Protocol of the Session on July 13, 2016

gut und man kann es schlecht finden, aber eine Partei, die nichts sagt, braucht man eigentlich nicht. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Von der Fraktion DIE LINKE bekommt nun Frau Özdemir das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Uns ist es wichtig, dass mit diesem Kompromiss der Volksentscheid vermieden werden kann. Und ich denke, mit den meisten sind wir uns hier einig, ein Volksentscheid in dieser Frage hätte nicht die Probleme gelöst, sondern die Stadt wirklich tief gespalten und auch Integration verhindert.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Wir möchten als Fraktion deutlich machen, dass die viele Arbeit aller Beteiligten in dieser Einigung, in diesem langen Prozess unsere Anerkennung verdient. Dennoch gibt es Punkte, die wir kritisch anmerken müssen, denn es muss einmal deutlich gesagt werden, dass gerade die Unfähigkeit des Bürgermeisters, auf gleicher Augenhöhe mit Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen, einer der Gründe ist, warum es überhaupt so weit gekommen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Gerade das Schweigen, aber auch die ewige Ignoranz, die bei unterschiedlichen Konflikten immer zu beobachten ist, löst eben keine Probleme, sondern – wie wir gesehen haben – verschlimmert sie nur und führt uns in eine Sackgasse.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine frühzeitige Reaktion, gerade in diesem Fall, hätte der Stadt und auch den Beteiligten all die Strapazen der letzten Monate ersparen können. Ich glaube, der Senat muss einmal lernen, was eigentlich Bürger- und Bürgerinnenbeteiligung bedeutet. Es heißt eben nicht, Infoveranstaltungen in unterschiedlichen Stadtteilen zu machen, die Bürgerinnen und Bürger vor vollendete Tatsachen zu stellen und dann von Bürger- und Bürgerinnenbeteiligung zu sprechen. Bürger- und Bürgerinnenbeteiligung ist ein langfristiger Prozess, in dem die Menschen vor Ort die Möglichkeit haben müssen, in die Entscheidungen einbezogen zu werden und mitzuwirken.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber wir müssen auch in Richtung Volksinitiative sagen, ja, Sie haben es geschafft, Ihre Anliegen durchzusetzen. Ja, Sie haben es geschafft, gewisse Forderungen, die auch wir teilen und die ich später noch erwähnen werde, in das Konsenspapier aufnehmen zu lassen. Und ja, die Regierungs

(Dr. Anjes Tjarks)

fraktionen haben Ihnen viele Zugeständnisse gemacht, die der Senat vorher weder bei der Opposition noch bei anderen Initiativen gemacht hat.

Aber auch Folgendes möchten wir Ihnen als Fraktion noch einmal deutlich sagen: Dass der Volksentscheid abgewendet werden kann, ist positiv, aber dass mit einem Volksentscheid in dieser Frage mit der Unterbringung von geflüchteten Menschen so gespielt wurde, ist verwerflich.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wissen alle, dass die Fragen des Volksentscheids darauf hinausliefen, die menschenrechtlichen und die rechtlichen Verpflichtungen der Stadt infrage zu stellen. Und wir wissen, auch wenn es nicht Ihre Absicht war und Sie sich deutlich abgegrenzt haben, dass diese Fragen auf eine rechte Mobilisierung hinausliefen. Es wäre – und das haben wir auch in den vorherigen Debatten immer wieder deutlich gesagt, egal, auf welche Frage man sich geeinigt hätte – schlussendlich um die Frage gegangen: Aufnahme der geflüchteten Menschen, ja oder nein? An dieser Stelle müssen wir deutlich sagen, dass man mit den Grundrechten von Menschen nicht pokert.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb ist es rechtlich und moralisch gut, dass es in diesem Papier ein klares Bekenntnis zur Aufnahmeverpflichtung gibt. Und es ist gut, dass Mindeststandards in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung entwickelt werden sollen. Aber auch die Durchsetzung kleinerer dezentraler Einrichtungen ist ein richtiger Schritt, der vor allem für die Geflüchteten die Integration in ihre neue Heimat, nämlich die Stadtteile, erleichtern wird. Das sind Forderungen, die wir noch vor dem Sommer 2015 immer wieder mittels parlamentarischer Initiativen eingebracht haben. Wir sind bei Ihnen immer auf Kopfschütteln gestoßen. Aber man sieht, dass der Senat sich jetzt bewegt und damit zeigt, dass es möglich ist, wenn der Wille vorhanden ist. Also war es auch vorher möglich, aber bei Ihnen war der Wille einfach nicht vorhanden.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt Punkte in dem Konsenspapier, die wir kritisch betrachten. Zum einen die Bürgerverträge, die wir demokratietheoretisch zweifelhaft finden. Dieser Ziffer werden wir nicht zustimmen, das haben wir Ihnen angekündigt. Wir haben dazu einen Zusatzantrag eingebracht, den meine Kollegin Christiane Schneider in der zweiten Runde ausführlich begründen wird. Den anderen Punkten können wir zustimmen, fordern aber die nachträgliche Überweisung, das haben Sie auch gesagt, an den Sozialausschuss, um über den wichtigsten Punkt, den Dreh- und Angelpunkt zu sprechen, nämlich die Finanzierung all dieser Maßnahmen.

