Es ist wirklich toll, dass sich vier Fraktionen, die doch aus sehr unterschiedlichen Richtungen gekommen sind, auf diesen Auftrag verständigen konnten.
Ich freue mich sehr, dass Rot-Grün am Ende einen riesigen Schritt gesprungen ist. Ich freue mich über uns selbst, dass wir es geschafft haben, auf manches zu verzichten. Und ich freue mich über die FDP, die im Laufe des Prozesses hinzugekommen ist und hochkompetent und integrativ mitgewirkt hat. Von daher finde ich das wirklich klasse und ich freue mich sehr darüber.
Vor allem bedeutet das natürlich einen wirklich großen Qualitätssprung für die künftige Debatte hier in Hamburg über das Kinder- und Jugendhilfesystem. Das ist ein großer Vorteil.
Ich möchte aber nicht verhehlen, dass ich mich auch für uns freue. DIE LINKE hat lange daran gearbeitet. DIE LINKE hat schon zweimal in den vergangenen Legislaturperioden versucht, eine Enquete-Kommission hinzubekommen. Ich bedanke mich sehr bei Mehmet Yildiz, das möchte ich ausdrücklich sagen. Ich rede heute für meine Fraktion,
Aber was mich mindestens genauso freut – und das hat heute noch keiner ausdrücklich erwähnt –, ist, dass eigentlich in der gesamten Fachwelt in Hamburg diese Enquete-Kommission und dieser Gedanke mitgetragen wird. Das könnte vielleicht auch Herrn Heißner noch infizieren. Die Wohlfahrtsverbände, die Gewerkschaften, im Grunde alle Berufsfachverbände in der Stadt bis hin zum Rauhen Haus und der HAW – sie alle saßen zusammen, haben unseren Antrag mitformuliert und sich viele, viele Stunden ehrenamtlich damit auseinandergesetzt, wie man eine Enquete-Kommission ins Leben rufen kann, um diese Qualitätsdebatte zu führen. Ihnen danke ich ganz besonders.
Und ich hoffe wirklich sehr, weil Herr Heißner schon so heiß darauf ist, dass der nächste Bericht der Jugendhilfeinspektion kommt und man dann wieder "Haltet den Dieb" rufen und persönliche Schuldzuweisungen aussprechen kann, dass genau das jetzt erst einmal aufhört. Denn es ist unerträglich, unter welchem Druck ASD-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter sind, sodass viele schon Angst haben, auf ihrem Arbeitsplatz irgendwie einen Fehler zu machen, irgendetwas übersehen zu haben. Das darf nicht sein. Wir brauchen die Menschen. Wir brauchen engagierte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, die sich in den Familien in Hamburg um die Kinder und deren Eltern kümmern, und wir dürfen das nicht mit Angst besetzen und mit persönlicher Schuldzuweisung, wenn auch leider Kinder hier in Hamburg zu Tode kommen. Das ist etwas ganz, ganz Schreckliches, und wir müssen uns ebenfalls bewusst machen, dass wir dies auch bei einer erfolgreichen Arbeit der Enquete-Kommission am Ende nicht ausschließen können. Und deswegen ist es so wichtig, dass wir hoffentlich gemeinsam zu einem Ergebnis kommen, dass wir in der Zukunft diese Fragen der persönlichen Schuldzuweisungen und "Haltet den Dieb" nicht mehr stellen.
Es ist viel darüber gesagt worden, was in den Untersuchungsauftrag aufgenommen wurde, und das schätzen wir sehr. Ich möchte aber dennoch einmal erwähnen, was nicht aufgenommen wurde – und das ist aus unserer Sicht nicht gut –, nämlich die Frage der Kinder- und Jugendarmut. Das ist etwas, was der SoVD, was das Kinderhilfswerk, was viele Verbände immer wieder auf die Tagesordnung bringen, natürlich auch wir. Aber da heißt es eben, dass die politische Debatte in der Stadt nicht
stillhält, wenn die Enquete-Kommission arbeitet. Von daher werden wir natürlich an diesen Themen weiterarbeiten, auch außerparlamentarisch. Die Expertinnen und Experten, die in unserer Arbeitsgruppe arbeiten, sagen zu, dass sie die EnqueteKommission gern konstruktiv von außen mitbegleiten.
