gerinnen und Bürger dieser Stadt, dass das am Ende klappen soll, denn wir sind die Stadt, in der Europa im Herzen am stärksten schlägt. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gut, dass wir über Europa reden und als Bürgerschaft ein Zeichen setzen, genau wie viele Pro-EU-Demonstranten, und ich finde es auch gut, dass wir es gerade heute tun. An dem Tag, an dem Großbritannien den BrexitAntrag gestellt hat, setzen wir hier ein genau entgegengesetztes Signal für Europa, für die Europäische Union, und dafür, dass diese Gemeinschaft eine Zukunft hat.
Gerade jetzt häufen sich doch die aktuellen Ereignisse. Seit gestern Abend, glaube ich, als Herr Trump mit seinem Dekret faktisch den Ausstieg aus seinen eigenen Klimaverpflichtungen unterschrieben hat, muss doch jedem klar sein, dass wir die großen globalen Herausforderungen dieser Welt im Bereich Flüchtlingspolitik, im Bereich Kampf gegen den Terror, gemeinsame Wirtschafts- und Klimapolitik nur gemeinsam erreichen. Nur gemeinsam werden wir die Herausforderungen dieser Welt bestehen können.
Die EU ist eben auch viel mehr als nur eine Wirtschaftsunion, von der wir finanziell profitieren, sie fußt auf Demokratie, Frieden und Freiheit. Es ist gerade in diesen Zeiten internationaler Konflikte und Unsicherheiten sehr, sehr wichtig, dass wir diese gemeinsame Stimme erheben können, und auch das sollten wir immer wieder den Menschen in diesem Land deutlich machen.
Ebenfalls klar ist, dass es natürlich auch Reformen geben muss, und wir uns auch ernsthaft damit auseinandersetzen müssen, wo in Europa was nicht gut läuft, wo in der Tat dieses Instrument als ein bürokratisches Monstrum wahrgenommen wird, wo man Entscheidungen nicht richtig nachvollziehen kann, und so weiter, aber das müssen wir in der Geisteshaltung machen, dass wir dieses Projekt nach vorn bringen, weiterentwickeln wollen und es nicht abwickeln wollen. In dieser Haltung müssen wir in Europa für Reformen werben.
60 Jahre sind die Römischen Verträge jetzt alt, der Jahrestag war vor wenigen Tagen, und deshalb ist es so gut und wichtig und richtig, dass so viele Bürgerinnen und Bürger gerade in dieser Phase auf die Straße gehen und damit auch ein Zeichen setzen, dass sie dieses Thema nicht allein den Miesmachern, von denen einige hier auch im Plenarsaal sitzen, überlassen wollen, sondern deutlich machen, dass es ein gemeinsames Projekt ist, das sie wahren, das sie verteidigen wollen, dass sie dafür auf die Straße gehen, das ist ein sehr wichtiges Zeichen.
Mir ist da gar nicht bange, dass wir eine Chance haben, auch einen Rekord aufzustellen, weil gerade in Hamburg, glaube ich, vielen Bürgerinnen und Bürgern aus den unterschiedlichsten Bereichen und Stadtteilen die Vorteile von Europa immer wieder klar vor Augen geführt werden. Es ist einmal das Thema, wie viele EU-Bürgerinnen und -Bürger wir in Hamburg haben, Europa ist Teil der Hamburgerinnen und Hamburger, das merkt man einfach an sehr vielen Stellen, natürlich das Thema Hafen und Handel und dass wir eine Drehscheibe in dem Bereich sind. Wir haben 2 000 Hamburger Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen in das europäische Ausland haben. Es ist auf das Thema der Ein- und Ausfuhren, 62 Milliarden Euro, schon hingewiesen worden. Das ist etwas, was einfach in der DNA dieser Stadt, in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist, und es lässt sich wirklich überall sehen, Europa prägt diese Stadt, und zwar zum Positiven.
Und allen, die dann ganz genau nachrechnen, was denn für den Einzelnen dabei rumkommt, muss man auch immer noch einmal sagen, was wir beispielsweise über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung EFRE bekommen: 55 Millionen Euro Fördermittel bis 2020. Im Bereich ESF – im Sozialausschuss haben wir immer wieder darüber gesprochen, welche Projekte im Einzelnen gefördert werden – sind es 78 Millionen Euro bis 2020.
Ein sehr wichtiger Bereich ist das EU-Bildungsprogramm Erasmus. Es können sehr viele Studierende nach Hamburg kommen, sie können von Hamburg aus auch nach Europa gehen, es waren allein 2013/2014 1 121 Personen aus Hamburg. Das zeigt doch in Hamburg, überall, in allen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen Feldern, wie viel Hamburg und die Menschen hier davon profitieren können.
