Protocol of the Session on June 28, 2017

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch beim Thema Arbeit müssen wir die Aufgabe von G20 noch weiter auffächern. Ich teile, was Wolfgang Rose gesagt hat, die Forderungen von Labour20, all das, was die Gewerkschaften schon immer wollen, was wir mit guter Arbeit wollen. Aber wir haben bei der Präsentation des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Sozialausschuss auch lernen müssen, dass die Erklärungen von Labour20 – genauso wie die von Business20 – schlicht zur Kenntnis genommen werden, aber noch lange nicht in den Prozess hineinkommen. Da bleibt noch eine Menge Arbeit zu tun.

Frau Grunwaldt hat ein Beispiel genannt, das wir aus europäischer oder rein deutscher Sicht als Erfolg versprechend am Arbeitsmarkt erkannt haben. Ein anderes Beispiel wurde von der Referentin aus dem Bundesministerium genannt. Sie hat erklärt, dass sie sehr überrascht gewesen sei über einen Vorschlag von Saudi-Arabien, nämlich Telearbeit für Frauen einzuführen. Telearbeit gibt es bei uns recht viel. Ich vermute aber, dass es für die Einführung von Telearbeit in Saudi-Arabien einen anderen Hintergrund gibt als bei uns, nämlich vor allem, dass Frauen dort nicht erlaubt ist, in einem Büro mit Männern zusammenzuarbeiten. Frauen haben immer noch Probleme, wenn sie selbst ein Auto fahren wollen und Ähnliches. Wie man sieht, ist die Motivlage nicht unbedingt die gleiche. Hier macht

die weitere Diskussion Sinn, aber sie ist auch unglaublich schwierig. Ich glaube, es reicht nicht, sich dazu auf dem Level G20 zu treffen, sondern es erfordert eine jahrelange Arbeit auf vielen verschiedenen Ebenen, um überhaupt ein gemeinsames Verständnis von guter Arbeit herbeizuführen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Celik von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Vorwort zum G20-Papier der Bundesregierung formuliert die Kanzlerin die richtige Frage: Wie können wir dafür sorgen, dass alle von der Globalisierung profitieren? Darauf haben die Labour20 mit ihrer Resolution eine Antwort gegeben. Sie fordern, dass auch über alternative wirtschaftspolitische Modelle diskutiert wird. Darüber haben wir im Ausschuss geredet. Als wir die Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung damit konfrontiert haben, haben wir feststellen müssen, dass die G20-Staaten sich mit alternativen wirtschaftspolitischen Modellen gar nicht auseinandersetzen. Es findet auch keine Diskussion statt. Das ist ernüchternd, aber nicht überraschend. Stattdessen steht im G20-Papier, dass wieder neoliberale Lösungsansätze vorangetrieben werden sollen, also Privatisierungen, Deregulierung, sinkende Staatsausgaben. Das Ganze wird beschönigend als Strukturreform bezeichnet.

Eine Antwort auf die berechtigte Frage von Frau Merkel ist vom G20 nicht zu erwarten. Stattdessen setzt die Bundesregierung auf Marketing. Es soll die Botschaft ausgesendet werden, dass die Globalisierung vorteilhaft für alle Menschen sei und dies nur besser unterlegt und kommuniziert werden müsse. Die Frage nach möglichen Änderungen der Politik wird durch eine Marketingmaßnahme ersetzt. Das ist alles, was die Bundesregierung anzubieten hat: neoliberale Politik mit blassroter Tünche.

Entsprechend ist für ein besseres Leben die Frage nach der Freiheit, sich zu organisieren, sehr wichtig. In Saudi-Arabien und der Türkei gibt es kaum Arbeitnehmerrechte oder Repressionen gegenüber Gewerkschaften. Die USA haben immer noch nicht alle Kernarbeitsnormen ratifiziert.

(Glocke)

Deshalb sagen wir: Wir gehen gegen diese arbeitnehmerfeindliche Politik am 8. Juli auf die Straße und protestieren.

(Beifall bei der LINKEN)

(Franziska Grunwaldt)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Dutschke von der FDPFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Bei den Selbstbefassungswünschen von Rot-Grün und den rot-grünen Debattenanmeldungen gewinnt man wirklich manchmal den Eindruck, dass sich Ihr Gestaltungswille für Hamburg bereits mit der Hälfte der Legislaturperiode erschöpft hat.

