Stattdessen ging es in einem Großteil der Debatte gerade vonseiten der Regierungskoalition um angebliche Haltungen, Äußerungen und Ziele.
Ich weiß, vorhin wurde kritisiert, wir würden die Verträge kündigen wollen, aber das stände doch, und das wurde auch kritisiert, gar nicht in unserem Antrag. Das war eine solche Scheindebatte, die mich in Wahrheit heute extrem skeptisch macht, nämlich dass es solchen Kräften in unserer Gesellschaft möglich ist, unser Parlament in dieser Art und Weise parteipolitisch aufeinander zu hetzen. Und deswegen noch einmal mein klarer Appell:
Lassen Sie uns diese wichtige Frage – Herr Wysocki hat es angesprochen, die Gespräche folgen noch – an die Ausschüsse überweisen und lassen Sie uns schauen, dass wir einen größeren gesellschaftlichen Konsens und eine klare Haltung gegen Extremismus erreichen. – Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU und bei Dr. Ludwig Flocken fraktionslos – Jan Quast SPD: Wir haben eine klare Haltung!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin schon ein bisschen verwundert, wenn ich das höre. Wir haben darauf hingewiesen, …
Herr Lenders, Sie wissen doch, wie rechtsstaatliche Vorgänge eigentlich zu laufen haben. Wenn Sie bei der Polizei sagen, es gibt einen Verdacht, dann muss es nachher auch eine rechtsstaatliche Feststellung geben, ob es jemand war oder nicht. Und dieses Verfahren kürzen Sie ab. Sie wollen hier durch Ihre Anträge letztlich eine pauschale Vorverurteilung machen, und das kann nicht angehen.
Wir wollen noch einmal ganz differenziert darauf eingehen. FDP und AfD wollen die Kündigung und Sie wollen die Aussetzung, und dann noch mit so einer sehr trickreichen Geschichte:
Wir erstellen jetzt ein Gutachten, schauen, ob DITIB noch eine Religionsgemeinschaft ist, ob sie vielleicht automatisch aus dem Vertrag hinausgleitet, weil irgendein Gutachten feststellt, es ist gar keine Religionsgemeinschaft mehr. Glauben Sie, dass Sie mit dieser religionswissenschaftlichen Betrachtung nicht trotzdem bei all den Angehörigen der DITIB dasselbe Gefühl heraufprovozieren nach dem Motto, diese Gesellschaft stellt uns den Stuhl vor die Tür? Und mit dieser Konsequenz müssen Sie sich vorher auseinandersetzen und nicht hinterher.
Aber die Frage ist doch in einer solchen Situation, gibt man dem einfach jetzt so nach – das Stichwort Empörungsdebatte fiel, glaube ich, vorhin – oder sind wir nicht selbst in der Verantwortung, weil wir sagen, wir wollen den gesellschaftlichen Zusammenhalt in dieser Stadt erhalten, gehen wir einmal die Wege, die in dem Vertrag für so etwas vorgesehen sind. Das wäre doch der erste Schritt.
Ich sage doch gar nicht, wenn alles immer schlimmer wird mit DITIB und sich bei den Dingen, bei denen wir auch Erwartungen haben, gar nichts tut, dass wir dann nichts machen sollten. Man muss nur irgendwo anfangen, und der Anfang ist da vorgesehen, wie es in den Verträgen steht, nämlich in Artikel 13. Man kann doch nicht mit dem dritten, vierten, fünften Schritt quasi als Erstes beginnen, was ist das für ein politischer Vorgang? Und da muss man einfach nur einmal sagen, das ist wirklich unverantwortlich, weil es nicht nur um einzelne Akteure geht, es geht um die gesellschaftlichen Rückwirkungen auf sehr viele Leute, die mit diesen Sachen, mit widerlichen Posts, mit auch schrecklichen Aufrufen antisemitischer Art und so weiter selbst nichts zu tun haben, und die nehmen Sie da in Mithaftung. Das ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer, das Sie da betreiben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben seit Längerem wohl kaum eine wichtigere Debatte geführt als die heutige. Wir müssen einmal ausblenden, dass wir hier nicht nur unter uns diskutieren, sondern sehen, was die Bevölkerung draußen diskutiert, die nicht in den schönen Stadtteilen wohnt, wo, sage ich einmal, die grünen Yupster in ihren schönen Dachwohnungen oder ähnlich wohnen. Wir müssen sehen, wo wirklich die deutsche Bevölkerung schon in die Minderheit geraten ist und die Probleme hat, die kulturellen Probleme …
Und das kann man noch nicht einmal aussprechen hier, man darf es noch nicht einmal sagen. Sobald ich deutsche Bevölkerung sage, ist auf der linken Seite ein Tumult, so weit ist es gekommen in diesem Parlament.
