Protocol of the Session on May 12, 2016

(Glocke)

Ja, liebe GRÜNE, wir stimmen Ihnen zu, wir sollten diesen Dialog führen zu.

Ich sage Ihnen noch einen letzten Satz. Es ist von dem Parteiprogramm meiner Partei in Stuttgart gesprochen worden.

(Glocke)

Sie konnten den Zeitungen entnehmen, dass ich damit nicht glücklich bin.

Herr Professor Kruse, Ihre Redezeit ist mehr als abgelaufen.

Ich beuge mich der Glocke, Frau Präsidentin.

(Beifall bei der AfD)

Dann bekommt jetzt Frau Güçlü das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bis auf den letzten Beitrag bin ich angenehm überrascht über die Debatte.

(Dr. Alexander Wolf AfD: Nicht zugehört!)

Ich finde, sie läuft sachlich richtig.

Herr Kruse, als Sie anfingen zu reden, dachte ich, na gut, die AfD hat sich entschieden, heute vielleicht einen etwas mäßigeren Ton anzuschlagen, indem Sie als Redner bestimmt worden sind. Aber ich frage mich, von wem Sie eigentlich reden, wenn Sie von "uns" und "denen" reden. Meinen

Sie mich nicht? Ich bin "uns" und "denen". Diesen von Ihnen aufgemachten Antagonismus, die Muslime versus wir, gibt es Gott sei Dank in der Realität nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN, der FDP und bei Gerhard Lein SPD)

Genau das ist Ihr permanenter Denkfehler. Sie konstruieren Fremdheit selbst da, wo es keine Fremdheit gibt. Wir reden nicht nur über Islam und die Integration des Islams, seitdem wir die Flüchtlingsthematik haben, sondern es leben Menschen seit 50, 60 Jahren hier. Fragen Sie sich doch einmal, warum die Menschen im Verlaufe der Jahre vielfach das Thema Islam plötzlich stärker als früher für sich entdecken. In den Achtzigerjahren, als ich meine soziale Arbeit, gerade mit jungen Frauen, begann, war das gar nicht so sehr Thema. Ich glaube, ein Aspekt, den wir alle in dieser Debatte völlig vernachlässigen und der bedeutsame integrationspolitische Auswirkungen hat, ist der ganze Bereich der Emotionen. Wenn wir ständig Fremdheit konstruieren, wenn wir ständig von "die" und "wir" sprechen, wenn wir davon sprechen, dass Probleme aufgrund von Religiosität entstehen, dann machen wir uns es zu leicht und produzieren die Probleme. Das hat einen Charakter von selbsterfüllender Prophezeiung.

Viele der Probleme, die Sie vorhin kurz gestreift haben, sind soziale Probleme. Wir haben in dieser Stadt einen großen Teil junger Menschen, die orientierungslos sind, die beruflich nicht weiterkommen. All diese sozialen Problematiken zu ethnisieren oder gar zu Religionsproblemen zu erklären, kann ich nicht hinnehmen.

(Beifall bei der den GRÜNEN, der LINKEN, der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Sie als AfD tun immer wieder so – und das finde ich mindestens genauso gefährlich –, als gäbe es eine Unvereinbarkeit zwischen muslimischem Leben und der demokratischen Grundordnung und als stünden europäische Werte muslimischen Werten entgegen, wobei für Sie muslimisch gleich Scharia ist. Hier redet keiner von Scharia. Ich glaube, wir alle in diesem Haus sind uns einig, dass es nicht um Scharia-Gesetze gehen kann und dass für alle Menschen in unserem Land unser Grundgesetz nicht verhandelbar ist. Das sind alles Selbstläufer. Aber Sie blenden aus, dass der Islam schon lange in Europa ist und sogar die europäische Kultur ganz maßgeblich mit geprägt hat.

Gerade den Kollegen von der AfD möchte ich ein Zitat von Thomas Bauer, einem Islamwissenschaftler aus Münster, nicht vorenthalten. Er sagt:

"[…] die europäische Kultur ist zutiefst vom Islam geprägt. Der Aufschwung der Philosophie,"

(Dr. Jörn Kruse)

(Dr. Bernd Baumann AfD: Das war die Anti- ke!)

"der Theologie und der Wissenschaften im späten Mittelalter, die italienische Renaissance, all das wäre ohne die Einflüsse des Islam nicht denkbar."

Ob Sie es glauben oder nicht, der Islam ist da. Er ist ein Teil Deutschlands. Aber, und das ein Trugschluss, dem Sie immer wieder unterliegen, es gibt "den" Islam nicht,

(Dr. Bernd Baumann AfD: Sie sagen, es gibt den nicht?)

es gibt unterschiedliche islamische Lebensweisen. Als Herr Flocken gestern in seiner Stellungnahme von Mohammedanismus gesprochen hat, gebrauchte er eine Linguistik aus den Siebzigerjahren, die heutzutage gar nicht mehr angewandt wird. Konstruieren Sie keine Probleme, konstruieren Sie Lösungen. Ich bin die Allerletzte, die sagt, alles sei toll und in einem Zustand, in dem wir nichts mehr zu tun hätten. Im Gegenteil, wie Stefanie von Berg sehr deutlich gesagt hat, sind wir uns der Problemlagen bewusst,

(Dr. Bernd Baumann AfD: Merkt man aber nicht!)

und es gibt viele gute Initiativen und Maßnahmen. Hören Sie auf, den Islam zu verteufeln. Der Islam ist ein Bestandteil Deutschlands, und das ist gut so. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN, der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Uns verbleiben noch acht Minuten für die Aktuelle Stunde. Wird der Aufruf des nächsten Themas gewünscht? – Das ist der Fall.