Letzter Punkt, deswegen habe ich Erasmus angesprochen: Es zeigt doch, dass es auch gerade ein Projekt für die Jugend ist. Und vielleicht ist auch das etwas, was wir aus der Brexit-Entscheidung sehen können, wo leider in England die Jugend überwiegend zu Hause geblieben ist beim Referendum. Deswegen muss es uns so viel Mut machen für die Demonstrationen hier in Hamburg, an denen auch viele junge Menschen beteiligt sind. Wenn auch die Jugend das zu ihrem Thema macht, als Zukunftsthema begreift, dann haben wir alle Chancen, dieses europäische Projekt in die sichere Zukunft zu führen. Dafür sollten wir in diesem Haus gemeinsam streiten und argumentieren. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Europa ist mindestens das, was meine Vorredner gesagt haben, aber Europa ist auch viel mehr. Europa ist nicht nur ein gemeinsamer Wertekanon, sondern wenn wir jetzt einmal auf den gesamten Kontinent Europa schauen, haben wir in den Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg eine Menge erreicht, von dem wir heute so unglaublich viel als selbstverständlich erachten. Ich erlaube mir einfach einmal, aus einem fantastischen Werk aus dem Jahr 1950 nur drei Einzelnormen, die bei uns geltendes Recht sind, kurz zu zitieren – aus der Europäischen Menschenrechtskonvention vom 4. November 1950. Man möge sich bitte auch noch einmal vergegenwärtigen, welche Zeit wir damals hatten. Artikel 6, Recht auf faires Verfahren:
"Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig."
"Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben."
"Jede Person hat das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich mit anderen zusammenzuschließen."
Das nehmen wir heute alles als selbstverständlich wahr. Wir brauchen jedoch nur ein paar Tausend Kilometer aus Deutschland, aus Hamburg hinauszusehen und erkennen Menschen, mit welchem intellektuellen Hintergrund auch immer, die diese Rechte als nicht frei und gegeben erachten, sondern täglich für diese neu kämpfen müssen. Und es ist auch unsere Aufgabe, hier in Hamburg und hier in Europa und hier in Deutschland dafür Sorge zu tragen, dass dieser Geist Europas nicht nur dauerhaft erhalten bleibt, sondern auch innerhalb Europas zu einem Exportschlager wird.
Und ich bin so froh, dass das nicht aus der Mitte einer der großen Volksparteien oder einer der beiden hier im Haus auch zutiefst europäischen Parteien in die Welt hinausgetragen wird, sondern dass das tatsächlich aus der Mitte der Bevölkerung entstanden ist. Beim sogenannten Modell der Vaterländer haben sich im Januar 2017 in Koblenz Leute getroffen, bei deren verwirrtem Geisteszustand wahrscheinlich jeder vom anderen gar nicht genau weiß, was der eigentlich unter der Idee des Europas der Vaterländer versteht. Interessant ist, dass diese Leute dann die europäische Menschenrechtskonvention für sich in Anspruch nehmen, wenn Frau Le Pen oder dieser eigenartige Herr Wilders in Deutschland aufgrund der europäischen Menschenrechtskonvention verwirrte und von jedem guten Geist verlassene Ideen eines auseinanderfallenden Europas in die Welt hinausposaunen.
Und genau diesen Leuten sollten wir frühzeitig entgegenhalten, was das Alternativmodell ist. Unser Alternativmodell ist ein freies, gemeinschaftliches und solidarisches Europa, das gerade auf einem Menschenbild gegründet ist, für das viele Leute, viele Männer und Frauen in Europa, in Deutschland, auch in Hamburg gekämpft haben. Ein Menschenbild, das auf Freiheit beruht, das auf Demokratie beruht, auf Diskriminierungsverbot beruht, aber auch auf einem gemeinsamen Handel, auf einer Art der Fairness und einem Miteinander. Und es ist ein Anachronismus ohnegleichen, wenn diese Leute, die sich in Koblenz zusammengesetzt haben – die arme Stadt Koblenz kann überhaupt gar nichts dafür, dass sie jetzt hier in meiner Rede zum zweiten Mal vorkommt –, sich auf ein Europa berufen, in dem es vermeintlich den Schwächeren besser geht, indem man seine eigenen Kräfte vermindert.
Nehmen wir einmal einen Nationalstaat wie die Niederlande. Einigen Ländern, die am mittleren Bereich der Gesellschaft agieren, geht es wirtschaftlich besser, wenn ich die politischen und wirtschaftlichen Kräfte der Niederlande schwäche. Es gibt derzeit einen Staat, nun leider auch durch eine konservative Partei mit angezettelt, der dieses Modell gerade versucht. Das ist ein wirkliches Modell,
ein politisches Modell, in dem Großbritannien jetzt der Auffassung ist, wenn es sich von der Welt isoliert, geht es ihm nachträglich besser. Möglicherweise erlebt Queen Elizabeth II. eine Situation, die sie sich wahrscheinlich bei ihrem Amtsantritt nicht einmal als das schlimmste Ereignis ihrer Welt vorstellen konnte, dass das Vereinigte Königreich zerbricht, weil möglicherweise das gesamte volkswirtschaftliche Modell, das sich einige Leute in Großbritannien, insbesondere im Großraum London, ausgedacht haben, nicht funktionieren wird. Wo steht Großbritannien dann oder England? Als Wirtschaftspartner eines Amerikas, das heute schon sagt, ich schließe überhaupt gar keine Handelsverträge mehr, ich bin ganz allein und möchte auch für immer allein bleiben? Das kann es nicht sein.