(Beifall bei der FDP – Wolfgang Rose SPD: Und jetzt zum Thema!)

Die Kurzdebatte signalisiert jedenfalls nicht, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den politischen Zielen der G20-Arbeitsmarktpolitik gewünscht ist. So blieb auch der Sozialausschuss von den Querelen innerhalb der Bundesregierung nicht verschont und musste sich beim Vortrag der Arbeitsministeriumsangestellten anhören, wo die SPD mit ihrer realitätsfernen Arbeitsmarktpolitik an der CDU scheiterte. Netter Einblick, kann ich sagen, ansonsten war die Selbstbefassung genauso erkenntnislos wie überflüssig. Eine einfache Google-Suche hätte es auch getan.

(Ksenija Bekeris SPD: Das ist ganz schön anmaßend!)

Fakt ist: Die Arbeitsminister der G20-Staaten haben sich bei ihrem Treffen im Mai in einer vagen Erklärung auf unstrittige Ziele geeinigt, deren Umsetzung zwar in anderen Staaten einer Revolution gleichkäme, die in Deutschland jedoch weitgehend selbstverständlich sind. So unter anderem die Stärkung von Weiterbildung und lebenslangem Lernen, die Verbesserung der Frauenerwerbstätigkeit, die Arbeitsmarktintegration von Migranten und Flüchtlingen und die Gestaltung der globalen Lieferketten. Diese Erkenntnisse sind für uns Deutsche, für uns Hamburger im Wesentlichen unstrittig. Ob, und wenn ja, welche Auswirkungen diese Erklärung in anderen Gipfelländern entfalten, ist sicherlich interessant, fällt jedoch nicht in den Einflussbereich unseres Landesparlaments.

Papier ist geduldig, der Gipfel darüber hinaus noch nicht einmal gelaufen. Insofern würde ich es wirklich begrüßen, wenn wir uns auch auf Antrag von Rot-Grün hin wieder einmal mit Themen beschäftigten, auf die wir erstens als Landesparlament Einfluss haben und die zweitens das Relevanzniveau von Bienenstrategien und Öffentlichkeitskampagnen zur Drohnenverordnung überschreiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Hansjörg Schmidt SPD: Wie der FDP-Antrag heute, oder?)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Dr. Baumann von der AfD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Frage bei diesem Gipfel und seinen Themen ist doch weniger, was vereinbart wird, als was später auch tatsächlich umsetzbar und prüfbar ist. Das gilt besonders für das Beschäftigungsthema, das diesmal auf der Gipfelagenda steht. Es geht global um bessere Arbeitsbedingungen, niedrige Höchstarbeitszeiten, bessere Arbeitnehmerrechte und besseren Gesundheitsschutz. Es ist gut, die Sache einmal zu thematisieren; es müsste sich global sehr viel ändern. Aber wie sieht es mit den Realisierungschancen aus? Schlechtere Arbeitsbedingungen – leider ist es so – sind Wettbewerbsverzerrungen, mit denen viele Regime weltweit für eigenen Aufschwung und wirtschaftliche Erfolge sorgen. Miese, schlecht bezahlte, gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen sind immer wieder eine Art von wirtschaftlichem Doping, mit dem Aufträge ins Land geholt werden können. Das ist gar nicht so unähnlich dem Bereich Sport, wo alle beim Internationalen Olympischen Komitee unterschrieben haben, dass sie niemals Doping betreiben werden – und wir wissen, wie weit verbreitet es weiterhin bleibt. Das ist oft das Papier, auf dem es steht, nicht wert. Wir müssen einfach sehen, dass in vielen Ländern das, was nur auf Papier steht, nicht durchsetzbar ist, weil völlig andere Verhaltenskulturen dahinterstehen, die sich schwer ändern lassen, und jedenfalls wenig Erfolg dabei erzielt wird. Es gibt Länder, in denen es keine nicht korrupte Verwaltung gibt, keine nicht korrupte Polizei, keine unabhängigen Richter, keine freien Medien, die darüber berichten und die Probleme aufzeigen könnten. Das reicht von Mexiko bis Bangladesch oder Indien; Sie kennen das.

