Protocol of the Session on December 9, 2015

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Meine Damen und Herren! Nur Frau Dutschke redet. Wenn Sie sich unterhalten wollen, machen Sie das bitte draußen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

Allein dieses Verhältnis zeigt, wie problematisch das bisherige Vorgehen des Senats bei der Folgeunterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern ist. Die zahlreichen Klagen gegen das Vorgehen des Senats, die ganzen Bürgerinitiativen aus der Mitte der Gesellschaft sollten für den Senat doch die Signalwirkung haben, dass ein "Weiter so" nicht funktionieren kann.

(Beifall bei der FDP und bei Joachim Len- ders CDU und Dr. Alexander Wolf AfD)

Bislang hat der Senat nur auf Konfrontation gesetzt und damit für so viel Unmut gesorgt, dass sogar die Regierungsfraktionen nun, weil es offenbar kurz vor Weihnachten so gut passt, mit einer 25Punkte-Wunschliste nachsteuern wollen.

Von den aktuell existierenden 170 Standorten zur Unterbringung von Flüchtlingen wurden 48 Standorte unter Zuhilfenahme des SOG eingerichtet. Dieses Vorgehen mag bei der Errichtung von Erstaufnahmeeinrichtungen noch nachvollziehbar sein, aber dass der rot-grüne Senat selbst bei der Einrichtung von Folgeunterbringungen auf dieses Not

wehrrecht zurückgreift, kann in einer Demokratie nicht hingenommen werden.

(Beifall bei der FDP)

Wir Freie Demokraten fordern deshalb in unserem Antrag, die Anwendung des SOG für die Planung und den Bau von Einrichtungen der Folgeunterbringung für Flüchtlinge und Obdachlose zu unterlassen. Wir fordern den Senat auf, nicht länger geltendes Plan- und Baurecht zu umgehen, um vermeintlichen Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir fordern den Senat auf, die Bezirksversammlungen endlich wieder in einen ergebnisoffenen Prozess einzubinden. Wir fordern den Senat auf, Anwohner endlich richtig zu beteiligen, anstatt über ihre Köpfe hinweg zu entscheiden. Wir fordern mehr Transparenz, mehr Kommunikation und mehr Ehrlichkeit im Umgang mit der Schaffung von Unterkünften.

(Wolfgang Rose SPD: Alles Sprüche!)

Verbauen Sie sich und unserer Stadt nicht die Chance, Quartiere zu entwickeln, die von der Bevölkerung als Teil der Stadt wahrgenommen und akzeptiert werden.

(Phyliss Demirel GRÜNE: Dann machen Sie einen Vorschlag, Frau Dutschke!)

Stoßen Sie die Hamburger nicht länger vor den Kopf, indem Sie den Bürgerwillen ignorieren.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wo ist der Vor- schlag?)

Zerstören Sie nicht die Zukunft der unzähligen Flüchtlinge, die in der Hoffnung nach Deutschland gekommen sind, Sicherheit zu finden und sich in eine intakte Gesellschaft zu integrieren, eine Gesellschaft, die sie mit offenen Armen empfängt, ihnen Angebote macht und sie unterstützt. Stimmen Sie daher für unseren Antrag.

Dass Rot-Grün nun in einem der umfänglichen Zusatzanträge versucht, die Anwendung des SOG auf den zwingend notwendigen Umfang zu beschränken, scheint doch ein wenig kleingeistig angesichts der Tatsache, dass der Senat nun schon seit Monaten so argumentiert. Verbindlichkeit ist aber etwas anderes, und Vertrauen in Politik und Demokratie wird durch Verbindlichkeit geschaffen. Außerdem enthält der rot-grüne Zusatzantrag noch eine bittere Pille.

(Farid Müller GRÜNE: Na?)

