Protocol of the Session on July 14, 2016

Herr Müller von der GRÜNEN Fraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Seelmaecker, den Zusammenhang, den Sie vorhin hergestellt haben – Sie wissen genau, wovon ich spreche –,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Wir nicht!)

finde ich unter der Gürtellinie. Das gehört nicht zu einer Justizdebatte, wie wir sie ernsthaft führen sollten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wenn man über gute Politik, auch im Zusammenhang mit Justiz reden will, dann zeichnet sich das in der Regel dadurch aus, dass Parlament und Senat auf aktuelle Entwicklungen reagieren. Ihr Vorwurf war, sie reagierten nur. Ja, Politik ist eine einzige Reaktion auf das, was in dieser Welt passiert.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Daraus einen Vorwurf zu konstruieren, finde ich absurd. Wir haben vor anderthalb Jahren den Haushalt 2015/2016 gemeinsam aufgestellt. Dabei haben wir im Übrigen eine aktuelle Entwicklung schon vorweggenommen, indem wir das Verwaltungsgericht gestärkt haben, weil wir sahen, dass es wahrscheinlich mehr Asylfälle vor Gericht geben wird. Das haben wir gemeinsam gemacht; daran gab es überhaupt nichts Anrüchiges. Das haben wir, die Koalition, nach der Wahl verstärkt, weil wir

(Richard Seelmaecker)

gesehen haben, dass es noch nicht reicht. Auch das ist überhaupt nichts Anrüchiges, sondern Ausdruck guter Politik.

(André Trepoll CDU: Das waren unsere An- träge!)

Dann haben wir gesehen, dass es hier und dort, wie zum Beispiel beim Landgericht, noch Engpässe gab und gibt.

(André Trepoll CDU: Gibt es denn jetzt noch Engpässe? Gibt es die noch?)

Auch da haben wir sofort reagiert und inzwischen 31 Köpfe neu in die Justiz gebracht. Das ist nicht schlechte Politik, das ist Ausdruck guter Politik.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich sehe momentan keine Substanz in Ihrer Justizpolitik. Sie haben gesagt, wir sollten uns um den Justizvollzug kümmern. Ich glaube, dieses Parlament kümmert sich schon sehr lang darum.

In der letzten Wahlperiode war doch allen klar, dass es Probleme bei den Menschen gibt, die dort arbeiten. Wir hatten einen Untersuchungsbericht, dessen sich die Vorgängersenatorin angenommen hat. Sie hat Arbeitsgruppen eingesetzt, um all das abzuarbeiten. Das ist ihr gelungen. Das müssen Sie in der Opposition nicht gut finden. Aber es ist ihr gelungen, den Krankheitsstand zu reduzieren. Das hat sie geschafft, unter anderem auch, weil sie schon 2013 einen Lehrgang für den Justizstrafvollzug eingerichtet hat. Dann hat sie jedes Jahr noch einmal einen draufgesetzt und Herr Steffen hat in diesem Jahr den vierten Lehrgang eingesetzt. Politik hat also richtig reagiert auf eine Entwicklung. Wir alle wissen, dass es immer noch nicht reichen wird, auch wenn wir uns bemühen. Herr Seelmaecker, wir brauchen Ihre Vorhaltungen dafür nicht. Es wäre eher schön, wenn Sie einmal konstruktive Vorschläge hätten. Ich habe sie nicht gehört.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Kommen wir noch einmal zu der Entlassung des Sicherungsverwahrten, wo wir alle einer Meinung sind, dass das keine gute Sache war. Aber dies hochzustilisieren von wegen, man hätte es alles sofort erkennen müssen, ist falsch.

(André Trepoll CDU: Das wäre ja noch schö- ner! – Anna-Elisabeth von Treuenfels-Fro- wein FDP: Hätte man auch!)

Dieser Fall ist einmalig in der deutschen Justizgeschichte. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben diesen Vorgang und dieses Gesetz, das noch nicht durch ausreichende Rechtsprechung hinterlegt war, anders und, wie wir heute wissen, falsch eingeschätzt. Aus diesem einen Fall hat der Justizsenator auch durch diesen Untersuchungsbericht massiv strukturell reagiert in seiner Behörde und auch vor Ort in der JVA. So, was kann man sonst

noch tun? Nichts. Sie haben nicht einen einzigen Vorschlag gemacht, wie man damit umgeht. Und das finde ich zu wenig für eine Opposition, die vorgibt, stark in der Justiz zu sein. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Wir kommen zu den Debatten. Ich rufe Punkt 44 unserer Tagesordnung auf, Drucksache 21/5063, das ist ein Antrag der CDU-Fraktion: Mit Augenmaß und ohne Zwang – Wirtschaftsverkehr bei Radverkehrspolitik stärker berücksichtigen.

[Antrag der CDU-Fraktion: Mit Augenmaß und ohne Zwang – Wirtschaftsverkehr bei Radverkehrspolitik stärker berücksichtigen – Drs 21/5063 –]

Die AfD-Fraktion möchte diesen Antrag gern an den Verkehrsausschuss überweisen. – Das Wort wird von Herrn Thering von der CDU-Fraktion gewünscht. Sie bekommen es.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hamburg ist das Herz einer pulsierenden Metropolregion mit über 5 Millionen Einwohnern, der Verkehrsknoten Nordeuropas, ein Hafenstandort von Weltrang und eine Wirtschaftsmetropole mit internationaler Strahlkraft. Die Wirtschaft ist das Rückgrat von Wohlstand und Fortschritt in unserer Stadt. Über 110 000 Betriebe haben ihren Sitz in Hamburg und fast 900 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte arbeiten bei uns in Hamburg. Für uns als CDU-Fraktion ist daher glasklar, dass intelligent und effizient gesteuerte Pendler- und Güterverkehre von elementarer Bedeutung für Wohlstand und Wirtschaftskraft in unserer Stadt sind.

