Protocol of the Session on November 30, 2016

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich, finde ich, hat Frau Möller schon alles dazu gesagt, aber nach der Rede von Herrn Baumann möchte ich doch noch einmal zwei Sachen erwähnen.

(Ksenija Bekeris SPD: Das muss man nicht kommentieren!)

Herr Baumann, dass Sie immer große Überfremdungsängste haben, selbst in Bundesländern, in denen es weit weniger als 1 Prozent Migrantinnen und Migranten gibt, das kennen wir alle schon, da haben Sie uns heute nichts Neues erzählt. Aber Sie haben uns viel Falsches erzählt, wie so oft leider, das muss man immer wieder ins richtige Licht rücken. Sie haben erzählt, Deutschland habe weit mehr Flüchtlinge aufgenommen als die ganze Menschheit. Was ist die ganze Menschheit?

(Dr. Bernd Baumann)

(Dr. Bernd Baumann AfD: Sie verstehen das nicht! Asylanträge!)

Ich weiß nicht, mit welchen Zahlen Sie operieren. Dann schauen Sie einmal in die Welt, es geht vielen Ländern weit schlechter als uns, wenn das mit schlecht zu bezeichnen ist.

Der Versuch, der mit diesem Antrag zugrunde liegt, ist ein höchst menschlicher Versuch. Ich finde, es ist ein mutiger und ein richtiger Antrag, der hier zugrunde liegt. Unabhängig davon, welche Bleibeperspektive Menschen bei uns in Hamburg haben werden, sollen sie nicht weiterhin jahrelang zur Untätigkeit gezwungen werden. Wir wissen, was dies mit Menschen macht. Sprechen Sie mit den Beraterinnen und Beratern in den ganzen Beratungsstellen, die mit Flüchtlingen, aber auch mit anderen Menschen arbeiten, die über lange Zeit keine Beschäftigung haben, keine Perspektiven entwickeln können. Sie können sich an der Hand abzählen, was das bedeutet. Insofern ist das ein guter Antrag,

(Beifall bei Martin Dolzer DIE LINKE)

der zumindest den Rahmen verbessert für Integrationsangebote. Ich finde, es steht uns wunderbar zu Gesicht, da brauchen wir uns nicht zu schämen, sondern können sehr stolz darauf sein.

Die Frage, die sich mir aber stellt, ist, warum nach 12 Monaten? Das scheint mir eine willkürliche Zahl. Es ist schön, dass die Zeit reduziert wird, aber warum ausgerechnet 12 Monate? Es könnten doch auch 6 Monate sein. Genauso wichtig ist, dass man auch noch einmal sehr genau schaut, wie diese Angebote abgestimmt werden mit den Bundesangeboten. Denn das ist, glaube ich, das Problem, das wir in Hamburg haben, dass nämlich viele Angebote irgendwie so nebenher gewachsen sind, aber sie sind nicht aufeinander abgestimmt. Deswegen erzielt es manchmal auch nicht die Wirkung, die es haben sollte.

Vorhin wurde – ich weiß gar nicht, von wem, ich glaube, es war die Kollegin von der FDP – das Stichwort Signal erwähnt. Es ist ein richtiges Signal, das Hamburg hier aussendet, und ich finde, dieser Antrag zeigt unsere menschliche Seite. Und er zeigt, dass uns nicht egal ist, was die Menschen machen, wenn sie hier jahrelang warten, sondern dass wir daran interessiert sind, dass sie etwas erlernen, selbst für den Fall, dass sie zurückgehen. Was ist so falsch daran, Menschen zu unterstützen, eine Sprache zu lernen, auch eine berufliche Perspektive zu entwickeln, unabhängig davon, ob sie bleiben oder nicht? Ich finde den Antrag richtig und werde ihn auch unterstützen. – Danke.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei Martin Dolzer DIE LINKE und Antje Möller GRÜNE)

