Ich mache einmal weiter mit dem, was Herr Kienscherf Populismus der Opposition genannt hat. Herr Kienscherf, Sie waren auch einmal in der Opposition. Die Aufgabe der Opposition ist es, Alternativen zur Regierung aufzuzeigen. Wir haben Ihnen aufgezeigt, dass 8 000 Wohnungen die erste Alternative ist. Und wenn das Populismus ist, wenn Sie die Forderungen und Alternativen der Opposition übernehmen, bitte schön, dann bin ich sogar gern populistisch.
Aber dann will ich auch, dass Sie die Forderung übernehmen, wesentlich mehr günstige Wohnungen zu bauen.
Bevor Herr Trepoll sich ganz entspannt – leider ist Herr Hamann gerade weg –, komme ich zu Ihrem Lieblingsthema Mietpreisbremse. Ich habe beim letzten Mal Herrn Hamann danach gefragt, und er hat zugegeben, dass es bisher keinen einzigen Fall gibt, in dem die Mietpreisbremse zur Anwendung gekommen sei. Kein Mieter, keine Mieterin in dieser Stadt hat bisher überhaupt geklagt.
(André Trepoll CDU: Er sprach von Rechts- unsicherheit! – Milan Pein SPD: Dann funk- tioniert es ja wohl!)
Das ist traurig genug. Die Mietpreisbremse ist sowieso nur ein Bremschen; sie müsste viel stärker sein. Dieses Mini-Instrument stellen Sie so dar, als sei das der Untergang aller Vermieterinnen und Vermieter. Das ist es bei Weitem nicht. Es bietet viel zu wenig Schutz für die Mieterinnen und Mieter.
Nun zu dem beliebten Scheinargument der SPD und auch der GRÜNEN, die LINKEN wollten keine Kooperationen mit irgendjemandem schließen, wollten nicht mit Investoren verhandeln. Wir wollen sehr gern, dass Wohnungsbaugenossenschaften, die immer noch eher nach den Prinzipien der Wohnungsgemeinnützigkeit leben, wir wollen sehr gern, dass die städtische SAGA GWG Wohnungen bauen.
Wir wollen aber keine Investorinnen und Investoren, die versuchen, über Wohnungsbau und hohe Mieten Profite zu generieren, die sie dann wer weiß wohin stecken und nicht in die Wohnungen. So etwas wollen wir nicht.
Deswegen sagen wir Ja zur neuen Wohnungsgemeinnützigkeit. Herr Duge, Sie haben den Bundestag angesprochen. Ich weiß, die GRÜNEN sind und bleiben hasenfüßig, gerade wenn sie in der Regierung sind, und ich weiß auch, dass es nicht Ihre Klientel ist, die von günstigen Mieten profitiert. Wir als LINKE sind dafür, dass das Abzocken auf dem Wohnungsmarkt endlich ein Ende hat und Mieterinnen und Mietern, vor allem Mieterinnen und Mietern mit niedrigem Einkommen, ein echter Schutz geboten wird. Dafür stehen wir, für nichts anderes.
Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 32 und 5, den Drucksachen 21/4058 und 20/3652, Antrag der FDP-Fraktion: Flüchtlingsunterbringung – Mediation statt Konfrontation und Große Anfrage der FDP-Fraktion: Flüchtlingsunterbringung mit Perspektive Wohnen – Wirklich alternativlos?
[Große Anfrage der FDP-Fraktion: Flüchtlingsunterbringung mit Perspektive Wohnen – Wirklich alternativlos? – Drs 21/3652 –]
Zur Drucksache 21/4058 liegt vonseiten der Fraktionen der CDU und der FDP ein Antrag auf Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration vor.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Bei der Frage, wie Flüchtlinge untergebracht und in Wohnraum integriert werden, geht es längst nicht mehr nur um einen Dissens im politischen Lager. Es geht um Grundlegenderes. Es geht darum, wie wir künftig in dieser Stadt leben und wie wir die Gesellschaft zusammenhalten. Es geht darum, welche Integrationschancen und damit Zukunftschancen wir denjenigen bieten, die vor Krieg und Verfolgung bei uns Schutz gesucht haben. Es geht darum, wie wir mit den Bürgern umgehen, die mit den Expressbauplänen des Senats nicht einverstanden sind und sich Gedanken darüber machen, wie die Herausforderung der Flüchtlingsunterbringung anderweitig gelöst werden kann. Und es geht um das Demokratieverständnis, um den Stellenwert des Bürgerwillens in unserer Demokratie und um das Vertrauen in Politik im Allgemeinen.
Der Senat plant Expressbauten für Flüchtlinge, deren Rechtsgrundlage zumindest fragwürdig ist und deren Größendimension jenseits dessen liegt, was ein Großteil der Bevölkerung in dieser Stadt als sozial verträglich empfindet. Bei diesem Vorhaben kann kein noch so gut gemeintes Integrationsprogramm die Entstehung sozialer Brennpunkte und die Stigmatisierung der Flüchtlinge gänzlich ausschließen. Aber auch das Ansinnen der Volksinitiative kann im Fall eines erfolgreichen Volksentscheids Folgen mit sich bringen, deren Tragweite sich zurzeit kaum vollständig erfassen lässt. Es geht also um mehr als um einen Streit auf der politischen Bühne, und uns alle eint das Ziel, zu einer Lösung zu kommen.
