Protocol of the Session on March 3, 2016

Ja, da spricht der Nichtradfahrer Herr Kienscherf, ich höre das schon.

(Dirk Kienscherf SPD: Zum Thema!)

Das glaube ich nicht. Mein Arbeitsweg ist eine Strecke von 20 Kilometern. Schaffen Sie mehr? 40 Kilometer am Tag? Aber gut, wir wollen nicht in eine Kinderolympiade einsteigen, wer die meisten Radverkehrskilometer zurücklegt, das bringt uns in der Sache nicht weiter. Ich will Ihnen damit nur zeigen, dass ich schon weiß, wovon ich spreche.

(Jan Quast SPD: Radfahren allein reicht nicht, um Experte zu sein! Denken gehört auch dazu!)

So sieht es oftmals aus; wenn man sich zum Wechsel auf das Rad entscheidet. Dann ist man nämlich mit genau diesen Ist-Zuständen konfrontiert, von den unfertigen Velorouten, die seit Jahren versprochen sind, ganz abgesehen. Das, was Sie jetzt sagen, sind für mich noch Absichtserklärungen. Beweisen Sie erst, dass Sie das, was Sie sich auf die Fahnen geschrieben haben, auch erbringen wollen.

(Jan Quast SPD: Melden Sie sich in drei Jahren wieder!)

Fest steht, dass auf der Seite des ADFC in der Rubrik "Index-Check" Hamburg alles andere als gut bei den Beteiligten abschneidet und es viele Städte in Deutschland gibt, die deutlich die Nase vorn haben. Schauen Sie sich das Ranking aus dem Bundesministerium für Verkehr an, dort liegt eine Studie aus dem Jahr 2013 vor. Von allen deutschen Städten belegt Hamburg dort den 15. Platz mit 12 Prozent Anteil an den Alltagswegen, weit hinter Oldenburg mit 43 Prozent oder Bremen mit immerhin noch 25 Prozent.

(Milan Pein SPD: Ist ja auch nicht mit Ham- burg vergleichbar!)

Nein, Bremen ist auch nicht vergleichbar, nichts ist vergleichbar, aber Kopenhagen ist vergleichbar. Sie sind gleich dran, oder Sie können sich zu Wort melden, dann brauchen Sie nicht ständig dazwischenzurufen.

Ob das überwiegend als positiv wahrgenommene Fahrrad diese Wahrnehmung in der Bevölkerung behält und ob es bei den 12 Prozent bleibt, das ist bei der von den GRÜNEN derzeit betriebenen Fahrradpolitik fraglich. Es ist eine Fahrradpolitik der GRÜNEN, denn es ist die einzige thematisch verbliebene Spielwiese, auf der sie sich noch austoben können. Aber dennoch sollten Sie von der SPD die Zügel soweit in der Hand behalten, dass Sie nicht vollständige Narrenfreiheit gewähren.

Das zeigt sich an solchen Sachen wie den Hauptverkehrsstraßen, wo aus ideologischen Gründen Fahrradstreifen eingerichtet werden. Das ist eine Politik, die dazu führt, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung dem Rad gegenüber nicht steigen wird. Sorgen Sie im Zuge dessen lieber, das wurde auch schon erwähnt, für ausreichend Bike+RideStellplätze an Bahnhöfen, für gesicherte Fahrrad

garagen, vielleicht mit Service-Stationen, wenn es die Frequenz dieser Bahnhöfe hergibt. Da ist sicherlich noch Luft drin. Sorgen Sie für Fahrradboxen, die abschließbar sind, für die zunehmend höherwertigen Fahrräder. Unterlassen Sie vor allen Dingen solche Geschichten, die Schilda in den Schatten stellen, indem Sie zum Beispiel für rund eine halbe Million Euro einen nagelneuen Radweg zerstören, um ihn vom Bürgersteig auf die Straße zu verlegen, wie in der Shanghaiallee geschehen. Das bringt nichts außer Unverständnis in der Bevölkerung und einen Eintrag ins Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler als ein Musterbeispiel für unsinnigste Steuerverschwendung. Bauen Sie das Radnetz so aus, wie Sie es versprochen haben, die Velorouten und die 50 Kilometer instandgesetzte oder neue Radwege; das ist schon wenig genug. Wir haben eben eine Beispielrechnung bekommen, wie lange wir auf die Fertigstellung einer akzeptablen Radwegestruktur noch warten dürfen.

