Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist gut, dass der Staat auf dem rechten Auge nicht blind ist. Es wäre nach dem verbrecherischen NS-Regime auch mehr als unverständlich, wenn es anders wäre. Sich gemeinsam gegen Rassismus, Antisemitismus und andere Formen des Rechtsextremismus auszusprechen und da, wo es sinnvoll erscheint, auch Geld in die Hand zu nehmen, findet unsere ungeteilte Unterstützung.
Allerdings fällt bei der Bekämpfung der verschiedenen Extremismen ein krasses Missverhältnis auf. Während sich für die Zeit der Weimarer Republik nach dem Ersten Weltkrieg tatsächlich eine gewisse Blindheit auf dem rechten Auge konstatieren lässt, ist dies heute, ganz objektiv gesprochen, andersherum: Unser linkes Auge scheint erblindet zu sein, man kann vielleicht auch von grünem Star sprechen.
Neben der demokratietheoretischen Herleitung möchte ich Ihnen zunächst einmal ein paar ganz praktische Zahlen ins Bewusstsein rufen. In Hamburg stellt sich die Situation nach Angaben des Landesamts für Verfassungsschutz wie folgt dar: Es gibt in der Stadt 340 Rechtsextremisten und 1 100 Linksextremisten, also etwa dreimal so viele. Davon gelten 150 Rechtsextremisten und 630 Linksextremisten als gewaltbereit, also etwa viermal so viele. Vergleicht man die Entwicklung in den Jahren 2012 bis 2014, ergibt sich folgendes Bild: 2012 gab es 64, 2013 187 und 2014
248 linksextremistische Gewaltdelikte – hier ist also ein starker Anstieg zu verzeichnen. Im rechtsextremistischen Spektrum ist die Anzahl der Gewaltdelikte deutlich niedriger und die Entwicklung verläuft erfreulicherweise in die entgegengesetzte Richtung. 2012 gab es noch 38 registrierte rechtsextremistische Gewaltdelikte, 2013 32 und im vergangenen Jahr sank die Zahl auf 17. Wir haben also mehr als zehnmal so viele linksextreme Gewaltdelikte in Hamburg als solche, die von Rechtsextremisten verübt wurden – zehnmal mehr. Aus einer Schriftlichen Kleinen Anfrage der CDU vom 7. Mai 2015, Drucksache 21/434, geht hervor, dass im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. April dieses Jahres 26 linksextremistisch motivierte Gewalttaten gegen Leib und Leben registriert wurden; dem stehen zwei rechtsextremistische Gewalttaten gegen Leib und Leben gegenüber.
Die Fallzahlen zeigen deutlich, dass wir es deutschlandweit nicht nur mit ähnlichen Zahlen der Gewalttäter und Gewalttaten von rechts und links zu tun haben, sondern dass es eine deutlich stärkere Bedrohung durch Linksextremisten in Hamburg gibt.
Von ständigen Demonstrationen mit Beteiligung von Linksextremisten, die nicht selten von Gewalt begleitet werden, will ich gar nicht sprechen. An dieser Stelle sei mir allerdings noch eine Richtigstellung zu einer Behauptung von Frau Schneider von der LINKEN erlaubt. Sie hat gestern die Lüge in die Welt gesetzt, die AfD habe zur Demonstration am 30. Oktober den Neonazi Wulff eingeladen.
(Glocke – Christiane Schneider DIE LINKE: Nein, das habe ich nicht gesagt! Aus der AfD heraus, habe ich gesagt!)
(Christiane Schneider DIE LINKE: Ich habe gesagt: Aus der AfD heraus ist der Wulff ein- geladen worden! Ich habe nie gesagt, Sie hätten ihn eingeladen! Aus der AfD heraus!)
Völlig ungeachtet dessen, was Frau Schneider gesagt oder nicht gesagt hat, Herr Abgeordneter, rufe ich Sie zur Ordnung.
Soll ich dann umformulieren? Frau Schneider hat die Unwahrheit gesagt, von der AfD sei ein Neonazi, Herr Wulff, eingeladen worden. Das ist nicht wahr. Das ist eine Unverfrorenheit.
(Heike Sudmann DIE LINKE: Ich beantrage einen Ältestenrat! Das geht so nicht! – Hei- terkeit bei der AfD)
Denn die AfD, die Fraktion genauso wie die Partei, hat alles Erdenkliche und Menschenmögliche getan, um Extremisten von der Demonstration fernzuhalten.
