Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Boeddinghaus, in einem bin ich mit Ihnen einig: Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ja, das ist sie, und sie ist es nicht nur in der Schule, sie ist es auch in anderen
Lebensbereichen. In der Stadtplanung sind wir auch dabei, das weiterzuentwickeln. Diese Weiterentwicklung läuft allerdings nicht gleichmäßig, auch darin stimmen wir überein, und ich wünsche mir ebenfalls, dass auch an den Gymnasien die Inklusion weiter vorangebracht wird. Es ist den Gymnasien – das hat Herr Abaci eben schon gesagt – nicht verboten, Inklusion zu betreiben, und das tun auch eine Reihe von Gymnasien, die in verschiedenen Bereichen, bei Körperbehinderungen, aber auch bei emotional-sozialem Förderbedarf, Inklusionsmaßnahmen vornehmen. Beispielsweise macht die Nachbarschule der Schule, an der ich unterrichte, die Klosterschule, so etwas.
Was ich allerdings nicht teile, ist die Art und Weise, wie Sie vorgehen. Ich glaube, dass es nicht gut ist, sozusagen per Verordnung oder Dekret etwas erzwingen zu wollen, was nicht getragen wird von Eltern, von Lehrerschaft, von Schulleitungen. Ich habe, was Ihre beiden Vorschläge in dem Antrag betrifft, durchaus nicht nur von Schulleitungen an Gymnasien, sondern auch von Schulleitungen an Stadtteilschulen gehört, dass das kein guter Vorschlag sei. Denn wenn es nicht möglich ist zu wechseln, dann werden noch mehr Schüler in die Gymnasien gehen und die Stadtteilschulen – die Sie selbst auch sehr positiv beurteilen – würden dabei noch weiter verlieren. Das ist der falsche Weg, um zu Inklusion in allen Schulformen zu kommen.
Und noch etwas: Es ist ja so, dass dieses ZweiSäulen-System – Herr Abaci hat es schon gesagt – auf einem Volksentscheid basiert. Ich bin der Meinung, wir können nicht sozusagen durch die kalte Küche versuchen, etwas einzuführen, was dem Beschluss des Volksentscheids entgegensteht, auch wenn wir eine andere Position dazu hatten – wir wollten auch eine gemeinsame Schule für alle haben. Sie sollten das nicht tun. Das wäre ein Adabsurdum-Führen des Ergebnisses des Volksentscheids. Wenn wir Demokratie weiterentwickeln wollen, sollten wir die Letzten sein, die so vorgehen. Das würde genau zum Gegenteil führen.
Wenn wir Inklusion auch an den Gymnasien wollen, müssen wir die Schulleitungen, die Eltern, die Lehrer mitnehmen. Wir brauchen positive Beispiele, und ich weiß, dass es diese positiven Beispiele gibt. Ich selbst habe Schüler in Mathematik unterrichtet, die zu 100 Prozent sehbehindert waren. Da muss man ein bisschen umlernen, man muss mit Silikonfolien zum Abtasten arbeiten und ähnlichen Sachen. Das erzeugt zunächst einmal bei den Lehrkräften eine gewisse Unsicherheit, und auch bei den Eltern der Kinder, die in ihrer Klasse Kinder mit Behinderungen haben, ist Unsicherheit vorhanden. Man muss dafür werben und hervorheben, dass es ein Gewinn ist, wenn die Schüler Sozialkompetenzen erhalten durch das gemeinsame
Lernen von Schülern, die einen Förderbedarf haben, und solchen, die ihn nicht haben. Das ist der richtige Weg, den sollten wir weiter beschreiten, anstatt per Verordnung und durch die kalte Küche etwas einzuführen, was letztlich einen Beschluss ad absurdum führt, den wir per Volksentscheid erreicht haben.
Wir werden in diesem Sinne weiter vorangehen. Ich glaube, wir sind auf einem richtigen Weg. Es wird ein bisschen Zeit brauchen und wir können es nicht von einem Tag auf den anderen erreichen, aber wir werden beharrlich daran weiterarbeiten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gibt einige, bei denen ich fast im Wort stehe, hier nur noch drei Worte zu sagen; ich werde es auf fünf erhöhen.
