Ihr Antrag hat ein grundsätzliches Problem, Herr Rose, und es ist schön, dass Sie herumpolemisieren, so wie Sie es am besten können, aber Sie bringen hier zwei grundsätzliche Sachen durcheinander. Sie sprechen so häufig und auch zu Recht davon, dass wir den Menschen, die nach Deutschland kommen, helfen müssen, dass wir gerade den Kriegsflüchtlingen aus Syrien – ich erwähne es deshalb bewusst, weil Herr Schmidt es gerade selbst angesprochen hat –, helfen müssen, weil sie vielfach traumatisiert sind, weil sie aus furchtbaren Umständen auf furchtbaren Wegen nach Deutschland gekommen sind. Wenn Sie diese dann in einen Topf mit Menschen werfen, die in der zweiten oder dritten Generation bereits in Deutschland leben, dann haben Sie doch völlig den Bezug zur Realität verloren. So arbeiten Sie doch normalerweise auch nicht, meine Damen und Herren.
Herr Schmidt, wir sind uns grundsätzlich einig, Existenzgründungen fördern zu wollen, gar keine Frage. Jede Initiative, die dabei irgendwie hilft und einen Beitrag dazu leistet, ist grundsätzlich zu begrüßen und findet im Regelfall auch die Unterstützung unserer CDU-Fraktion in der Bürgerschaft. Das ist auch bitter nötig, denn wenn wir uns die Zahlen der Handelskammer hinsichtlich Existenzgründungen und Gewerbeanmeldungen in Hamburg ansehen, so können wir seit 2011 einen kontinuierlichen Rücklauf feststellen. Das ist das Ergebnis von damals noch roter, heute rot-grüner Wirtschaftspolitik. So sieht es nämlich in der Realität aus, Herr Schmidt. Und wenn Sie ständig den Vergleich heranziehen, was irgendwann vor 10 oder 15 Jahren in dieser Stadt aus Ihrer heutigen Sicht vielleicht nicht richtig gelaufen ist, dann müssen wir uns einfach nur einmal das Ergebnis der letzten paar Jahre Ihres Regierungshandelns anschauen. Dass das rückläufige Zahlen im Existenzgründungsbereich sind, ist Fakt.
Wenn wir die Handelskammer nach dem Grund fragen, spricht immer die Verbesserung der Konjunktur, eine Zunahme von Arbeitsplätzen dafür, dass auf der einen Seite Gewerbeanmeldungen zurückgehen. Auf der anderen Seite nennt die Handelskammer als Grund aber auch ganz klar vor allem administrative und bürokratische Hürden, die in den letzten Jahren zugenommen haben und die Menschen davon abhalten zu gründen. Aber, Herr Schmidt, wie haben Sie es so schön im Interview in "Deutschlandradio Kultur" gesagt? Wenn jetzt jemand aus Syrien komme und dort ein Restaurant geführt habe, könne er auch hier eines aufmachen, dann müsse man ihm nur noch ein wenig mit der Bürokratie und unseren Anforderungen im Bereich Hygiene helfen, und dann werde das alles schon laufen. Herr Schmidt, Sie sollten es doch besser wissen. Ganz ehrlich, was Sie in diesem Interview
gesagt haben, ist fernab der Realität, und auch das, was Sie eben erzählt haben, klappt nicht. Dass jemand nur, weil er in irgendeinem anderen Land ein Restaurant hatte und egal, ob er das Land unter tollen Bedingungen gewechselt hat oder vor Krieg und Verfolgung fliehen musste, dann auch hier ein Restaurant neu aufmacht, funktioniert einfach nicht.
Politik soll möglich machen und ermuntern, keine Frage. Umso wichtiger ist es, dass wir den Menschen Hoffnung machen, ihnen eine Perspektive geben. Aber, Herr Schmidt, dafür würde es Ihnen auch gut anstehen – das haben wir gerade vor ein paar Tagen beim Gründerfrühstück im betahaus diskutiert –, wenn Sie sich einmal mit dem Grund, warum Existenzgründer scheitern, beschäftigen würden. Wie wir vor einigen Wochen der Senatsantwort auf unsere Anfrage entnehmen konnten, tut der Senat das nicht, weil Rot-Grün es nicht für nötig hält, sich mit der Kultur des Scheiterns zu beschäftigen. Aber wenn Sie Menschen dazu ermuntern wollen zu gründen, sich selbstständig zu machen, eigenverantwortlich für sich selbst sorgen zu wollen, dann machen Sie sich bitte auch Gedanken, wie Sie diese Menschen unterstützen, wenn etwas nicht funktioniert, wenn sie scheitern. Das jedoch lehnen Sie bisher ab, und deswegen funktioniert auch Ihr Antrag vom Grundgedanken her nicht, Herr Schmidt.
