Deshalb halte ich es für unverantwortlich, zu sagen, man wolle den Leerstand nicht nutzen, weil sich dann Wirtschaft oder Industrie nicht entwickeln können.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Heute überschreitet Rot-Grün eine rote Linie, die in dieser Form in den vergangenen Jahrzehnten noch nie überschritten wurde.
Es ist die rote Linie der Achtung vor Immobilieneigentum. Mit diesem Gesetz zur Flüchtlingsunterbringung in Privatgebäuden überschreitet Rot-Grün eine rote Linie der rechtsstaatlichen Achtung und des grundgesetzlich festgeschriebenen Respekts vor der Unverletzlichkeit von Haus und Hof.
Um es gleich vorweg zu sagen, Herr Dressel, dafür gibt es keinen plausiblen Grund. Den haben weder Sie in Ihrer Rede genannt noch Herr Tjarks, der hauptsächlich mit Zahlen um sich geschmissen hat.
Es ist nämlich schlichtweg falsch, wie Sie uns glauben machen wollen, dass es nur die Alternative zwischen der Unterbringung in Schulsporthallen auf der einen Seite und der Beschlagnahmung privater Gebäude auf der anderen Seite gibt.
(Beifall bei der FDP, bei André Trepoll und Karin Prien, beide CDU – Zuruf von Dr. An- jes Tjarks GRÜNE)
Damit streuen Sie den Hamburgerinnen und Hamburgern Sand in die Augen, und das wissen Sie ganz genau, und das beweise ich Ihnen jetzt auch.
Wie Herr Trepoll schon angesprochen hat, saßen wir als Vertreter der Fraktionen vor zwei Wochen mit den Vertretern der muslimischen Verbände zusammen. Sie wollten nämlich wissen, wo und wie sie in der Flüchtlingskrise helfen können. Sie, Herr Dressel, haben dabei darum gebeten, man möge doch Vorschläge für geeignete Unterkünfte machen, was eigentlich überhaupt keine schlechte Idee ist.
Schlecht ist aber, dass diese Vorschläge von unseren Gesprächspartnern schon vor Monaten gemacht, aber vom Senat ignoriert wurden. Das hat man uns sehr deutlich in dem Gespräch gesagt. Das war natürlich eine sehr unangenehme Situation; das kann ich sehr gut nachvollziehen. Aber – und das ist das Schlimme – dies ist längst kein Einzelfall. Überall, in der ganzen Stadt, in zahlreichen Gesprächen mit Bürgern unserer Stadt hören wir, dass Leerstand angeboten wurde oder auch noch angeboten wird, der Senat das aber ignoriert.
Das zeigt uns ganz eindeutig, dass Sie auch hier schlampig gearbeitet haben, dass der Senat eben noch längst nicht alle Mittel ausgeschöpft hat und dass es sehr wohl eine Alternative zwischen der belegten Schulturnhalle und der Obdachlosigkeit von Flüchtlingen gibt.
Wer einen so gravierenden Eingriff in die Grundrechte der Bürger zulässt, ist auch bereit, andere rote Linien zu überschreiten. Schon deshalb darf dieses Gesetz nicht erlassen werden. Es ist aber auch in jeder anderen Hinsicht völlig inakzeptabel, erstens juristisch, weil Sie damit in unverantwortlicher Weise ins Eigentumsrecht eingreifen, das bekanntlich durch unser Grundgesetz geschützt ist, zweitens politisch, weil Sie mit einer solchen Maßnahme Ressentiments gegen Flüchtlinge und ihre Unterbringung schüren, und drittens auch strategisch, weil das Gesetzesvorhaben die Hilf- und Planlosigkeit des Senats offenbart, die mit dieser drastischen Notmaßnahme offenbar kaschiert werden soll.
mobilienbeschlagnahme gar nicht zur Anwendung kommen soll und wenn doch, dann würden nur gewerbliche, aber keinesfalls private Immobilien beschlagnahmt werden – das habe der Bürgermeister höchstpersönlich zugesichert. Wen wollen Sie denn damit zum Narren halten? In was für einem Land, glauben Sie eigentlich, leben wir? König Olaf gibt sein Wort, und deswegen ist es völlig egal, welche Gesetze erlassen werden und was drinsteht?