Wir haben dieses Thema jetzt schon so oft diskutiert, dass ich Ihnen nichts Neues zu sagen habe, außer dass ich – dass muss ich wirklich sagen – begeistert war von Ihrer Rede, Herr Abaci. Sie haben genau all das gesagt, wofür wir alle stehen können. Das ist sozusagen unser kleinster gemeinsamer Nenner. Ich weiß, dass es auch in der SPD bestimmt einige gibt, die sich freuen würden, wenn wir eine Schule für alle hätten, aber ich weiß auch, dass der Verstand und die Vernunft siegen, weil wir – egal, ob Sie das gut finden oder nicht –, überhaupt nicht in der Lage sind, das derzeit in Hamburg zu etablieren.
Ich muss ehrlich sagen, Frau Boeddinghaus, ich wundere mich ein bisschen. Sie kommen nach vorn und sagen, Sie wollten auf gar keinen Fall, dass Grabenkämpfe geführt würden. Sie wollten auch überhaupt nicht, dass ideologische Bemerkungen fielen. Sie könnten sich vorstellen, dass wir das sowieso alle wieder täten. Und dann fangen Sie damit an, saftig auszuteilen. Sie haben zum Beispiel den Gymnasien gesagt – ich finde es einfach immer doof, wenn die Schulen so gegeneinander ausgespielt werden –, sie sollten endlich dazu kommen, Verantwortung zu übernehmen und die Schüler zu fördern und zu fordern. Was glauben Sie denn, was die tun? Warum sagen Sie, dass Sie das nicht tun würden?
Wir sprechen hier immer von Stigmatisieren. Sie stigmatisieren gerade eine Menge Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien, von denen ich finde, dass Sie sie einfach in die falsche Kiste tun. Das stimmt nicht. Die tun das auch.
Wenn Sie uns immer vorwerfen, wir seien gegen Stadtteilschule, dann frage ich Sie: Warum erkennen Sie denn nicht die Arbeit der Lehrer an den Gymnasien an? Die fördern und fordern die Schüler auch, und zwar sehr. Ich kenne viele Beispiele. Ich selbst habe eine Nichte, die halb taub war und auch auf dem Gymnasium gewesen ist. Es gibt – und ich glaube, darauf müssen wir uns hier wirklich einmal verständigen – nicht einfach nur Inklusion, sondern es gibt so viele unterschiedliche Formen von inklusiv zu beschulenden Kindern, dass wir sie nicht alle über einen Kamm scheren können. Ich halte das für einen Prozess. Das ist ein Weg, den wir alle gehen müssen – und wir gehen ihn mit, dazu stehen wir. Aber es geht immer um die Umsetzung, und wenn die Umsetzung nicht richtig ist, dann müssen wir uns fragen, ob wir das wirklich noch an eine zweite Schule führen wollen.
Dass wir als FDP nicht für eine Schule für alle sind, muss ich Ihnen hier, glaube ich, nicht weiter ausführen. – Vielen Dank.
Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kollegen! Als sechster Redner kann man nur noch wenig Neues in einer ohnehin recht klaren Diskussions- und Abstimmungslage sagen. Deswegen fasse ich mich kurz: Wir lehnen den ersten Teil des Antrags, diesen erneuten Vorstoß in Richtung einer Einheitsschule, ab.
Zum zweiten Punkt will ich zwei Sätze mehr sagen. Da es regelmäßig zu kurz kommt in den Debatten, die Förderschulen zu loben, will ich das hier einmal tun, als Kontrapunkt zu der Prämisse, Inklusion als die allein seligmachende Umsetzung der UN-Konvention anzusehen. Die Förderschule ist nach wie vor für viele Schüler mit Förderbedarf der beste Ort, um sich optimal zu entwickeln. Nicht für alle, aber für viele.
Übrigens steht die Förderschule nicht im Widerspruch zum UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Im Gegenteil, dort wird davon gesprochen, dass besondere Maßnahmen zur Beschleunigung oder Herbeiführung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen ausdrücklich nicht als Diskriminierung gelten, sondern sinnvoll sind. Auch Artikel 24 der Konvention fordert kein inklusives einheitliches Schulwesen, wie uns immer wieder
"Die Behindertenrechtskonvention macht keine Vorgaben darüber, auf welche Weise gemeinsames Lernen zu realisieren ist. Aussagen zur Gliederung des Schulwesens enthält die Konvention nicht."
Durch eine einseitige, fast schon obsessive Fokussierung auf die Inklusion mit der Brechstange, wie man sie immer wieder bezeichnen muss, demontieren wir die Förderschulen immer weiter. Das lehne ich entschieden ab. Den Antrag der LINKEN lehnen wir in beiden Punkten natürlich auch ab. – Danke.
