Protocol of the Session on January 21, 2016

(Dirk Nockemann AfD: Bumm, das sitzt aber!)

Fahren Sie fort.

Wir müssen sie auch gegen die stark sexualisierte Hetze aus dem Umfeld der AfD verteidigen. Sie alle wissen, worauf ich anspiele.

Wir können auf die Stärke und Ausstrahlungskraft unserer freien und vielfältigen Gesellschaft vertrauen, doch wir müssen sie den neu Ankommenden, aber auch den Alteingesessenen vermitteln. Das ist unser aller Aufgabe.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Das Wort bekommt Frau Dobusch von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Seelmaecker, ich finde, es stand Ihnen überhaupt nicht gut an, einen Slogan wie "Nein heißt Nein!" – eine Forderung, die von unserer gemeinsamen Familienministerin im Bund mitgetragen wird – hier solcherart zu diffamieren.

(Joachim Lenders CDU: Hören Sie doch ein- mal zu!)

Und vielleicht noch einmal für alle in diesem Thema nicht so Bewanderten eine Übersetzung. Übersetzt heißt "Nein heißt Nein!", dass jede nicht einverständliche sexuelle Handlung unter Strafe zu stellen ist, und ich hoffe doch, dass wir alle das hier unterschreiben, oder etwa nicht?

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das nämlich ist genau die Forderung der IstanbulKonvention, und wir würden es aus Hamburger Sicht sehr begrüßen, wenn es auf Bundesebene nun gelingt, den großen Wurf bei der Reform des Strafgesetzbuchs zu machen und die Konvention endlich auch zu ratifizieren. Dazu unser Antrag.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Um es noch einmal ganz klar zu machen: Wir müssen diese Lücken im Strafgesetzbuch schließen. Das ist unumgänglich und Voraussetzung dafür, dass wir Menschen, die hier das Gastrecht missbrauchen, auch wieder nach Hause schicken können.

(Beifall bei Anna-Elisabeth von Treuenfels- Frowein FDP)

Genau so muss es sein, denn wir haben hier einen Rechtsstaat. Vieles von dem, was an Silvester an sexuellen Übergriffen lief, steht bisher nicht unter Strafe. Das ist Ihnen eben noch einmal erklärt wor

(Mareike Engels)

den. Da helfen keine schlichten Parolen. Da hilft nur das konsequente Schließen von Lücken im Strafgesetzbuch.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Seelmaecker von der CDU-Fraktion.

Vielen Dank. – Dann stellen wir fest, dass wir im Wesentlichen Konsens haben,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist ja super!)

insofern als wir gemeinschaftlich in dem Punkt übereinstimmen, dass jede Form sexueller Gewalt unter Strafe stehen soll.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und der AfD)

Darin sind wir uns also einig. Ich möchte noch einmal etwas in die Debatte mit hineinnehmen, weil es so auch in Ihrer Anmeldung steht, denn es geht doch um die Übergriffe in der Silvesternacht und darum, was wir daraus ableiten können. Ich finde, es geht darüber hinaus, denn was wir hier debattieren, ist die Frage sexualisierter Gewalt im Allgemeinen. Darin haben wir Konsens, wie ich gerade feststelle. Und da muss man in einer ehrlichen Debatte auch sagen, dass schon unter den heutigen Paragrafen im Strafgesetzbuch die Hauptnot, wenn ich es einmal so formulieren darf, die Frage der Beweisbarkeit ist. Denn im Rahmen von Beziehungen spielen sich solche Gewaltdelikte natürlich meistens zwischen zwei Personen ab,

(Gabi Dobusch SPD: Nein!)

und dann ist es eine Frage des Beweises. Das ist das, was es häufig so schwierig macht und zu diesen unbefriedigenden Ergebnissen führt, wenn wir ein Opfer haben, das am Ende aus Beweisnot heraus sozusagen allein gelassen wird. Das heißt, darin haben wir auch Konsens.

(Gabi Dobusch SPD: Da haben wir keinen Konsens!)

Ich will jetzt aber noch einmal auf die Übergriffe in der Silvesternacht zurückkommen, und da liegen wir auch nicht so weit auseinander. Ich will nur, dass die Debatte dann bitte auch konzentriert über die Punkte geführt wird, die hier angesprochen werden. AfD und Islam mögen eine Sache sein, aber der zweite Punkt – und da habe ich auch das Richtige gehört – ist nämlich die Frage der Sozialisierung. Die Frage der Sozialisierung wird bei der strafrechtlichen und auch bei der weitergehenden Beurteilung des Falls dieses somalischen 23-Jährigen und dem Ohlstedter zehnjährigen Mädchen eine maßgebliche Rolle spielen. Warum? In Deutschland wird nach dem Rechtsstaat und völlig zu Recht nach der individuellen Schuld bestraft.

Die individuelle Schuld bedarf tatsächlich der genauen Analyse aller Hintergründe, wie der Senator völlig zu Recht gesagt hat. Woher kommt der Mann? Wie ist er sozialisiert?

