Vielen Dank; meine erste Zwischenfrage überhaupt in dieser Legislaturperiode. – Haben Sie in unserem Antrag gelesen, dass wir Hahnöfersand aufrechterhalten wollen? Das haben Sie gerade gesagt. Das steht da nämlich so nicht drin. Oder haben Sie vielleicht unseren Antrag und sein Petitum gar nicht gelesen?
Ich habe alle Anträge gut gelesen und reagiere jetzt darauf, aber dazu muss ich auch noch weiter ausholen und zu Wort kommen.
Also: Die Entscheidung für die Kooperation mit Schleswig-Holstein als Präferenzmodell ist darauf zurückzuführen, dass erhebliche Defizite des gegenwärtigen Strafvollzugs dadurch beseitigt werden können, denn wir haben jetzt das Problem, dass wir viele kleine Anstalten haben, die mit dem vorhandenen Personal nur schwer bedient werden können – das ist ja gerade das, was wir eben unter dem Stichwort Personalnot diskutiert haben –, und darunter leidet die Qualität des Strafvollzugs. Eine Lösungsmöglichkeit besteht in der Strukturverdichtung, vor allem durch die Zusammenlegung von Vollzugsarten. Dadurch können Ressourcen gebündelt und eine gemeinsame Infrastruktur geschaffen werden.
Der Zwischenbericht hat nun ergeben, dass eine Kooperation grundsätzlich möglich ist. Die jeweiligen Haftplatzbedarfe und -kapazitäten passen zusammen und die Vollzugsformen der beiden Länder sind auch in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht kompatibel. Das ist erfreulich, denn eine mögliche Kooperation bietet die Chance, die in beiden Ländern vorhandenen jeweils besten Angebote optimal zu nutzen und stärker auszulasten. Das vorhandene Personal kann effizienter eingesetzt werden. Die Angebote für Ausbildung, Arbeit, Betreu
ung und Therapie können sehr viel zielgerichteter ausgebaut werden, wenn sie von einer Vielzahl von Häftlingen in einer Vollzugsart genutzt werden können. Das steigert die Qualität des Strafvollzugs. Durch die Zusammenlegung von kleineren Vollzugsarten kann ein breites Angebot bei gleichzeitiger Erreichung von Synergieeffekten ermöglicht werden. Jeweils umfangreichere und passgenauere Qualifizierungs- und Betreuungsangebote steigern die Qualität des Strafvollzugs. Ganz konkret, um einmal mit einem Beispiel auf den Zwischenbericht einzugehen: Es gibt in Neumünster elf verschiedene Ausbildungsrichtungen in einer sehr großen Spannbreite, von Tischler, Elektroniker, Maschinenbauer, Metallbauer bis hin zu Koch, Bäcker, Maler oder Lackierer. Das ist ein sehr breites Angebot, vor allem auch für unterschiedliche Bildungs- und Qualifizierungsstände. Das kann die JVA Hahnöfersand mit ihren vier Fachrichtungen nicht bieten. Deshalb ist auch klar, dass es hier nicht nur um Kosteneinsparungen geht, indem man die JVA Hahnöfersand nicht saniert, sondern es geht auch um Qualitätssteigerungen, die man dadurch ermöglichen kann.
Und diese Qualitätssteigerung ist auch nicht in Gefahr durch die Nähe zum Erwachsenenvollzug. Denn wenn überhaupt, haben die Jugendlichen nur Kontakt mit jungen Erwachsenen unter 25 Jahren, mit denen sie gemeinsam die Beschäftigungsund Qualifizierungsmaßnahmen durchführen. Und das hat eben den Vorteil, dass es dann für die jeweiligen Maßnahmen stets genügend Leute gibt, die diese nutzen, und man so dieses vielfältige, vielseitige Angebot aufrechterhalten kann.
Vor allem wird auch – das wird in Ihren Anträgen wirklich falsch dargestellt – die wichtige Kontinuität gewahrt. Es gibt eine enge Verzahnung zwischen Untersuchungshaft und Jugendstrafhaft. Die Vollzugsplanungen werden aufeinander abgestimmt und in der U-Haft begonnene Maßnahmen werden in der Strafhaft fortgeführt. Frau von Treuenfels, Sie stellen es praktisch so dar – und ja, ich habe es gelesen –, als sei das alles nicht der Fall, als würden die Hamburger Gefangenen dann alleingelassen in Schleswig-Holstein. Das ist nicht so. Es gibt nämlich eine kontinuierliche persönliche Betreuung, die von Hamburger Fallmanagern gewährleistet wird, die dann in schleswig-holsteinischen Anstalten vor Ort sind und auch die Entlassungsvorbereitung übernehmen. Zudem können Angehörige und sonstige Besucherinnen und Besucher sehr viel besser nach Neumünster kommen als nach Hahnöfersand, weil die Verkehrsanbindung viel besser ist.
