Protocol of the Session on June 15, 2016

Von der FDP-Fraktion bekommt nun Herr Meyer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man die Google-Suche bemüht und dort den Begriff Baupolizeiverordnung eingibt, trägt der erste Treffer die Überschrift: "Altes Planrecht – Hamburg". Das sagt eigentlich schon alles. Der knapp 80 Jahre alte Nutzungskatalog der Baupolizeiverordnung ist nicht mehr zeitgemäß. Die Rahmenbedingungen haben sich geändert, die Leitbilder der Stadtplanung haben sich geändert, die Anforderungen an das Wohnen und Arbeiten haben sich geändert und somit auch die Organisation der Stadt. Darauf muss man reagieren und darauf wird auch schon reagiert. In ständiger Rechtsprechung und in der Verwaltungspraxis der letzten Jahrzehnte wurden Vorschriften der Baupolizeiverordnung aufgehoben, eingeschränkt oder auch neu ausgelegt. Dass der Senat nun den Schritt geht und die Baustufenpläne überarbeitet, ist daher konsequent

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

(Olaf Duge)

ja, liebe SPD –, denn in diesen in den Baustufenplänen gekennzeichneten, besonders geschützten Wohngebieten können alle Arten von gewerblichen und handwerklichen Betrieben sowie Läden und Wirtschaften ausgeschlossen sein. Wir haben das nun hier schon vielfach gehört. Häufig sind aber auch soziale Einrichtungen ausgeschlossen wie Kindergärten, Sportanlagen und – auch das, liebe CDU – Flüchtlingsunterkünfte. Seit Monaten diskutieren wir über Möglichkeiten der Flüchtlingsunterbringung und auch Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU, fordern doch kleinteilige dezentrale Unterbringungen. Diese können nur gelingen, wenn wir möglichst viele Potenzialflächen finden, auf denen kleinteilige Unterbringungen möglich sind.

(Beifall bei der FDP)

Bislang ist dies in den besonders geschützten Wohngebieten rechtlich nicht zulässig und somit fallen viele Quartiere bei der Suche schlicht durch das Raster. Die Teiländerungen der Baustufenpläne bieten somit auch hier eine Chance. Eine Chance, die wir nutzen sollten. Eines muss dabei aber völlig klar sein: Der Senat darf die Änderung nicht als Hintertür missbrauchen, um Großunterkünfte gegen den Willen der Bürgerinnen und Bürger durchzusetzen. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam und in großer Verantwortung die alten Zöpfe des Baurechts, von denen hier schon die Rede war, abschneiden und auch ohne aufwendige, langwierige B-Plan-Verfahren städtebauliche Veränderungen zulassen. Eine pauschale Ablehnung der Teiländerungen von Baustufenplänen, liebe CDU, bringt uns hier wirklich nicht weiter.

Stattdessen braucht es in der Verfahrensweise mehr Ehrlichkeit und Transparenz. Es kann nicht angehen, auch das wurde schon angesprochen, dass der Senat bereits am 7. April 2016 die Einleitung eines Verfahrens zur Änderung von insgesamt 17 Baustufenplänen bekannt gibt, ohne dass das Parlament, die Bezirksversammlung oder auch nur ein Bürger im Vorfeld von den bevorstehenden Änderungen erfahren hat.

(Beifall bei der FDP)

Ich selbst habe es, wie sicherlich viele andere auch, erst Wochen später der Presse entnommen. Und selbst in der Kommission für Stadtentwicklung werden wir erst am 20. Juni 2016 über die Änderungen des alten Planrechts informiert. Formal mag dieses Vorgehen in Ordnung sein, frühzeitige und nachvollziehbare Informationspolitik sieht aber anders aus.

