Trotz des späten Einbringens freuen wir uns darüber, weil wir es als Zeichen dafür sehen, dass wir augenscheinlich ein Anliegen in die parlamentarische Arbeit eingebracht haben, dem sich auch die Regierungsfraktionen nicht verschließen können. Wir befürchten dabei, dass Sie Ihren Antrag einmal mehr zu dem taktischen Zweck eingebracht haben, einem von uns, der AfD, aufgebrachtem legitimen Anliegen in der Sache zwar zuzustimmen, es aber trotzdem dabei zu vermeiden, formal einem AfDAntrag zuzustimmen.
Wir kennen das auch von anderen Fraktionen, zum Beispiel von der CDU. Darüber mögen sich die Bürger im Lande ihr eigenes Bild machen und in den Wahlen zum Ausdruck bringen. Entscheidend ist für mich rein sachlich die Frage, ob es am Ende in die richtige Richtung geht, ob es unser Land voranbringt. Ob der Zusatzantrag allerdings in die richtige Richtung geht und unser Land voranbringt, werden wir gleich, trotz der schon etwas fortgerückten Stunde, analysieren.
"Der Senat wird zukünftig sein Abstimmungsverhalten zu den einzelnen Beratungsgegenständen im Bundesrat kurzfristig nach der jeweiligen Bundesratssitzung gegenüber den Medien kommunizieren und gleichzeitig auf dem Internetauftritt des Hamburger Senats veröffentlichen."
Das heißt, umfassend und ohne Einschränkungen. Das ist wichtig; darauf komme ich gleich noch einmal zurück.
Wir haben uns dabei, wie bereits angemerkt wurde, an den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Bremischen Bürgerschaft vom 17. Februar 2015 angelehnt. Denn wir beurteilen, wie unser Parteivorsitzender Meuthen vor wenigen Tagen sagte, Anträge sachlich, inhaltlich und nicht in erster Linie danach, von wem sie stammen.
"Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, sein Abstimmungsverhalten im Bundesrat künftig umfassend und zeitnah nach jeder Bundesratssitzung auf der entsprechenden Webseite der Senatskanzlei öffentlich zu dokumentieren".
Der Zuruf, Hamburg müsse nicht nach Bremen schauen, ist berechtigt, aber im Ausnahmefall können wir das ja einmal tun.
Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Herr Dr. Wolf, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Vor diesem Hintergrund sind wir auf die Abstimmung über unseren Antrag, der das, was Bremen vor anderthalb Jahren beschloss, in Hamburg erreichen möchte, sehr gespannt. Und nicht nur Bremen; es klang bereits an, dass auch eine ganze Reihe anderer Bundesländer deutlich transparenter als Hamburg sind. Bayern, Baden-Württemberg oder das Saarland haben überhaupt kein Problem damit, offen und transparent zu sein.
Aber nun, das ist auch spannend und lohnt die Mühe, zur Analyse des heute kurzfristig eingereichten Antrags von SPD und GRÜNEN: In der Begründung heißt es im ersten Absatz, dass die Landesvertretung Hamburgs am Vortag der Bundesratssitzung in einer Pressemitteilung – Zitat –:
Warum, fragt man sich unbefangen, nur zentrale Punkte? Wer entscheidet, was zentral ist und was nicht? Wir sind für eine ungefilterte, freie Information. Sehen wir uns doch einmal an, was in einer derartigen Pressemitteilung steht. Ich greife beispielhaft die der Bundesratssitzung vom 16. Juni 2016 heraus. Erster in der Pressemitteilung angesprochener Punkt war Tagesordnungspunkt 6, die Debatte zu den Maghreb-Staaten. Hier die entscheidende Aussage – Zitat –:
"Hamburg hat eine freie Hand bei der Abstimmung beschlossen und wird unmittelbar vor der Sitzung entscheiden, wie es votieren wird."