Ich nehme Ihnen nicht eine Sekunde lang ab, dass Sie hier zwar ein höchst umstrittenes Gesetz schaffen wollen, es aber gar nicht anwenden wollen. Auch Ihre Beteuerung, keine privat genutzten Gebäude zu beschlagnahmen, ist gar nichts wert, wenn das im Gesetz ausdrücklich zugelassen wird. Von einer Unterscheidung zwischen privat und gewerblich genutzten Immobilien steht im Gesetzestext nämlich nichts. Das wäre ja wohl das absolut erwartbare Minimum gewesen in Zeiten, in denen Gemeinden anderswo in Deutschland ihre Mieter nach zehn oder zwanzig Jahren aus ihren Wohnungen kündigen wollen, um dort Flüchtlinge unterzubringen.
In Deutschland und gerade auch in Hamburg erleben wir eine riesige Welle der Hilfsbereitschaft. Hamburger spenden Kleidung, Spielsachen und Geld. Sie engagieren sich ehrenamtlich, viele von ihnen bis zur Erschöpfung und weit darüber hinaus. Sogar US-Präsident Barack Obama lobte Hamburg dafür vor der UN-Vollversammlung in New York. Aber genau diese Freiwilligkeit, das große Wohlwollen der vielen Hamburgerinnen und Hamburger wird durch Zwangsmaßnahmen, wie Sie sie heute vorschlagen, konterkariert. Doch ohne die ehrenamtliche Hilfe, ohne die vielen Freiwilligen würde das gesamte System der Flüchtlingsunterbringung und -versorgung binnen kurzer Zeit zusammenbrechen. Sie nehmen gern hin, dass vom Ehrenamt Strukturen geschaffen und aufrechterhalten werden, was eigentlich staatliche Aufgabe wäre. Ich denke – und da spreche ich sicherlich für die meisten im Hause –, dafür sind wir alle auch unglaublich dankbar. Das gibt Ihnen aber noch längst nicht das Recht, diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer nicht diese Hilfsbereitschaft zeigen, die eine leer stehende Immobilie
aus welchen Gründen auch immer nicht an die Stadt vermieten wollen, mit Ihrem neuen Gesetz dazu zu zwingen.
Damit untergraben Sie das Vertrauen in den Rechtsstaat und in Ihre eigene Handlungsfähigkeit und das erst recht, wenn der schnöde Hintergedanke vielleicht nur ein finanzieller ist. Schließlich können Sie karge Entschädigungen viel günstiger haben als frei ausgehandelte Mieten.
Ich möchte noch ein paar Worte zum parlamentarischen Verfahren sagen. Das Schnellverfahren, mit dem Sie heute einen solch grundlegenden Eingriff in unsere Eigentumsrechte durchpeitschen wollen, ist eine absolute Zumutung. Herr Dressel, mir ist es wirklich absolut schleierhaft, wenn Sie da von Verzögerung der Opposition sprechen. Das ist wirklich ein Witz.
Vor gerade einer Woche haben die Abgeordneten dieses Hauses das erste Mal davon gehört, aber nicht einmal über eine ordentliche Drucksache, sondern über die Medien. Ausgewählte Journalisten wurden in einem Pressegespräch von Bürgermeister Scholz und Justizsenator Steffen exklusiv informiert. Die Abgeordneten blieben außen vor. Sie erhielten den Senatsantrag, der heute nicht einmal auf der Tagesordnung steht, erst einen Tag später.
Den Zusatzantrag von SPD und GRÜNEN, über den wir heute abstimmen werden, bekamen die Abgeordneten der Opposition erst gestern zwei Stunden vor der Sondersitzung des Innenausschusses. Diese wurde mit wenigen Tagen Vorlauf so kurzfristig angesetzt, dass sicherlich längst nicht alle Abgeordneten, die sich gern informiert hätten, daran teilnehmen konnten. Ein Protokoll zum Nachlesen kann in der Kürze der Zeit natürlich noch nicht vorliegen. Es gibt Momente, in denen man von einer Sternstunde des Parlaments spricht. Heute erleben wir genau das Gegenteil: Wir erleben einen Tiefpunkt parlamentarischer Unkultur, von Rot-Grün verschuldet.
Daher werden wir heute eine zweite Lesung verweigern und haben eine namentliche Abstimmung beantragt. Hier kann und darf sich keine Abgeordnete, kein Abgeordneter aus der Verantwortung ziehen.