Eine Fahrradstadt Hamburg hätte als ein Kennzeichen sehr viel Platz für das Fahrrad, nicht nur Abstellflächen, sondern auch sehr viele Radstreifen, sehr viel Platz auf der Straße. Eine Fahrradstadt Hamburg wäre dadurch gekennzeichnet, dass der Verkehr insgesamt wesentlich entspannter wäre. Dafür braucht es auf jeden Fall eine begleitende Kampagne. Sie ist richtig und wichtig, da kann man Ihrem Antrag gern zustimmen. Aber die Betonung liegt auf "begleitend". Diese Kampagne muss begleitend zu anderen Maßnahmen sein. Wenn ich mir die Realität in Hamburg ansehe, muss ich feststellen, dass der Senat weit davon entfernt ist, dass Hamburg jemals eine Fahrradstadt wird.
Wenn es um Straßenbaumaßnahmen geht, was hat Vorrang? Bei Ihnen, auch unter Rot-Grün immer noch, dass der Autoverkehr auf gar keinen Fall beeinträchtigt werden darf. Es hat nicht Vorrang, dass das Fahrrad ganz oben stünde. Man muss sich ansehen, wie der Senat damit umgeht; wir haben es schon unter dem SPD-allein-Senat erlebt, im Mobilitätsprogramm werden die Konflikte beschrieben. Es heißt, es gebe Konflikte in der Verteilung des Straßenraums. Punkt. Sie meiden eine Lösung des Konflikts. Sie vermeiden zu sagen: Ja, wir wollen mehr Platz für den Fahrradverkehr. Das ist nicht nur meine Meinung. Wenn Sie sich den letzten ADFC-Fahrradklima-Test – Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club – von 2014 ansehen, stellen Sie für Hamburg fest, dass die Befragten sagen, in Hamburg sei der Stellenwert des Radverkehrs mangelhaft. Das ist sehr traurig und muss geändert werden.
In diesem ADFC-Fahrradklima-Test ist Hamburg auf den Platz 35 von 39 Städten herabgesackt. Das ist definitiv keine Aussage dafür, dass der Fahrradverkehr in Hamburg auch nur ansatzweise wirklich gut wäre. Es liegt auch daran, dass Herr Horch und der Senat, aber auch Rot-Grün, wirklich harte Maßnahmen scheuen. Harte Maßnahmen sind nicht nur, bei Straßenbauplanung dem Rad
einen Vorrang zu geben, harte Maßnahmen sind auch zum Beispiel eine Umkehr von der Regelgeschwindigkeit Tempo 50 auf Tempo 30. Das würde nicht nur dem Radverkehr zugutekommen, es würde den Fußgängerinnen und Fußgängern zugutekommen, es würde der Umwelt zugutekommen. Machen Sie das doch endlich.
Stichwort Personal: Herr Thering, Sie berufen sich oft auf Kopenhagen. In Kopenhagen gibt es über 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich um den Radverkehr kümmern. Davon ist Hamburg weit entfernt. Wir brauchen auch mehr Personal, sonst wird das nichts.
(Beifall bei der LINKEN – Farid Müller GRÜ- NE: Haben Sie doch gerade gehört, was wir alles gemacht haben!)
Ich dachte nicht, Herr Müller, dass Sie sich an der CDU orientieren, sondern sich an Ihrem Ziel orientieren, dass Sie eine Fahrradstadt haben wollen.
Nach einem Jahr Regierungszeit bringen Sie einen Antrag zu Papier, der dem Senat einen Auftrag gibt; der Senat möge doch bitte eine facettenreiche – und so weiter, bla, bla, bla – Kommunikationsstrategie entwickeln. Mehr nicht. In Ihrem Koalitionsvertrag steht, Sie wollten Radschnellwege haben. Wo finde ich das denn? Was haben Sie dafür gemacht? Nichts.
Der Antrag 2015 war sehr allgemein gehalten. Wenn Sie sagen, Sie wollten etwas forcieren, dann müssen Sie auch klipp und klar sagen: Das ist der Ort, wo es hin soll, da soll das Ziel sein.