Der nächste Punkt, den ich falsch dargestellt finde, sind die Haftkapazitäten, die angeblich nicht aus
reichten, wie Sie vorrechnen. Das stimmt aber nicht, denn die Haftplatzkapazitäten werden ja gerade erweitert. Sie rechnen mit den jetzt vorhandenen Zahlen, und die stimmen dann so nicht mehr.
Insgesamt gibt es gute Gründe dafür, die Vollzugskooperation mit Schleswig-Holstein intensiver zu prüfen und dann gegen Planungsalternativen abzuwägen. Und das ist eben der Unterschied zu Ihren Anträgen: Damit sind die anderen Modelle nicht vom Tisch. Wir haben hier eine Präferenzprüfung, während Sie Alternativen von vornherein ausschließen.
Eine intensivere Prüfung eines Modells ist notwendig, um konkrete Aussagen zu Investitions-, Betriebs- und Personalkosten und den Arbeitsbedingungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen zu können, und auch eine fundierte Kostenschätzung nach den Grundsätzen des kostenstabilen Bauens kann nur so erfolgen. Gerade die Bauplanungen haben gezeigt, wie schwierig das ist. Da ist eine seriöse Herangehensweise von Vorteil, und ich kann nicht nachvollziehen, warum Sie das nicht befürworten, denn da ist das Geld nun wirklich sinnvoll im Vorfeld angelegt, bevor wieder alles viel teurer ist, als man vorher gedacht hat.
Die Redezeit ist fast abgelaufen, deshalb beschränke ich mich auf den letzten Satz. Wir nehmen Ihre Anträge sehr ernst, deshalb diskutieren wir sie im Ausschuss; wir möchten, dass sie überwiesen werden. Da sehen Sie mal, wie wir damit umgehen. – Vielen Dank.
Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin! Die Anträge von CDU und FDP über den Verbleib des Jugendvollzugs in Hamburg gehen vom Grundtenor her in die richtige Richtung. Das finden wir genauso, das ist notwendig. Ich freue mich darüber, dass sie an den Ausschuss überwiesen werden, weil es notwendig ist, darüber zu diskutieren, sowohl über Verbleib als auch über die Ausgestaltung des Jugendvollzugs. Deshalb unterstützen wir als Links-Fraktion diese Forderungen.
Resozialisierung und Vorbereitung auf das Leben in Freiheit dürfen auf keinen Fall nach SchleswigHolstein ausgelagert werden.
(Beifall bei der LINKEN und bei Richard Seelmaecker CDU und Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP)
gung von Jugendlichen in den Haasenburg-Heimen und dem Friesenhof müssten uns zu denken geben. Wir brauchen eine Nähe, wir brauchen eine richtige Verzahnung, und wir brauchen auch Kontrolle. Das ist ein Muss, und das wäre in Neumünster – ich habe mich mit vielen Anwältinnen, Anwälten und auch mit Justizvollzugsbeamten dort unterhalten – so höchstwahrscheinlich nicht gegeben. Deshalb dürfen wir das nicht machen. Das wäre fahrlässig.
(Beifall bei der LINKEN und bei Richard Seelmaecker CDU und Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP)
Es sind von Herrn Seelmaecker und Frau von Treuenfels schon einige Gründe genannt worden, was die Bedingungen für Resozialisierung angeht, das brauche ich nicht wiederholen. Das haben wir auch in den letzten Debatten alles schon debattiert. Ich finde aber, dass wir die Debatte ein wenig zu sehr auf das Haushalterische beschränken und zu wenig auf Inhalt und Ausgestaltung eingehen. Diesen Aspekt möchte ich jetzt einmal aufmachen. Dazu bedarf es meines Erachtens einer Vision, die ein bisschen weiter geht als der Jugendvollzug, wie er bis jetzt in Hamburg praktiziert wird. Um das einmal zu öffnen, zitiere ich etwas von Michel Foucault aus dem sehr guten Werk "Überwachen und Strafen", in dem er die kapitalistische Moderne analysiert und insbesondere bei Normverstößen Folgendes herauskristallisiert – ich zitiere –:
"Die Gesellschaften sind dann auf Disziplinierung ausgerichtet, um die Individuen anzuordnen, zu fixieren und räumlich zu verteilen und zu klassifizieren, um das Höchstmaß an Zeit und an Kräften aus ihnen herauszuholen und sie zu dressieren, ihr ganzes Verhalten zu kodieren und sie in einer lückenlosen Sichtbarkeit festzuhalten"
Daraufhin benennt er dann, was im Gefängnis passiert beziehungsweise wie er das Gefängnis kategorisiert, und sagt – ich zitiere wieder –:
"Man kennt alle Nachteile des Gefängnisses: dass es gefährlich ist, dass es vielleicht sogar seinem Sinne nach eigentlich nutzlos ist, weil es nicht das erfüllt, was es erfüllen sollte. Es ist die verabscheuenswürdigste Lösung, um die man vermeintlich nicht herumkommt."
