Protocol of the Session on September 27, 2017

Einen letzten Punkt möchte ich erwähnen. Sie beziehen sich stark auf die Quartiere. Wir haben schon des Öfteren diskutiert über die Stärkung der Projekte, der Anlaufstellen, der Einrichtungen in den Quartieren; das ist ja auch ein Teil des 25Punkte-Plans. Aber unklar ist immer noch, wie die

(Phyliss Demirel)

Stärkung finanziert werden soll. Soll sie überhaupt mit einem Integrationsfonds, aus dem einmalige Zahlungen getätigt werden, finanziert werden? Werden die Bedarfe, die gerade in den Quartieren gestiegen sind, überhaupt nicht gedeckt werden? Das bedeutet auch, dass die Projekte befristet sind. Was passiert dann mit den Projekten in den Stadtteilen, die momentan sehr wichtig sind, wenn keine Bezahlung mehr stattfindet? Das ist gerade auch für den Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit sehr relevant. Wir haben die Möglichkeit, das Konzept im Sozialausschuss und vielen anderen Ausschüssen zu diskutieren. Aber für meine Fraktion kann ich sagen, dass wir den Ansatz zwar richtig finden, aber die Ziele deutlich zu niedrig sind angesichts der Zahl der Menschen, die hier leben.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Dutschke von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vor rund zwei Jahren erreichte die Flüchtlingskrise ihren Höhepunkt. Damals kamen bis zu 13 000 Flüchtlinge nach Deutschland, und die große Herausforderung bestand vor allem darin, kurzfristig Tausende von Schlafplätzen zu organisieren. Jetzt, zwei Jahre später, stehen wir vor ganz anderen, wahrscheinlich viel tief greifenderen Herausforderungen. Statt nachbarschaftlichen Wohnens von Alt- und Neuhamburgern leben Flüchtlinge in eigens konstruierten Flüchtlingswohnungen und -unterkünften. Die Sprach- und Integrationskurse reichen nicht aus, und die Qualität der Angebote hinkt. Es fehlt der Raum, um auf individuelle Lernniveaus einzugehen mit dem Ergebnis, dass deutschlandweit nicht einmal die Hälfte der Teilnehmer die Kurse erfolgreich absolviert.

(Sylvia Wowretzko SPD: Das ist ja schön! Das können Sie in Berlin dann ja ändern!)

Die erhofften Fachkräfte gibt es nur in Einzelfällen. Erfolge bei der Arbeitsmarktintegration sind gering und die Ergebnisse sämtlicher Bemühungen vor allem sehr intransparent. Dass die Vermittlung unserer Werte und Normen ein zentraler Bestandteil einer in der Gesellschaft akzeptierten Migrationspolitik sein muss, ist zwar ein allgemein anerkanntes Lippenbekenntnis, aber die Anstrengungen hierfür fehlen, auch in diesem Papier.

(Beifall bei der FDP)

Schaffen wir demokratische Parteien es nicht, überzeugende Lösungen für diese Herausforderungen zu liefern, werden die radikalen und nationalistischen Kräfte in unserem Land weiterhin an Boden gewinnen. Und genau dies gilt es zu verhindern.

(Beifall bei der FDP)

Das Integrationskonzept leistet dafür einen wichtigen Beitrag, und ich möchte den Mitwirkenden für ihre Arbeit explizit danken.

(Sylvia Wowretzko SPD: Wofür danken?)

Es liegt nun an uns Abgeordneten, das Konzept stetig weiterzuentwickeln und mit Leben zu füllen. Denn es muss uns viel stärker gelingen, dass sich Migranten mit unserer freiheitlich-demokratischen Werteordnung identifizieren. Das Integrationskonzept liefert jedoch auch auf diese entscheidende Frage keine Antworten. Die starren Zielwerte und Indikatoren können nur ein kleiner Schritt in Richtung Integration sein. Für die Bürger ist es nämlich vollkommen unerheblich, wie viele Personen an Orientierungskursen oder an Dialogformaten teilgenommen haben. Unsere Bürger interessiert vielmehr, ob die Zugewanderten unsere europäischen Werte verinnerlicht haben. Wir müssen uns deshalb Gedanken machen, wie dies dargestellt werden kann und gelingen kann.