Vielen Dank, Frau Güçlü. – Frau Senatorin Leonhard, Sie haben nun das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Mir geht es nur darum, noch einmal zwei, drei Dinge einzuordnen, von denen ich glaube, dass sie sinnvoll sind und dabei helfen können, den Antrag in dem Licht zu betrachten, in dem er wahrscheinlich auch zu verstehen ist. Hier geht es nicht um die Frage, ob man mit einem Alphabetisierungskursangebot oder einem Orientierungskursangebot womöglich einen zusätzlichen Fluchtanreiz bietet. Wer flüchtet denn unter lebensgefährlichen Bedingungen über das Mittelmeer, um an einem Orientierungskurs teilzunehmen? Das spottet jeder Beschreibung.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Gabi Dobusch SPD: Sehr gut!)

Hier geht es stattdessen konkret um die Frage, wie wir die Menschen, die bereits hier sind, mit angemessenen Qualifizierungsangeboten und Möglichkeiten zum Zugang zum Arbeitsmarkt versorgen. Sie sollen nicht, wenn sie am Ende ihres Asylverfahrens – zum Beispiel die Afghanen, 50 Prozent derer, die doch anerkannt werden, wenn sie zu dieser Gruppe gehören – 18, 20, 24 Monate gewartet haben, dann dequalifiziert sein, bevor es überhaupt Zugang zum Arbeitsmarkt gibt.

(Beifall bei der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Die Erfahrung, was dann passiert, hat dieses Land in den 1990er-Jahren bereits gesammelt. Das ist integrationsfeindlich, das dürfen wir nie wieder machen. Daraus haben wir gelernt. Es ist am Ende immer so, dass man in der Zeit, die die Menschen ohnehin hier sind, während sie auf den Abschluss ihres übrigens rechtstaatlichen Verfahrens warten – das, wie wir wissen, lange dauern kann –, ihnen Zugang zu Qualifizierung und Arbeitsmarkt gewährt, denn sie müssen oder sie sollen Arbeit aufnehmen. Es ist für die gesellschaftliche Akzeptanz immer besser, wenn sie Arbeit aufnehmen, denn sonst haben wir die gleiche Debatte wie Mitte der 1990er-Jahre, warum nämlich so viele ehemalige Geflüchtete noch im Sozialleistungsbezug sind und nicht für ihr Geld arbeiten. Das können wir alle nicht ernsthaft wiederholen wollen an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es steht also im Grunde in dem gleichen Kontext wie die erfolgreiche Umsetzung im Bund, der Forderung 3+2, drei Jahre Ausbildung und zwei Jahre Arbeitserfahrung für Geduldete zu ermöglichen, und die Abschaffung der Vorrangprüfung, wo wir in der Tat Seite an Seite mit der FDP und mit vielen Arbeitgeberverbänden der Meinung waren, dass das dringend abgeschafft gehört an dieser Stelle.

(Nebahat Güçlü)

Darüber hinaus ist es so, dass das alles überhaupt gar nicht die Bemühungen um ein ordentliches Einwanderungsgesetz ersetzt. Die muss man trotzdem unternehmen. Hier geht es darum, die Weichen so zu stellen, dass man Menschen, die ohnehin hier sind, die warten, die zum Teil sechs bis zwölf Monate Wartezeit haben, bis sie von einem Sprachkurs in eine Qualifizierungsmaßnahme dürfen – was nicht gut sein kann, weil sie in der Zeit weiterhin im Sozialleistungsbezug sind –, adäquat etwas anbietet, um Integration in Arbeit und damit selbstständigen Lebensunterhaltserwerb zu ermöglichen. Das hat nichts mit Zuzugsmöglichkeiten zu tun. Das hat nichts damit zu tun, irgendwie eine Sogwirkung aufzubauen. Das ist Pragmatismus und vernünftig und es hilft, insgesamt die gesellschaftliche Akzeptanz bei uns für Zuwanderung zu erhöhen und nicht wieder die gleichen Zustände wie in den 1990er-Jahren zu produzieren. Es hilft andererseits den geflüchteten Menschen, ihren Alltag sinnvoll zu verbringen, keine Dequalifizierung einsetzen zu lassen und wenigstens an dem Grundlagenangebot, das wir ohnehin haben, was aber besser aufeinander abgestimmt sein dürfte, den Maßnahmen des Bundes und der Länder, zu partizipieren.

