Protocol of the Session on January 15, 2020

Sie haben nur eines gemacht, Sie haben es abgekupfert. Die Berliner haben gleich 19 Anfragen daraus gemacht, da sind sie etwas fleißiger gewesen, aber die Fragen sind alle gleich. Sie haben nur eines verschwiegen, und das ist etwas, das muss man wissen, was vielleicht zu dieser Taktik auch dazugehört. Sie haben die vier, fünf, sechs Seiten Einführung zu der Großen Anfrage nicht abgekupfert, die haben Sie weggelassen, nur die Fragen gestellt. Und da steht doch schon das, was genau Sie wollen: Ein Großteil dieser Zuwanderer sind nach Ansicht der Fragesteller – das sind Ihre Freunde im Bundestag – Wirtschaftsflüchtlinge.

(Zuruf von Gerhard Lein SPD)

Schutzberechtigte und Bleibeberechtigte sind nach Ansicht der Fragesteller vorübergehende Gäste in Deutschland. Aufgrund solcher Bekundungen und Signale dürfen syrische und irakische Flüchtlinge nach Ansicht der Fragesteller davon ausgehen, dass ihre Teilnahme an Sprachkursen oder erste Gehversuche auf dem Arbeitsmarkt mit dauerhaften Aufenthaltsrechten belohnt werden. Diese Haltung widerspricht nach Ansicht der Fragesteller aber Buchstaben und Geist des Grundrechts auf Asyl. Das passt genau in Ihre Eingangsbemerkung: Niemand hat Sie gefragt, ob sie kommen sollen. Nein. Wen in Deutschland soll denn ein Flüchtling fragen? Soll er Sie anrufen, Herr Dr. Wolf, darf ich kommen, mir geht es schlecht, ich werde in Syrien verfolgt? Was bilden Sie sich eigentlich ein?

(Ksenija Bekeris)

(Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN und bei Mareike Engels GRÜNE)

Mit welchem Realitätsverlust arbeiten Sie jeden Tag? So kann man doch nicht vorankommen. Ich hatte letztens schon einmal anlässlich einer anderen Debatte gesagt, dass Sie weiterhin dabei sind, diese Menschen zu verachten, weiterhin dabei sind, dieses insbesondere auch deshalb unter das Volk zu tragen, weil Sie sagen, Zuwanderung führe nach Ansicht der Fragesteller nicht zu einer ökonomischen und fiskalischen Rendite. Welche Rendite wollen Sie erwarten? Die Rendite ist, dass wir für die Menschen, die herkommen, zahlen, weil wir es natürlich können; das ist doch völlig klar. Ich sage Ihnen eines: Jeder Euro, den wir dafür ausgeben, ist ein gut angelegter Euro.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN, der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Ich bezeichne dies als ein Human Invest, eine Investition in diese Menschen,

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN, der LINKEN und der FDP)

einerlei, ob sie bleiben oder wieder gehen. Wenn sie sich integrieren und hierbleiben möchten, sind sie herzlich willkommen.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN, der LIN- KEN, der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Und wenn sie zurück in die Heimat möchten, gehen sie zurück in die Heimat; das verwehren wir ihnen doch auch nicht. Aber wollen Sie sie denn auf der Straße liegen lassen? Wollen Sie nichts ausgeben für Wohnungen, Wohnunterkünfte? Welches Menschenbild vermitteln Sie uns hier?

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN, der LINKEN, der FDP und bei Neba- hat Güçlü fraktionslos)

War mir völlig klar, diese Rede, die Sie gehalten haben, die hatte ich gestern Abend an meinem Schreibtisch schon relativ genau vor Augen, war mir völlig klar, und ich wusste gleich, der Wolf kommt im Schafspelz.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN, der LINKEN, der FDP und bei Neba- hat Güçlü fraktionslos)

Nun sehe ich, dass Ihr Fraktionsvorsitzender schon fleißig mitschreibt. Von dem kriege ich nachher gleich wieder eine Entgegnung und auch wieder den Vorhalt, ich sei früher doch ganz anders gewesen. Nein, ich war nicht anders. Vielleicht haben Sie mich nicht wahrgenommen oder Sie hatten mir nicht die Chance gegeben, mich ehrlich zu äußern.

(Dr. Alexander Wolf AfD: Wer, ich?)

(Zuruf von Dr. Alexander Wolf AfD)

Nein, heute noch nicht, aber damals. Wir kennen uns schon einige Jahre. Ja, ja, Sie haben gut gelernt von Ihrem Vorbild Schill; dazu kann ich auch noch einiges erzählen.