Ich glaube, dass wir etwas Gutes zuwege gebracht haben, und ich hoffe wirklich sehr, dass wir im Sinne von Kinderschutz, Kinderrechten, Bildungsteilhabe und Chancengerechtigkeit ein gutes Ergebnis haben werden. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Januar 2012 hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Vernachlässigung der Kindeswohlsicherung im Fall Yagmur seinen Bericht der Bürgerschaft vorgelegt. Leider ist, schon während die daraus folgenden Reformen noch in der Umsetzung waren, Ende 2015 – wir haben es eben schon gehört – mit Tayler erneut ein Kind zu Tode gekommen, für das Hamburger Behörden zwischenzeitlich die Verantwortung übernommen hatten. Ich habe mich damals nach Bekanntwerden des Falls gefragt, was die Ursache für diesen neuen Fall sein könnte. Waren es noch die alten Strukturen? Waren es schon die neuen Strukturen? Oder war es der laufende Prozess der Umsteuerung der Strukturen, war das Problem im laufenden Prozess zu suchen? Die Vorlage des Berichts der Jugendhilfeinspektion hat eine traurige – wie ich finde, sehr traurige – Antwort geliefert: Die Strukturen und die Vorgaben waren überhaupt nur insofern das Problem, als sie offenbar in der Arbeit vor Ort keinerlei Rolle gespielt haben. – Herr Heißner, wildes Nicken auf Ihrer Seite. Wir haben eine andere Konsequenz aus dieser Erkenntnis gezogen; ich komme später noch dazu. – Denn die zentrale Erkenntnis, die wir gewonnen haben, ist, dass selbst nach dem Tod von Yagmur und den in diesem Zusammenhang gewonnenen Erkenntnissen durch den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss die Politik offenbar selbst mit einer Neuauflage und Neustrukturierung der Prozesse nicht in der Lage war, einen realen Einfluss auf die Arbeit vor Ort zu nehmen. Und diese traurige Erkenntnis hat uns zu der Überzeugung gebracht, dass es notwendig ist, fallunabhängig eine Untersuchung durchzuführen. Das ist übrigens der große Unterschied zu den anderen Arbeitskreisen, deren Anzahl Sie, Herr Heißner, gerade kritisiert haben. Diese fallunabhängige Untersuchung, diese grundsätzliche Möglichkeit, die wir durch eine EnqueteKommission und die Erörterung dort haben, unter
scheidet diese Diskussion von allen anderen. Wir erhoffen uns, dass wir auf diese Weise am Ende Möglichkeiten finden, wie wir den Kinderschutz nicht nur auf dem Papier verbessern, sondern ganz real.
Herr Heißner, Sie haben gerade gesagt, es gebe kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit. Aber das ist viel zu kurz gegriffen. Selbst wenn Sie sagen, wir hätten kein Erkenntnisdefizit, haben wir doch wohl mindestens ein Erkenntnisdefizit, wie wir das Umsetzungsdefizit auflösen können. Zumindest das können Sie doch nicht wegdiskutieren.
Mich wundert Ihre Argumentation. In allen anderen Diskussionen steht die CDU ganz vorn, wenn es darum geht, dass der Senat seine Aufgaben nicht gebacken kriegt; meistens haben Sie uns dann an Ihrer Seite. Dass Sie gerade in diesem Fall dem Senat so uneingeschränkt zutrauen, das Problem von allein zu lösen, wundert mich einfach. Da kommen wir als FDP-Fraktion zu einer anderen Konklusion.