(Jan Quast SPD: Seit wann machen Sie sich denn darüber Sorgen? Das ist ja was ganz Neues!)

Na ja, wir sehen bei Ihnen einen Fortschritt, wir haben Sie doch immer zu dem Fortschritt gedrängt.

(Beifall bei der LINKEN)

Dreh- und Angelpunkt bei diesen Maßnahmen ist natürlich die Finanzierung. Angesichts der großen Zahl der Neuhamburgerinnen und Neuhamburger wird die Integration in die Stadtgesellschaft in den nächsten Jahren die große Aufgabe sein, die in Hamburg zu wuppen ist. Diese Herausforderung kann nur bewältigt werden, wenn Geld – und ich rede von viel Geld – in die Hand genommen wird und diese Maßnahmen damit noch einmal gestärkt und umgesetzt werden können. Die Kosten sind in Ihrem Papier nicht annähernd beziffert. Wir sehen nur auf Seite 32 zum Beispiel, dass es dort heißt:

"Die städtische und insbesondere soziale Infrastruktur muss weiter auskömmlich finanziert sein und bleiben."

Da frage ich mich, ehrlich gesagt, wie Sie auf die Idee kommen, dass die soziale Infrastruktur jetzt in diesem Zustand auskömmlich finanziert ist?

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben die Situation, dass die soziale Infrastruktur seit Jahren unterfinanziert ist und die Einrichtungen es immer wieder sagen, auch immer wieder an Sie herantreten; wir können in keiner Weise von einer auskömmlichen Finanzierung sprechen. Hier versuchen Sie, ein großes Problem zuzudecken.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn viel Geld in die Hand genommen werden muss, stellt sich unvermeidlich die Frage, wer dafür aufkommt. Für uns ist auf jeden Fall sehr wichtig: Es darf nicht dazu kommen, dass denjenigen, die ohnehin wenig haben, die in besonderem Maße auf eine intakte soziale Infrastruktur und auf eine gut funktionierende öffentliche Daseinsvorsorge angewiesen sind, direkt oder indirekt die Kosten der Herausforderung aufgebürdet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Und Sie wissen auch, dass es nicht nur extrem ungerecht wäre, es drohten verheerende politische Folgen. Das Problem deutet sich doch an, ich möchte das an einem aktuellen Beispiel deutlich machen. Die Situation der Wohnungslosen ist zurzeit und in den vergangenen Monaten so schlecht wie eigentlich nie zuvor. Es fehlen Unterkünfte für wohnungslose Menschen. Und unter solchen Bedingungen wachsen Ressentiments gegen Geflüchtete, weil für sie angeblich die Unterkünfte errichtet werden, die es für die Obdachlosen nicht gibt. Wenn sich das in einem größeren Maßstab

fortsetzt, kann es zu Verteilungskämpfen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen kommen, die man nicht erleben möchte.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb ist die Frage der Finanzierung für uns extrem wichtig. Sie ist politisch sehr wichtig. Und wenn die Perspektive "Wir schaffen das" zum Nutzen aller Beteiligten und nicht auf Kosten von Beteiligten nicht nachvollziehbar wird, dann wird man größere Teile der Stadtbevölkerung für die Entwicklung der solidarischen Stadtgesellschaft nicht gewinnen können. Deshalb muss die Infrastruktur überall, in allen Stadtteilen gestärkt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb müssen die Regelsysteme bedarfsgerecht und sozial ausgewogen ausgestattet werden, und zwar für alle Menschen in dieser Stadt.

Und Sie werden nicht umhinkommen, über kurz oder lang mit dem Dogma Schuldenbremse zu brechen.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch das steht Ihnen noch bevor.

Einen letzten Punkt möchte ich noch erwähnen, einen Punkt, der uns sehr schmerzt, denn diese Einigung konnte nur zustande kommen, weil momentan die Grenzen geschlossen sind. Diese Einigung konnte zustande kommen, weil der Deal mit der Türkei momentan die Flüchtlinge eben nicht über …

(Dennis Thering CDU: Gott sei Dank!)

Sie sagen, Gott sei Dank gibt es dieses Abkommen. Ich finde es unfassbar von Ihnen, über einen solchen Deal so zu sprechen, ohne dabei zu wissen …

(Zuruf)

Ja, ich kann mir vorstellen, was er weiß. Sie wissen aber auch, dass dieser Deal mit unglaublichen Massakern verbunden ist. Und das wissen Sie natürlich nicht.

(Beifall bei der LINKEN – Martin Dolzer DIE LINKE: Das wissen sie schon, sie ignorieren es nur!)

Ich möchte noch einmal auf den schmutzigen Deal mit der Türkei zu sprechen kommen. Gerade deshalb können Menschen eben nicht über halbwegs sichere Wege nach Europa kommen. Und weil gerade schutzbedürftige Menschen daran gehindert werden, nach Europa zu kommen, gab es die Möglichkeit, einen solchen Deal hier durchzuführen.

Es gibt alternative, gefährliche Routen, die immer wieder über das Mittelmeer führen, dort ertrinken immer noch Menschen. Deshalb müssten Sie sich eigentlich für dieses Gott sei Dank schämen, denn

es führt eben dazu, dass Menschen immer noch im Mittelmeer ertrinken.

(Beifall bei der LINKEN)