Wenn man jetzt aber einmal in andere Länder schaut, sieht man, dass man um diese verabscheuenswürdigste Lösung herumkommen kann. Schauen wir einmal in die Schweiz. Dort wird der Jugendvollzug weitgehend, in über 90 Prozent der Fälle, im offenen Vollzug vollzogen. Da wird wirklich Resozialisierung betrieben, mit hohem Personalaufwand, aber auch mit sehr motiviertem Personal. Ich würde mir wünschen, dass wir, wenn wir eine Diskussion führen, solche Ansätze einbeziehen und eben die inhaltliche Ausgestaltung auch diskutieren.
In Norwegen gibt es eine Gefängnisinsel. Den Film von Michael Moore müssten Sie sich wirklich einmal anschauen. Er zeigt auf, wie zufrieden die Menschen sind, sowohl die Justizvollzugsbeamten, die vorher viele Bedenken bezüglich der Sicherheit hatten, als auch die dort Inhaftierten. Das sind teilweise Schwerststraftäter, es sind teilweise Jugendliche und Erwachsene, und das funktioniert richtig gut. Solche Modelle müssen wir meines Erachtens mit diskutieren. Bei diesen Modellen ist nämlich die Würde der Menschen das Zentrum, und das ist auch im Vollzug sehr wichtig.
Wenn wir nun einmal schauen, welche Komponenten dort die wesentlichen sind, ist das die Richtung der Resozialisierung, es ist die Richtung der Selbsterkenntnis, aber auch der Konfliktheilung und der Diversion. Wir hatten ja vorhin die Debatte. Herr Seelmaecker, hier machen Sie sehr konstruktive Vorschläge und wir finden den Antrag der CDU auch richtig gut – den Antrag der FDP finden wir in Nuancen gut, wir teilen nicht alles –, aber Sie machen da immer so eine 180-Grad-Wende. Beim Jugendvollzug und der Resozialisierung machen Sie schon recht gute Vorschläge, aber Ihre Vorstellungen zum Vollzug insgesamt gehen dann doch eher in eine restriktivere Richtung – nicht ganz so ausgeprägt wie bei anderen Kollegen in der CDUFraktion, sicher, da finde ich Sie schon sehr humanistisch, aber trotzdem ist es manchmal eine 180-Grad-Wende. Deshalb möchte ich noch einmal an das Strafvollzugsgesetz, das in Teilen sehr gut ist, erinnern. Ich zitiere Paragraf 4:
"Den Gefangenen werden im Rahmen eines an ihren persönlichen Erfordernissen orientierten Vollzugs- und Behandlungsprozesses alle vollzuglichen Maßnahmen und therapeutischen Programme angeboten, die geeignet sind, ihnen Chancen zur Förderung ihrer Eingliederung in ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu vermitteln und ihre Fähigkeiten zur Selbsthilfe zu stärken […]."
Ich finde, das müssen wir noch viel mehr in den Mittelpunkt unserer Diskussion stellen – Sie machen schon kleine Ansätze dazu –, und nicht nur
Bei einer Zusammenlegung des Jugendvollzugs mit Schleswig-Holstein würde sich die Situation vollkommen verschlechtern. Die Gründe dafür haben wir mehrfach genannt, die muss ich nicht wiederholen. Der Senat sollte umdenken und einer menschenwürdigen Vision folgen, dabei die inhaltlichen Punkte einbeziehen, die ich genannt habe, und zum Beispiel das Schweizer Modell noch einmal überdenken; in Baden-Württemberg gibt es ähnliche Ansätze. Dazu muss man Mut haben und aber auch Geld in die Hand nehmen. – Vielen Dank.
