Protocol of the Session on September 13, 2017

(Dr. Wieland Schinnenburg)

"Nicht viele setzen die Liebe zur Wahrheit über die Selbstliebe."

Und er zitierte Heinrich Heine:

"Als Pythagoras seinen berühmten Satz entdeckte, opferte er eine Hekatombe;"

also 100 Ochsen –

"seitdem haben die Ochsen eine instinktartige Furcht vor der Entdeckung der Wahrheit."

Der große Kieler Gynäkologe Michaelis erkannte die Bedeutung von Semmelweis' Entdeckung, wurde durch die Diskrepanz zur Lehrmeinung depressiv und nahm sich das Leben, nachdem 13 Frauen in seiner Abteilung am Kindbettfieber gestorben waren. Semmelweis selbst wurde bei einem Besuch in Wien von einigen Ärzten in die Psychiatrie verbracht, wo er zwei Wochen später im Alter von 47 Jahren unter ungeklärten Umständen starb. Der Chirurg Lister in Edinborough verstand. Er konnte den Ruhm für die Einführung der Antisepsis bei Operationen ernten; zunächst ein britischer Sonderweg.

Das Schicksal von Semmelweis brauchen Sie, liebe LINKE, nicht zu fürchten. Sie werden nur von oben herab betätschelt. Wir können alle froh sein, dass wir auf dem Boden der Verfassung stehen und keiner mehr wie ein Wolf versucht, denjenigen zu vernichten, der Fakten ausspricht, die nicht in den eigenen Horizont passen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Meine Damen und Herren, das Wort bekommt Frau Senatorin PrüferStorcks.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn wir über Pflege im Krankenhaus diskutieren, sprechen wir immer über zwei wichtige Anliegen: Das eine ist die Patientensicherheit und die Frage, wie gut eine Behandlung im Krankenhaus sein kann, das zweite ist immer die Frage nach der Arbeitsbelastung der Pflegekräfte, und damit ist die Entscheidung verbunden, ob wir in Zukunft noch Menschen finden, die diesen Beruf ausüben wollen. Denn schlechte Pflege im Krankenhaus und Personalmangel ist keine Werbung für diesen Beruf. Deshalb sind beide Aspekte nicht zu trennen, und deshalb sage ich den Kritikern, die sagen, was sollen wir mit einer gesetzlichen Personalbemessung, wenn wir dann das Personal nicht haben, dass umgekehrt ein Schuh daraus wird: Nur mit besseren Arbeitsbedingungen im Krankenhaus werden wir die Pflege zukunftsfähig machen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Dr. Ludwig Flocken fraktionslos)

Dass wir kein Hamburger Problem haben, sondern in Deutschland insgesamt ein Problem haben, ist

schon deutlich geworden. Und wir haben tatsächlich Grund zur Sorge, wenn wir uns die Entwicklung der letzten 10, 15 Jahre ansehen, wenn wir uns die demografische Entwicklung ansehen, die einen viel größeren Behandlungsbedarf mit sich bringt, und wenn wir uns mit anderen europäischen Ländern vergleichen. Seit Einführung des Fallpauschalensystems im Krankenhaus vor über zehn Jahren ist die Zahl der Fälle um über eine Million gestiegen, die Verweildauer ist drastisch gekürzt worden und das Pflegepersonal ist reduziert worden. Das alles verdichtet führt dazu, dass heute eine Pflegekraft im Krankenhaus 12 Prozent mehr Patienten betreuen muss als vor 15 Jahren. Das belastet nicht nur die Pflegekräfte, sondern das ist auch gefährlich für die Patientinnen und Patienten. Pflegekräfte sind am dichtesten dran. Sie können Komplikationen verhindern, sie können Entwicklungen rechtzeitig erkennen und stoppen, und sie können mit guter Pflege für eine schnelle Heilung sorgen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich finde, wenn man eine solche Analyse hat, dann hat man als Gesetzgeber in Deutschland nicht nur das Recht, sondern man hat geradezu die Pflicht, einzugreifen und dieser Entwicklung gegenzusteuern. Das wollen wir mit den gesetzlichen Vorgaben zur Personalausstattung machen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich habe lange für diese gesetzliche Regelung gekämpft. Das war durchaus nicht von Anfang an eine Übereinstimmung der verschiedenen politischen Parteien, und, Frau Stöver, auch die CDU musste erst noch sehr überzeugt werden. Aber ich glaube, inzwischen ist Herr Gröhe sehr froh, dass wir ihn überzeugt haben und er auf diese Regelung verweisen kann.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Auch die Krankenhäuser waren und sind nicht begeistert, denn eigentlich sehen sie die Personalplanung als betriebliches Hoheitsgebiet an, aus dem sich der Staat möglichst heraushalten soll. Aber ich glaube, wir haben heute schon viele Argumente gehört, warum es so nicht weitergehen kann.