Die in diesem Antrag vorhandene Zielstellung, den Baubeginn vor eine Entscheidung über den Bauantrag zu ziehen, mag in Einzelfällen vermeintlich akzeptabel sein. Dass damit nun aber Widerspruchsrechte der Anwohner wegfallen, ist hingegen dramatisch. Etwaige Klagen werden meist erst

nach der Fertigstellung des Hauses gerichtlich entschieden sein. Folglich planen Sie nun, die Bauherren zu verpflichten, alle bis zur Entscheidung über den Bauantrag durch die Errichtung der baulichen Anlagen verursachten Schäden zu ersetzen, und verlangen entsprechende Sicherheiten. Sehr geehrte Kollegen von SPD und GRÜNEN, kein privater Investor wird diese Regelung unterschreiben können.

(Beifall bei Daniel Oetzel FDP)

Das damit einhergehende Risiko ist zu groß, denn das Klagepotenzial ist enorm hoch. Im Endeffekt führt diese Regelung zu ausschließlich kommunalen Bauherren für den Bau der Flüchtlingsunterkünfte, weil diese nach Ihrem Antrag keine Garantien abgeben müssen. Im Zweifelsfall wird wieder einmal der Steuerzahler zur Kasse gebeten. So geht es nicht.

(Beifall bei der FDP)

Sie verdrängen private Bauherren, die sich eigentlich im Bereich der Flüchtlingsunterkünfte engagieren wollen. Sie erhöhen das Risiko für den Steuerzahler, und Sie fordern schon heute Bürgschaften von fast 1 Milliarde Euro.

Wie man Ihrem 25-Punkte-Katalog entnehmen kann, haben Sie zumindest schon ansatzweise erkannt, dass der bislang eingeschlagene Weg nicht von Erfolg geprägt ist. Sie haben offenbar festgestellt, dass man mit einer Basta-Rhetorik nicht auf offene Ohren trifft, sondern stattdessen starken Gegenwind erfährt. Aber wie sollen Ihre Forderungen tatsächlich realisiert werden? Wie soll zum Beispiel eine möglichst gemischte Belegung erreicht werden, wenn Sie die neuen Wohnungen so stark überbelegen, dass die Quartiere mit regulären Wohngegenden nur sehr wenig zu tun haben? Und wie soll bei der von Ihnen angestrebten starken Überbelegung einer Wohnung jemals ein normaler Mietvertrag zustande kommen? Der Zusatzantrag enthält einen bunten Strauß von Wünschen, deren Realisierbarkeit aber wirklich fraglich ist. Sie wollen attraktive Freiflächen, Spielplätze, Sportanlagen, Freizeiträume, Gärten, und dann finden sich in Ihrem Zusatzantrag noch zahlreiche Versprechen zur Stadtteilarbeit, zu Kulturprojekten, zur Ausweitung von Kita- und Schulkapazitäten, zur Grünflächenunterhaltung und so weiter.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und was ist daran schlecht?)

Das klingt alles schön und wünschenswert, Herr Dr. Dressel, aber nichts davon ist bisher seriös fundiert unterlegt gegenfinanziert oder gar mit einem realistischen Zeithorizont versehen. Sie versuchen, dem Bürger mit blumigen Worten eine heile Welt zu verkaufen, während Sie unrealistische Versprechungen machen und letztlich soziale Brennpunkte in unserer Stadt bauen.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Ludwig Flocken AfD)

Der Bau dieser Massenwohnanlagen bewegt sich rechtlich auf dünnem Eis und kann nicht die Lösung der selbstverschuldeten Flüchtlingsunterbringungskrise dieses rot-grünen Senats sein.

(Dirk Kienscherf SPD: Kriegen Sie eigentlich mit, was in anderen Städten und Gemeinden los ist?)

So ist mindestens ein hohes Versagensrisiko bei der Integration der Flüchtlinge, im schlimmsten Fall sogar eine Gettoisierung ganzer Stadtteile vorprogrammiert. So eine kopflose Politik wird niemals die Zustimmung unserer Fraktion finden.