Somalia ist ein Failed State, 70 000 Kinder unter Waffen, es gibt keine Schulausbildung, keine Grundversorgung, keinen Rechtsstaat, Homosexuelle werden dort getötet. Dort gibt es viele furchtbare Dinge. Somalia ist der Staat mit der höchsten Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen. Dort sind Frauen Freiwild. Wenn ein Mensch von dort zu uns kommt, dann liegt es zumindest nahe, dass aufgrund seiner Sozialisierung sein Bild einer Gesellschaft ein anderes ist als das eines Menschen, der hier sozialisiert ist, völlig unabhängig von Religion, Hautfarbe oder anderem. Aber den Hintergrund dieser objektiven Tatbestände können wir doch nicht negieren und sagen, das sei Rassismus oder Ähnliches. Das gehört dazu.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Macht doch kei- ner!)

Nein, deswegen will ich es aber noch einmal klarstellen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Den zweiten Punkt will ich auch klarstellen, denn ich finde ihn sehr wichtig. Es geht konkret um die Abschiebung krimineller Ausländer. Wenn der Kriminelle am Ende verurteilt wird, dann wird er nicht zu drei Jahren Haft nach unserem geltenden Gesetz verurteilt werden. Und dann kann und wird er auch nicht abgeschoben werden. Weshalb? Das haben wir gestern in der Debatte richtig gehört: weil wir ein Asylrecht haben. Dieses Asylrecht ist ein Grundrecht, und das wird von der Genfer Konvention so schwer gewertet, dass es nicht bei jedem Vergehen, jeder Strafbarkeit ausreicht, um denjenigen zurück Richtung Folter und Tod abzuschieben. Das ist doch der Gedanke, der dahintersteckt.

(Zurufe)

Aber ich will es klarstellen, denn in der Debatte wird es immer dermaßen miteinander vermengt, dass man dann den Eindruck hat, es stimme so.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe)

Gut, dann freut es mich. Dann sehen wir, dass wir gar nicht so weit auseinander sind und die Aufregung also …

(Zurufe)

Ist ja gut, ist ja gut. Aber ich spreche Sie an, weil Sie so aufgeregt sind.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ob wir dem Antrag zustimmen, sehe ich, wenn wir an dem Gesetzesantrag konkret arbeiten, denn dazu brauche ich einen Gesetzestext. An dem kön

(Gabi Dobusch)

nen wir uns dann gern abarbeiten. Und was das Zustandekommen des Gesetzes angeht: Der Bundesjustizminister hat die Bundesländer aufgefordert, Stellung zu nehmen, welches die konkreten Lücken sind. Hamburg hat sich dazu nicht geäußert. Mit ist jedenfalls nicht bekannt, dass aus Hamburg bislang etwas herangetragen wurde. Das nur, weil von Verzögerung gesprochen wurde. Wir hätten auch schon einige Monate – um nicht zu sagen, ein Vierteljahr – Zeit gehabt, das anzumelden.

(Beifall bei der CDU – Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Also die CDU war noch nie die Schnellste bei Sexualstraftaten! Sie waren die Langsamsten!)

Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE bekommt noch einmal das Wort.

Frau Dobusch und Frau Engels haben verzweifelt versucht, die Debatte noch einmal dorthin zu führen, wo sie eigentlich sein sollte, nämlich mit dem Fokus auf den Schutz von Frauen und auf Konzepten, wie man Frauen schützen kann. Aber die CDU möchte wieder versuchen, ihren Senf auf eine andere Art und Weise dazuzugeben. Sie vermischt Debatten.

(Milan Pein SPD: Haben Sie Herrn Seel- maecker überhaupt zugehört?)

Ich habe Herrn Seelmaecker sehr deutlich zugehört. Ich habe mir auch Notizen gemacht und verstanden, worauf er hinaus möchte, nämlich, wie er deutlich gesagt hat, auf den Sozialisierungshintergrund des Täters. Wir versuchen hier aber eine Debatte darüber zu führen, wie wir Frauen schützen können, und da nützt uns im Moment die Debatte darüber nicht, wie der Täter sozialisiert wurde. Das wäre vielleicht noch einmal eine Debatte, die man ausführlich in den Ausschüssen behandeln könnte. Zum Beispiel, indem man eine Expertinnen- und Expertenanhörungen macht, indem man, wie Senator Till Steffen gesagt hat, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Notruf für vergewaltigte Frauen einlädt und sich anhört, was sie zu sagen haben. Aber was Sie beigetragen haben, Herr Seelmaecker und Frau von Treuenfels, bringt uns in dieser Debatte einfach nicht weiter.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau von Treuenfels, die Parole "Nein heißt Nein!" ist zum Beispiel am 14. Februar, an dem das One Billion Rising von Frauen gegen Gewalt an Frauen veranstaltet wird, eine sehr wichtige Parole, die auf diese Gesetzeslücke hinweist. Ich glaube, dass das noch nicht so richtig angekommen ist. Es geht dort darum, noch einmal deutlich zu sagen, was eigentlich die Lücke ist, dass nämlich Frauen, die sich nicht wehren, am Ende, ganz doof gesagt, Pech gehabt haben, weil ihnen in den Verfahren