Protocol of the Session on June 29, 2016

(Dirk Kienscherf SPD: Woran liegt das wohl?)

Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass Sie jetzt der Opposition sagen, sie mache keine Vorschläge, wolle wahrscheinlich das Abitur an der Stadtteilschule nicht und rede ohnehin alles nur schlecht. Das Einzige, was wir gebetsmühlenartig tun, ist – und das ist unsere Aufgabe, dafür sind wir hier –, dass wir Sie auf diese Probleme aufmerksam machen, dass wir sie sehr gern mit Ihnen gemeinsam lösen würden. Dafür haben wir unterschiedliche Ideen von links nach rechts und von der Mitte, das ist klar.

(Farid Müller GRÜNE: Welche denn?)

Aber Sie nehmen diese Ideen nie ernst, sondern stimmen die Anträge meistens nieder. Manchmal finden Sie unsere Initiativen immerhin so gut, dass Sie sie plötzlich selbst einbringen, doch das ist ein anderes Thema.

Fakt ist, dass Sie in keiner Weise darauf eingegangen sind; Frau Duden hat einen Werbeblock für die Stadtteilschulen gemacht. Wir finden die Stadtteilschulen gut, aber wir nehmen es ernst, wenn sich 51 von 59 Stadtteilschulleitern beschweren. Sie tun das anscheinend nicht. Das finde ich sehr fragwürdig.

(Beifall bei der FDP und bei Thomas Kreuz- mann CDU)

Frau von Berg hat, glaube ich, sämtliche Pressemitteilungen von uns durchgeackert, aber in ihrer heutigen Rede ist sie auf das, was wir heute in der Aktuellen Stunde gesagt haben, überhaupt nicht eingegangen. Ob wir Eingangstests für die Gymnasien einführen oder vielleicht einfach Lehrer verbessern wollen – alles, was wir vorschlagen, haben Sie heute in einem Sammelsurium genannt. Ich sage Ihnen, warum. Weil Sie im Grunde Ihres Herzens, da bin ich mir sehr sicher, genau wissen, dass dieser Hilferuf nicht zu umgehen ist. Wären Sie noch in der Opposition, würden Sie heute mit uns kämpfen

(Dr. Monika Schaal SPD: Aber wir hätten Vorschläge! – Wolfgang Rose SPD: Jetzt kommen die Vorschläge!)

und sagen, dass er ernst genommen werden und sich etwas verbessern müsse. Sie würden mitnichten sagen, dass die Opposition daran schuld sei, dass diese Probleme entstehen. Das glaube ich Ihnen einfach nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Prien von der CDUFraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, meine lieben Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen!

(Dr. Monika Schaal SPD: Wir sind nicht lieb!)

Nein, Sie sind nicht lieb, das kann man wirklich sagen bei Ihnen.

Ich will einmal versuchen, ein bisschen auf die Zwischentöne zu hören, denn das Thema ist viel zu ernst, als dass man jetzt aufeinander eindrischt. Ich habe zumindest verstanden, Herr Rabe – und das ist schon mehr, als wir in den vergangenen Jahren erhoffen oder erwarten konnten –, dass Sie ein Diskussionsangebot gegenüber diesem Haus gemacht haben. Sie haben erklärt, dass Sie über Ihre Vorschläge und die, die wir machen, gern diskutieren möchten. Nehmen wir doch, Frau von Treuenfels, dieses Diskussionsangebot an, nehmen wir es ernst, und dann wollen wir einmal sehen, wie wir es im Schulausschuss schaffen, miteinander in eine fundierte, ernsthafte Debatte zu kommen, in der Sie Ihre Evaluationsergebnisse, von denen Sie gesprochen haben, auf den Tisch legen und in der wir darüber sprechen, woran es denn liegt.

Jetzt komme ich dazu, was Sie nicht gesagt haben, Herr Senator Rabe. Sie können uns und den Eltern in dieser Stadt bis heute nicht erklären, warum die eine Stadtteilschule Anmeldezahlen hat, die sie niemals bedienen kann, und die Stadtteilschule, die wenige Hundert Meter davon entfernt ist, keine oder kaum noch Anmeldungen hat. Das sind Fragen, denen wir auf den Grund gehen und auf die wir Antworten finden müssen. Solange Sie darauf keine Antworten finden, es tut mir leid, Herr Senator Rabe, haben Sie das Problem nicht erkannt, und Sie gehen es auch nicht an. Das müssen wir leisten, und das erwarten die Stadtteilschulleiter von uns.