(Beifall bei der FDP – Ksenija Bekeris SPD: Und jetzt kommt Ihr Vorschlag, Frau Dutsch- ke!)

Zum Verfahren: Herr Dr. Dressel, verstehe ich Sie richtig, dass Sie unsere Drucksachen alle zusammen an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen wollen, der am 8. Januar tagt? Dann folgt am 19. Januar dazu die Sachverständigenanhörung im Stadtentwicklungsausschuss. Am 20. Januar soll das Ganze dann wieder in der Bürgerschaft beschlossen werden, und erst am 11. Februar wollen Sie per Rücküberweisung und Selbstbefassung eine Senatsanhörung zu der Sachverständigenanhörung machen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist die ande- re Drucksache! Das sind zwei verschiedene Dinge, die wir machen!)

Ihre Änderungsanträge beziehen sich alle auf die Drucksache 21/1838 und eben gerade nicht auf unseren Antrag. Es wäre schön, wenn Sie gleich ein wenig Transparenz schaffen könnten, damit wir wissen, worüber wir entscheiden.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Machen wir!)

Wie es eben rübergekommen ist, wollen Sie ein Einvernehmen für diese Überweisungen. Wir lassen uns nicht gern unter Druck setzen, aber weil es um die Sache geht, halten wir es für wichtig, über diese Anträge zu diskutieren. Wenn Sie heute die Überweisung verweigern, dann können auch wir an der Abstimmung zu diesem Antrag nicht teilnehmen, weil er erst gestern eingegangen ist und eine vernünftige Befassung mit ihm erforderlich ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Frau Dutschke. – Das Wort hat Herr Ehlebracht von der AfD-Fraktion.

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich über- nimmt den Vorsitz.)

(Jennyfer Dutschke)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Stapelfeldt, Sie haben im letzten Stadtentwicklungsausschuss gesagt, Sie rechneten für dieses und nächstes Jahr mit 80 000 Flüchtlingen – 40 000 in diesem Jahr und 40 000 im nächsten Jahr. Ich komme auf dieses Thema zu sprechen, weil diese Zahlen die Planungsgrundlage für die notwendigen Wohnungsbauten sind. Mir ist nicht ganz klar, worauf diese Zahlen basieren. Die Zahl der in Hamburg angekommenen Flüchtlinge kann es auf jeden Fall nicht sein, denn diese lag schon im November bei 55 000. Dann ist es vielleicht die Zahl der Gesamtanzahl der Flüchtlinge in Deutschland, aufgeteilt nach dem Königsteiner Schlüssel, wobei jeder weiß, dass das System, in dem diese Flüchtlinge aufgenommen worden sind, sehr starke Missstände aufweist. Es gibt Doppelmeldungen, Meldungen von Flüchtlingen, die schon gar nicht mehr im Land sind, es gibt Circa-Schätzungen des BAMF, ungefähr 300 000 Menschen, die noch gar nicht aufgenommen worden sind, und dann gibt es auch noch diejenigen, die sich gar nicht registrieren lassen wollen. Aber vielleicht meinen Sie mit diesen 40 000 pro Jahr die Flüchtlinge inklusive ihrer Angehörigen, die im Zuge der Familienzusammenführung auch noch bei uns unterzubringen wären. Ich weiß es nicht. Diese Familienzusammenführung ist ein wichtiger Aspekt, der selbstverständlich nicht vernachlässigt werden darf.

(Farid Müller GRÜNE: Aha!)

Die häufigste Migrationsursache ist übrigens in Schweden mit 33 Prozent genau diese Familienzusammenführung, also ein erheblicher Aspekt.

(Phyliss Demirel GRÜNE: Das ist keine Ur- sache, sondern eine Folge!)