Als uns bekannt wurde, dass über Facebook im Schneeballsystem unerwünschte Personen zu der Demo eingeladen wurden, haben wir diese wieder ausgeladen. Ein Neonazi oder Herr Wulff wurde weder von uns, der Fraktion, noch von der Partei eingeladen noch war er dort. Hass, Gewalt und Extremisten haben wir aber leider bei den linken Gegendemonstranten erleben müssen.
Zurück zum Thema, dem bisher vernachlässigten Kampf gegen den Linksextremismus im Vergleich zum wohletablierten Kampf gegen den Rechtsextremismus. Die Zahl der Gewalttäter habe ich bereits angeführt. Signifikant sind auch die Unterschiede in der verfestigten Infrastruktur, die sich im linksextremen Bereich gerade in Hamburg wie in kaum einer anderen Stadt Deutschlands findet, ausgenommen vielleicht Berlin. Dem steht auf der rechtsextremen Seite Gott sei Dank nichts Vergleichbares gegenüber.
Wie reagiert der Staat nun aber auf die Bedrohung durch den Rechts- und Linksextremismus? Gegen Rechtsextremismus gibt es das Landesprogramm zur Förderung demokratischer Kultur, Vorbeugung und Bekämpfung von Rechtsextremismus. Daneben gibt es das mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus, die Landeskoordinierungsstelle und das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus. Zugleich fördert die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration zahlreiche zivilgesellschaftliche Projekte. Bei den Sicherheitsbehörden der Stadt gibt es gesonderte Ansprechpartner und Telefonnummern für die Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten. Gegen Islamismus gibt es vergleichbare Konzepte und Beratungsangebote. Das alles ist sinnvoll und gut, und, ich wiederhole es noch einmal, wir unterstützen das im Kampf gegen den Extremismus. Was wir rügen, ist das Ungleichgewicht. Wie unsere Recherche ergeben hat, gibt es in Hamburg jedoch keinerlei präventive Programme gegen den Linksextremismus – es sei denn, ich werde eines Besseren belehrt –, obwohl dies insbesondere angesichts der genannten und noch zunehmenden Anzahl der Gewaltdelikte aus diesem Spektrum dringend angezeigt wäre. Es muss doch jedem verständigen, objektiv urteilenden Menschen unangemessen erscheinen,
dass gegen die eine Ausformung des politischen Extremismus, den Rechtsextremismus, Bündnisse, Programme und Repressionen in erheblichem Ausmaß finanziert werden, gegen die spiegelbildliche Ausformung des Linksextremismus aber praktisch nichts unternommen wird, und das, obwohl, wie unsere Behörden nachweisen, deutlich mehr Gefahrenpotenzial und Gewalt von links als von rechts droht.
Selbst an Anschläge auf die Häuser von Politikern und Beamten jeder Couleur, die regelmäßig von Tätern aus dem linken Spektrum verübt werden, hat man sich schon fast gewöhnt. Erst vor wenigen Tagen wurden zwei Anschläge auf konservative Frauen verübt, auf eine AfD-Politikerin und ein gesellschaftlich aktives CDU-Mitglied,
nämlich auf Beatrix von Storch, Europaabgeordnete und Vize-Vorsitzende der AfD, deren Auto in Flammen aufging. Bei dem anderen Anschlag wurde ein Brandanschlag auf die Firma von Freifrau von Beverfoerde, Gründerin der "Initiative Familienschutz" und Organisatorin des Bündnisses DEMO FÜR ALLE, in der Nähe von Magdeburg verübt. Auf der linksradikalen Internetplattform Indymedia wurde dazu inzwischen ein Bekennerschreiben veröffentlicht. Das waren Anschläge auf zwei namhafte Konservative, die eine Politikerin, die andere gesellschaftlich aktiv, die sich für den Schutz der Familie engagieren und als Gegnerinnen von Frühsexualisierung und Gendermainstreaming exponiert haben. Die Empörung in der Öffentlichkeit allerdings blieb weitgehend aus. Das empfinde ich schon als Skandal, das geht nicht. An Anschläge von links gegen angebliche oder tatsächliche Rechte – häufig genug ein Kampfbegriff für alles Bürgerliche und Konservative – dürfen wir uns genauso wenig gewöhnen wie an Anschläge auf Migrantenheime, die wir völlig zu Recht verurteilen.