Ja, machen Sie es doch, darauf warten wir schon sehr lange! Bisher ist doch nur eine Fehlanzeige dort.
Wo ist denn das Neue bei Ihnen? Sie wollen das Veloroutennetz, das 20 Jahre alt ist, jetzt endlich zu Ende bauen. Klasse. Sie wollen es jedoch teilweise nicht mit der höchsten Qualität zu Ende bauen. Aber Sie machen es immerhin.
Was aber neu ist, was mich sehr erstaunt, ist, dass Sie sich immer auf Kopenhagen beziehen. Wenn ich mich in meinen Anträgen, in meinen Reden im Verkehrsausschuss auf Kopenhagen beziehe, sehe ich da nur SPDler und SPDlerinnen und auch GRÜNE, die sagen, Kopenhagen sei viel kleiner als Hamburg, Kopenhagen könne man überhaupt nicht vergleichen. Was die in Kopenhagen ma
chen, könnten wir nicht tun. Jetzt, wo es Ihnen passt, ist Kopenhagen gut. Kopenhagen ist immer besser als Hamburg, und daran sollten Sie sich orientieren.
Wenn Hamburg eine Fahrradstadt werden soll – so muss ich feststellen –, reicht, was Sie hier vorlegen, nicht aus. Vorrang für das Rad heißt auch: ab mit dem Senat aufs Rad. Wann sehen wir die Senatsmitglieder Fahrrad fahren? Wenn Sie jetzt sagen, Sie hätten so viele wichtige Aufgaben, Sie hätten so viele wichtige Termine, Sie könnten nie Fahrrad fahren, dann betrifft das auch viele andere Hamburger und Hamburgerinnen. Wenn Sie Vorbild sein wollen, Arno und auch andere, dann fahren Sie immer Fahrrad und zeigen, dass es geht.
Es hätte nicht nur eine wunderbare Vorbildfunktion, es würde auch den Horizont erweitern und Sie würden Erfahrungen machen, die hundertprozentig dazu führen würden, dass Sie eine ganz andere, eine wesentlich bessere Radverkehrspolitik in Hamburg machen würden.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, Rot-Grün hätte mit dieser Radkampagne Erfolg. Es gibt Menschen, die sagen, oh, wunderbar, eine schöne Radkampagne, es ist gesund und toll, wenn ich Fahrrad fahre, also tue ich das doch einmal. Dann fährt unser Radfahrer los, und nach sehr kurzer Zeit kommt ein Radweg, der völlig kaputt ist. Das ist die erste Erfahrung, die er hat. Nun war die Kampagne vielleicht toll, aber die Realität ist ein bisschen anders. Dann sagt er sich: Gut, es kann sein, dass ich gerade an die falsche Stelle gekommen bin oder dass das Ganze sehr schnell saniert wird. Dann erkundigt er sich und fragt einmal nach, wie lange es dauern werde, bis die Radwege saniert sind.
Wenn Rot-Grün das Tempo bei der Sanierung von Radverkehrsanlagen beibehält, dann werden Sie zur Sanierung des jetzigen Zustandes 40 Jahre brauchen, um die gesamten Radwege zu sanieren. Wenn Sie das Tempo erreichen würden, wie Sie es behaupten und was Herr Pochnicht gerade wieder sagte, 50 Kilometer pro Jahr, würden Sie immer noch fast 20 Jahre brauchen. Darin kann unser gerade frisch geworbener Radfahrer wenig Trost finden. Dann fährt er weiter und kommt an der Alster vorbei, fährt über die neue Fahrradstraße am Harvestehuder Weg und will dann auf den
wunderschönen Radweg fahren, der wirklich schön gelegen ist, an dem man auch schöne Horizonte sehen kann. Was stellt er fest? Der Radweg wurde gerade von Rot-Grün abgebaut, der wurde schlicht und einfach entfernt. Der nächste Frust für den frisch geworbenen Fahrradfahrer.