(Kazim Abaci SPD: Was ist Ihre Antwort? – Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Individuell hinschauen und individuelle Lösungen für die Schulen erarbeiten, das müssen wir jetzt gemeinsam angehen. Wir sind dazu bereit.

Sie haben nach Vorschlägen gefragt. Tatsächlich sind wir uns in einigem durchaus einig. Ich fange einmal an mit Schulfrieden. Der Schulfrieden ist doch kein L’art pour l’art, Frau Boeddinghaus, das machen wir doch nicht, weil es so schön ist und wir es alle so toll finden. Beim Schulfrieden ging es darum, den Schulen nach der gescheiterten Primarschule und zwei Volksabstimmungen über eine Schule für alle endlich die Zeit und die Ruhe zu ge

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein)

ben, sich vernünftig zu entwickeln. Das ist eine absolut vernünftige und notwendige Vorstellung und nicht etwas, was man nur macht, weil man nichts verändern wollte. Und ich bitte Sie, das einfach zu akzeptieren. Sie werden in dieser Stadt keine Mehrheit für eine Schule für alle finden. Sie bringen Unfrieden in die Stadt und Unfrieden in die Schulen, wenn Sie so tun, als könnte man so etwas in Hamburg erreichen.

(Beifall bei der CDU – Glocke)

(unterbrechend) : Frau Prien, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. – Sie können sich gern noch einmal melden; beim nächsten Mal.

Zweitens: Beim Elternwahlrecht sind wir uns einig. Die Hamburger Eltern wollen Elternwahlrecht und deshalb sollen sie es auch behalten, es steht ihnen zu. Aber wir müssen doch darüber nachdenken, wie wir Eltern besser und objektiver beraten können, damit nicht so viele Zufallsentscheidungen zustande kommen.

In puncto Qualitätsverbesserungen haben Sie recht, Herr Senator Rabe, aber diese dürfen sich nicht nur auf Mathematik beziehen, sondern auf alle Basisqualifikationen. Diese dürfen auch nicht erst in der Stadtteilschule anfangen, sondern müssen in der frühkindlichen Bildung und in der Grundschule beginnen. Und da gibt es erhebliche Defizite.

Ich will Ihnen noch ein paar andere Vorschläge nennen. Wir müssen über die Frage der Grenzen der Inklusion sprechen. Man wird nicht umhinkommen, vermehrt inklusive Kleingruppen an den Stadtteilschulen zu gründen. Manche Schüler sind in den Regelklassen nicht beschulbar; hier muss man der Realität ins Auge schauen und dies akzeptieren. Wir müssen uns die Frage stellen, wie man den Übergang von IVK-Klassen in Regelklassen vernünftig bewerkstelligen kann. Aus unserer Sicht braucht man verbindliche Sprachprüfungen. Die Vorschläge liegen bereits auf dem Tisch, deshalb möchte ich Sie ausdrücklich darum bitten, darüber noch einmal mit uns gemeinsam intensiv nachzudenken.

Es geht auch um die Frage eines geänderten Anmeldeverfahrens. Stadtteilschulen und Gymnasien sollen sich profilieren. Doch was nützt ein Schulprofil, wenn Eltern sich die Schule nicht aussuchen können, sondern letztendlich nur nach dem Wohnortprinzip wählen können? Das macht doch überhaupt keinen Sinn. Daher sollten wir am Anmeldeverfahren arbeiten.

Es gibt genug zu tun, es gibt viele Übereinstimmungen. Wir stehen wie Sie zur Stadtteilschule und zum Gymnasium, aber wir dürfen es gemein

sam nicht verderben und wir sind dabei, genau das zu tun. Deshalb kann ich nur noch einmal an Sie appellieren, diesen Brief ernst zu nehmen, die Eltern in der Stadt, die mit den Füßen abstimmen, ernst zu nehmen und mit uns und mit den Menschen in dieser Stadt in einen vernünftigen Dialog zu kommen. Dann kann es noch etwas werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Das Wort bekommt nun Frau Dr. von Berg von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Frau von Treuenfels-Frowein! Ich möchte noch einmal ausführen, was ich vorhin gesagt habe: Worte sind mächtig. Ich habe mit vielen Eltern in dieser Stadt gesprochen und sie gefragt, warum sie ihr Kind nicht auf einer Stadtteilschule anmelden, sondern auf einem Gymnasium. Und es ist einfach so, dass die Eltern das Vertrauen in diese Stadtteilschule nicht haben, weil es bei ihnen so ankommt, dass sowohl Ihre Fraktion als auch die CDU immer wieder deutlich macht, dass Stadtteilschulen hauptsächlich den ersten und den mittleren Schulabschluss anbieten sollen.