Ich frage Sie: Welchen Unterschied macht es für das Opfer einer extremistischen Gewalttat, ob der Faustschlag, der geworfene Stein oder Schlimmeres nun von rechts oder links außen kommt? Hätten Sie auch eine rechtsextreme Subkultur in Hamburg zugelassen, wie es links letztendlich hingenommen und vereinzelt – ich blicke jetzt ganz bewusst scharf nach links – vielleicht sogar gefördert wurde?
Der für die Bundesrepublik Deutschland konstitutive antitotalitäre Grundkonsens wird schleichend mehr und mehr zu einem antifaschistischen Grundkonsens verändert,
damit verfälscht und politisch instrumentalisiert – das ist der Sprachgebrauch der DDR – und brandgefährlich. Zwar ist jeder Demokrat auch ein Antifaschist, aber, wie wir wissen, beileibe nicht jeder Antifaschist auch ein Demokrat.
Fangen wir endlich damit an, auch gegen den Linksextremismus präventiv und repressiv so vorzugehen, wie es die Fallzahlen, gerade hier in Hamburg, gebieten. Wenn Sie bei gleichen oder sogar deutlich geringeren Fallzahlen Steuermittel gegen den Rechtsextremismus in die Hand nehmen, sollten Sie dies endlich auch auf der anderen Seite tun und mit dem Versäumnis gegenüber der extremen Linken Schluss machen. Denn sonst setzen Sie sich angesichts dieser Ungleichbehandlung womöglich dem Verdacht aus, dass Sie den Linksextremismus ausblenden und mit zweierlei Maß messen – und das möchten wir doch nicht hoffen. Der Senat wird daher in dem von uns vorgelegten Antrag aufgefordert, vergleichbare Programme gegen Linksextremismus zu entwickeln und umzusetzen, wie sie gegen Rechtsextremismus und Islamismus bereits bestehen. Die Entwicklung der Straftaten im rechtsextremistischen Spektrum lässt erkennen, dass solche Aktivitäten erfolgversprechend sind. Die gegenwärtige Nichtbehandlung des Linksextremismus wird der Gefahrenlage aber nicht gerecht.
ich wende mich besonders an Sie, meine lieben Kollegen von der SPD –, dann erzählen Sie das bitte auch den Polizisten, die bei der nächsten Demo wieder ihren Kopf hinhalten müssen, erzählen Sie das dem Autobesitzer, dessen Wagen abgefackelt wird, und erzählen Sie das dem Senator und dem Verwaltungsbeamten, auf deren Häuser Anschläge verübt werden, und sagen Sie uns ganz offen, ob Sie noch zum antitotalitären Grundkonsens der Bundesrepublik Deutschland stehen. Eine klare Kampfansage der Demokraten hier im Haus und in der Zivilgesellschaft gegen die gewalttätige extreme Linke ist in Hamburg mehr als überfällig. Fangen wir heute damit an. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun also noch einmal das gleiche Spiel wie bereits vor wenigen Wochen: Damals ging es um die sogenannte Demokratie- oder Extremismus-Klausel, heute um das Landesprogramm "Hamburg – Stadt mit Courage". Wieder versucht sich die AfD an einem Vergleich von Links- und Rechtsextremismus, was in der Folge
Beim letzten Mal versuchte die AfD, Hamburgs demokratische Zivilgesellschaft zu diskreditieren, heute will sie die erfolgreiche Präventionsarbeit des Senats gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit verwässern. Natürlich wird auch dieser durchsichtige Versuch ebenfalls scheitern.
Die AfD-Fraktion begründet ihr Ansinnen mit der temporär steigenden Zahl von Straftaten mit linksextremem Hintergrund.
Die Bekämpfung und Verfolgung von Straftaten ist aber Sache der Polizei und der Justiz, und wie wir neulich bereits betont haben, tun sie das auch entschieden und konsequent, und zwar in alle Richtungen. Dafür haben wir ihnen bei der letzten Gelegenheit auch schon gedankt.
Selbstverständlich sind Gewalttaten als politische Aktionsformen immer verwerflich, und zwar egal, aus welcher Richtung sie kommen und mit welchen Ideologien sie möglicherweise begründet werden. Bei der Bekämpfung strafbarer Aktionsformen gibt es also richtigerweise keine Unterschiede. Straftat ist Straftat.