Herr Dressel, Sie verstecken sich in dieser wichtigen Sache hinter irgendwelchen rechtlichen, vertraglichen Geschichten.
Jeden Vertrag, den man geschlossen hat, kann man auch infrage stellen und kündigen, das ist bei allen Verträgen so. Wo ist denn die rote Linie bei Ihnen? Was muss denn passieren? Wir haben es doch gesehen, ich habe es doch eben gerade verlesen.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Münster?
Herr Dr. Baumann, ich habe eine Frage, um Ihrer Debatte überhaupt folgen zu können. Wo wohnen Sie denn?
Schade, dass so wenige hier oben auf den Rängen sind. Sie sind nicht nur unter sich, das hat eine Breitenwirkung. Und an den Wahlergebnissen sehen Sie es doch mittlerweile. Sie verschanzen sich hinter rechtlichen Gesichtspunkten, dass man Verträge nicht kündigen könne. Jeden Vertrag kann man kündigen.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Meine Damen und Herren! Herr Dr. Baumann redet, und wenn Ihnen das nicht gefällt, können Sie sich zu Wort melden oder sonst den Raum verlassen, aber reden Sie bitte nicht dazwischen. – Herr Dr. Baumann, bitte.
Dann haben Sie gesagt, wenn die Leute draußen beunruhigt seien … Und die Leute sind doch beunruhigt, das Thema ist doch nicht, dass wir beunruhigt sind in den Stadtteilen, von denen wir gerade reden, sondern dass die Leute draußen in anderen Stadtteilen beunruhigt sind und sich fragen, was dabei heute herauskommt. Was kommt heraus dabei? Heraus kommt dabei die Hoffnung, Herr Dressel, die Sie geäußert haben, dass die DITIB NORD sich vielleicht von der DITIB und der türkischen
Religionsbehörde emanzipieren möge. Mit so einer Hoffnung gehen die Leute jetzt hier heraus, das ist das Ergebnis dieser Debatte. Die werden sich niemals emanzipieren. Das ist praktisch die türkische Religionsbehörde, die können sich davon gar nicht emanzipieren. Aber Sie haben sich hier hingestellt und gesagt, dass sei Ihre Hoffnung. Das ist die Hoffnung, die Sie den Leuten draußen machen. Da kann man nur sprachlos sein am Ende dieser Debatte.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wohne am Stadtrand, habe aber gerade das Dachgeschoss ausgebaut, von daher bin ich vielleicht …
Wir haben das hier alles ausgiebig diskutiert. Was ich am Ende noch einmal feststellen möchte, Herr Dr. Dressel, Ihre Argumentation ist eine sehr gefährliche. Deshalb will ich das am Ende noch einmal klar und ausdrücklich auch in Ihre Richtung fragen. Sie haben sich sehr darauf versteift, dass die Vorwürfe gegen die DITIB NORD nicht gleichzusetzen seien mit anderen Vorwürfen in Hessen, im Bundesgebiet insgesamt. Habe ich Sie da richtig verstanden? Wir wissen doch auch – Herr Abaci nickt immer so wissentlich, hat sich heute aber nicht zu Wort gemeldet –,
dass es natürlich noch nicht bewiesene, aber durchaus auch Vorwürfe gibt gegenüber Dingen, die bei uns in der Stadt passiert sind und noch passieren. Danach frage ich Sie ernsthaft, und dann werden wir uns hier wiedersehen in zwei oder vier Wochen, wenn diese Vorwürfe publik werden.