Dann widersprechen Sie sich; auf der einen Seite wollen Sie Gründungen fördern, auf der anderen Seite lesen wir aber von der Behörde für Arbeit und Soziales Folgendes: Kommt beispielsweise ein Frisör nach Deutschland, der bisher nur den männlichen Haarschnitt gelernt hat, muss er jetzt den weiblichen dazu lernen, damit er sich hier selbstständig machen kann. Die Behörde für Arbeit und Soziales verweist also darauf, dass wir in Deutschland eine sehr gute Handwerksausbildung haben, sprich dieser Frisör sich also noch gar nicht selbstständig machen soll. Dann verstehe ich aber nicht, warum ich ihn bereits schon jetzt aufmerksam machen soll auf die vielfältigen bürokratischen Möglichkeiten der Gründungsförderung, wie Sie es in Ihren fünf oder sechs Punkten im Antrag fordern, Herr Schmidt. Auch da ist ein Widerspruch sowohl in der bisherigen Öffentlichkeitsarbeit als auch in Ihrem Antrag selbst.
Nun können wir uns folgende Fragen stellen: Wollen wir ausbilden, wollen wir Fachkräfte weiterbilden oder wollen wir bereits fertig ausgebildete Fachkräfte zu einer erfolgreichen Gründung motivieren? Das ist sicherlich schön und gut. Allerdings bin ich in diesem rot-grünen Antrag über einen Satz gestolpert, der lautet, die Ausschöpfung des wirtschaftlichen Potenzials der Migranten und neu hinzugekommenen geflüchteten Menschen sei ein
wichtiger Schlüssel. Ich persönlich habe überhaupt kein Interesse daran, irgendjemanden auszuschöpfen, wenn er nach Deutschland kommt oder hier in der dritten Generation oder noch länger lebt. Es geht darum, dass wir Menschen einbinden, Herr Schmidt,
dass wir sie integrieren, und nicht darum, dass wir sie ausschöpfen, so wie Sie es in Ihrem Antrag gefordert haben.
In Kürze zu Ihren Forderungspunkten: Sie haben den Senat dazu aufgefordert, Herr Schmidt, zu prüfen, inwieweit man den Zugang zu bestehenden Förderprogrammen verbessern kann. Das Ganze wollen Sie in Punkt 2 auch gleich noch für den Bund geprüft haben. Wunderbar. Sie vergessen dabei nur eine großartige Grundlage: Nicht nur, dass das Verständnis deutscher Bürokratie bei den neu angekommenen Menschen fehlt, es fehlt auch schlichtweg häufig die Sprachkenntnis, durch diesen bürokratischen Dschungel hindurchzukommen. Sie hätten also wunderbar in Ihrem Antrag ergänzen können, dass Sie sich gleichzeitig für eine weitere sprachliche Fortbildung einsetzen wollen. Das fehlt Ihnen, Herr Schmidt.
Zweitens fordern Sie mehrsprachige Infos für potenzielle Gründer. Wie wäre es, wenn Sie sich einmal Gedanken darum machten, diesen Menschen näherzubringen, wie sie den Markt hier verstehen, und nicht nur, wie sie den Bürokratiedschungel Ihrer Behörden verstehen, Herr Schmidt?
Ein weiterer, sehr grober Punkt, Herr Schmidt, ist folgender: Ich frage mich wirklich, was Sie in den letzten Jahren auf der Bezirksversammlung, bei der Sie, wie Sie so schön auf Ihrer Homepage schreiben, jahrelang bezirkliche Erfahrungen gesammelt haben, gemacht haben, Herr Schmidt. Sie fordern in Ihrem wunderschönen rot-grünen Wunschdenken die bezirkliche Wirtschaftsförderung unserer sieben Bezirksämter ein. Welche bezirkliche Wirtschaftsförderung wollen Sie denn? Wollen Sie die in Eimsbüttel, die seit Jahren unbesetzt ist? Oder die in Altona, die momentan mit Fahrradplanung beschäftigt ist? Welche bezirkliche Wirtschaftsförderung wollen Sie ansprechen, wenn Sie überlegen, Gewerbeflächen, die momentan vielleicht noch kleinteilig vorhanden sind, jetzt noch kleinteiliger aufzuteilen, um dort dann Ihren neuen tollen, potenziellen Existenzgründer hinzusiedeln? Wenn es Ihnen um die bezirkliche Wirtschaftsförderung geht, müssten Sie den Bezirksämtern end
lich einmal die dafür nötigen Stellen geben und diese auch besetzen lassen. Auch darüber steht kein Wort in Ihrem Antrag. Sie gehen einfach davon aus, dass im Stellenplan eine Stelle geschaffen ist und die Verwaltung das schon regeln wird. Das ist fernab der Realität, Herr Schmidt.
(Beifall bei der CDU – Ksenija Bekeris SPD: Mannomann! Wie kann man so schnell nur so viel Unsinn reden!)
Sie sprechen von Skaleneffekten durch Existenzgründungen, vergessen dabei aber völlig, dass es vor allem einer grundsätzlichen Motivation, des Willens und auch der grundlegenden Bildung dafür bedarf, welche Möglichkeiten man hat, anstatt staatlichen Aktionismus und planwirtschaftlicher Ansätze, wie man irgendwie Arbeitsplätze für Menschen schafft, ohne dass diese Menschen bisher in der Gesellschaft angekommen sind. Das greift zu kurz. Das ist gut gemeint, aber noch lange nicht gut gemacht. Von daher können wir als CDU-Fraktion uns nur dafür erwärmen, diesen Antrag weiterhin im Ausschuss zu diskutieren, um diese eklatanten Fehler auszubessern.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Ovens, das war ein ganzes Sammelsurium verschiedener Aspekte.