(Zurufe von der CDU – Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Die beziehen sich auf die Opposition? Ehrlich?)

Das kommt bei den Eltern in dieser Stadt an, das diffundiert einfach immer wieder durch. Das müssen Sie einfach ernst nehmen. Und ich glaube, wir werden dieses Problem der Schieflage des Anmeldeverhaltens nur in den Griff bekommen, wenn Eltern das Vertrauen haben, dass ihre Kinder das beste Potenzial, welches sie haben, auch wirklich erreichen können.

Ich bin der Auffassung, dass Stadtteilschulen dies bereits leisten, aber die Eltern in dieser Stadt haben das wirklich noch nicht verstanden.

(André Trepoll CDU: Also entweder die Op- position oder die Eltern sind schuld?)

Und dazu führen leider auch immer und immer wieder Ihre Pressemitteilungen, die sagen, die Stadtteilschulen sollen sich auf den ESA und den eMSA konzentrieren und auf die anschließende Berufsausbildung. Das wollen die Eltern in dieser Stadt jedoch nicht. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass Worte mächtig sind, und unterlassen Sie es bitte, sondern stellen auch Sie die Stadtteilschule verbal stark. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

(Karin Prien)

Das Wort bekommt nun Frau Boeddinghaus von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Senator Rabe, Sie haben es, glaube ich, als Einziger in dieser Debatte geschafft, Ihre Rede vom letzten Mal wirklich 1:1 nochmals zu halten.

(Beifall bei der LINKEN, vereinzelt bei der CDU und bei Michael Kruse FDP – Hansjörg Schmidt SPD: Wiederholungen erhöhen nicht den Nährwert!)

Sie wiederholen, wie attraktiv die Stadtteilschule sei, was sie alles mache, dass der Senat sie unterstütze und so weiter, und schaffen es gleichzeitig, kein einziges Wort zu den inhaltlichen Ausführungen und Positionierungen von 51 Expertinnen und Experten in diesen von Ihnen so toll unterstützten Stadtteilschulen zu sagen. Wie geht das zusammen? Das müssen Sie mir bitte erklären, das ist für mich zu hoch, tut mir wirklich leid.

Ich bin aber gar nicht entsetzt oder überrascht, sondern vielmehr besorgt, denn im Moment lassen Sie sich im Grunde von den Entwicklungen treiben, anstatt dass Sie einmal das Ruder in die Hand nehmen, vorneweg gehen und anfangen, wieder einen Prozess der Schulentwicklung zu steuern. Sie haben heute vorgetragen, dass Sie am Schulfrieden festhalten. Aber was ist denn dieser Schulfrieden? Das ist doch ein Konstrukt, das gar nichts aussagt über Schulentwicklungen, über pädagogische Inhalte und darüber, wie es unseren Kindern geht, wie es unseren Lehrerinnen und Lehrern geht. Das ist doch schlicht und ergreifend ein Maulkorb, den Sie den Schulleitungen, den Eltern, der Stadt umgehängt haben.

(Barbara Duden SPD: Das ist doch Quatsch!)

Sie selbst stellen fest, dass es nicht greift. Und warum greift es nicht? Weil der ominöse Schulfrieden verquickt worden ist mit dem Versprechen, dass beide Säulen gleichwertig sind. Sind sie gleichwertig? Nein, sie sind nicht gleichwertig. Denn in der Zwischenzeit ist die Inklusion gekommen. Ich nehme die Inklusion sehr, sehr ernst. Und Sie müssen mir einmal erklären, warum die Inklusion fast nur von den Stadtteilschulen übernommen wird. Warum sagen Sie selbst nicht von sich aus, dass Sie wollen, dass Ihr Kind auch auf dem Gymnasium in den Genuss der Inklusion kommt. Wir müssen doch endlich einmal einen Prozess einleiten, damit die Leute in der Stadt wieder sagen, dass Inklusion klasse sei.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich höre im Moment in den Schulen nur, dass es ohne Inklusion besser gehen würde. Inklusion wird

als Belastung empfunden. Deshalb müssten wir doch alle zusammen ins Grübeln kommen und überlegen, wie es weitergeht. Und darum sagen wir, dass alle Schulen lernen müssen, inklusiv zu arbeiten.