Das ist eben die Sache mit der Inklusion – ich sage es immer wieder –: Die Inklusion ist kein neues Schulfach, das man einführt und dann mal einen Probelauf macht, um festzustellen, wo es klappt und wo es nicht klappt, und das man womöglich wieder zurückzieht. Die Inklusion ist etwas Grundsätzliches. Es gibt die UN-Behindertenrechtskonvention, die Deutschland unterschrieben hat. Es gibt nicht eine halbe Inklusion, und ich verstehe wirklich nicht, dass wir die Einzigen sind, die immer wieder thematisieren, dass wir in einer Gesellschaft leben wollen, in der Inklusion für alle gilt.
Deswegen erschreckt es mich wirklich, Frau Prien, wenn Sie sagen, dann machten wir das Gymnasium auch noch kaputt. Das heißt also, dass Sie Inklusion als Belastung erleben. Und in der Tat, die Stadtteilschulen erleben es so, weil sie sich alleingelassen fühlen und weil sie es eben nicht allein stemmen können.
Wenn auch die Gymnasien sich bei der Aufgabe der Inklusion engagieren würden, dann hätten die Stadtteilschulen endlich wieder ihr Alleinstellungsmerkmal, nämlich das eine zusätzliche Lernjahr, das im Moment überhaupt keine Rolle spielt. Selbst dieses zusätzliche Lernjahr spielt keine Rolle bei der Entscheidungsfindung der sogenannten bildungsnahen Eltern, zu sagen: Dann schicken wir unser Kind dorthin. Das ist doch gerade das Problem.
Bei all Ihren Beiträgen war eines nie im Fokus, nämlich die Frage der sozialen Spaltung, die sich im Zwei-Säulen-Modell eklatant manifestiert. Das ist das, was uns LINKE umtreibt. Deswegen stellen wir immer wieder diese Anträge, mit denen wir fordern: Inklusion, Flüchtlingsbeschulung und Kinder
Eine weitere Sache möchte ich ansprechen, Herr Abaci, das hat Senator Rabe selbst hier einmal sehr gut ausgeführt: Es ist nicht so, dass die Schülerinnen und Schüler, die nach der sechsten Klasse das Gymnasium verlassen müssen, alle keine Gymnasialempfehlung hatten, sondern das ist eine bunte Mischung. Wir wissen auch alle aus jahrelangen Studien, dass die Grundschulempfehlungen nicht nach Leistungsvermögen gehen sondern nach der sozialen Herkunft. Das ist etwas, das alle Studien bis ins Jahr 2016 hinein Deutschland immer wieder ins Stammbuch schreiben. Die soziale Ungerechtigkeit ist nach wie vor hier sehr groß, und das ist etwas, das uns doch alle umtreiben muss.
Herr Duge, Ihr Beitrag hat mich sehr ermutigt weiterzumachen, weil ich es sehr richtig finde, über all diese Dinge auch wirklich fachlich-sachlich zu reden. Ich weiß aus Stadtteilschulen, dass sie das sehr kritisch sehen, was wir in unserem Antrag fordern. Das ist gar keine Frage. Es ist unglaublich schwierig, sich als engagierte Stadtteilschullehrerin zu überlegen: Was ist eigentlich für uns der beste Weg? Fordern wir auch die Gymnasien in die Pflicht oder sagen wir, die Gymnasien sind eine exklusive Schulform, die lassen wir außen vor, und wir müssen uns auf unsere Schule konzentrieren? Ich habe aber erklärt, dass wir als LINKE diesen Schritt gehen, weil wir sagen: Soziale Gerechtigkeit, Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit werden nur geschehen, wenn die Kinder in jeder Schule, in der sie ankommen, wirklich ordentlich gefördert werden. Das ist für uns der Punkt. Deswegen möchte ich einfach noch einmal am Ende sagen, dass wir diese Debatte unbedingt immer wieder brauchen und dass nicht die Stadtteilschulen die gescheiterte Schulform sind. Das habe ich nie gesagt, Frau Prien, sondern das Zwei-Säulen-Modell ist gescheitert, und das ist leider so.
Gibt es weitere Wortmeldungen, meine Damen und Herren? – Das sehe ich nicht. Dann können wir zur Abstimmung kommen.
Wer möchte die Drucksache gern an den Schulausschuss überweisen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann hat das Überweisungsbegehren keine Mehrheit gefunden.
Wer möchte dem Antrag folgen? – Wer nicht? – Enthaltungen? – Dann ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.