen Neuausschreibung der sozialen Schuldnerberatung einige dringend erforderliche Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Und ich muss heute erfreut feststellen, dass das in vollem Anfang tatsächlich gelungen ist.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Was der Senat hier vorlegt, wird eine Verbesserung für die von Überschuldung betroffenen Menschen in Hamburg mit sich bringen; davon bin ich überzeugt. Meine Vorrednern, Frau Engels, ist schon auf viele Punkte eingegangen. Ich möchte noch einige Punkte hervorheben, die aus Sicht der SPD-Fraktion besonders wichtig sind. Angesichts einer Warteliste von 1 266 Personen und einer seit

(Mareike Engels)

2009 erheblich angestiegenen Zahl von Kurz- und Notfallberatungen ist eine angemessene Erweiterung der Beratungskapazitäten und der Zielgruppen dringend erforderlich. Dem wird hier nun Rechnung getragen; Frau Engels hat es schon erwähnt. Die Kleinstselbstständigen werden in den berechtigten Kreis mit aufgenommen und auch die Beratungskapazitäten können um bis zu 10 Prozent erhöht werden, wenn die Wartezeiten 100 Tage überschreiten. Das ist im Sinne der überschuldeten Menschen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir hatten den Senat gebeten, die Finanzierung der Ausweitung und Stärkung der Schuldnerberatung im Haushalt 2019 und 2020 abzusichern. Das wird geschehen, und zwar in einem ganz erheblichen Umfang. Der Satz wird um jährlich 760 000 Euro angehoben. Das sind 20 Prozent mehr. Bisher waren es 3,8 Millionen. Das ist ein ordentliches Plus und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Und auch in 2018 werden bereits 320 000 Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt, um dieses Konzept ab August dann auch umzusetzen.

Zum Dritten, auch das hat Frau Engels schon genannt: die Schnittstelle zwischen dem Jobcenter und den Schuldnerberatungsstellen. 60 Prozent der Klienten der Beratungsstellen sind SGB-II-Leistungsempfängerinnen und -empfänger und es ist besonders wichtig, dass es hier eine verbesserte Kooperation nach dem Prinzip der Freiwilligkeit gibt. Dadurch wird der Beratungsprozess gestärkt. Es soll die Eigenmotivation gestärkt werden. Das spielt nämlich eine sehr wichtige Rolle hier in dem ganzen Prozess und die Weichen hat der Senat mit dieser Vorlage auch gestärkt.

(Beifall bei der SPD)

Ein letzter Punkt, der uns auch besonders wichtig ist, ist die präventive Arbeit. Durch Information und Aufklärung soll diese gestärkt und mit in den Aufgabenkatalog aufgenommen werden. Es kommt häufig vor, dass die Spirale aus Überforderung und Angst überwunden werden und der Weg in das bestehende Hilfesystem angetreten werden muss. Der erste Schritt ist für die Betroffenen besonders schwierig und deshalb ist Prävention und Information eine wichtige Aufgabe, die hiermit jetzt auch anerkannt wird.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Das sind jetzt nur wenige Punkte der Neukonzeption. Wir überweisen das Ganze an den Ausschuss und werden es dort noch einmal beraten, auch samt der Punkte, die uns mit auf den Weg gegeben wurden, noch einmal draufzuschauen, gegebenenfalls auch nachzubessern.

Die vorgeschlagenen Änderungen sollen insgesamt den Missbrauch erschweren, die Qualität der Beratung sichern und bei Verstößen aber auch Eingriffsmöglichkeiten schaffen. Das betrifft vor allem die Anbieter von Schuldnerberatung für Menschen, die noch über so viel Einkommen verfügen, dass sie diese Beratung selbst zahlen können. Und auch dies werden wir noch im Ausschuss beraten und dabei auch die Kritikpunkte mit aufnehmen.

Die rot-grüne Koalition in Hamburg stärkt die soziale Schuldnerberatung. Wir bauen sie aus und stellen sie für die Zukunft gut auf. Damit halten wir ein weiteres Versprechen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Frau Grunwaldt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Da es für diese Drucksache eine große Mehrheit zur Überweisung an den Ausschuss gibt und meine Vorrednerinnen schon sehr viel Entscheidendes gesagt haben, möchte ich mich darauf beschränken, einen Aspekt hervorzuheben, der mir persönlich als sehr wichtig erscheint: Das sind die Wartezeiten, die in dieser ganzen Thematik Schuldnerberatung der Dreh- und Angelpunkt sind und meines Erachtens immer noch zu sehr verkannt werden.

Eine Wartezeit von 100 Tagen entspricht dreieinhalb Monaten; das ist über ein Vierteljahr. Und das ist für jemanden, dem das Wasser schon bis zum Hals steht, und realistischerweise sind das die meisten, die eine Schuldnerberatung aufsuchen, eindeutig immer noch viel zu lang. Ich verstehe daher nicht, warum man sich nur bei der Überschreitung dieser 100 Tage mit zusätzlichen Kapazitäten behelfen will, statt sich endlich von vornherein eine geringere Wartezeit zum Ziel zu setzen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

In diesem Zusammenhang frage ich mich auch, was als angemessen gewertet wird, wenn es darum geht, die Kapazitäten angesichts der neuen Zielgruppe von Kleinund Kleinstunternehmen auszuwerten. Mit welcher Fallzahl wird gerechnet, wie viel Personal wollen Sie einsetzen? Das alles geht aus dem Bericht leider nicht hervor. Vielleicht bringt die Ausschussberatung hierzu ja Aufklärung. Ich freue mich darauf. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Özdemir hat das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

(Ksenija Bekeris)