Zu guter Letzt: Wie viel Vertrauen haben Sie in die von Ihnen eingesetzte Radverkehrskoordinatorin? Frau Pfaue tut mir wirklich ein bisschen leid, man gönnt ihr nicht einmal ein Jahr Zeit, um eine Kampagne zu starten für eine Sache, der eine Nichtleistung zugrunde liegt. Ich würde ihr dieses eine Jahr gönnen und dann schauen, wie die Bilanz ist, um eventuell nachzusteuern, wenn es noch Verbesserungsbedarf gibt und wofür man noch Geld in die Hand nehmen möchte.

Apropos Geld: Sie hätten vielleicht erwähnen können, zumindest von der Größenordnung her, an welche Summe Sie gedacht haben, bevor Sie sich einen erneuten Freibrief ausstellen lassen wollen.

Ansonsten bleiben wir von der AfD-Fraktion dabei, dass man Akzeptanz nicht durch bunte Bildchen und schöne Worte erreicht, sondern durch sinnvolle Maßnahmen, durch vernünftige, ideologiefreie Radverkehrspolitik mit entsprechenden Investitionen in die Infrastruktur. Das ist in Summe die beste Imagepflege, die Sie dem Rad zukommen lassen können.

Vorhin wurden zahlreiche Kampagnen in anderen Städten aufgeführt, aber auch wir haben schon Kampagnen. Wir haben zum Beispiel die "Critical Mass", sie findet wieder am 25. März 2016 statt, Deutschlands größte Fahrradbewegung, nicht staatlich gelenkt, einfach kreativ gemacht. Das sind Kampagnen, die unterstützt man doch gern. Tun Sie das, seien Sie doch am 25. März 2016 einfach mit dabei. – Danke.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Ehlebracht. – Das Wort hat nun erneut Frau Blömeke von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte einen Punkt erneuern. Mich wundert immer wieder – aber es ist ein altes Spiel –, dass hier vorn etwas gesagt wird, wovon aber von der Opposition nur bestimmte Punkte verdreht wiedergegeben werden. Ich will deutlich sagen, dass sowohl der SPD-Kollege Pochnicht als auch ich gesagt haben, dass es natürlich ein …

(Glocke)

Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Entschuldigen Sie bitte. Ich würde die Redner bitten, wenigstens der Rednerin aus dem Blick zu gehen. Danke schön. – Fahren Sie fort.

Danke. – Sowohl der Kollege Pochnicht als auch ich haben gesagt, dass es natürlich ein mehrgleisiges Vorgehen ist. Wir haben auf der einen Seite den Ausbau, die Erneuerung der Infrastruktur. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Ich kann nicht verstehen, warum das entweder nicht zur Kenntnis genommen oder schlechtgeredet wird. Wir sind ein Jahr als Rot-Grün in der Regierungsverantwortung

(Dennis Thering CDU: Sie haben schon so viel verbockt!)

und wir haben bereits im letzten Jahr für uns festgesetzt, dass wir die Velorouten komplett fertigstellen und 50 Kilometer pro Jahr mehr sanierte und komplett fertiggestellte Radwege oder Radstreifen liefern wollen. Das ist doch ein wesentlicher Beitrag zum Ausbau der Infrastruktur. Aber man kann das eine machen und muss das andere nicht lassen. Deswegen kann man zusätzlich auf der anderen Seite natürlich eine Kampagne machen, um die Begeisterung fürs Radfahren noch anzufachen. Der Kollege Pochnicht hat auch erklärt, dass StadtRAD und Bike+Ride ausgebaut wurden.

