Protocol of the Session on November 11, 2015

Ein Sozialticket nach dem Modell der Fraktion DIE LINKE würde das Fahrkartenangebot für Hilfeberechtigte auf genau ein Ticket reduzieren, denn nach Ihrem Modell gibt es nur ein Sozialticket für alle Hilfebedürftigen. Der Preis würde nach Ihrem Modell bei etwa 25 Euro liegen. In Ihrem Antrag vergleichen Sie Ihr Modell des Sozialtickets mit unserem Modell des Sozialkartenrabatts, wobei man

(Inge Hannemann)

dazu sagen muss, dass die Sozialkarte unter Schwarz-Grün eingeführt wurde. Zur Dramatisierung wenden Sie in Ihrem Rechenbeispiel den Sozialkartenrabatt auf die teuren Monatskarten im Fahrkartensortiment des HVV an. Tatsache ist aber doch, dass die von Hilfebedürftigen am meisten nachgefragten HVV-Zeitkarten nach Abzug des Sozialkartenrabatts entweder nur geringfügig über dem Mobilitätsanteil des Hartz-IV-Regelsatzes liegen, oder aber – gut zuhören – sogar darunter. Die CC-Abo-Karte für den Großbereich kostet nach Abzug des Rabatts nur 28,50 Euro. Sie grinsen jetzt, aber 28 Euro in München fanden Sie eben ganz großartig. Für viele Fahrgäste reicht aber auch bereits die CC-Karte für drei Tarifzonen. Diese kostet dann rabattiert nur noch 13,40 Euro – ein äußerst attraktives Angebot, das bundesweit seinesgleichen sucht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Eine derartige Ausdifferenzierung für Hilfebedürftige gibt es sonst nirgendwo, und Sie wollen das abschaffen. Schönen Dank.

Worauf Sie in Ihrem Antrag gar nicht eingehen, ist, dass der Sozialkartenrabatt auch auf Schülerkarten gilt. Er gilt auf alle Zeitkarten. Eine rabattierte Schülerhauptkarte kostet für den HVV-Großbereich im Abo nur 19,40 Euro und fürs Geschwisterkind rabattiert nur noch 11,90 Euro. Hören Sie sich das gut an: 11,90 Euro.

Mein Fazit: Sie reden etwas schlecht, was in der Gesamtbetrachtung bundesweit zu den besten Angeboten für Hilfebedürftige zählt.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben einige Vergleiche genannt, auf die ich eingehen will. Sie haben München genannt. Ja, dort gibt es ein Sozialticket, und das heißt dann auch so. Es kostet 28 Euro – wie gesagt, 50 Cent weniger als bei uns. Das gilt für den sogenannten Innenraum, vergleichbar mit unserem Großbereich. Aber günstigere Preise für Teilbereiche der Stadt wie in Hamburg gibt es in München nicht, als günstigstes Ticket muss man dieses Ticket für 28 Euro kaufen. Und, weil Sie es eben so lobten, Sperrzeiten gibt es dort auch, jedenfalls morgens.

Sie haben auch Berlin angesprochen und wie toll es dort sei. In Berlin gibt es keine Sperrzeit, das ist richtig, aber der Preis für das Sozialticket liegt bei 36 Euro. Wir sind bei 28,50 Euro, wenn man die Sozialkarte mit der CC-Karte kombiniert. Und die Möglichkeit, nur für Teilbereiche der Stadt einen Fahrschein zu kaufen, gibt es in Berlin auch nicht.

Vielleicht noch einmal zu Berlin und den Schülerkarten. Die kosten dort in der Tat nur 15 Euro, dann allerdings für jedes Kind, fürs erste wie für die weiteren auch. Aber von einer sozialpolitischen Errungenschaft kann man in Berlin eigentlich auch nicht sprechen, denn dort muss das Kind erst ein

mal nachweisen, dass der Schulweg länger als drei Kilometer ist. Alle anderen bekommen keinen Sozialkartenrabatt, die gehen leer aus und müssen zu Fuß gehen. In Hamburg ist das nicht so. Jedes hilfebedürftige Kind bekommt den Sozialkartenrabatt, unabhängig von der Entfernung zur Schule.

Das sind nur einige Beispiele. Im Ergebnis kann man festhalten: Hamburg muss sich mit dem Sozialkartenrabatt nicht verstecken.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Unter dem SPD-Senat sind die erst 2009 unter Schwarz-Grün eingeführten Sozialkartenzuschüsse in zwei Schritten von 18 auf 20 Euro angehoben worden, und im Koalitionsvertrag von SPD und GRÜNEN wurde dann im Frühjahr dieses Jahres vereinbart, dass die Zuschüsse regelmäßig erhöht werden. Dies setzen wir mit dem heute vorliegenden Zusatzantrag um. Regelmäßig heißt, dass die Sozialkarte künftig jeder HVV-Tarifänderung angepasst wird. Wir wollen damit sicherstellen, dass die Höhe der Ermäßigung nicht den HVV-Tarifen hinterherläuft, sondern sich alle, die darauf angewiesen sind, auf die zeitgleiche Erhöhung ihres Zuschusses verlassen können. Werden die Fahrkarten teurer, müssen auch die Ermäßigungen steigen, damit weiter Mobilität für alle möglich ist.