Das von der Fraktion DIE LINKE angemeldete Thema lautet

Falsche Richtung des Senats in der Wohnungspolitik: zu viel teure Wohnungen, zu wenig Schutz für MieterInnen mit geringem Einkommen

Frau Sudmann von der Fraktion DIE LINKE bekommt das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich hoffe, dass Frau Stapelfeldt noch in die Bütt geht, dann können sich alle dazu äußern.

Heute ist Erstaunliches passiert: Sie haben verkündet, dass das Bündnis für das Wohnen eine Neuauflage erlebt. Das ist schon allein deswegen erstaunlich, weil vom Bündnis für das Wohnen für die 21. Legislaturperiode zu lesen ist. Diese ist aber

schon ein Jahr alt, das kommt also etwas spät. Aber viel interessanter ist, jetzt zu lesen, der Senat wolle jährlich 10 000 Wohnungen bauen beziehungsweise Baugenehmigungen erteilen. Erinnern Sie sich daran, wie oft ich hier gestanden und gesagt habe, dass wir in Hamburg mindestens 8 000 Wohnungen pro Jahr bräuchten, und wie oft Herr Kienscherf und alle anderen, auch Herr Duge von den GRÜNEN, sagten, das sei völliger Quatsch, das sei niemals zu erreichen? Jetzt überholen uns SPD und GRÜNE sogar, sagen aber nicht genau, wie sie es machen wollen. Das, finde ich, ist schon sehr bedenklich.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber an einer anderen Stelle hätte ich mir gewünscht, dass Sie unsere Forderungen überholen. Wir sagen seit Jahren, dass wir in Hamburg einen großen Mangel an preisgünstigen Wohnungen haben. Ich glaube, mittlerweile weiß jede und jeder hier im Raum, dass über 50 Prozent aller Hamburger Haushalte so wenig Einkommen haben, dass Sie einen Anspruch auf geförderten Wohnraum haben – über 50 Prozent. Wenn Sie heute einmal etwas genauer lesen, was in der Pressemitteilung und in dem neu geschlossenen Bündnistext steht, stellen Sie fest, dass nicht einmal mehr der Drittelmix des Senats, der schon immer zu wenig war, eingehalten wird. Früher hieß es, ein Drittel der neu gebauten Wohnungen sollen Sozialwohnungen sein. Mittlerweile ist nur noch von 30 Prozent die Rede. Nun mögen Sie sagen, DIE LINKE sei wieder einmal total kleinlich. Aber der Unterschied von 30 Prozent zu einem echten Drittel macht jährlich 330 Wohnungen aus, denn Sie wollen jetzt von den 10 000 Wohnungen nur noch 3 000 Wohnungen jährlich als geförderte Wohnungen bauen. Ich erinnere Sie daran, wie Sie sich dafür gerühmt haben, 300 geförderte Wohnungen mehr bauen zu wollen, die Sie für vordringlich Wohnungssuchende bereitstellen wollen. Die Rechengenies im Senat haben völlig verpennt, dass 33,3 Prozent wesentlich mehr gegen die Wohnungsnot tun als 30 Prozent. Das ist ein echtes Armutszeugnis.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Senat sonnt sich in den 10 000 Wohnungen, die Sie jetzt anstreben. Aber Sie sehen nicht, wer im Schatten steht.

(André Trepoll CDU: Baugenehmigungen! Das sind doch nur Baugenehmigungen!)

Im Schatten stehen die Mieter und Mieterinnen, deren Mieten in die Höhe schießen und die keine Chance auf günstige Wohnungen haben.

Herr Trepoll spricht jetzt von Baugenehmigungen. Ich empfehle Ihnen allen, die Pressemitteilung der Senatorin für die große Fachkonferenz zu lesen.

(Glocke)

(Nebahat Güçlü)

Verzeihung. – Meine Damen und Herren! Lesen wäre in Ordnung, reden nicht so sehr. Ich würde Sie bitten, der Rednerin etwas mehr Gehör zu schenken.

Sie können mir aber auch zuhören, dann brauchen Sie nicht selbst zu lesen. In dieser Pressemitteilung hat Frau Stapelfeldt nämlich munter durcheinandergeworfen, ob nun 10 000 Wohnungen gebaut werden oder Baugenehmigungen ausgesprochen werden. Öffentlich wurde immer der Eindruck erweckt, es würden 10 000 neue Wohnungen gebaut. Also da muss das Bündnis noch arg nacharbeiten.

Jetzt kommen wir zu dem, was die CDU immer kritisiert. Sie sagen: Böse, böse, es wird kein Gutachten geben zu der Mietpreisbremse. Jetzt wird die SPD ein bisschen unruhig, weil sie dachte, das Thema käme nicht mehr zur Sprache. Das ist doch Ihr Thema, also machen wir weiter.

Ich war gerade bei dem Stichwort Mietpreisbremse. Ich erinnere Sie daran, dass wir als LINKE schon im letzten Jahr gesagt haben, wir bräuchten kein Gutachten um festzustellen, ob wir in ganz Hamburg einen angespannten Wohnungsmarkt haben. Jeder Mensch, der sich den Wohnungsmarkt mit ein bisschen Verstand ansieht, stellt fest, dass Hamburg einen angespannten Wohnungsmarkt und den Mietenwahnsinn hat; dafür brauche ich kein Gutachten.

(Beifall bei der LINKEN)