Dann sagt er: Gut, wenn es keine Radwege gibt, dann fahre ich auf der Straße. Einige wollen auch, dass die Radfahrer auf die Straße kommen. Dann findet er ein Wirrwarr von Fahrradstreifen, Schutzstreifen und Aufstellflächen. Auch das ist sicher nicht motivierend, dieser Kampagne zu folgen. Dann denkt er: Gut, dann fahre ich eben da auf der Straße, wo es diese ganzen Zeichen nicht gibt. Dann kommt er an der Bahrenfelder Chaussee oder sonst irgendwo in engen Clinch mit Lkws und auch mit schnell fahrenden Pkws.
Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Herr Dr. Schinnenburg, entschuldigen Sie bitte, dass ich unterbreche. Das geht nicht an Sie, sondern an den Rest des Hauses. Ich bitte um Ruhe, damit der Redner reden kann. Wer sonst noch reden will, sollte bitte hinausgehen, und das betrifft alle, auch die Senatsbank. Schönen Dank. – Bitte fahren Sie fort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Unser Radfahrer, der nun frisch geworben wurde, fährt dann auf der Straße, sucht sich einen Bereich, wo nicht diese verwirrenden Fahrradstreifen oder Schutzstreifen sind, und kommt an der Bahrenfelder Chaussee und anderswo in direkten Kontakt mit Lkws und bekommt schlicht und ergreifend Angst. Er fragt sich: Was war denn das mit dieser Radkampagne? Dann sagt er: Gut, das geht alles nicht, also sehe ich zu, dass ich so schnell wie möglich auf den ÖPNV umsteige, denn da gibt es keine Lkws, auch keine Schutzstreifen und Ähnliches, da braucht man nicht einmal einen Radweg. Also fährt er zur nächsten ÖPNV-Station und würde gern sein Fahrrad dort abstellen. Doch was gibt es da nicht? In den allermeisten Fällen Parkstellen. Dann sagt er sich natürlich: Vielleicht wird das in Kürze besser. Er befragt das Bike+Ride-Konzept, und nach diesem wird es pro Jahr gerade einmal 1 000 neue Plätze geben, wenn denn passiert, was Rot-Grün verspricht – viel weniger als es an zusätzlichen Einwohnern und potenziellen Fahrradfahrern gibt. Er stellt also fest: Bike+Ride kann man auch ziemlich vergessen. Also auch dieses Versprechen wird nicht eingehalten. Dann fragt er seine Freundin, und die sagt: Pass einmal auf, das Fahrradfahren ist doch richtig gut. Und dann wird er darauf verwiesen, dass wir doch alle wissen, dass viele Fahrradfahrer nicht gerade vorbildlich führen.
Kurz gesagt, hier wird eine Kampagne ins Werk gesetzt wie bei einer Waschmittelkampagne, wenn das Waschmittel nicht funktioniert. Sorgen Sie erst für eine vernünftige Infrastruktur, eine vernünftige Organisation, sonst ist Ihre Kampagne unglaubwürdig.
Ich habe des Weiteren das Gefühl, dass Sie sich, wenn Sie schon eine solche Kampagne durchführen wollen, das falsche Vorbild suchen. Hier wurde schon von der Radlhauptstadt München geredet. Es wurde auch schon der Fahrradklima-Test des ADFC erwähnt. Den sollte man zu diesem Thema konsultieren. Es gibt einen Fahrradklima-Test 2014, da wird untersucht, wie das Fahrradklima in einzelnen Städten ist. Es wurde schon gesagt, dass Hamburg ein katastrophales Fahrradklima habe, was mich nicht weiter überrascht. München hat immerhin Platz 12, liegt also wesentlich vor Hamburg. Das Dumme ist nur, dass immer der Vergleich gezogen wird mit dem vorhergehenden Test von zwei Jahren davor, 2012, also kurz nach Beginn der von Ihnen als so toll empfundenen Kampagne. Da war München noch auf Platz 11 in diesem Test. Also zwei Jahre der von Ihnen so geliebten Kampagne haben das Fahrradklima in München verschlechtert. Sie müssen jetzt noch einmal überlegen, ob es wirklich das richtige Vorbild ist, das Sie sich nehmen.