Also, es ist doch völlig klar, dass wir das nicht überweisen. Wir nehmen die Anfrage zwar zur Kenntnis, aber dieser Hintergrund,

(Heike Sudmann DIE LINKE: Ekelhaft!)

den Sie wieder einmal vermittelt haben, ist eine Schande.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN, der LINKEN, der FDP und bei Neba- hat Güçlü fraktionslos)

Nun ist so weit, Frau Demirel von der GRÜNEN Fraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hätte auch gern gewusst, was die AfD uns seit fünf Jahren in sämtlichen Parlamenten, auch im Bundestag, gekostet hat und weiterhin kosten würde. Zum Ende dieser Legislaturperiode, nach fast fünf Jahren, in denen die AfD jetzt in diesem Parlament vertreten ist, habe ich den Eindruck, dass es vor allem zwei Arten von von der AfD angemeldeten Debatten gibt. Nummer eins: Die AfD fühlt sich ungerecht behandelt und sieht sich als Opfer der etablierten Parteien. Nummer zwei: Die AfD ist gegen die Aufnahme von Geflüchteten, gegen Zuwanderung oder gegen Menschen mit einem anderen Glauben. Die heutige Debatte fällt natürlich unter die letzte Kategorie, denn mit der vorliegenden Großen Anfrage versucht die AfD-Fraktion, deren Narrativ zu bedienen, dass Zuwanderung vor allem teuer sei. Hierzu gilt es meiner Ansicht nach vor allem Folgendes zu sagen: Natürlich gehen Zuwanderung und vor allem die Aufnahme von Menschen in Not mit Kosten einher, wie die AfD in der Vorbemerkung dieser Anfrage richtig bemerkt, die der Senat in den vergangenen Jahren fortlaufend transparenter dargestellt hat. Ich persönlich finde es immer ein bisschen befremdlich, wenn der Inanspruchnahme von Grundrechten und Humanität ein Preisschild umgehängt werden soll.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der CDU, der LINKEN, der FDP und bei Neba- hat Güçlü fraktionslos)

Besonders bezeichnend ist es aber, dass die AfD, wenn sie schon Bilanz ziehen will, einmal eben vergisst, was zu einer Bilanz auch gehört: dass es neben der Kostenseite immer auch die Nutzenseite gibt.

(Dirk Nockemann AfD: Die Kosten interes- sieren Sie doch gar nicht!)

(Wolfhard Ploog)

Ich bin der Meinung, dass es eine massive Herabwürdigung aller Hamburgerinnen und Hamburger ohne deutsche Staatsbürgerschaft ist. Diese knapp 330 000 Menschen – das entspricht zum Beispiel der Bevölkerung der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn – leisten einen enormen und unverzichtbaren Beitrag für das gesellschaftliche und wirtschaftliche Wohlergehen in unserer Stadt,

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD – Dr. Alexander Wolf AfD: So ein Unsinn!)

unter anderem indem der weitaus überwiegende Teil einer Erwerbstätigkeit nachgeht, darunter mittlerweile auch über 15 000 Geflüchtete, denen es trotz nicht immer einfacher Bedingungen gelungen ist, hier eine Beschäftigung oder einen Ausbildungsplatz gefunden zu haben. Ich finde es gut, dass Bürgerschaft und Senat diesen Leistungen der Hamburgerinnen und Hamburger ohne deutsche Staatsbürgerschaft regelmäßig große Anerkennung zukommen lassen, und möchte diese Anerkennung auch an dieser Stelle betonen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Hierzu gehört aus Sicht von uns GRÜNEN, dass dieser Personenkreis auch an der demokratischen Willensbildung in unserer Stadt teilhaben sollte, zum Beispiel durch das kommunale Wahlrecht. Ja, wir investieren weiterhin einen erheblichen Aufwand und finanzielle Mittel in Bildung, Sprachförderung, Qualifizierung, Gleichstellung und Partizipation, und zwar nicht nur für Menschen mit Migrationshintergrund, sondern für alle. Wir investieren jetzt zum Beispiel 4 Milliarden Euro in die Bildung; das ist gut für unsere Zukunft, das ist gut für unsere Stadt. Im Gegensatz zur AfD setzen wir uns quer durch alle Fachbereiche dafür ein, dass unsere Gesellschaft weiter zusammenwächst. In unserer Stadt, die sich zu Recht das Tor zur Welt nennt, gibt es keinen Platz für Spaltung, Hass und Diskriminierung. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Ensslen von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, Zuwanderung kostet Geld, und für mich ist jeder ausgegebene Cent richtig und wichtig,