(Beifall bei der CDU – Erster Vizepräsident Dietrich Wersich übernimmt den Vorsitz.)

Hierfür ist elementar wichtig, dass wir einen zeitgemäßen Mix aus Autos, Bahn, Bussen, Fähren, Fahrrädern, aber auch Lkws zur Verfügung stellen. Ein absolutes Warnsignal war und ist daher der Fünfpunktekatalog, den die Handelskammer vor etwas mehr als einem Monat vorgelegt hat und der die Grundlage unseres Antrags und der heutigen Debatte darstellt. "Wirtschaftsverkehr nicht ausreichend berücksichtigt", war die Überschrift der entsprechenden Pressemitteilung der Handelskammer. Bezugspunkt war, wie nicht schwer zu erkennen ist, die katastrophale Radverkehrspolitik des rot-grünen Senats. Was die Handelskammer dann in ihrer gebotenen Höflichkeit weiter schreibt, ist

(Farid Müller)

wahrhaftig ein waschechter Hilferuf. Diesem Hilferuf wollen wir mit unserem Antrag heute Gehör verschaffen, weil offensichtlich SPD und GRÜNE wieder einmal die ideologischen Scheuklappen aufgesetzt haben.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Die haben sie jetzt abgenommen, Herr Thering!)

Deswegen möchte ich Ihnen in aller Kürze die fünf erhobenen Forderungen der Handelskammer vorstellen. Erstens soll eine Grundsatzvereinbarung aller Mobilitätsteilnehmer und ihrer Interessenvertreter geschlossen werden. Da unterscheidet sich die Forderung extrem von dem, was Sie tun. Dazu müssen wir uns jetzt einmal den Passus ansehen, der hier drinsteht:

"[…] jenseits des auf städtische Partner beschränkten Bündnisses für den Radverkehr"

also genau das Gegenteil von dem, was Sie machen. Sie haben ohne externen Sachverstand ein Bündnis für den Radverkehr geschlossen, in dem einzig und allein städtische Partner berücksichtigt worden sind. Das führt letztendlich zu dem, was passiert ist, nämlich dass es keinerlei Akzeptanz in den Bezirken und in unserer Stadt findet.

Wie ich bereits gesagt habe, sitzen in diesem Bündnis ausschließlich städtische Akteure. Der Sachverstand ist negativ, was natürlich nicht dazu führt, dass der Radverkehr in Hamburg verbessert wird. An dieses Thema müssen Sie jetzt endlich einmal herangehen und erkennen, dass es vielleicht sinnvoll ist, sich externe Expertise zu holen.

(Beifall bei der CDU)

Die zweite Forderung des Antrags zielt darauf ab, den Verkehrsfluss durch Bündelung auf Hauptverkehrsstraßen zu erhöhen. Die Hauptverkehrsstraßen mit ihren höheren Tempolimits sollen ja gerade dafür sorgen, dass man relativ schnell von A nach B kommt und nicht die Wohngebiete nutzt, um abzukürzen. Wenn man jetzt aber, wie SPD und GRÜNE es in Altona gemacht haben, ausgerechnet auf den Hauptverkehrsstraßen am Ring 3 Fahrspuren wegnimmt und die Fahrradwege auf die Straße verlegt, dann werden die Autofahrer die kürzesten Wege suchen und durch die Wohngebiete fahren. Das ist die Konsequenz Ihrer Radverkehrspolitik, die Sie den Anwohnerinnen und Anwohnern dann aber auch erklären müssen.

(Beifall bei der CDU)

Gleiches gilt übrigens für die von den GRÜNEN immer wieder aus der Mottenkiste geholte Forderung: Tempo 30 in ganz Hamburg. Was ist denn die Konsequenz von Tempo 30 in ganz Hamburg?

(Heike Sudmann DIE LINKE: Mehr Sicher- heit!)

Die Konsequenz von Tempo 30 in ganz Hamburg ist, dass die Leute in die Wohngebiete auswei

chen, weil auf den Hauptverkehrsstraßen keiner mehr durchkommt. Das müssen Sie den Leuten erklären und nicht immer versuchen, ihnen Sand in die Augen zu streuen.

(Beifall bei der CDU)

Die dritte Forderung der Handelskammer ist so einfach wie wichtig. Bei aller verständlichen Euphorie für den Radverkehr dürfen aber nicht die anderen Verkehrsteilnehmer hinten runterfallen und alle anderen verkehrspolitischen Maßnahmen in Hamburg unter den Tisch gekehrt werden.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Gucken Sie sich einmal an, wie die Radwege aussehen!)

Herr Tjarks, gucken Sie sich doch einmal an, was in unserer Stadt los ist. Wir haben ein Staudesaster sondergleichen, das am Ende des Tages dazu führt, dass jeder Hamburger jährlich im Durchschnitt 45 Stunden im Stau steht.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Ich nicht, ich fahr Fahrrad!)

Das ist nicht nur ein extremer volkswirtschaftlicher, sondern vor allem auch ein ökologischer Schaden. Überlegen Sie sich doch einmal, was in den 45 Stunden passiert. Die Leute kommen nicht voran, der Motor läuft; das verhagelt Ihnen richtig schön die CO2-Bilanz. Also sorgen Sie endlich dafür, dass die Leute vernünftig und vor allem schnell von A nach B kommen.

(Beifall bei der CDU – Wolfgang Rose SPD: Sie haben doch zehn Jahre keine Straßen repariert!)