Das haben Sie abgelehnt, das nur als kleine Ergänzung zu Ihrer Beschreibung der Situation, Herr Baumann. Und weil Sie es abgelehnt haben, erlaube ich mir schlicht die Schlussfolgerung, dass Sie gar nicht weit gehen wollten mit Ihrem Demonstrationszug, sondern dass Sie genau diese Situation, wie sie sich über drei Stunden ergeben hat, auch angestrebt hatten.
Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Lieber Wolfgang Rose, Sie haben mir das Zitat weggenommen. Das wollte ich eigentlich auch bringen.
Das findet sich nämlich auf der offiziellen Website der AfD und ist damit ein offizieller Standpunkt. Ich will es jetzt nicht noch einmal bringen, sondern nur den Sinn zusammenfassen und wiederholen, um
den Irrsinn dieser Behauptungen darzulegen: Die Gegendemonstration soll auf Initiative des Senats, der Innenbehörde oder der Polizeiführung stattgefunden haben, und das Ganze im Stil der SA. Diese Verschwörungstheorie, diese unsägliche Geschichtslüge – das kommt noch hinzu –, dieses "Haltet den Dieb" der Diebe, das ist so erbärmlich, dass ich darüber kein weiteres Wort verlieren will.
Eine Auseinandersetzung mit Verschwörungsfanatikern ist sinnlos und Zeitvergeudung. Ich bin noch nie einer Meinung mit Olaf Henkel gewesen; ich mache heute eine Ausnahme. Ich zitiere:
So Olaf Henkel vor einigen Tagen mit Blick auf die AfD. Er bezeichnete sie als – auch das ein Zitat –
Als Mitbegründer der AfD hat er, wie er nun selbst zugibt, dazu beigetragen, den Geist aus der Flasche zu lassen. Ich bin sehr froh, dass es viele Menschen in dieser Stadt gibt, die daran arbeiten, den Geist in die Flasche zurückzustopfen.
Es ist eben kein Zufall, dass aus der AfD heraus ausdrücklich versucht wurde, Nazis übelster Sorte wie etwa den mehrfach einschlägig vorbestraften Vorsitzenden der Hamburger NPD, Thomas Wulff, zu der Hamburger Demonstration am 31. Oktober 2015 zu mobilisieren.
Es zeigt die Nähe. Es zeigt den fließenden Übergang vom Rechtspopulismus zum Neonazismus. Auf der AfD-Demonstration vergangenes Wochenende in Berlin sind viele Leute mit offen zur Schau getragener Nazi-Gesinnung mitgelaufen, es sind rechte Hooligans mitgelaufen, es sind offene Holocaustleugner mitgelaufen, alle unbehelligt, alle waren sie der AfD willkommen.
In der AfD kommen Leute zu Führungsfunktionen, die der militärischen, gewalttätigen Bekämpfung der Flüchtlinge das Wort reden, wie jüngst der NRW-AfD-Vorsitzende und Europaparlamentarier Pretzell, der mit Blick auf die Flüchtlinge die Verteidigung der deutschen Grenze mit Waffengewalt als Ultima Ratio zu einer Selbstverständlichkeit erklärte.
Ich will aber in Hamburg bleiben und zum Vorlauf der Demonstration, der versuchten Demonstration, der AfD kommen. Wir haben in der letzten Bürgerschaftssitzung eine Brandrede des Abgeordneten Flocken gehört, die durch eine unerträgliche Religionshetze geprägt war und mit der der Abgeordnete Flocken das friedliche Zusammenleben in dieser Stadt massiv angegriffen hat. Wir haben gehört, wie er von einer – wörtlich – Invasion fabulierte.
Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann, Frau Abgeordnete?
Der Begriff "Invasion", Eindringen, ist in diesem Zusammenhang äußerst verräterisch, denn es handelt sich um einen Begriff für eine militärische Aggression, mit der der Abgeordnete Flocken eine militärische Antwort nahelegte und so zumindest indirekt der Gewalt das Wort redete.