Mit dem Gesetz auf der Bundesebene haben wir den entscheidenden Schritt gemacht, dass wir zu einer besseren Personalausstattung in den Krankenhäusern kommen. Natürlich strapaziert es die Geduld, auch meine Geduld, dass wir erst bis 2019 warten müssen, bis wir dann tatsächlich diese Regelungen haben. Aber wenn es die schnelle und einfache Lösung gäbe, Herr Celik, wenn wir nur etwas aus der Schublade ziehen müssten, um es ins Gesetzesblatt zu schreiben, dann wären wir schon auf diese Idee gekommen. Das gibt es aber nicht.

Ich sage es noch einmal, drei Dinge sind entscheidend: Wir brauchen bundeseinheitliche Vorgaben,

(Dr. Ludwig Flocken)

denn es gibt keine Patientensicherheit in Hamburg, die anders ist als die in Hessen, und wir brauchen gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Krankenhäuser in Deutschland, denn die Bezahlung ist auch bundeseinheitlich. Wir müssen zu den Personalvorgaben die Möglichkeit der Konsequenz haben, und Konsequenz heißt: Personal, das wir verlangen, muss auch finanziert werden; Bundesgesetz. Und wenn es nicht da ist auf den Stationen, muss das kontrolliert werden und dann müssen auch Abschläge gemacht werden von der Vergütung; wieder Bundesrecht. Aber das Allerwichtigste ist – und das ist auch ein besonderes Anliegen der Gewerkschaft ver.di –: Wir müssen mit diesen Vorgaben den ganz überwiegenden Teil der Krankenhausbehandlungen erfassen, denn sonst wird nicht mehr Personal eingestellt, sondern es wird vorhandenes umgesetzt, und dazu darf es auf gar keinen Fall kommen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Mit den Vorschlägen, die unter anderem Herr Professor Schreyögg von der Universität Hamburg der Kommission gemacht hat, würden wir fast 80 Prozent der Krankenhausbehandlungen erfassen. Das können wir nicht mit punktuellen Sofortmaßnahmen auf der Landesebene für Intensivstationen.