Um dieses und anderes noch einmal intensiver zu diskutieren, können wir den Antrag gern an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen. In der Sache aber lehnen wir den CDU-Antrag wie auch den Zusatzantrag der AfD ab. Dem Antrag der Re

gierungsfraktionen werden wir dagegen zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Uwe Lohmann SPD)

Das Wort bekommt nun Herr Ehlebracht von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Baustufenpläne wurden überwiegend in den Fünfzigerjahren erlassen und haben dazu das gesamte Stadtgebiet abgedeckt. Das ist lange her und zwischenzeitlich auch sehr oft überplant worden. Dennoch werden hinsichtlich der Bauvorgaben, auch wenn diese nicht unbedingt sehr detailliert ausfallen in diesen Baustufenplänen, immer noch große Gebiete der Hansestadt durch eben diese Baustufenpläne geregelt und haben daher eine hohe Relevanz.

Jetzt wurde mit dem "Amtlichen Anzeiger" vom 26. April 2016 die Aufhebung von Gebieten verkündet, die in diesen Baustufenplänen als besonders geschützte Wohngebiete ausgewiesen werden. Die Konsequenz: Der Bau von Handwerk und Gewerbebetrieben, von Asylantenheimen, von kleineren Hotels oder Sportanlagen in diesen Gebieten wäre dann zum Beispiel grundsätzlich möglich, was derzeit nicht der Fall ist.

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg übernimmt den Vorsitz.)

Wen überrascht jetzt diese Änderung? Eigentlich hätte doch einem jeden klar sein müssen, dass SPD und GRÜNE genau das tun werden, hat doch auf entsprechenden öffentlichen Anhörungen zu der Causa Umwandlung der Sophienterrasse in ein Asylantenheim zum Beispiel der SPD-Bezirksamtsleiter, Herr Dr. Sevecke, unverhohlen mit der Änderung des Baustufenplans gedroht, wenn sich die Menschen dort nicht gefügig zeigen. Da kann man nur sagen: versprochen und gehalten.

Wo steckt dann der eigentliche Aufreger? Dass die Baustufenpläne geändert werden sollen? Nein, das ist nicht der Aufreger. Darüber kann man unserer Meinung nach reden, macht die alte Regelung doch aufgrund ihrer groben Vorgaben oft eine aufwendige Einzelfallprüfung notwendig, die das Verfahren – und das möchten wir alle nicht – unnötig in die Länge zieht. Bei der jetzigen Änderung aber bereiten uns die möglichen Hintertürchen, die damit der SPD und den GRÜNEN geöffnet werden, Kopfschmerzen. Wir wollen die Wohngebiete, die eine gewisse Einzigartigkeit besitzen, aber so erhalten, wie sie jetzt sind. Dies wird durch die Möglichkeit, die deren Paragraf 3 der Baunutzungsverordnung bietet, aber bedroht. Wir fordern daher, Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohnerinnen und Bewohner dieses Gebietes

(Jens Meyer)

nützlich und notwendig sein können, zuzulassen, alle weiteren Ausnahmeregelungen nach Paragraf 3 allerdings auszuschließen, um diese über Jahrzehnte gewachsenen Gebiete in ihrer Substanz nicht zu gefährden und ihren Charakter nicht zu verändern.

Wir haben dazu einen Zusatzantrag gestellt, aber dieser Zusatzantrag ist nicht in Stein gehauen. Auch darüber kann man reden, wenn man ihn denn einmal überweisen würde, und vielleicht diesen Zuschnitt an Ausnahmen anders gestalten – entsprechende Diskussionsbereitschaft vorausgesetzt, die hier aber kategorisch abgelehnt wird.

Aber noch einmal: Wo ist jetzt eigentlich der Aufreger in diesem Skandal? Und das kann man durchaus einen Skandal nennen. Er steckt in der Art und Weise, wie hier vorbei an der öffentlichen Beteiligung entscheidende Veränderungen im Baurecht im Bereich der Stadtplanung vorgenommen werden. Diese Veränderungen haben weitreichende Auswirkungen auf die genannten 17 Stadtviertel mit den Zigtausenden von Menschen, die dort wohnen und leben. Die Diskrepanz, die hier offenkundig wird, ist frappierend, und zwar zwischen dem, was SPD und GRÜNE hinsichtlich Bürgerbeteiligung immer wieder predigen, und dem, was jetzt hier gemacht wurde. Man könnte oft den Eindruck bekommen, dass Sie der Erfinder der Bürgerbeteiligung sind, und jetzt liefern Sie auf der anderen Seite ein Lehrstück ab, wie man genau diese Bürgerbeteiligung aushebelt und hintergeht, aber schauen jeden Morgen immer noch frisch in den Spiegel.

