Protocol of the Session on May 31, 2017

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der AfD)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Flocken.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Volksvertreter! Wer nicht die Möglichkeit hat, über die traditionellen Medien Nachrichten zu verbreiten und seine Mei

nung zu vertreten, der kann dies heute über die digitalen Medien tun – Einzelne über Facebook, Gruppen mit schmalem Budget arbeiten in alternativen Blogs. Einigen von ihnen gelingt es, die angestrebte Aufmerksamkeit und Reichweite zu erlangen. Dies liegt nicht nur an der Qualität ihrer Texte, sondern vor allem daran, dass die etablierten Vertreter der Vierten Gewalt ihre wichtigsten Aufgaben nicht wahrnehmen – nämlich erstens wertfrei zu berichten und zweitens, säuberlich getrennt davon, die Arbeit der Regierung kritisch zu begleiten, wie das in Demokratien selbstverständlich sein sollte.

Die Staatsmedien von "Tagesschau" bis "taz" und staatlich alimentierte Kulturschaffende sehen ihre Aufgabe einerseits in Lobhudeleien für die Regierung und andererseits im Diffamieren der einzigen Oppositionspartei. So wäre es für Diktaturen typisch und angemessen, für Demokratien unwürdig. Dabei geht es nicht immer ohne Lügen, Beleidigungen und Gewaltaufrufe zu bei den Hauptsturmmedien.

Das hier diskutierte Meinungsfreiheitsvernichtungsgesetz soll also ein Monopol schützen – ein Monopol der regierungstreuen Medien auf Lügen, Fake News, Hass, Beleidigungen und Gewaltpropaganda. Ich nenne Ihnen einige Beispiele. Erstens Lügen, dazu zunächst die dpa-Meldung von vor einigen Wochen:

"Für Befremden und Abscheu hat im Landtag eine Empfehlung des AfD-Abgeordneten […] Podeswa gesorgt, sich im Kampf gegen den Klimawandel am 'Hexenhammer' zu orientieren."

Die Meldung, dass die AfD Hexenverbrennungen fordere, wurde von mehreren Medien ungeprüft übernommen und verbreitet. Nur die heutigen digitalen Techniken haben es ermöglicht, die Lügen zu enttarnen. Ist das Dilettantismus, Obsession, Hass?

Nächstes Beispiel: Zwei Tage lang hieß es in den Staatsmedien, einer Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung zufolge breite sich die Ausländerfeindlichkeit in der Ex-DDR aus. Die Ostbeauftragte der Bundesregierung Iris Gleicke hatte eine Studie namens "Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland" präsentiert. Wer die Studie genauer las als die linientreuen Qualitätspressevertreter, konnte feststellen, dass sie auf nur 40 Interviews fußte und dies vor allen Dingen mit Vertretern des linken politischen Spektrums,

(Katja Suding FDP: Was hat das mit dem Thema zu tun?)

zum kleineren Teil auf Aussagen erfundener Personen.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein)

Zweites Beispiel: Hassmeldungen und Beleidigungen. Während eines mit Staatsgeldern geförderten Konzerts in Düsseldorf wurden auf der Bühne Transparente aufgehängt. Auf einem war zu lesen:

"Alle AfDler sind Rassisten und Arschlöcher."

(Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, der parlamentarische Sprachgebrauch gilt auch, wenn Sie Zitate verwenden. Im Übrigen weise ich Sie darauf hin, dass es beim Thema der Drucksache, über die wir hier sprechen, nicht um die allgemeine Presse geht, sondern um die Aktivitäten im Netz.

Meine zentrale Aussage ist, dass durch dieses Gesetz ein Monopol der allgemeinen Presse auf Lügen, Hass und Gewaltpropaganda geschützt werden soll.

Letztes Thema: Aufruf zu Gewalt und Legitimation derselben. Deutsche Journalisten unterscheiden sich nach meiner sehr konkreten Erfahrung von ausländischen Korrespondenten in Deutschland dadurch, dass sie Gewalt gegen die Opposition in Deutschland stillschweigend oder ausdrücklich gutheißen. Ich werde das begründen. Am Rande einer AfD-Demo in Berlin habe ich dem ZDF-Reporter Ralf Kabelka die Worte in den Mund gelegt:

"Dahinten sind welche, die sind gewalttätig intolerant, weil sie Euch Rechten eins auf die Fresse geben wollen. Und ich finde, die Jungs haben recht."

(Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, noch einmal mein Hinweis, auch bei Zitaten den parlamentarischen Sprachgebrauch zu verwenden, und hüten Sie sich ein bisschen vor pauschalen Verunglimpfungen.

In einer ZDF-Sendung wenige Tage später wurde diese Aussage dem Publikum so geschickt präsentiert, dass gehässig lachend applaudiert wurde. Journalisten, die mich interviewen wollten, haben auf meine Frage nach ihrer Einstellung zu Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung durchweg geantwortet, dass sie dies selbstverständlich ablehnen. Wenn ich ihnen aber die Videosequenz vorgespielt habe und nach einer Distanzierung im konkreten Fall gefragt habe, hieß es wirklich immer, bei jedem Einzelnen …

(Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich sage den Satz noch zu Ende. Dann hieß es immer: Von Kollegen distanzieren wir uns grundsätzlich nicht.