Da ist man richtig schlauer. Und danach werden weitere elf Punkte herausgegriffen – die Tagesordnung der Bundesratssitzung umfasst insgesamt 70 Punkte –, und es bleibt regelmäßig unklar, wie Hamburg votieren wird. Mit Formulierungen wie:
Sehen wir uns den zweiten Absatz der Begründung an. Der zweite Absatz des Zusatzantrags verweist darauf, dass die Bundesratssitzungen öffentlich und live sind und per Livestream verfolgt werden können. Das ist zwar richtig, aber das Abstimmungsverhalten wird für den Zuschauer deshalb nicht offenbar. Die LINKE schrieb in ihrer Pressemitteilung zur Annahme des Antrags in Bremen 2015 – Zitat –:
Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Ich möchte Sie kurz unterbrechen und alle, die im Raum sind, bitten, leise zu reden, und zwar draußen. Schönen Dank. – Fahren Sie fort.
"Das Abstimmungsverhalten der einzelnen Bundesländer im Bundesrat ist bislang geheim. Der Bundesrat gibt dazu keine Auskunft. Auch das Protokoll enthält zwar das Ergebnis von Abstimmungen, aber nicht, welche Länder zugestimmt haben."
Im dritten und vierten der vier Absätze wird darauf verwiesen, dass im Anschluss an die Plenarsitzungen des Bundesrats die Fraktionsvorsitzenden sowie die Staatsräte, ich verkürze ein wenig – Zitat –:
"[…] eine Übersicht über das Votum Hamburgs zu den zentralen Punkten der Tagesordnung erhalten und dass diese Übersicht auf Anfrage jedem Interessierten zur Verfügung gestellt wird beziehungsweise auf konkrete Nachfragen hin Auskünfte erteilt werden".
"[…] die oben genannte Übersicht über das Votum Hamburgs zu den zentralen Punkten der Tagesordnung zu veröffentlichen."
Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Augenblick, bitte, Herr Dr. Wolf. Mein letzter Appell hat offensichtlich nicht viel bewirkt. Deswegen bitte ich alle noch einmal, zu schweigen oder hinauszugehen. – Danke.
Auch hier haben wir uns die Mühe gemacht, uns die Übersicht zur Bundesratssitzung vom 17. Juni 2016 konkret anzusehen. Das Ergebnis: Es werden 17 der 70 Punkte der Tagesordnung als zentral an
gesehen und herausgegriffen, also nicht mehr nur zwölf, wie in der Pressemitteilung vorab. Es stellt sich aber erneut die Frage, wer nach welchen Kriterien, was zentral sein solle, entscheidet.
Weiter: Bei mehreren Punkten lässt sich das Abstimmungsverhalten Hamburgs dieser Übersicht zwar entnehmen, wenn es zum Beispiel heißt:
Häufig wird in dieser Übersicht jedoch lediglich das Ergebnis der Bundesratsabstimmung mitgeteilt. Diese Übersicht ist mithin doppelt unvollständig, zum einen, weil sie sich auf zentrale Punkte beschränkt, zum anderen, weil selbst bei den Punkten, die der Senat als zentral einstuft, das Abstimmungsverhalten nur zum Teil angegeben und zum Teil weggelassen und ausgeblendet wird.
Ich komme zum Fazit: Der Zusatzantrag der Regierungsfraktionen verweist somit letztlich auf den Status quo, mit dem kleinen Unterschied, dass nicht nur auf Nachfrage, sondern automatisch die Sache eingestellt werden soll. Er enthält aber der Öffentlichkeit nach wie vor wesentliche Informationen vor.
Er ist eine Scheinlösung, der dem selbst gestellten hehren Anspruch von Transparenz und Offenheit geradezu Hohn spricht. Wer Transparenz und Offenheit wirklich ernst meint und nicht nur als Lippenbekenntnis im Koalitionsvertrag postuliert, kann gar nicht anders als unserem Antrag zuzustimmen. Wir sind gespannt. – Vielen Dank.