Das Problem, welches die antragstellenden Fraktionen angehen wollen, hat aber noch mehr Dimensionen. Wir haben als Freie Demokraten in den Gesprächen zur Enquete-Kommission besonders darauf gedrungen, dass untersucht wird, wie die Verantwortung künftig für alle Beteiligten immer klar verteilt werden kann. Frau Dr. Melzer hat als Bezirksamtsleiterin in Altona nach dem Fall Tayler vieles gesagt, ein in Satz war bezeichnend: Man werde überprüfen, wie man künftig die freien Träger enger führen könne. Dieser Satz trägt zur Tragik der Ergebnisse der Vorkommnisse nicht wenig bei, denn das Amt selbst, dem Frau Dr. Melzer vorsteht, hat im Fallverlauf Verantwortlichkeiten an die freien Träger abgegeben, die niemals hätten abgegeben werden dürfen; es stand nicht in ihrer Kompetenz, diese Kompetenzen abzugeben. Als Konsequenz die Lösung jetzt in einer engeren Führung zu sehen, zeigt leider – auch das sehr traurig –, dass die handelnden Personen in Altona auch nach dem Bericht der Jugendhilfeinspektion nicht in der Lage sind, diese Verantwortung einzugestehen. Das zeigt uns, dass wir nicht nur ein Erkenntnisproblem, sondern auch ein Umsetzungsproblem haben. Wir müssen für die Zukunft sicherstellen, dass, wenn etwas passiert, sich die verschiedenen handelnden Personen nicht einander die Schuld in die Schuhe schieben. So etwas darf es nicht mehr geben. Und dazu können wir mit einer EnqueteKommission tatsächlich einen Beitrag leisten, indem wir daran arbeiten, dass die Verantwortungen klarer verteilt sind und es vor allem, wenn künftig Prozesse schieflaufen und wenn ein ähnliches Abweichen von den vorgesehenen Prozessen erfolgt, Möglichkeiten gibt, dieses Abweichen zu bemer
Abschließend möchte ich noch eines sagen: Neben den Aspekten, die schon aufgezählt worden sind, gibt es viele Stellen mehr, an denen offensichtlich Handlungsbedarf besteht. Es geht unter anderem um die Auswahl der Pflegefamilien. Das Thema Rückführungsentscheidungen ist schon angesprochen worden. Für uns ist sehr wichtig, dass künftig an jedem Zeitpunkt des Fallverlaufs das Kindeswohl im Mittelpunkt steht; es ist, das muss man wirklich sagen, eine sehr traurige Erkenntnis, dass sich in der Vergangenheit der Fokus in solchen Fällen leider sehr oft sehr schnell vom Kind entfernt hat, was es dann natürlich erst möglich macht, dass solche tragischen Fälle überhaupt vorkommen. Wir müssen die Schnittstellen untersuchen zu den zig Systemen, die mit dem Kinderschutz im Zusammenhang stehen. Wir müssen die Fortbildung unter die Lupe nehmen, aber auch Aktenführung und das Programm JUS-IT, das immer noch Probleme macht. Dazu gab es – wir haben all das schon diskutiert, ich will es nicht wiederholen – irre Zitate im Bericht der Jugendhilfeinspektion, die einen wirklich sprachlos machen. Da muss man auf jeden Fall schauen, wie wir Optimierung herbeiführen können. Deshalb ist die Enquete-Kommission gerade auch für uns als Freie Demokraten eine große Chance, diese Sachen für die Zukunft zu ändern.
Es ist wohl so, dass wir niemals totale Sicherheit in diesem Bereich erreichen werden. Das ist sowieso in jeden Bereich eine Illusion. Aber ich bin leider, leider davon überzeugt, dass wir in Hamburg in der Vergangenheit Fälle hatten, die nicht unter diesen Leitsatz fallen, sondern dass wir in der Vergangenheit in Hamburg Fälle hatten, die hätten verhindert werden können, wenn man es anders angegangen wäre.
Zum Abschluss möchte ich vielleicht noch einer beginnenden Legendenbildung entgegenwirken, Frau Boeddinghaus, weil Sie gerade betont hatten, dass die FDP erst später hinzugekommen sei.
Ich weiß nicht, wie Ihr erstes Gespräch mit den Regierungsfraktionen zustande gekommen ist; hätten Sie einfach auch bei uns angerufen, wären wir vielleicht von Anfang an dabei gewesen und Sie hätten gemerkt, dass wir als FDP-Fraktion ein sehr großes Interesse an diesem Thema haben.