(Milan Pein SPD: Danke, aus! Das war der letzte Satz!)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Nockemann von der AfD-Fraktion.

(Jörg Hamann CDU: Und distanzieren Sie sich von Ihrem Kollegen, Herr Nockemann?)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die juristischen Defizite des Gesetzes sind bereits kurios, aber die Antworten von Abgeordneten auf meine Gesetzeskritik sind noch wesentlich kurioser.

Herr Seelmaecker, Sie sagten, bei der AfD finde man gar nichts lustig, und führten dann das Beispiel von Alice Weidel an, die sich nur ungern als Nazi-Schlampe titulieren lassen möchte. Ich glaube, auch bei Ihnen wäre der Spaß verdammt schnell zu Ende, wenn ich Sie von hier aus als Nazi-Onkel bezeichnen würde.

(Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, Sie haben eindeutig den parlamentarischen Sprachgebrauch verlassen, und ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf.

(Beifall bei Ralf Niedmers CDU und Dr. Ca- rola Timm GRÜNE)

Sehr geehrte Frau Treuenfels, Sie erwähnten dann, die AfD habe 2015 eine Hasskampagne gestartet, indem sie einen Beitrag der Frau von Berg aus dieser Debatte ins Netz eingestellt hat. Wieso ist es denn eine Hasskampagne oder eine Hetzkampagne, wenn man einen Beitrag ins Netz einstellt? Dieser Beitrag hat für sich selbst gesprochen, da musste man nichts Großartiges hinzutun.

Und ganz ernsthaft, Herr Tabbert, ich habe Sie da bisher etwas anders eingeschätzt. Nun ist er leider nicht da.

(Urs Tabbert SPD: Doch! Hier!)

Ach, den Platz gewechselt, das ist auch gut.

(Dr. Ludwig Flocken)

Sie verkennen offensichtlich die hohe Bedeutung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung. Wenn Sie mir dann mit so einem Beispiel kommen, auch beim TÜV gebe es Beliehene, dann ist das eine völlig andere Qualität und eine völlig andere Dimension. Es geht sozusagen um das Substrat, um das wichtigste Element unserer Demokratie, und das ist die Meinungsfreiheit. Da hatte ich Sie bisher ein bisschen anders eingeschätzt.

Nicht Silicon Valley darf entscheiden, was in Deutschland gepostet werden darf, das muss vorher ein Richter prüfen. Wenn man so denkt, wie Sie denken, warum sagen Sie dann nicht, man solle alle Entscheidungsbände des Bundesverfassungsgerichts über politische Meinungsfreiheit einfach mir nichts, dir nichts löschen? Das wäre das Ergebnis. Dann brauchen wir doch keine Gerichte mehr, dann lassen wir das doch Facebook und Co machen.

Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz will Herr Maas weiterhin die uneingeschränkte Lufthoheit über das, was man sagen darf oder eben nicht. Legitime, aber unerwünschte Meinungen sollen kriminalisiert werden. Was waren das noch für Sternstunden der Demokratie, als der vierte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland 1969 sagte:

"Wir wollen mehr Demokratie wagen."

(Dr. Monika Schaal SPD: Jetzt wird es aber langsam unerträglich!)

Ein Willy Brandt würde den Justizminister als politischen Geisterfahrer bezeichnen. Und wenn Sie wissen wollen, warum Sie von den 40 Prozent entfernt sind, dann gucken Sie sich diese Beispiele an.

Gegen dieses Gesetz ist zivilgesellschaftlicher Widerstand geboten, wenn nicht noch im letzten Augenblick die politische Vernunft obsiegt. Herr Maas wird unserem Rechtsstaat ab September 2017 zumindest als Justizminister keinen Schaden mehr zufügen können, aber sein Gesetzentwurf, sollte er denn wirklich Gesetz werden, wird einen sehr langen und sehr dunklen Schatten auf unsere demokratischen Werte werfen.

(Beifall bei der AfD)

Ich bin daher hocherfreut, heute Morgen gelesen zu haben, dass der Erste Bürgermeister dieses Gesetz mit der ihm eigenen kühlen Logik und nicht mit der parteipolitischen Brille betrachtet. Das ist lobenswert, aber sehr selten geworden. Die bürgerlichen Kräfte dürfen es nicht zulassen, dass ein außer Rand und Band agierender Bundesjustizminister unsere Demokratie und die Meinungsfreiheit nachhaltig beschädigt. Mit diesem Gesetz, würde es letztlich Geltung erhalten, wird der rechtsstaatlichen Kultur dieses Landes erheblicher Schaden zugefügt, und das sehr nachhaltig. Darüber sollten

Sie bitte einmal nachdenken, unabhängig von parteipolitischen Auffassungen und Grenzen. Ich weiß, dass Sie das können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Tabbert von der SPDFraktion.