Meine Damen und Herren! Die Zahl der Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte hat sich im 3. Quartal gegenüber dem 2. Quartal von 136 auf 274 verdoppelt. Schwere Delikte wie Brandstiftungen, Sprengstoffanschläge und Körperverletzungen haben sogar um das Dreifache zugenommen. Der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt spricht von einem "alarmierenden Ausmaß rassistischer Angriffe", vor allem gegen Flüchtlinge. Rechte Gewalttäter nähmen immer häufiger tödliche Verletzungen in Kauf, so der Verband.
Dieser Entwicklung müssen wir, müssen die demokratischen Parteien, muss die solidarische Stadtgesellschaft entgegentreten.
Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Frau Schneider, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Wolf?
Nein, auch von ihm nicht. – Wir dürfen der Auseinandersetzung mit Kräften nicht ausweichen, auch nicht in diesem Haus, die Intoleranz und Hass predigen, die Ressentiments verbreiten und die direkt oder indirekt zu Gewalt aufreizen.
der in seiner Schrift "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" schrieb, wir sollten im Namen der Toleranz das Recht für uns in Anspruch nehmen, die Intoleranz nicht zu tolerieren. – Schönen Dank.
Das Wort erhält Herr Jarchow von der FDP-Fraktion für noch drei Minuten, dann erreichen wir das Ende der Aktuellen Stunde.
Meine Damen und Herren! Ich kann das auch in drei Minuten erledigen. Ich werde mich bemühen, einfach wieder einmal auf das Thema zurückzukommen, denn ich glaube, das ist ein bisschen verlorengegangen.
Die Aktualität dieser Anmeldung erschließt sich uns nicht unbedingt, stellen wir doch fest, dass die Demonstration der AfD stattgefunden hat. Sie hat nicht auf der Route stattgefunden, wie Sie es gewünscht hätten. Sie reklamieren, dass die Polizei nicht ausreichend dort war. Wenn das alles so war, dann wäre das eher ein Thema für eine Selbstbefassung des Innenausschusses als für die Aktuelle Stunde.
Eine Aktualität hätte dieses Thema aus unserer Sicht durchaus nach dem 12. September gehabt, weil damals gewaltbereite Gegendemonstranten mit der Androhung von Selbstjustiz faktisch über die Zulässigkeit einer Demonstration entschieden haben, indem sie den Senat dazu gebracht haben, zu beantragen, dass diese Demonstration nicht genehmigt wird. Das wäre ein Thema gewesen. Es hat auch die Gerichte beschäftigt, und die Gerichte haben deutlich gemacht, dass man diesen Weg nur in diesem Ausnahmefall mitgegangen ist. Das wird nicht wieder passieren.
Dass die AfD dieses Thema jetzt aber vor dem Hintergrund des vorletzten Wochenendes in die Aktualität zu hieven versucht, erscheint uns ein untauglicher Versuch. Natürlich gibt es die Verpflichtung der Behörden zur Durchsetzung des Versammlungsrechts, auch das der AfD, um das ganz deutlich zu sagen. Aber es gilt auch hier wie bei allem staatlichen Handeln das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Daher kann ein Versammlungsveranstalter üblicherweise keinen Anspruch auf eine ganz bestimmte Route geltend machen, wenn deren Durchsetzung mit unverhältnismäßigem Einsatz von Zwangsmitteln verbunden ist; das kennen wir alle, und so war es auch dort. Eine zumutbare Alternativroute in relevanter Nähe zur angemeldeten
Route kann angeordnet werden und ist dann auch anzunehmen. Wenn eine Route nicht möglich ist, dann geht es eben anders.
Der AfD geht es aber offenbar eher um die eigene Inszenierung als um eine rechtsstaatliche Durchsetzung des Versammlungsrechts mit verhältnismäßigen Mitteln.
Der sicherlich verständlichen Enttäuschung über die – zum Glück, aus meiner Sicht – sehr geringe Resonanz Ihres Demo-Aufrufs können Sie aber nicht dadurch abhelfen, dass Sie das als Thema einer Aktuellen Stunde anmelden. Das halte ich nicht für sinnvoll.