Vor allem aber fehlt es über alle Bereiche hinweg stringent an der Evaluation der Wirkung von Maßnahmen. Es ist nicht allein entscheidend, wie viel Quantität angeboten wird, sondern was die Teilnehmer davon mitnehmen. Qualitative Analysen bleiben aber leider die Ausnahme. Erst wenn wir Ursache und Wirkung untersuchen, wird klar, ob und wo wir nachsteuern müssen. Dazu gehört aber auch, dass wir ehrlich miteinander umgehen. Gerade bei dem besonders wichtigen Thema der Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt fehlt diese Ehrlichkeit.

Selbst der Sachverständigenrat hat in seinem Gutachten mangelnde Transparenz angemahnt. Das müssen wir ernst nehmen. Transparenz fehlt nämlich besonders bei dem Monitoring des Programms Work and Integration for Refugees; wir haben das hier vielfach diskutiert. Genauso wenig spiegelt sich im Integrationskonzept der Ansatz wider, die Migranten schnellstmöglich in regulärem Wohnraum unterzubringen. Anstatt zu monitoren, wie viele Wohnungen der Perspektive Wohnen in regulären Wohnraum umgewandelt werden und wie die Durchmischung dieser Quartiere gelingt, nennt der Senat uns die Fertigstellungszahlen für Sozialwohnungen.

(Sylvia Wowretzko SPD: Das ist schon eine schwierige Wortwahl!)

Das dient schon deshalb nicht der Messung einer Integration, vor allem nicht einer gelungenen Integration, weil wir die Leute nicht nur in unsere Sozialsysteme, sondern vor allen Dingen in unsere Gesellschaft integrieren wollen.

Doch auch im Hinblick auf die Versprechen im Konsens mit der Volksinitiative "Hamburg für gute Integration" bleibt der Senat hinter den Erwartun

(Cansu Özdemir)

gen zurück. Ein wichtiger Punkt des Konsenses war die Weiterentwicklung des zentralen Koordinierungsstabs Flüchtlinge zu einem Integrationsstab, doch stattdessen bleibt alles beim Alten. Der Senat setzt weiterhin auf Doppelzuständigkeiten, lässt Behörden und ZKF nebeneinanderher arbeiten. Das ist nicht nur ineffizient, sondern erschwert auch das Ziel: eine gelungene und messbare Integration der Flüchtlinge.

(Beifall bei der FDP)

Es ist unsere Aufgabe, das Ganze nun mit Leben zu füllen, und ich freue mich deshalb auf die ausführlichen Beratungen in diversen Fachausschüssen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Herr Dr. Wolf von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Senat hat das Hamburger Integrationskonzept 2017 vorgelegt, mit dem das Konzept von 2013 weiterentwickelt wurde. Die Senatorin verkauft es den Bürgern als neuen großen Wurf. Aber gibt es neues Bahnbrechendes? Aus unserer Sicht kaum, jedenfalls nichts Substanzielles. Im Ganzen ist es ein auf die Schulter klopfendes "Weiter so!". Neu ist, dass das Integrationskonzept vom Forschungsbereich beim Sachverständigenrat Deutscher Stiftungen für Integration und Migration begutachtet wurde, sich also ein vermeintliches Gütesiegel geholt hat. Bedenkt man aber, dass hinter diesem Sachverständigenrat unter anderem die Bertelsmann Stiftung steckt, die bekannt ist für ihre von vornherein äußerst migrationsfreundlichen Studien und Stellungnahmen,

(Lachen bei Kazim Abaci SPD)

relativiert sich der Qualitätsstempel mit dem vielen Lob darin deutlich.