Wie man es durch die kalte Küche schafft, die zu unbequemen Fragen bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern hätte führen können, wenn man daraus ein Verfahren mit Bürgerbeteiligung gemacht hätte. Da wir uns, wie dargestellt, die Änderungen an den Baustufenplänen zum Zwecke einer besseren Absicherung der geschützten Wohngebiete grundsätzlich vorstellen können – wir sind also nicht kategorisch gegen Veränderung und beharren auf dem Alten, wobei Altes nicht unbedingt immer schlecht ist, um das hier auch einmal festzuhalten –, werden wir Punkt 1 des CDU-Antrags nicht zustimmen, denn er lehnt eben kategorisch jedwede Veränderung ab. Punkt 2 werden wir jedoch umfänglich zustimmen.

Den SPD-Antrag können wir nur ablehnen. Hier muss es erst eine allgemeine, breite öffentliche Diskussion geben. Es muss ins Bewusstsein der Menschen eindringen, welche Änderung hier vonnöten ist und was geplant ist, um dann darüber abstimmen zu können. Den Antrag können Sie noch einmal in einem halben Jahr vorlegen, dann können wir ihm auch zustimmen. Aber hier wollen Sie auch wieder in einem Husarenstreich wahrscheinlich mit einer einzigen Vorstellung pro Bezirk das

Thema dort abhandeln. Das lassen wir, wenn es nach uns geht, nicht zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Ehlebracht. – Das Wort hat Frau Senatorin Dr. Stapelfeldt.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht hier faktisch um zwei unterschiedliche Rechtsgebiete in reinen Wohngebieten: um Altrechte, die vor 1962 entstanden sind, und um Neurechte, die später entstanden sind. Die besonders geschützten Wohngebiete, um die es hier geht, sind meiner Ansicht nach aus der Zeit gefallen.

(Dennis Thering CDU: Ihrer Ansicht nach! Das sehen die Bürger anders!)

Und da bin ich auch denjenigen Kolleginnen und Kollegen hier im Haus dankbar, die aus den Fraktionen von SPD und GRÜNEN, der LINKEN und FDP das genauso sehen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Ausweisungen in den Baustufenplänen als besonders geschütztes Wohngebiet nach der Baupolizeiverordnung von 1938 sind größtenteils bereits um 1950, also unmittelbar nach Kriegsende entstanden. Ziel war es damals, die besondere Eigenart einiger damaliger Altbaugebiete zu schützen, indem dort zum Beispiel Läden oder Handwerksbetriebe ausgeschlossen wurden. Eine solche Nutzungsmischung mit Läden und Handwerk war seinerzeit sowohl mit störendem Lärm als auch mit gestalterischen Auswirkungen verbunden, und davor, das war die Intention, wollte man die Villengebiete schützen.

Auf der anderen Seite wurde in den Baustufenplänen überhaupt nicht geregelt, ob zum Beispiel soziale, kirchliche oder kulturelle Nutzungen in den Wohngebieten zulässig waren. In den besonders geschützten Wohngebieten, das wissen wir, kann daher nicht einmal der Bäcker an der Ecke ohne Weiteres genehmigt werden. Solche Baugebiete sind nicht mehr zeitgemäß.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die in der Baupolizeiverordnung verwendeten veralteten Begrifflichkeiten führen auch zu großen Unsicherheiten. Auch darauf ist schon hingewiesen worden. Ein Beispiel: Gerichte haben entschieden, dass die in den besonders geschützten Wohngebieten zulässigen Kitas den Wohnbedürfnissen im Sinne der Baupolizeiverordnung dienen müssen oder jedenfalls damit verträglich sein müssen. Das träfe nur auf kleine Anlagen zu und das führt zu großen Rechtsunsicherheiten beispielsweise bei der Frage, was klein ist bei einer Kita.