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

denn es ist unsere verdammte Pflicht, etwas für die Menschen zu tun, die nicht in einem Land geboren sind, in dem sie bleiben konnten. Jeden Tag spüre ich die Schuld, hier in Frieden und Wohlstand leben zu dürfen, während andere auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken; für all diese Menschen kön

nen wir keine Kosten mehr übernehmen. Damit die Menschen, um die es geht, nicht eine anonyme Masse bleiben, möchte ich in der verbleibenden Zeit Namen aus einer Liste von 34 361 Toten, die das europäische Netzwerk UNITED for Intercultural Action recherchiert hat, vorlesen:

"Snaid Tadese, 19 Jahre, weiblich, Eritrea, Mame Mbaye Ndiaye, 35 Jahre, männlich, Senegal, Tesfalidet Tesfon, 22 Jahre, männlich, Eritrea, Ibrahim Selim, 3 Jahre, männlich, Türkei, Becky Moses, 26 Jahre, weiblich, Nigeria, Alhassane Barry, 21 Jahre, männlich, Guinea, Lula, 28 Jahre, weiblich, Eritrea, Hassane Traoré, 28 Jahre, männlich, Elfenbeinküste, Madina Hussini, 6 Jahre, weiblich, Afghanistan, Mohamed Bouderbal, 36 Jahre, männlich, Algerien, Marian Shaka, 20 Jahre, schwanger, Nigeria, Arim Bakar, 27 Jahre, männlich, Irak, Osato Osara, 20 Jahre, schwanger, Nigeria, Lawend Shamal, 3 Jahre, männlich, Irak, Rosa Maria, 20 Jahre, weiblich, Nigeria."

Dies ist nur ein verschwindend kleiner Ausschnitt der vielen, vielen Toten, und ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau Nicolaysen von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte mich hier heute kurzfassen. Vieles wurde bereits von meinen Vorrednern ausführlich dargestellt. Viele Menschen sind seit 2015 zu uns nach Hamburg gekommen. Dadurch hat es viele zusätzliche Aufgaben gegeben, um diesen Menschen eine menschenwürdige Unterbringung, Nahrung und Kleidung zu gewähren und ihnen unsere Sprache und unsere Kultur näherzubringen. Ja, das hat auch nicht wenig Geld gekostet.

Meine Damen und Herren von der AfD, was wären nach Ihrer Auffassung die Alternativen gewesen? Grenzschließungen? Dafür wären wir in Hamburg doch aber nicht zuständig. Missachtung der verfassungsrechtlich garantierten Menschenwürde? Geringere Kosten, aber vielleicht schlechtere Integrationsmaßnahmen? Das würde doch mittel- und langfristig deutlich teurer werden. Dazu sagen wir entschieden Nein.

(Beifall bei der FDP)

Wir Freie Demokraten haben in der Vergangenheit den Senat immer wieder dafür kritisiert, dass er mit dem Geld der Steuerzahler nicht sorgfältig genug umgegangen ist. Der Senat hat hier erfreulicherweise nachgebessert und sich bemüht, die Kosten transparent darzulegen. Allerdings sind die Kosten

(Phyliss Demirel)

in vielen Fällen in Standardstrukturen integriert. Eine mögliche Alternative wäre eine gesonderte Buchhaltung für Geflüchtete; dies würde durch den weiteren Personalbedarf jedoch neue Kosten verursachen. Solch eine ineffiziente, höhere Bürokratie lehnen wir entschieden ab. Vielmehr müssen die bestehenden Programme und Maßnahmen kontinuierlich überprüft und evaluiert werden. Kosten und Nutzen müssen stetig gegeneinander abgewogen und die Erfahrungen der vergangenen Jahre als Grundlage herangezogen werden. Wichtig ist, dabei nicht nur pauschal auf Kosten abzustellen, denn kostengünstig bedeutet nicht gleichzeitig gut. Zeigen Maßnahmen gute Ergebnisse, stellen sie einen Mehrwert dar. Auch wenn sie zunächst möglicherweise mehr Kosten verursachen, sorgen sie für geringere Kosten im Nachhinein, da Kurse nicht wiederholt und erneut bezahlt werden müssen.