Wenn ich einige davon herausgreife, habe ich den Eindruck, dass Sie ein bisschen an der Zeit vorbeigegangen sind.
Es kann doch nicht sein, dass wir uns mit den Erfahrungen mit Arbeitsmigranten, die wir vor 30, 40 Jahren hierhergeholt haben und die seit Generationen selbstständig sind, zufriedengeben. Wir wollen die Menschen, die zu uns kommen, früher in Arbeit, auch in selbstständige Arbeit, bringen. Damit sie den Schritt in die Gewerkschaft …
in die Gesellschaft gehen können, müssen wir ihnen die jeweilige Hilfestellung in der Beratung und auch in der Finanzierung gewähren.
Was die Handwerker betrifft: Es gibt so viele Handwerksbetriebe, die dringend Nachfolger suchen. Es ist sinnvoll, Menschen, die bereits im handwerkli
chen Bereich tätig gewesen sind, die Möglichkeit zu geben, im Handwerk selbstständig zu werden. Ich möchte jetzt einmal ein Beispiel vorziehen, weil Sie das gerade so negiert haben, Herr Ovens. Vor etwa zwei Monaten habe ich sowohl in einer Morgen- als auch in einer Abendzeitung einen Artikel gelesen, der zugegebenermaßen in der Morgenzeitung etwas reißerisch überschrieben war: "Nach seiner Flucht: Eis statt Bomben: Syrer eröffnet Café". Nach eineinhalb Jahren Aufenthalt in Deutschland zusammen mit einem Deutschen, der aus einem anderen Teil Deutschlands kommt, eröffnet er ein Eiscafé, und zwar, das freut mich besonders, in Rissen. Das ist mitten im Werden und zeigt, wie wichtig es ist, dass solche Menschen an die Hand genommen werden. Das wollen wir systematischer machen und staatlich unterstützen. Wir haben andere Möglichkeiten, auch über die Bezirke, wo wir Mittel für Quartiersmanagement und so weiter bereitgestellt haben. Wir werden dort Aktivitäten voranbringen, um genau solche Wege aufzuzeigen.
Arbeit ist, das muss man auch sehen, eine der drei, finde ich, sehr wichtigen Säulen für Integration. Neben dem Wohnen, sehr wichtig, und der Bildung ist die Arbeit der Weg, um in die Gesellschaft, die Gewohnheiten, die hiesigen Regeln hineinzufinden. Letztlich ist das die Grundlage für die ökonomische Existenz von Familie, für die individuelle Entwicklung des Einzelnen. Aber Arbeit ist heute vor allem ein Element der sozialen Anerkennung. Diese haben sich viele derer, die schon länger hier sind, erworben. Gerade aufgrund der Selbstständigkeit werden immer wieder Arbeitskräfte, auch die, die mit Migrationshintergrund neu hinzukommen, erst einmal in den Arbeitsmarkt hineingebracht.
Ich möchte auch noch einmal auf die Anhörung der Expertinnen und Experten zurückkommen, die wir am 19. Januar 2016 im Stadtentwicklungsausschuss hatten und bei der insbesondere darauf hingewiesen wurde, wie wichtig die migrantische Ökonomie im Zusammenhang mit der Integration sei. Ich zitiere Herrn Dr. Rothschuh, der Folgendes gesagt hat:
"Die Stadtteile, die sehr begehrt sind in Hamburg, sie sind sehr stark dadurch begehrt, dass es da kleine familiengeführte Läden gibt und das sind fast alles migrantische Läden, nicht nur, aber zu einem sehr großen Teil. Das heißt, migrantische Ökonomie kann einen Stadtteil auch begehrenswert machen und kann ihn attraktiv machen für Nachbarstadtteile."
lichst nicht hineingeht, sondern einer, zu dem man gerne geht, weil es dort zum Beispiel ein syrisches Café gibt […]."
Das wird noch einmal verstärkt von Frau Dr. Breckner von der HafenCity Universität, die das folgendermaßen statistisch untermauert:
"Wenn wir in der Statistik gucken, dann können wir feststellen, dass ganz viele Migranten […], die dann erfolgreich waren, sich zu integrieren, selbstständig geworden sind. Und die Daten des Zentrums für Türkeistudien zeigen uns, dass die einen großen Anteil von Arbeitsplätzen stellen, die dann wiederum für neue Migranten wichtige Sprungbretter sind."
Sie selbst hat weitere Studien vom Steindamm gemacht, die das untermauern. Wenn wir das, was uns von den Expertinnen und Experten angetragen worden ist, aufnehmen, sind wir, glaube ich, auf dem richtigen Weg. Ich möchte Sie deswegen bitten, diesen Antrag zu unterstützen und den Integrationsbemühungen in allen Teilen der Stadt, auch für die Selbstständigkeit, eine Chance zu geben.