(Detlef Ehlebracht)

Außerdem ist wirklich nicht mehr zu erklären, warum in Hamburg in den Gebieten, in denen Menschen wohnen, ein Durcheinander von historischem und aktuellem Baurecht zu finden ist. Deswegen haben wir ein Verfahren begonnen, veraltete und starre besonders geschützte Wohngebiete der alten Baustufenpläne zu reinen Wohngebieten nach der aktuellen Baunutzungsordnung umzuwandeln. Diese reinen Wohngebiete sind übrigens die am stärksten geschützten Wohngebiete, die das aktuelle Baurecht kennt.

Was bedeutet das jetzt? Diese Gebiete genießen in Zukunft den höchsten Schutz, den das Baugesetzbuch vorsieht, und diese Regelungen sind damit dann auch hamburgweit vereinheitlicht. Die einzige Ergänzung ist die, dass zukünftig auch ausnahmsweise zulässig ist, was Quartiere eben lebenswert macht: Läden und Geschäfte, in denen die Bewohnerinnen und Bewohner für ihren täglichen Bedarf einkaufen können, Handwerksbetriebe, die nicht stören, kleine Hotels, Pensionen und auch Anlagen für soziale Zwecke und solche Einrichtungen, die für die Bewohnerinnen und Bewohner des Gebiets da sind aus den Bereichen Kirche, Kultur, Gesundheit und Sport.

(Dennis Thering CDU: Das erzählen Sie den Bürgern mal!)

Dieser Prozess wird selbstverständlich gemeinsam mit den Hamburgerinnen und Hamburgern umgesetzt. Unsere Fachleute haben, auch das ist schon erwähnt worden, bereits in den Stadtplanungsausschüssen der Bezirke Altona, Eimsbüttel, Wandsbek, Harburg und Hamburg-Nord Rede und Antwort gestanden. Die Grobabstimmung hat Ende Mai 2016 einvernehmlich mit den Bezirken stattgefunden.

Zusammengefasst geht es also um drei Dinge: Wir wollen das Hamburger Planrecht fit machen für erstens eine behutsame Stadtentwicklung der Zukunft, um die Quartiere lebenswert zu machen.

(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller GRÜNE)

Wir wollen zweitens Einheitlichkeit schaffen, um die Flickenteppiche aus historischem Baupolizeirecht und modernem Planrecht zu beenden. Und wir wollen drittens den hohen Schutz dieser Gebiete erhalten, indem wir ihnen den höchsten Schutz zukommen lassen, den das moderne Baurecht vorsieht. Dafür bitte ich um Ihre Zustimmung. Und bei Ihnen, liebe CDU, sind die alten Zöpfe allerdings noch vorhanden, bei uns nicht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Senatorin. – Das Wort hat Herr Hamann von der CDU-Fraktion.

(Arno Münster SPD: Das stimmt doch alles nicht, was Sie erzählen!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es geht hier nicht um alte Zöpfe. Was Sie hier versuchen, ist im Grunde, kahl durch die Gegend zu laufen, um Ihre Nacht-und-Nebel-Aktion irgendwie durch diese Stadt zu bringen, denn das haben Sie ja bisher noch nicht erklärt. Wenn das alles so gut gemeint ist und wenn Sie glauben, das sei alles so richtig und wichtig, warum sind Sie dann nicht mit einem Ihrer vielen Anträge nach vorn gekommen und haben das in der Bürgerschaft verkauft und vorgestellt?

Wenn ich mir die Tagesordnung anschaue, dann stellen Sie wegen jedem Kleinkram irgendwelche Anträge und melden Debatten an. Was war für morgen angemeldet? England don't go oder Ähnliches. Wunderbar. Um solche Sachen kümmern Sie sich,

(Beifall bei der CDU)

aber hier geht es immerhin um erhebliche Teile der Stadt.