Wir schauen weiterhin in die Welt hinein, wir hören erst dann auf zu kämpfen, wenn wir unsere Ziele erreicht haben. Und den Leuten, die meinen, Europa verächtlich machen zu müssen oder sich darüber sogar lustig machen, kann ich nur eines sagen: Mit meinem persönlichen Widerstand können Sie jederzeit rechnen. – Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Die Europäische Union befindet sich in der schwersten Krise ihrer 60-jährigen Geschichte. In vielen europäischen Ländern hat sich in den vergangenen Jahren das Blatt mehr und mehr in Richtung rechts gewendet. Chauvinismus und Nationalismus feierten ihre Wiedergeburt. Wir sehen mit größten Sorgen die Entwicklungen etwa in Ungarn und Polen. Größere Teile der Rechten in Europa, darunter die AfD, es ist schon angesprochen worden, vernetzten sich, um das, ich zitiere, "Ende einer Welt" herbeizuführen, wie Le Pen es in Koblenz ausdrückte und damit vor allem die Zertrümmerung der EU meinte. Auch wenn er seine Ziele nicht erreichte, holte Wilders bei den jüngsten Wahlen in den Niederlanden die zweitmeisten Stimmen. In Frankreich ist ein Wahlerfolg des Front National nicht auszuschließen. Hierzulande sitzt die AfD inzwischen in elf Landesparlamenten, ihr Einzug in den Bundestag ist mehr als nur wahrscheinlich. Von den Entwicklungen in der Welt, in den USA, in der Türkei, in Russland will ich gar nicht reden.
Der Nationalismus ist auf dem Vormarsch. USA First, Britain First, Frankreich First, Niederlande First, Deutschland First.
So begrüßen wir auch, bei allen Schwächen, die Initiative, die dem Chor des nationalistischen We First einen Pulse of Europe entgegensetzt. Europa darf nicht scheitern.
Mit dem heutigen Tag beginnen die Ausstiegsverhandlungen mit Großbritannien. Kein Mensch weiß, weder in Großbritannien noch auf dem Kontinent, wie sie enden, wie dieser Ausstieg aus der EU vollzogen werden kann, ohne für alle Beteiligten allergrößten Schaden anzurichten. Es gäbe viel über die tieferen Ursachen zu sagen, die zur Entscheidung des Brexit geführt haben oder sie begünstigt haben, vor allem über die Zerstörungen, die durch die Globalisierung, durch den Neoliberalismus und die entfesselte Konkurrenz angerichtet wurden und die die soziale Spaltung vertieft und zu scharfen gesellschaftlichen Trennlinien geführt haben. Aber darüber will ich hier nicht reden.
Auch nicht darüber, dass die EU trotz einiger Errungenschaften, die hier schon angesprochen worden sind, zum Beispiel die verschiedenen Fonds, weit, weit von einer sozialen Union entfernt ist. Und auch nicht darüber, dass Entscheidungen auf EUEbene und ihre Auswirkungen auf die EU-Bürgerinnen und -Bürger völlig undurchsichtig bleiben. Ich will hier vor allem auf die neuen, großen Herausforderungen eingehen, denen sich demokratische Politik angesichts des We First auf allen Ebenen, auf kommunaler, auf Landesebene, auf Bundesebene und Europaebene, stellen muss. Das nationalistische We First, das nur den eigenen Vorteil im Auge hat und ohne Rücksicht auf Verluste durchzusetzen versucht, ist der sichere Weg in den Zerfall, vielleicht erst in vielen Jahren, aber, davon bin ich überzeugt, unausweichlich.
Die knallharte Austeritätspolitik der EU und insbesondere der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Griechenland verletzt seit Jahren die sozialen Menschenrechte auf eine in der EU bis dahin kaum vorstellbare Weise, vor allem das Recht auf Gesundheit, auf ein funktionierendes Sozialsystem, auf Arbeitnehmerrechte, auf Tariffreiheit der Gewerkschaften, auf ein würdiges Auskommen. Eine solche deutsche und EU-Politik, die die EU-Sozialcharta in die Tonne tritt, zerstört die Legitimität des europäischen Gedankens, zerstört die EU.
Demokratie untrennbar mit dem Solidargedanken zu verbinden und zur Grundlage der weiteren Entwicklung zu machen, das ist die Herausforderung, vor die uns das Erstarken des Chauvinismus und Nationalismus stellt. Dabei geht es nicht darum, Altruismus zu predigen. Es geht vielmehr darum, dass Entscheidungen mit Rücksicht auf andere getroffen werden, dass die Folgen von Entscheidun
gen für andere mitbedacht und offengelegt werden und dass das mit der Bevölkerung kommuniziert wird.