(Beifall bei der SPD)

Völlig korrekt ist, dass wir als Maßstab für die Preisanpassungen die am meisten nachgefragten CC-Karten zugrunde legen, und zwar gerundet auf 10 Cent. Das können Sie verballhornen, aber auch das ist eine große Errungenschaft, weil wir dadurch für Beständigkeit und Berechenbarkeit dieses Modells in der Zukunft sorgen.

Ich möchte Ihnen anhand eines Rechenbeispiels zeigen, wie positiv sich das auswirkt. Man kann sich natürlich über diese 10 Cent lustig machen, aber Sie müssen schon akzeptieren, dass das im Einzelfall zu sehr guten Ergebnissen führt. Die Schülerhauptkarten werden um 1,3 Prozent teurer, der Sozialkartenrabatt steigt durch die Rundung aber um 2 Prozent. Das heißt, für hilfebedürftige Schüler liegt der rabattierte Preis einer Schülerkarte künftig bei 19,50 Euro, und das sind nur 0,5 Prozent mehr als im Vorjahr – ebenfalls ein äußerst attraktives Angebot, mit dem der Antrag der Fraktion DIE LINKE bei Weitem nicht mithalten kann. Sie wollen die Sozialkarte abschaffen, und das günstigste Angebot für hilfebedürftige Schüler wäre dann Ihr Sozialticket für 25 Euro.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das können wir auch gut im Ausschuss diskutieren, dann können wir es auch verstehen!)

Nein, Frau Sudmann. Wenn Sie das nicht verstehen, dann frage ich mich, wie Sie so einen Antrag

vorlegen können und meinen, es verstanden zu haben.

(Beifall bei der SPD – Zuruf Heike Sudmann DIE LINKE)

Man kann sogar sagen – Frau Sudmann, Frau Hannemann, diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen –, dass es mit dem Sozialticketmodell Ihrer Fraktion für viele Hilfebedürftige teurer würde als im jetzigen System mit unserem Rabattmodell. Ihr Antrag ist eine echte Mogelpackung, die Sie selbst noch nicht durchschaut haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Buschhüter. – Das Wort hat jetzt Herr Thering von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! 738,3 Millionen – das ist nicht nur eine gewaltige Zahl, es ist vielmehr die Zahl der Fahrgäste, die im vergangenen Jahr die verschiedenen Beförderungsangebote des HVV bei uns in Hamburg genutzt haben. Mit der abermaligen Steigerung um knapp 10 Millionen oder 1,3 Prozent haben wir einen historischen Höchstwert in diesem Bereich eingefahren. Obwohl die Steigerung nicht so hoch war wie in den vergangenen Jahren, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass der ÖPNV in Hamburg boomt, und das ist auch gut so.

Ein Grund, sich zufrieden zurückzulehnen, ist das aber keinesfalls, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Sowohl die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen in unserer Stadt als auch die Rahmenbedingungen des öffentlichen Personennahverkehrs sind ständig im Fluss und entwickeln sich immer weiter. Scheinbare Selbstverständlichkeiten müssen daher von Zeit zu Zeit überprüft werden. Deswegen haben wir als CDU-Fraktion beispielsweise im Mai dieses Jahres einen Antrag zum Schnellbussystem eingereicht, weil wir den namensgebenden Effekt der in den Sechzigerjahren eingerichteten Schnellbuslinien, besonders schnell zu fahren, so nicht mehr sehen. Das muss man hinterfragen, und das haben wir getan. Aus unserer Sicht sind die Schnellbuszuschläge eine unbillige soziale Härte, die umgehend abgeschafft werden sollte.

(Beifall bei der CDU und bei Daniel Oetzel und Dr. Wieland Schinnenburg, beide FDP – Glocke)

Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Herr Thering, lassen Sie eine Frage des Abgeordneten Buschhüter zu?

Herr Thering, ist Ihnen eigentlich bekannt, dass in der am meisten von Hilfebedürftigen nachgefragten CC-Karte der Schnellbuszuschlag schon enthalten ist und Hilfebedürftige, ohne den Zuschlag zahlen zu müssen, ohne Weiteres Schnellbus fahren können?

Das ist mir durchaus bekannt. Nichtsdestotrotz betrifft das nicht nur die Menschen, die hilfebedürftig sind, sondern auch die Menschen, die nicht hilfebedürftig sind, aber Tag für Tag zur Kasse gebeten werden, obwohl der Schnellbus nicht mehr das hergibt, was er ursprünglich einmal hergeben sollte. Von daher sind wir nach wie vor der Meinung, dass dieser Schnellbuszuschlag abgeschafft werden sollte. Sie haben im Ausschuss dagegen gestimmt. Das ist sehr bedauerlich. Wir werden weiter daran festhalten.