Verehrtes Präsidium, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dolzer, wenn es tatsächlich noch einmal zu diesem großen Irrtum der Geschichte kommen sollte und Ihre Partei DIE LINKE irgendwann einmal in einer Bundesregierung sitzen sollte, dann weiß ich ja, was wir von Ihnen zu erwarten haben: offenen Strafvollzug, offene Gefängnisse, Freiheit für alle Straftäter. Das steht doch wohl in einem diametralen Gegensatz zu dem, was sich Ihre Rechtsvorgänger von 20, 25, 30 Jahren in der DDR geleistet haben mit den Gefängnissen, frei nach dem Motto: Nur ein sozialistisches Gefängnis ist ein gutes Gefängnis.
Wir debattieren heute die Anträge von CDU und FDP zur Weiterentwicklung des Jugendvollzugs auf Hamburger Gebiet. Nach den derzeitigen Planungen von Justizsenator Steffen soll der Jugendvollzug der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg im Bereich des Landes Schleswig-Holstein zusammengelegt und konzentriert werden, der Frauenvollzug soll dafür nach Hamburg kommen und der Jugendvollzug für die Untersuchungshaft soll weiter in Hamburg bleiben. Das heißt, für die jungen Hamburger, die sich hier in U-Haft befinden, soll nach derzeitigen Planungen auf dem Gelände der JVA Billwerder eine neue Anstalt errichtet werden. Eingedenk der himmelschreienden Skandale, die wir in der Vergangenheit und in den letzten Stunden diskutiert haben, die sich Justizsenator Steffen geleistet hat, frage ich mich, ob ausgerechnet diese Reform nun tatsächlich der große Wurf werden soll. Ich glaube das eher nicht.
Grundsätzlich ist eine begrenzte Zusammenarbeit von Bundesländern zu begrüßen. Grundsätzlich ist es immer gut und richtig, wenn durch gewonnene Synergieeffekte Kosten gespart werden, insbesondere, wenn marode Gebäude im zweistelligen Millionenwert nicht saniert werden müssen. Aber stets
Die Anträge von FDP und CDU, über die wir debattieren, gehen in die richtige Richtung. Ja, Herr Seelmaecker, auch dazu sind wir in der Lage, auch so etwas machen wir einmal; wo Kritik angebracht ist, äußern wir sie, für Sie vielleicht etwas überdeutlich. Aber hier ist alles in Ordnung, hier folgen wir Ihnen. Auch meine Fraktion hält die Bedenken und Einwände, die der renommierte Vollzugsexperte Professor Maelicke gegen die Vorschläge aus der Justizbehörde gemacht hat, für durchgreifend. Der Zwischenbericht, so dieser Wissenschaftler, den die Behörde von Herrn Steffen vorgelegt hat, entspreche nicht dem Stand der kriminologischen Fachdiskussion und vernachlässige notwendige Daten und Erkenntnisse zu Lebenslagen der straffällig gewordenen Jugendlichen und Heranwachsenden und ihre biografischen Entwicklungen. Im Übrigen, so dieser Wissenschaftler weiter, setze das von der Justizbehörde vorgeschlagene Kooperationsmodell zwei Grundsätze des bisherigen Hamburger Jugendvollzugs außer Kraft, und zwar Prinzipien, die bislang auch bundesweit Geltung haben, nämlich die Trennung des Jugendvollzugs vom Erwachsenenvollzug und die Trennung des Strafvollzugs von der Untersuchungshaft. Die sonstigen Nachteile des Kooperationsmodells bestehen insbesondere darin, dass die jugendlichen Straftäter in Schleswig-Holstein wegen der Entfernung zu ihren Freunden, Verwandten und Bekannten weniger Kontakt und daher auch weniger Resozialisierungsmöglichkeiten haben.
All diese Nachteile werden durch die Alternativmodelle von CDU und FDP, die sich dafür aussprechen, den Hamburger Jugendvollzug auf dem Gebiet beziehungsweise in Hamburger Einrichtungen zu belassen, vermieden. Insbesondere wird der fachliche, organisatorische und personelle Verbund aller Vollzugsformen, nämlich Untersuchungshaft, Jugendstrafhaft, Sozialtherapie und offener Vollzug, in Hamburg gewährleistet. Das kostet sicherlich, das ist teuer, aber eine vernünftige Verwaltung, vernünftiger Strafvollzug, vernünftige Demokratie sind eben nicht zum Nulltarif zu haben. Deswegen stimmen wir hier mit den Anträgen von CDU und FDP. – Vielen Dank.
Das Wort bekommt erneut Frau von Treuenfels-Frowein. Wenn Sie sich anders einigen, dann Herr Seelmaecker von der CDU-Fraktion. Bitte.