Meine Damen und Herren, wir müssen in internationalen Gremien und Organisationen viel stärker die völlig unterschiedlichen Verhaltenskulturen in den Blick nehmen und berücksichtigen. Das tun wir viel zu wenig. So kommt leider wenig heraus. Das reicht von G20 über IOC und FIFA bis zur UNO. Das müssten wir stärker in den Blick nehmen, auch bei dem Gipfel. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Senatorin Dr. Leonhard.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debattenbeiträge haben sehr deutlich gezeigt, dass es wichtig ist, über die Befassung im Sozialausschuss hinaus noch einmal zu thematisieren, worum es beim Thema Arbeitsmarkt, Erwerbstätigkeit und Organisation einer gerechten Globalisierung, so schwierig das auch ist und so sehr es international seine Grenzen hat, geht, und noch einmal auf die Kernthemen zu sprechen zu kommen.

Ja, natürlich ist es so, dass G20 bestenfalls zweieinhalb Tage dauert und vielleicht die Erklärungen im Rahmen von Labour20 oder Business20 nur adressiert werden. Aber sie sind in einem jahrelangen internationalen Prozess mit Blick auf G20 länderübergreifend erarbeitet worden. Es geht eben nicht darum, uns naseweis als diejenigen darzustellen, die schon alles haben – einen Mindestlohn und außergewöhnliche arbeitsrechtliche Regelungen und Frauenförderung gesetzlich implementiert – und nichts brauchen, wie Frau Dutschke von der FDP es getan hat, sondern es geht darum, gerade bei den Ländern für diese Ansätze zu werben, die noch nicht so weit sind. Und dabei spielt es eine Rolle, auch Saudi-Arabien unterzuhaken, so wenig, wie man vielleicht im ersten Moment Lust darauf hat. Das ist eine große Aufgabe, und dafür ist G20 eben auch da. Deswegen sollte man das nicht geringschätzen und schon gar nicht mit "Wir sind schon so weit und brauchen das nicht" abtun. Darum geht es gerade nicht bei G20.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Neben dem Thema Erwerbsneigungssteigerung, so heißt das technokratisch, geht es auch darum, dass wir uns das Thema Frauenerwerbsarbeit in den G20-Ländern vornehmen. Women20 hat einige wichtige Dinge vorgelegt. Es geht darum, auch den letzten Waggon an die Lokomotive anzuhängen und mitzunehmen auf dem Weg zu mehr Gleichstellung bei den G20-Ländern und weltweit. Natürlich ist Women20 nicht das verbindliche Gremium, aber nicht selten ist in der Weltgeschichte informell vorbereitet worden, was nachher in einem verbindlichen Gremium beschlossen worden ist, und da sehe ich bei G20 eine große Chance an dieser Stelle.

Ich möchte noch eine Sache sagen; es hat mich wirklich bewegt eben auf der Senatsbank und wäre ich Abgeordnete gewesen, hätte ich einen Ältestenrat beantragt. In der vergangenen Debatte hat ein Abgeordneter die Afrika-Befassung des G20 mit der Afrika-Konferenz zum Kongo 1880 in Berlin verglichen. Das finde ich unter aller Kanone, nicht würdig und inhaltlich so abschätzig, dass ich es kaum aushalten kann. Sie können froh sein, dass ich nicht mehr Abgeordnete bin.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN und der FDP)

Gibt es weitere Wortmeldungen, auch zu den Äußerungen der Senatorin? – Das scheint nicht der Fall zu sein.

Dann stelle ich fest, dass wir von der Drucksache 21/9443 Kenntnis genommen haben.

Ich rufe dann auf Tagesordnungspunkt 26, Druck

sache 21/9463, Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Innovation und Medien: "G20 in Hamburg – Vorstellung der wirtschaftspolitischen Schwerpunkte Welthandel, Digitalisierung".

[Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Innovation und Medien zum Thema: "G20 in Hamburg – Vorstellung der wirtschaftspolitischen Schwerpunkte Welthandel, Digitalisierung" (Selbstbefassungsangelegenheit) – Drs 21/9463 –]

Auch dieser Tagesordnungspunkt ist von der SPDFraktion als Kurzdebatte angemeldet worden, sodass wiederum jeder Rednerin und jedem Redner pro Debattenbeitrag jeweils zwei Minuten Redezeit zur Verfügung stehen.

Wer wünscht das Wort? – Herr Schmidt von der SPD-Fraktion, bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die wirtschaftspolitischen Leitthemen des G20-Gipfels sind der barrierefreie Welthandel und die Digitalisierung, und dabei geht es natürlich auch um Qualität und nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Eine Diskussion über die Globalisierung, ihre Gewinner und Verlierer ist heute wichtiger denn je. Ja, es ist schwierig, innerhalb von G20 auch nur minimale Konsense zu erreichen. Deshalb ist es aber auch ein Gewinn, wenn man mit China über Menschenrechte in Lieferketten oder mit Saudi-Arabien über die Arbeitsplätze von Frauen und den Gender Pay Gap sprechen kann. Wenn sich der Bundesfinanzminister plötzlich für Afrika interessiert und die Agrarminister auf die Agenda 2030 Bezug nehmen, dann ist das ein Fortschritt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Denn wenn so etwas erst einmal auf einem Papier steht, dann kann man es auch leichter von seiner Regierung einfordern, egal, wo der Welt. Deshalb sind solche Plattformen wie G20 so wichtig.

Erstmals hat es im Vorfeld des G20-Gipfels ein Treffen der Digitalminister gegeben. Auch hier erleben wir, dass einige Länder das globale Internet als ihr Eigentum betrachten, nur weil davon ein paar Kabel oder Funkfrequenzen über ihre Hoheitsgebiete laufen. Dann wird auf einmal Wikipedia gesperrt, weil es missliebige Artikel gibt, oder Twitter blockiert, weil man darüber frei kommunizieren kann. Das ist das Gegenteil von dem, was wir uns darunter vorstellen.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Carola Timm GRÜNE)

Mit Ländern wie Türkei, China oder Russland über den freien Austausch von Meinungen oder den Datenschutz zu diskutieren ist kein leichtes Unterfangen. Aber auch hier gibt es eine gemeinsame Er

(Senatorin Dr. Melanie Leonhard)

klärung. Das mag zwar eine sehr weiche Formulierung sein, aber wir wissen: Das weiche Wasser bricht den Stein.

Die Geschichte unserer Stadt zeigt, wie eine ganze Region von Handel und Kooperation profitiert. Hamburg ist der wirtschaftspolitische Gegenentwurf zur Ideologie der Abschottung und des Ellenbogens, wie sie leider zahlreiche der beim G20Gipfel vertretenen Regierungschefs verfolgen. Es wäre wünschenswert, dass die Hamburger Geisteshaltung auf die Teilnehmer überspringt. Dann war dies ein guter Gipfel. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Westenberger von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte hier einmal ein Plädoyer für Handelsabkommen halten. Wir alle leben in einem wundervollen Handelsabkommen: Es nennt sich Europäische Gemeinschaft und geht zurück auf eine Montanunion. Wer sich die Präambel einmal durchliest – dafür muss man nicht Jurist sein, sondern nur ein bisschen politisch interessiert –, erfreut sich an Begriffen wie Frieden, Einheit, Gemeinschaft, zum Wohle der Menschen. Wir erleben derzeit einen Welthandel, der meines Erachtens ziemlich ungezügelt abläuft und relativ frei ist von Regeln. Rechtsstaat lebt von Regelungen, und in einem Handelsabkommen können wir Regelungen setzen und Marktmächte kontrollieren. Rechtsstaat ist auch immer dazu da, Gerechtigkeit zu setzen, und Gerechtigkeit ist meistens für den da, der sozial schwächer oder marktschwächer ist. Über Handelsabkommen schaffen wir Recht. Schaffen wir keine Handelsabkommen – das geht insbesondere an die Kolleginnen und Kollegen der LINKEN –, lässt man den Marktmächten jeglichen freien Raum, was in der Regel zu Ungerechtigkeiten führt. Sollten Sie zugehört haben, wüssten Sie, worum es geht; ich bedanke mich, dass einige andere mir zugehört haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)