In diesem Sinne steht dieser Antrag. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es ist Pragmatismus in der Sache. Wir müssen diese Zuwanderung zu einem gesellschaftlichen Erfolg machen, eine andere Wahl haben wir gar nicht.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü und Dora Heyenn, beide fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Senatorin. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte nun zunächst die Drucksache 21/6753 an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.

Wir stimmen über den Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN aus Drucksache 21/6753 in der Sache ab.

Wer diesem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 42, Drucksache 21/6729, Antrag der CDU-Fraktion: Öffentlicher Nahverkehr auf der Außenalster – Pilotprojekt auf der Strecke Mühlenkamp-Jungfernstieg einrichten.

[Antrag der CDU-Fraktion: Öffentlicher Nahverkehr auf der Außenalster – Pilotprojekt auf der Strecke Mühlenkamp–Jungfernstieg einrichten – Drs 21/6729 –]

Die Fraktionen der LINKEN und der AfD möchten diese Drucksache an den Verkehrsausschuss überweisen.

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Herr Thering von der CDU-Fraktion, Sie haben es.

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hamburg und das Wasser, das gehört seit Stadtgründung untrennbar zueinander. Hamburg ist eine Hafenstadt, Hamburg ist eine Brückenstadt und Hamburg ist eine Wasserstadt. Um das zu verstehen, muss man sich einfach nur ein beliebiges Fahrzeug mit Hamburger Kennzeichen ansehen. Es war die Hanse, die mit ihrem Handel auf den Wasserwegen maßgeblich zur Größe der Freien und Hansestadt Hamburg beigetragen hat. Groß ist mittlerweile auch die Zahl eben jener Fahrzeuge mit den Kennzeichen HH; knapp 900 000 Hamburger Fahrzeuge fahren täglich auf Hamburgs Straßen. Die Zahl ist weiter deutlich steigend.

Es ist für jeden von uns, der auf Hamburgs Straßen unterwegs ist, offensichtlich: Die Mobilität und die Verkehrspolitik in unserer Stadt stehen dadurch vor immensen Herausforderungen. Ein Blick in den morgendlichen Berufsverkehr zeigt es uns immer wieder: Stau, Stau und noch einmal Stau. Das wirkt sich auch sehr massiv auf den öffentlichen Personennahverkehr aus. Der ist nämlich das Rückgrat unserer Mobilität in Hamburg.

Nehmen Sie zum Beispiel die Metrobuslinie 6. Diese ist insbesondere im Streckenabschnitt zwischen Mühlenkamp und Innenstadt vollkommen überlastet. Zusätzliche Fahrten zur Erhöhung der Beförderungskapazität sind dort notwendig, aber sie sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein und am Ende des Tages extrem kostspielig. Doch auch die größtmögliche Taktverdichtung stößt irgendwann an ihre Grenzen, denn Busse tun im Stau nichts anderes als die Autofahrer, sie stehen und kommen nicht voran. Verspätungen sind die Folge und genervte Kunden obendrein.

Machen wir uns nichts vor, der Verkehrsraum ist schlicht und ergreifend ein begrenztes Gut. Das gilt für Autos, Busse, Bahn und Fahrradfahrer gleichermaßen. Da muss der Senat jetzt endlich herangehen und handeln.