Der FDP nehme ich die Begeisterung fürs Radfahren und die Verteidigungsschiene, die Sie hier gefahren haben, Herr Schinnenburg, absolut nicht ab, weil Ihre sonstigen Kommentare zum Radfahren immer kritisch sind. Dass Sie jetzt sagen, das reiche doch irgendwie alles nicht, finde ich seltsam.

Wir sind im Ganzen mit dem Radfahren in Hamburg auf einem guten Weg. Wir werden den Radverkehrsanteil verdoppeln. Das ist ein gutes, ein ehrgeiziges Ziel, und mit den Maßnahmen, der Kampagne und der Infrastruktur und all den Dingen, die aufgezählt worden sind, sind wir auf einem guten Weg. Geben Sie uns den Rest der Legislaturperiode Zeit. Wir können am Ende abrechnen. Dann werden wir sehen, was bis dahin geliefert wurde.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

(Detlef Ehlebracht)

Vielen Dank, Frau Blömeke. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen, deshalb kommen wir jetzt zur Abstimmung. Die CDU-Fraktion möchte dies ziffernweise tun.

Wer möchte sich hier nun zunächst den Ziffern 1 und 3 des Antrags aus der Drucksache 21/3312 anschließen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit sind die Ziffern angenommen.

Wer möchte auch der Ziffer 2 zustimmen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch die Ziffer 2 angenommen.

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 50, Drucksache 21/3313, dem Antrag der Fraktion DIE LINKE: Den Schulentwicklungsplan jetzt neu und bedarfsgerecht konzeptionieren.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Den Schulentwicklungsplan jetzt neu und bedarfsgerecht konzeptionieren! – Drs 21/3313 –]

[Antrag der CDU-Fraktion: Schulentwicklungsplan – Planungsgrundlage für Fortschreibung schaffen – Drs 21/3483 –]

[Antrag der FDP-Fraktion: Den Schulentwicklungsplan endlich an die tatsächlichen Herausforderungen anpassen! – Drs 21/3486 –]

Hierzu liegen Ihnen als Drucksachen 21/3483 und 21/3486 Anträge der Fraktionen der CDU und der FDP vor. Alle drei Drucksachen möchten die Fraktionen der LINKEN und der FDP an den Schulausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Boeddinghaus von der Fraktion DIE LINKE, Sie haben es.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich sehr gefreut, dass wir die Gelegenheit in diesem Haus hatten, letztes Jahr zur Schließung des Standorts Struenseestraße und auch gestern Abend zur Schließung des Standorts Berne debattieren zu können, auch wenn das auf Kritik gestoßen ist. Ich fand, es machte sehr deutlich, was es an Verwerfungen vor Ort mit sich bringt, wenn der Senat einfach Tatsachen schafft ohne Kommunikation, ohne Rückkopplung und ohne Beteiligung vor Ort. Von daher passt es heute zum Thema sehr gut, dass wir die Fortschreibung des Schulentwicklungsplans besprechen.

(Beifall bei der LINKEN)

Unsere Kritik, die wir schon 2012 vorgebracht hatten, ist, dass der Schulentwicklungsplan eher ein Schulverwaltungsplan ist und überhaupt kein bildungspolitisches Konzept hat, geschweige denn, dass er eine Vision vom inklusiven Bildungssystem hätte, in dem wirklich alle Kinder und Jugendlichen eine sozial gerechte Bildungschance bekämen unabhängig von der sozialen Herkunft …

(Glocke)

Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Frau Boeddinghaus, einen Augenblick bitte. – Es ist wirklich dauerhaft laut, und ich möchte darum bitten, dass alle, die jetzt reden wollen, bitte hinausgehen, nicht in den Gängen stehen und nicht weiterreden. Schönen Dank für die Hinweise. Das gilt für alle. – Bitte fahren Sie fort, Frau Boeddinghaus.

Es ist, glaube ich, gewöhnungsbedürftig, dass wir zwei bildungspolitische Debatten führen. Aber ich finde, dass es gerechtfertigt ist, weil wir sehr viele Herausforderungen in der Stadt haben, die deutlich machen, dass wir einen neuen Schulentwicklungsplan brauchen, und zwar einen, der wirklich seinen Namen verdient. Darum geht es nämlich.