Die Vielzahl der Bürgerinitiativen, die an einzelnen Standorten mitreden wollen, die zahlreichen Klagen gegen Unterkünfte, die auf wackeliger Rechtsgrundlage und ohne Bürgerbeteiligung gebaut wurden, und der Dachverband, der Interessen bündelt
und Integration zum Ziel hat, zeigen, dass es sich bei dem Widerstand nicht um Einzelmeinungen handelt und er sich nicht gegen Flüchtlinge, sondern gegen die Unterbringungspolitik dieses Senats richtet.
Wenn sich bei elementaren Fragen wie dieser innerhalb der Bevölkerung so viel Widerstand entwickelt und sich in einer Volksinitiative institutionalisiert, dann kann und darf man nicht einfach wegsehen und weitermachen.
26 000 Menschen haben den Expressbauplänen des Senats binnen fünf Tagen eine Absage erteilt, 26 000 Bürger, deren Meinung von den Initiatoren der Volksinitiative repräsentiert wird, 26 000 Unterschriften, die für sehr viele mehr stehen. Der Respekt vor dem Bürgerwillen gebührt es, dass man miteinander redet, dass man Informationsasymmetrien beseitigt, dass man sich auf Augenhöhe begegnet und dass diejenigen verhandeln, die über ein Verhandlungsmandat verfügen.
Die Herausforderung ist komplex. Wenn ich die Stimmung in den letzten Wochen richtig wahrgenommen habe, sind alle Beteiligten der Auffassung, dass es hier zu einer Einigung kommen sollte und ein Volksentscheid über diese Frage eine unglückliche Fügung darstellte.
Wir schlagen ein Mediationsverfahren vor. Eine Mediation kann Lösungsansätze aufzeigen, die in dem bisherigen herkömmlichen Verwaltungsverfahren nicht gefunden wurden. In einem solchen Verfahren stehen sich alle Beteiligten gleichrangig gegenüber. Diese Art der Partizipation soll gemeinsam intelligente Problemlösungen entwickeln, die im Hinblick auf eine sozial verträgliche Flüchtlingsunterbringung konsensfähig und realisierbar sind. So kann ein bindender Volksentscheid, der flexible, angepasste Lösungen künftig nicht mehr zuließe, unnötig werden.
Der ausgehandelte Kompromiss muss durch geeignete Verfahren einen verbindlichen Charakter erhalten. Es reicht dabei aber nicht aus, Goodwill zu signalisieren, wenn der Senat nicht bereit ist, die Expressbaupläne in Gänze auf den Prüfstand zu stellen und über vorhandene Alternativen ehrlich zu diskutieren.
Die zentrale Frage ist nicht, wie viele Flüchtlinge in welchem Abstand voneinander untergebracht werden dürfen. Die zentrale Frage ist, wie Flüchtlinge so untergebracht werden können, dass sie in kür
zester Zeit in unsere Gesellschaft, in unseren Arbeitsmarkt integriert werden, ohne dabei die Nachbarschaften zu überfordern.
Ein Mediationsverfahren setzt voraus, dass alle Beteiligten in die Lage versetzt werden, über den gleichen Wissensstand zu verfügen und über den gleichen Wissensstand zu diskutieren. Das bedeutet aber auch, dass dazu erst einmal alle Fakten auf den Tisch müssen. Hier komme ich auf die Große Anfrage zu sprechen, deren Antworten leider nicht den Anspruch erheben, in der Frage nach Alternativen Abhilfe zu schaffen. Der Senat unternimmt in dieser Anfrage nicht einmal den Versuch, inhaltlich zu begründen, warum er den Expressbau als einzigen Lösungsweg aus der Unterbringungskrise favorisiert.
Vielmehr entsteht der Eindruck, dass der Senat sich mit Alternativen nicht befasst hat und deshalb so vehement an den Expressbauplänen festhält.
Sämtliche Vorschläge von Opposition und Initiativen werden oft nicht geprüft, sondern einfach zerredet. Ich möchte nur auf vier Punkte eingehen.
Erstens: Der Senat erhebt Baulücken in Hamburg weder flächendeckend noch systematisch. So steht es zumindest in der Antwort. Ich frage mich dann, wie für das neue Lieblingsspielzeug von Bürgermeister Scholz, genannt FindingPlaces, plötzlich entsprechende Daten vorliegen sollen. Hier weichen doch wohl die gewollt kommunizierten und die tatsächlichen Wissensstände voneinander ab.
Zweiter Punkt: Die Potenziale von Dachgeschossausbauten und Geschossaufbauten scheinen dem Senat gänzlich unbekannt. Dabei hätten Sie die SAGA GWG längst mit einer entsprechenden Erhebung der Ausbaupotenziale der eigenen Bauten beauftragen können. Doch während die Anfrage einräumt, dass seit den Neunzigerjahren zahlreiche Geschosse ausgebaut wurden, ließ Senatorin Stapelfeldt kürzlich in den Medien verlauten, dass ein Dachausbauförderprogramm in den Neunzigerjahren nicht gut angenommen worden sei und sich kein weiterer Anlauf lohne. Aber lassen wir die Widersprüche und die Neunziger beiseite. Ohne entsprechende Erhebung gibt es keine Potenzialanalyse; es geht hier einzig und allein um den politischen Willen.
Dritter Punkt: Integration. Integration könnte durch eine Öffnung des Wohnungsbauprogramms wesentlich besser gelingen. Aber nach wie vor will der Senat Flüchtlinge nicht in das Wohnungsbauprogramm integrieren und dieses für sie öffnen.
Dabei bietet gerade eine Durchmischung von Flüchtlingen mit der hiesigen Bevölkerung die Chance auf interkulturelle Nachbarschaft und auf eine gelungene Integration.