Doch nun weg von den Formalien und hin zum Inhalt des Konzepts. Wie gesagt, nicht viel Neues. Die wahren Probleme werden nicht ansatzweise aufgezeigt und aufgenommen, vielmehr wird den Bürgern das Gefühl vermittelt, alles sei paletti, man würde es hinbekommen, wenn man sich nur an das Konzept hält, der Senat habe einen Plan und bei Einhaltung des Plans werde Integration automatisch das Ergebnis sein. Wie naiv – ein die Realität gänzlich ausblendendes Unterfangen. Die Integration von Menschen funktioniert nicht automatisch wie in einem Fertigungsbetrieb, in dem ein Rohling auf dem Fließband von Station zu Station läuft und am Ende das fertige Produkt steht. Der perfekt integrierte Einwanderer lässt sich nicht einfach mittels Durchlaufen mehrerer vorgegebener Integrationskurse – in Anführungszeichen – herstellen, selbst dann nicht, wenn er sie tatsächlich

besucht und nicht, wie häufig in der Realität, nur auf dem Papier. Nein, Integration ist harte Arbeit, ist der Wille und die Fähigkeit, sich in der neuen Gesellschaft unter allen sozialen Aspekten zu integrieren, sich anzuschließen, die Leitkultur – um dieses Wort hier bewusst einzuführen – zu verstehen, aufzusaugen und sich daran anzupassen. All das verkennt das Konzept des Senats. Es setzt bereits bei der von ihm gewählten Definition von Integration falsch an. Es heißt dort – Zitat –:

"Integration ist zu verstehen als chancengerechte und messbare Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund an den zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Der Begriff der Inklusion kommt […] dem Integrationsgedanken sehr nahe […]."

Zitatende.

Dieses Vorverständnis aber verschließt die Augen vor der Wirklichkeit. Integration als erreichte Teilhabe definieren und messen, das ist schon mehr als naiv. Reine Teilhabe, von erreichten Einbürgerungszahlen bis hin zu Migrantenanteilen in allen möglichen absolvierten Kursen, Einrichtungen und Institutionen, was sagt denn das aus über wirkliche, tatsächlich gelebte Integration? Nichts. Die reine Teilhabe gibt keine Auskunft über die Integration in unsere Gesellschaft, unsere europäischdeutsche Kultur.

Das große Problem der Einbürgerung werde ich jetzt nicht adressieren. Das ist ein Thema für sich, das lässt sich nicht in zwei, drei Minuten abhandeln. Aber auf das Thema Integration durch Arbeit möchte ich noch kurz zurückkommen. 2015/2016 kamen circa 60 000 sogenannte Schutzsuchende zu uns, die allermeisten wenig ausgebildet und qualifiziert nach den hiesigen Maßstäben und ohne deutsche Sprach- und Schriftkenntnisse. Sie machen sich und den Bürgern etwas vor, wenn Sie glauben, diese kurzfristig und einfach in den hiesigen Arbeitsmarkt integrieren zu können. Das gelingt nur bei den wenigsten. Die meisten werden leider nur, auch nach einigen Bemühungen, Helfertätigkeiten ausüben. Das zeigen die Zahlen des Projekts W.I.R, wonach bis Juni 2017 lediglich 142 Personen in Arbeit vermittelt wurden, viele von ihnen als geringfügig Beschäftigte beziehungsweise in nicht sozialversicherungspflichtige Jobs.

Das alles zeigt: Das Integrationskonzept ist keinesfalls der vom Senat uns vorgegaukelte große Wurf.

(Glocke)

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt Senatorin Dr. Leonhard.