Aber wir sehen, dass wir uns auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt haben. Jetzt sollten wir nach vorn schauen und zusehen, dass wir ein gutes Er
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag und der Auftrag an die Enquete-Kommission zielen auf die Überprüfung und auf die Einhaltung der fachlichen Regeln und Standards. Das ist jedoch nur ein Teil dessen, was erforderlich ist. Es wird gesagt, dass die Vorschriften zahlreich und umfangreich seien, und es wird von einem komplexen Wirkungsgefüge gesprochen, aber genau diese strukturellen und organisatorischen Fragen sollen von der Enquete-Kommission nicht behandelt werden. Insofern springt der Antrag viel zu kurz, weil die grundlegenden Fragen nach Organisation und Struktur unberücksichtigt bleiben.
Es wurden bereits in diesem Hause organisatorische Mängel aufgezeigt, und zwar die Teilung von Aufgaben und Verantwortung für den Kinderschutz zwischen BASFI und den bezirklichen Jugendämtern auf operativer Seite. Als dritte Verantwortliche übt die Finanzbehörde die Dienstaufsicht aus und stellt die personellen Ressourcen bereit. Diese Fehlkonstruktion ermöglicht ein Hin- und Herschieben der Verantwortung und impliziert eine latente Verantwortungslosigkeit als Folge von Strukturfehlern; zu diesem Thema hat meines Erachtens die CDU vor ein paar Wochen einen richtigen Antrag eingebracht.
Mit der Einschränkung der Aufgaben der EnqueteKommission geht der Senat das Risiko ein, dass die entscheidenden Ursachen der Todesfälle nicht erkannt und nicht beseitigt werden. Im Falle eines erneuten Todesfalls müssen sich die Verantwortlichen in Senat und Regierungskreisen vorwerfen lassen, trotz offensichtlicher Hinweise nicht angemessen gehandelt zu haben. Die Enquete-Kommission ist natürlich nicht abzulehnen, die Einschränkung ihres Auftrags jedoch kann verhindern, strukturelle Mängel und grundlegende Ursachen zu erkennen und zu beheben. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Volksvertreter! Über Strukturen und Prozesse haben wir viel geredet, über die zugrundeliegenden Vorurteile nicht. Wer die Lektion des Gender-Mainstreaming und des Antirassismus gelernt, die Dogmen verinnerlicht hat, der weiß: Normalfamilie – schlecht,
Patchworkfamilie/Stiefvater/Stiefmutter – gut, Normalmutter – schlecht, verhaltensauffällige Mutter – okay. Der weiß auch: Kommt die Religion des Friedens ins Spiel, darf nicht kritisch hingeschaut werden, sonst drohen Sanktionen und Rassismus-Vorwürfe. Daran ist Yagmur gestorben. Ich habe darauf schon hingewiesen. Heute geht es mir aber um die Taten selbst.
Wer hört, dass ein Kind getötet wurde, der ist entsetzt. Zu Recht. Das Entsetzen täuscht uns darüber hinweg, wie dünn die Zivilisationsdecke zwischen uns und solchen Taten ist. In der Antike haben nur die Juden den Kindesmord abgelehnt. Über unsere Vorfahren allerdings berichtet Tacitus Ähnliches, aber er gilt nicht als zuverlässige Quelle. In den vom Judentum abstammenden Kulturen war der Kindesmord dann auch verboten, im Römischen Reich ab dem Jahr 374. Natürlich klaffte in der christlichen wie in der mohammedanischen Welt ein Abgrund zwischen Anspruch und Wirklichkeit. In allen anderen Kulturen wurde bis weit ins 20. Jahrhundert hinein das Töten von Kindern selbstverständlich praktiziert, in erheblichem Umfang – Anthropologen schätzen, 20 Prozent aller Kinder –, und zwar gleichermaßen in Hochkulturen, die auf mehrtausendjährige Geschichten zurückschauen können, also in erster Linie Indien, China und Japan, wie in Naturvölkern.
Herr Dr. Flocken, ich darf Sie vielleicht daran erinnern, dass der Tagesordnungspunkt "Einsetzung einer Enquete-Kommission" heißt?
Genau. Und ich plädiere dafür, dass so eine Kommission sich konzentrieren sollte auf die Risikofaktoren, wie es passieren kann, dass Menschen herausrutschen aus diesem Netz unserer Zivilisation, wie sie zurückfallen können in Verhaltensweisen, die noch gar nicht so lange zurückliegen.