Das ist halt mit den GRÜNEN so; sie haben immer die tollen ökologischen Ideen und Grundüberzeugungen in ihren Gesprächskreisen, nur wenn sie es umsetzen sollen, dann wird es bei den GRÜNEN immer schwierig.
Wir haben heute schon darüber diskutiert; Frau Fegebank kriegt nichts zustande, Herr Steffen kämpft mit dem Kollaps der Justiz, Herr Kerstan hat schon eine Klage von seinem Kumpel vom BUND an der Hand, und Herr Bill oder Frau Blömeke machen jetzt eine Werbekampagne für kaputte Radwege. Das ist aber eine klassische Weise, wie man es nicht macht.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Kampagne. Wir werden deshalb auch Punkt 1 zustimmen, aber Sie meinen doch nicht im Ernst, dass wir bereits jetzt in Punkt 2 eine Vorwegnahme der Haushaltsberatungen machen, deswegen werden wir Punkt 2 ablehnen. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dobrindt, der Heilsverkünder aller Radfahrer – man lernt immer wieder neu dazu. Wir haben also nur noch für die Kampagne zu sorgen und dann flutscht die Sache mit dem Rad von ganz allein. Schön wäre es, wenn es denn so wäre. Sie wollen die Akzeptanz des Rades mit einer Kampagne fördern und unterstützen. Das ist in Summe recht löblich, aber ich muss Ihnen sagen, dass die Mehrheit der Menschen das Rad schon jetzt positiv sieht. Die Masse der Leute sieht das Rad als sympathisches Verkehrsmittel. Was wollen Sie in dieser Hinsicht denn da noch unterstützen? Sie wollen mit dieser Kampagne zum Umsteigen vermeintlich vom Auto auf das Fahrrad bewegen. Aber ist eine Kampagne mit bunten Bildern und Schönwetteraktionen dafür geeignet? Erinnern Sie sich an eine Ihrer letzten Kampagnen? Das war eine für das Projekt Olympia. Das als Beispiel nehmend, müssten Sie eigentlich von Kampagnen dieser Art Abstand nehmen.
Aber was wollen Sie eigentlich bewerben? Die Nichtleistung der vergangenen Jahre? Herr Pochnicht hat, das hat mir gefallen, den Schwerpunkt richtig gesetzt, nämlich auf die Infrastruktur. Leider Gottes wird aufgrund der sehr schwachen Zahlen – er konnte sich keine anderen aussuchen – diese Initiative nicht dadurch unterstützt, die Infrastruktur zu betonen.
Ein Verkäufer sagte mir einmal beim Kauf eines Rades, Radfahren müsse Spaß machen, sonst fingen Sie entweder gar nicht erst an oder Sie hörten ganz schnell wieder damit auf. Und recht hat er gehabt. Sie schreiben, Radfahren bringe, etwas allgemeiner feststellend, schlicht Spaß. Damit das so ist, gehört neben einem guten Rad unbedingt eine gute Infrastruktur dazu. Haben wir die? Ich will nicht Sachen, die schon gesagt worden sind – Herr Dr. Schinnenburg hat es eben schon erwähnt – noch einmal wiederholen. Nein, wir haben keine gute Infrastruktur. Wenn man von der Befragung von Mitgliedern der hier anwesenden Regierungskoalition einmal absieht, bekommt Hamburg schlechte Zensuren ausgestellt. Von Wurzeln aufgerissene Radwege, Buckelpisten, gefährliche Linienführungen einiger neuer Fahrradschutzstreifen, die am Rand verlaufend plötzlich aufhören, um sich 30 Meter weiter mitten zwischen zwei Fahrspuren wiederzufinden; mörderische Einbahnstraßen, in denen das gegenläufige Befahren theoretisch möglich ist, aber sobald Ihnen da ein Auto entgegenkommt, praktisch unmöglich.