Ich sage nicht, dass Sie zu beneiden sind und es einfach sei, eine solche solide Planungsgrundlage für den zweifellos absolut notwendigen Wohnungsbau zu schaffen. Aber Ehrlichkeit und Mut, der Realität ins Auge zu blicken, kann ich erwarten, doch beides vermisse ich. Dass sich die Politik in dieser Frage endlich ehrlich macht und aufhört, sich in die eigene Tasche zu lügen, und aufhört, den Leuten etwas vorzumachen, ist ihre Pflicht.

(Dr. Monika Schaal SPD: Sie gehören auch dazu, das sollten Sie nicht vergessen!)

Wenn die Politik das nicht in Gänze beherzigt, wird das katastrophale Auswirkungen haben. Pläne, auf deren Basis vermeintlich konkreter Bedarf ermittelt wird, aber deren Zahlen, auf denen sie basieren, Fantasiezahlen sind, sind zum Scheitern verurteilt. Was wird aus dem sozialen Frieden? Welche gesellschaftlichen Folgen wird ein Scheitern dieser Pläne haben? Sie sollten sich also einmal langsam die Mühe machen zu erläutern, wie Sie genau auf diese zweimal 40 000 Flüchtlinge pro Jahr kommen, bevor wir in vermeintlich detaillierte Woh

nungsbauplanung einsteigen. Denn obwohl schon jetzt klar ist, dass diese 40 000 Wohnungen zu wenige sind – das kann man nicht einmal mehr eine grobe Daumenpeilung nennen, noch einmal: Denken Sie an die Familienzusammenführungen –, wird so getan, als habe man alles im Griff. Aber gut.

Wie schon erwähnt ist die Zeitnot groß, der Wohnungsbau ist dringend. Dass wir lieber heute als morgen winterfeste Unterkünfte und Wohnungen brauchen, ist unbestritten. Der Bedarf an Wohnungen, der sich aufgrund der ungefähren Zahlen von Flüchtlingen und Asylanten vage abzeichnet, gebietet schnelles Handeln – auch das ist unumstritten und allen Beteiligten vollständig klar.

Auf diese Situation mit 5 600 Wohnungen in einem ersten Schritt zu reagieren, geht in die richtige Richtung. Auch die vielen jetzt gegründeten Initiativen sprechen sich nur gegen die Art und Weise, wie Sie diese Wohnungen belegen wollen, aus – das möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal erwähnen –, und nicht gegen den Wohnungsbau. Dennoch ist es ein Unding, dass Sie sich jetzt mit diesen Anträgen einfach einen Blankoscheck ausstellen lassen wollen, sowohl was die Erhöhung der Bürgschaften für die IFB als auch für die aufgeführten Areale angeht, die jetzt mit Flüchtlingswohnungen im sozialen Standard bebaut werden sollen, wie auch immer das dann im Detail aussehen soll. Von den in der Drucksache 21/1838 aufgeführten Grundstücken, welche seitens der Bezirke für die Bebauung mit Asylantenheimen zur Verfügung gestellt werden sollen, weisen gerade einmal zwei Baugebiete eine Baureife aus. Bei allen anderen Grundstücken lesen wir nur Absichtserklärungen. Wir wissen nicht, mit wem entwickelt wird, wer die Bauträger sind, wie nachhaltig die Wohnungen letztlich gebaut werden, wie die Bebauung im Detail aussieht. Wir wissen nichts. Fünf der vorgeschlagenen Areale liegen in Landschaftsschutzgebieten, wo eine verträgliche Einbindung in die Landschaftsachsen angemahnt wird. Sie geben als Leitbild Ihrer Politik aus, die Landschaftsachsen schließen zu wollen, wollen aber jetzt erst einmal für viele Jahrzehnte oder für immer ganze Teile davon unter Beton beerdigen. Bestandteile jahrzehntelanger wertvoller Stadtplanung werden jetzt einfach über Bord geworfen, und das mit dem Segen der GRÜNEN. Es geschehen noch Zeichen und Wunder.