Sie haben in Ihrem Antrag und in der Debatte angesprochen, es würde doch anderswo auch klappen. Dazu muss ich Ihnen leider sagen: Das ist nicht so. Das Land Nordrhein-Westfalen hat zwar Vorgaben zu Intensivstationen in den Krankenhausplan geschrieben, die aber erfolgreich beklagt worden sind und heute nur den Charakter einer unverbindlichen Empfehlung haben. Auch im Saarland ist nach einer Ankündigung nichts mehr passiert. Und dann schaue ich natürlich besonders nach Thüringen und nach Brandenburg, wo die Partei DIE LINKE die Landesgesundheitsministerinnen stellt, und beide sind nicht auf die Idee gekommen, Landesvorgaben zu machen, sondern sie verweisen auch auf die Bundesvorgaben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir schöpfen hier in Hamburg schon unsere Möglichkeiten aus, für bestimmte spezialisierte Behandlungen durch Qualitätsvorgaben für mehr Patientensicherheit zu sorgen. Aktuell diskutieren wir im Landesplanungsausschuss mit Krankenhäusern und Krankenkassen bestimmte Maßnahmen der Strukturund Prozessqualität, um komplizierte Operationen am Herzen, an der Lunge, am Kopf sicherer zu machen. Dabei geht es um Anforderungen an Qualifikation, an Betreuungsintensität oder an die vorzuhaltende Infrastruktur. Damit schaffen wir beste Voraussetzungen für hochkomplexe Behandlungen, aber wir können damit nicht zu einer flächendeckenden Reduzierung von Arbeitsbelastung auf allen Stationen kommen. Dafür brauchen wir die Bundesvorgaben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir wussten, dass wir einen langen Weg beschreiten müssen, und deshalb hat es auf der Bundesebene auch Sofortmaßnahmen finanzieller Art gegeben. Das Pflegestellenförderprogramm ist ein Punkt, mit 660 Millionen Euro für mehr Pflegestellen. Herr Celik, es ist wirklich unseriös zu behaupten, dass in Hamburg dieses Programm floppt. Wir wissen, dass viele Krankenhäuser noch gar nicht ihr Budget vereinbart haben für 2016, dass es noch Streitigkeiten gibt, und solange das nicht vereinbart ist, wissen wir überhaupt nicht, inwieweit dieses Programm in Hamburg wirkt. Da viele mit ihren Betriebs- und Personalräten entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen haben, gehe ich davon aus, dass die Mittel auch in Hamburg genutzt werden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Natürlich müssen wir dafür sorgen als Land, als Bund, dass wir genug Pflegepersonal ausbilden in Zukunft. Wir haben mit der neuen Pflegeausbildung einen zukunftsfähigen Beruf auf den Weg gebracht und machen enorme Anstrengungen, zusammen mit der Krankenhausgesellschaft, zusammen mit der Pflegegesellschaft hier in Hamburg, um für diesen Beruf zu werben. Aber man wirbt am besten für einen solchen Beruf, indem man mit gutem Gewissen sagen kann, wir bieten auch gute Arbeitsbedingungen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Der Hamburger Senat fühlt sich der Pflege besonders verpflichtet. Wir werden weiter dafür sorgen, dass wir gute Pflege haben, dass wir ausreichend Pflegekräfte haben. Aber es reicht eben nicht, das Gute zu wollen, man muss auch die richtigen Mittel nehmen, und das wollen wir weiter konsequent machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Celik von der Fraktion DIE LINKE hat erneut das Wort.

(Zuruf)

Nein, das waren mehr als fünf Minuten. Das waren acht Minuten.

Der Vorwurf an unsere Bundestagsfraktion, dass wir uns wegducken, wenn es um Personalbemessung geht, ist aberwitzig.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Es geht um Ihre Landesvorsitzende in Thüringen!)

Unsere Bundestagsfraktion ist es, die seit Jahren dieses Thema immer wieder in die Öffentlichkeit und den Bundestag einbringt, und es sind immer wieder Ihre Fraktionen gewesen, die unsere Anträge abgelehnt haben.

(Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks)

(Beifall bei der LINKEN)

Wir finden, die Regelung, die jetzt im Bund vereinbart wurde, geht nicht weit genug. Es kann nicht sein, dass nur in pflegesensitiven Bereichen Personaluntergrenzen eingeführt werden. Was ist denn mit den anderen Stationen? Da haben wir doch auch eine Arbeitsverdichtung, da haben wir doch auch Pflegenotstand. Es geht einfach nicht, dass man nur bestimmte Bereiche nimmt und keine allgemeine Regelung umsetzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Außerdem finden wir es kritisch, dass Sie den Bock zum Gärtner machen. Es kann doch nicht sein, dass jetzt die Vertreter der Krankenhausgesellschaften die Personaluntergrenzen aushandeln sollen, die in der Öffentlichkeit immer wieder sagen, dass sie das falsch finden. Hier geht es doch auch um wirtschaftliche Interessen. Warum wird das nicht mit einer wissenschaftlichen Expertise ausgearbeitet statt durch die Krankenhausgesellschaften und die Krankenkassen? Das finden wir falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Stöver, ich muss sagen, Ihre Rede war wirklich unterirdisch. Dazu ist dieses Thema viel zu wichtig. Hier geht es um Patientensicherheit, um das Leben der Patienten, um die Situation der Pflegekräfte – und Sie haben eine polemische Rede gehalten und sind auf unsere Argumente überhaupt nicht eingegangen. Das ist dieses Themas unwürdig.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich würde Ihnen empfehlen, dass Sie sich nicht nur mit den Krankenhauskonzernen austauschen, sondern auch einmal zu den Pflegekräften gehen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Mit denen reden wir auch, wir brauchen da keine Nachhilfe!)