(Jennyfer Dutschke)

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Dem nun vorliegenden fortgeschriebenen Integrationskonzept liegt ein breiter Beteiligungsprozess zugrunde, und natürlich ist das mit eine Erklärung, warum es jetzt vorgelegt wurde. Denn diese Beteiligung hat umfassend, weit über eine Online-Befragung hinaus, breite Gruppen in unserer Gesellschaft erfasst. Das Spektrum reicht von Schulklassen an Berufs- und Regelschulen über die Integrationsräte in den Bezirken und Seniorenbeiräte bis hin zu unserem eigenen Integrationsbeirat, der übrigens auch an der hier kritisierten Ausführung der OnlineBefragung intensiv mitgewirkt hat, ein Instrument, um dessen Wahl wir mit der CDU intensive Debatten geführt haben, gerade in der letzten Legislaturperiode. Darüber hinaus waren beteiligt die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege im Rahmen eines großen Experten-Workshops, das Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen und ebenso der Dachverband "Hamburg für gute Integration", also die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Spektren in unserer Stadt.

Das Ergebnis ist ein sehr ausführliches, inzwischen auch strukturell die Gruppe der Geflüchteten aufnehmendes Integrationskonzept, das eben nicht nur – das wäre ein Leichtes gewesen, darüber können wir im Ausschuss gern noch einmal diskutieren – die verschiedenen Maßnahmen, die wir unter der Federführung der unterschiedlichsten Fachpolitiken ergreifen, von früher Bildung und Betreuung über Schule bis hin zum Arbeitsmarkt und auch natürlich Innenpolitik, zusammenfasst – das wäre schnell geschrieben gewesen –, sondern das sagt: Gute Integration erfasst alle Lebensbereiche, und wir müssen messbar machen, ob wir mit unseren Maßnahmen erfolgreich sind oder nicht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Genau dafür sind die viel gescholtenen Indikatoren da. Es geht nicht darum, nur eine Zahlensammlung zu erstellen, sondern es geht darum, konkret jede einzelne Fachpolitik und damit jede einzelne Behörde dazu zu zwingen, regelhaft zu überprüfen, ob ihre Maßnahmen verfangen. Erreichen sie die Zielgruppe? Bringen sie die Menschen auf ihrem Weg in unsere Gesellschaft weiter oder nicht? Und wenn nicht, müssen wir nachsteuern. Das hat auch der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen wertgeschätzt und ausdrücklich positiv hervorgehoben. Das ist bundesweit einmalig, und dafür lohnen sich auch breite Debatten in allen Fachausschüssen, denn in Wahrheit kann ja im Rahmen einer solchen Debatte herauskommen, dass man den einen oder anderen Indikator noch einmal anpasst.

Ich will Sie aber auf Folgendes gern aufmerksam machen, wenn Sie die Zahlen vergleichen und die unterschiedlichen Bereiche als zu wenig ehrgeizig einschätzen: Die Ursprungszahlen basieren auf

dem Zustand in Hamburg vor der Flüchtlingszuwanderung. Die neuen Indikatorwerte müssen erreicht werden, obwohl inzwischen mehr als 30 000 weitere Menschen in unsere Stadt gekommen sind und sich hier eine neue Existenz aufbauen. Sie sind also keineswegs unambitioniert, sondern sie sind äußerst ehrgeizig, und wir werden uns gern daran messen lassen, ob uns das in den verschiedenen Bereichen gelingt oder nicht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das müssen wir auch, denn das ist unumwunden richtig: Integration ist ein Prozess. Sie gelingt nicht von heute auf morgen. Sie ist nicht der Anfang eines Plans und endet am Tage X und alles ist gut. Hamburg ist eine Stadt, in der inzwischen 600 000 Menschen mit einem Zuwanderungshintergrund leben. Das hat Erfordernisse in allen Lebensbereichen. Das geht weit über die Flüchtlingsthematik hinaus und wird uns auch in Zukunft noch viel beschäftigen und immer fordern. Deswegen ist es richtig, dass der Sachverständigenrat uns aufgeschrieben hat, dass der Schlüssel nicht in dem Konzept selbst liegt – das hat er als gut und plausibel befunden –, sondern in dem regelmäßigen Monitoring des Erfolgs, und dafür sind wir alle zusammen gemeinsam mit dem Parlament verantwortlich.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

(Zurufe: Doch!)