Darüber hinaus haben wir in der Bürgerschaft auch schon viel darüber gesprochen. Ich nehme mich da überhaupt nicht aus. Diese Gelegenheit aber ist

(Senatorin Dr. Melanie Leonhard)

es, die uns alle gerade dazu zwingt, bei der Gestaltung der Mobilität nach Alternativen zu schauen. Es zeichnet doch auch gerade unsere CDUFraktion aus, dass wir nicht nur meckern, sondern dass wir Alternativen aufzeigen. Hier haben wir eine auf dem Tisch, und da erwarten wir jetzt von der Regierungskoalition, dass man sich damit ernsthaft auseinandersetzt.

(Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Dann muss das aber auch ein ernsthafter Antrag sein!)

Denn nach unserer festen Überzeugung bezieht ein zeitgemäßer Mobilitätsmix nicht nur Autos, Busse, Bahn und Fahrräder mit ein, sondern auch Fähren und die Schifffahrt insgesamt. Dies gilt vor allem auch für die Pendlerbewegung im morgendlichen und abendlichen Berufsverkehr. Diese sind von elementarer Bedeutung für Wohlstand und Wirtschaftskraft in unserer Stadt und müssen gerade deshalb intelligent und effizient gesteuert werden. Genau hier kommt Hamburgs eingangs skizzierte Rolle als Wasserstadt ins Spiel. Während wir uns alle an den von der HADAG betriebenen Fährverkehr auf der Elbe gewöhnt haben, so ist die Alster der letzte weiße Fleck im Hamburger öffentlichen Personennahverkehr.

Wir schlagen daher vor, den öffentlichen Nahverkehr auf der Alster wiederzubeleben und dafür ein zweijähriges Pilotprojekt einzuführen auf der Strecke Mühlenkamp–Jungfernstieg im morgendlichen Berufsverkehr von 6 Uhr bis 9.30 Uhr. Der Clou an der ganzen Sache ist, dafür sollen die bereits vorhandenen Schiffe der Alster-Touristik GmbH herhalten. Die sind nämlich bis 10 Uhr morgens nicht in Betrieb, und daher kann man hier neue Möglichkeiten schaffen.

Ich zitiere einmal eine SPD-Anfrage, die vor Kurzem vom Senat beantwortet worden ist:

"Eine Nutzung der Schiffe ist vormittags bis gegen 10 Uhr möglich."

Das ist eigentlich der Freifahrtschein dafür, dass man hier endlich ein Pilotprojekt macht, und da erwarten wir von SPD und GRÜNEN jetzt endlich auch einmal ein bisschen Mut.

(Beifall bei der CDU)

Eine Wiederbelebung ist es deshalb, weil in den Achtzigerjahren das Ganze schon einmal stattgefunden hat. Leider wurde es 1983 eingestellt, weil man damals der Meinung war, der Bus sei das Mittel der Zeit und es sei alles super. Heute wissen wir, dass der Bus auch an seine Kapazitätsgrenzen stößt und dass damals die Stilllegung des Linienverkehrs ein Fehler war. Das Ganze müssen und können wir jetzt beheben. Der öffentliche Raum wird, wie Sie wissen, immer enger. Die Zahlen im ÖPNV steigen und daher muss man hier neue Ideen entwickeln. Ganz so neu sind sie nicht,

weil es sie schon einmal gab. Von daher haben wir die Möglichkeit. Genau das bietet uns auch die Chance, nämlich dieses intelligente Verkehrssystem, die Alsterschifffahrt, wieder als weitere Möglichkeit der Mobilität in Hamburg zu integrieren.

(Dirk Kienscherf SPD: Das ist eine Schnaps- idee von Ihnen!)

Ich möchte Ihnen das kurz an sechs Punkten aufzeigen. Dass wir damit auf einem guten Weg sind, zeigt auch die Resonanz auf die Presseberichterstattung in den vergangenen Wochen. Ein Kollege vom "Hamburger Abendblatt" sagte mir, sie hätten nur auf wenige Berichte so viel positive Resonanz wie auf diesen. Es gibt also ein Interesse der Hamburgerinnen und Hamburger. Das, lieber Herr Kienscherf, dürfen Sie nicht ausblenden.