(Beifall bei der LINKEN und bei Anna-Elisa- beth von Treuenfels-Frowein FDP)

Denn wir müssen feststellen, dass wir aus mehreren Gründen eine soziale Schieflage in der Stadt haben. Wir haben arme und reiche Stadtteile, die zunehmend auseinanderdriften. Das spiegelt sich natürlich auch im Bildungsangebot wider. Das spiegelt sich natürlich auch in den Schulen wider. Und es spiegelt sich ebenfalls im Anwahlverhalten der Eltern wider. Das ist doch ganz klar. Die Eltern wollen, so heißt es immer so schön, das Beste für ihre Kinder. Sie gehen an die Schulen, wie wir gestern am Beispiel Berne gesehen haben, wo ihre Kinder die vermeintlich besten Chancen haben. Das sind leider nicht die Stadtteilschulen, die in eher sozial schwierigeren Stadtteilen aus ehemaligen Haupt- und Realschulen entstanden sind, sondern es sind eher Gymnasien oder starke Stadtteilschulen, die früher Gesamtschulen waren. Ich möchte Sie jetzt gar nicht mit Sozialindizes nerven, aber es ist ganz deutlich nachzuweisen, dass das so ist und dass dann an solchen Stadtteilschulen, die nicht mehr gut angewählt werden, freie Räume sind. In diese freien Räume kommen dann die Internationalen Vorbereitungsklassen. Dorthin kommen die Basisklassen, sodass wir jetzt feststellen können, dass es wesentlich mehr Internationale Vorbereitungsklassen in den eher sozial schwachen Stadtteilen als in den sozial starken Stadtteilen gibt. Da muss jetzt ganz deutlich von der Politik nachgesteuert werden, keine Frage.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben ungefähr 100 IVK-Klassen an Stadtteilschulen und gerade einmal 30 an Gymnasien. Auch da muss nachgesteuert werden. Wir haben eine Inklusionsquote – die hat sich erheblich erhöht, das ist auch gut –, auf die jetzt Rücksicht genommen werden muss. Auch da besteht eine soziale Schieflage, weil die Inklusion – das wissen wir alle, tun aber nicht wirklich etwas dagegen – fast ausschließlich von den Stadtteilschulen, viel zu wenig von den Gymnasien geschultert wird. Auch da muss jetzt politisch gehandelt werden.

(Beifall bei der LINKEN und Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Der Schulentwicklungsplan 2012 ging davon aus, dass ungefähr 30 bis 40 Prozent aller Grundschulkinder von ihren Eltern an den sogenannten GBSStandorten angemeldet werden. Wir haben heute erfreulicherweise eine Quote von fast 80 Prozent. Das hat aber Konsequenzen für das Raumangebot, für Mensen, für Küchen und so weiter und so fort. Die Initiative Guter Ganztag für Hamburgs Kinder hat uns das ganz klar vor Augen geführt. Auch hier besteht deutlicher Handlungsbedarf.

Wir haben zum Beispiel auch das Problem mit dem Verhältnis der beiden Säulen. Aufgrund unserer jüngsten Anfrage wissen wir, dass nach Klasse 6 von den Gymnasien 15,4 Prozent der Schülerinnen und Schüler an die Stadtteilschulen zurückkommen. Auch das ist eine unglaubliche Unwucht innerhalb dieser beiden Säulen Stadtteilschule und Gymnasium. Auch darauf muss der Senat, muss die Politik Antworten finden.

Nun zu den Anmeldezahlen. Der Schulentwicklungsplan 2012 ging davon aus, dass die Stadtteilschulen viel stärker angewählt werden. Dem ist nicht so. In der jetzigen Anmelderunde haben gerade einmal 42,4 Prozent die Stadtteilschulen und 53,9 Prozent die Gymnasien angewählt. Auch hier müssen wir uns kritisch damit auseinandersetzen, warum das so ist und wie man die Stadtteilschulen in bestimmten sozialen Gebieten wieder attraktiver machen kann.

(Beifall bei der LINKEN)