(Beifall bei der CDU)

Um wieder zu dem Antrag der LINKEN zu kommen: Thematisch liegen unsere Anträge – der Antrag, um den es heute geht, und der Antrag, von dem ich gerade gesprochen habe – gar nicht so weit auseinander. In beiden Fällen geht es auch um die soziale Frage, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, immer gern zu Ihrem Markenkern machen. Als wir aber am 12. Oktober dieses Jahres im Verkehrsausschuss eben jenen Schnellbusantrag berieten, war genau eine Fraktion nicht anwesend. Dreimal dürfen Sie raten, welche Fraktion das war: DIE LINKE. Ich weiß, liebe Frau Sudmann, dass wir uns gegenseitig innig vermissen, wenn der eine oder die andere einmal nicht dabei ist, aber in diesem einen Moment habe ich Sie ganz besonders vermisst. Wir hätten Ihre Unterstützung in diesem Punkt nämlich gut gebrauchen können.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Ich musste Olympia diskutieren!)

Sie mussten Olympia diskutieren. Das ist auch wichtig. Aber ich glaube, mit Ihrer Meinung wären Sie im Verkehrsausschuss deutlich besser aufgehoben gewesen.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich, Frau Sudmann, hat jeder auch einmal einen Grund, im Ausschuss zu fehlen. Das ist gar keine Frage, darum geht es mir auch gar nicht. Worum es mir geht: Statt der notwendigen fünf Abgeordneten stehen auf dem vorliegenden Antrag ganze zehn Mitglieder Ihrer Fraktion. Da frage ich mich, ob es nicht möglich gewesen wäre, einen der restlichen neun Abgeordneten zu motivieren, in den Verkehrsausschuss zu kommen und dort über die Abschaffung des Schnellbuszuschlags zu diskutieren.

(Ole Thorben Buschhüter)

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das war der Sozialausschuss, mein Lieber!)

Das ist schade, und daher sagen wir ganz deutlich: So wichtig kann es den LINKEN mit der sozialen Gerechtigkeit in Sachen HVV nicht sein.

(Beifall bei der CDU)

Bei der Bewertung Ihres vorliegenden Antrags lautet die Gretchenfrage also: Wie halten Sie es wirklich mit der sozialen Frage im Bereich des Verkehrs bei uns in Hamburg? Schauen wir uns Ihren Antrag also einmal etwas genauer an. Im Vorwort stellen Sie die Verbindung zwischen Arbeitslosen und Mobilität her. Sie legen durchaus nachvollziehbar dar, dass man mit der Sozialkarte zwar einen Nachlass beim HVV-Monatsticket bekommt, dieses dann aber immer noch mehr kostet, als mit dem ALG II für Mobilität gewährt wird. So weit, so nachvollziehbar. In dem Punkt sind wir absolut auf Ihrer Seite. Aber dann wird es leider wieder einmal etwas wirr, wie wir es bei der LINKEN gewohnt sind. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Sie schreiben von Schwarzfahrern als sozialen Gefangenen und malen zunehmende soziale Spannungen in der Stadt an die Wand. Liebe Frau Sudmann, das ist wenig kreativ. Ihre Geistesbrüder und Geistesschwestern von der Sozialdemokratie warnen schon seit über 150 Jahren davor, und, welch Wunder, Hamburg steht immer noch.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der LIN- KEN)

Allein dieser Rückfall in das übliche Geschwafel einer Dagegen-Partei – eben sagten Sie, Sie seien keine Dagegen-Partei, jetzt zeigen Sie, dass Sie nicht nur bei Olympia, sondern auch bei diesem Thema eine Dagegen-Partei sind – machte unsere anfänglichen Sympathien für Ihren Antrag dann doch relativ schnell wieder zunichte. Den Sargnagel haben Sie dann aber im zweiten Punkt des Petitums in Ihren Antrag gehauen. Ohne es im Vorwort irgendwie anzukündigen oder zu begründen, fordern Sie dort, dass auch noch sogenannte Schwellenhaushalte zum Empfängerkreis gehören sollten. Damit schießen Sie wieder einmal deutlich über das Ziel hinaus.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Sie ha- ben die Weisheit gefressen!)

Halten wir also fest: Mobilität zu ermöglichen ist für eine Metropole wie Hamburg unerlässlich. Darin sind wir uns, glaube ich, alle einig. Dass Sie dabei die sozial Schwachen mitnehmen wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, geht vollkommen in Ordnung. Damit sind Sie bei uns absolut an der richtigen Stelle. Mit Ihrem typischen Geschwafel einer Dagegen-Partei

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Hallo! Parlamentarischer Sprachgebrauch!)

machen Sie aber leider hinten wieder das kaputt, was Sie vorn vernünftig aufgebaut haben. Deshalb können wir Ihrem Antrag so nicht zustimmen. Auch der Zusatzantrag von SPD und GRÜNEN scheint uns wenig durchdacht. Deshalb raten wir dringend dazu, beide Anträge noch einmal eingehend im Verkehrsausschuss zu beraten, um am Ende das Ziel zu erreichen, die Menschen, die es wirklich nötig haben, in Sachen HVV vernünftig zu entlasten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Was hat er uns jetzt eigentlich gesagt?)

Vielen Dank, Herr Thering. – Herr Bill von der GRÜNEN Fraktion, Sie haben das Wort.