Protocol of the Session on December 4, 2019

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wenn jetzt dieser Klimawandel nur ein Märchen wäre, was wenige glauben hier im Haus, zum Glück, dann könnten wir auch sonst noch dem Weg in ein postfossiles Zeitalter einiges abgewinnen, weil die Tatsache, dass wir als Rot-Grün nicht nur gesagt haben – Herr Kienscherf hat es schon angesprochen –, wir haben uns verabredet, Hamburgs Grün zu erhalten, sondern mehr Grün in der Stadt zu schaffen. Wir könnten dem nicht nur etwas Positives abgewinnen, weil völlig klar ist, wir brauchen mehr Bäume auf dieser Welt, und deswegen ist Aufforstung natürlich ein Teil dieses Klimaplans. Wir könnten dem nicht nur mehr abgewinnen, weil unsere Straßen im Übrigen sauberer werden, unsere Autos leiser werden, unser Wasser reiner wird. Auch das sind Gründe, warum man sagen kann, die Aufenthalts- und die Lebensqualität wird steigen, wenn wir diesen Weg gehen. Und auch das sind gute Gründe, neben Wohlstandssicherung, neben Standortsicherung, neben dem Erhalten der Freiheit, warum wir diesen Weg gehen, sondern es gibt eigentlich nur Vorteile, außer, dass wir uns verändern müssen, aber diese Vorteile wollen wir auch voll umfänglich als Chance wahrnehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Heute leben 55 Prozent der Weltbevölkerung in Städten, im Jahr 2050 werden es 68 Prozent sein. Den Städten kommt eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der Erderhitzung, bei der Bekämpfung der Erderwärmung zu. Wir, die für ein bis zwei Tausendstel dieser Erderwärmung verantwortlich sind, wir haben alles zur Verfügung, um in diesen Bereichen voranzugehen. Wir haben die Möglichkeiten, wir haben die Freiheit, wir haben die Innovationskraft, wir haben das Wissen und die richtigen Köpfe, wir können uns sogar ordnungspolitische Rahmensetzungen geben, weil wir eine starke Regierung haben. Wir haben das Kapital, um beim Klimaschutz voranzugehen, und dieser Klimaplan und dieses Klimaschutzgesetz sind dafür ein gutes Fundament, eine gute Absprungbasis, und es wird klappen. Es ist eine sehr, sehr große Herausforderung, dieses Ziel zu erreichen.

Es wird klappen, wenn wir dauerhaft daran arbeiten, in den nächsten zehn Jahren und in den übernächsten zehn Jahren, und wenn wir die richtigen Menschen an die richtigen Positionen wählen, die das mit Nachdruck und Verve verfolgen. Da kann sich die Menschheit, aber da kann sich auch Ham

burg entscheiden. Und ich würde mir sehr wünschen, wenn wir den Weg gehen, dass wir dort die richtigen Entscheidungen treffen und unserer Verantwortung für diese Stadt und die Menschen, die hier demonstriert haben, gerecht werden. – Vielen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Tjarks. – Das Wort erhält nun Cansu Özdemir für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es wurde eben noch einmal angesprochen, "Fridays for Future" versucht seit circa einem Jahr, darauf aufmerksam zu machen, dass sie möchten, dass der Klimawandel gestoppt wird, dass ernsthafte Maßnahmen von der Politik ergriffen werden. Sie versuchen, darauf aufmerksam zu machen, wie verheerend die Folgen für die Welt sein werden, wie verheerend die Situation jetzt auch auf der Welt ist für Mensch, für Tier und auch andere Lebewesen wie Pflanzen.

Vor einigen Monaten waren die Aktivistinnen und Aktivisten zu Besuch im Rathaus. Es waren die Fraktionsvorsitzenden eingeladen, es waren die umweltpolitischen Sprecherinnen und Sprecher eingeladen, und die Präsidentin hatte eingeladen, nicht zu vergessen. Die Aktivistinnen und Aktivisten haben dort ihre Forderungen dargestellt, und sie haben ihre Forderungen faktenbasiert dargestellt. Wenn einige immer wieder davon sprechen, dass sie Panikmache betreiben, so entspricht das nicht der Wahrheit. Sie haben faktenbasiert dort von ihren Forderungen gesprochen. Und das Interessante war, dass Herr Tjarks den Jugendlichen geraten hat zu mehr Optimismus, und die Jugendlichen darauf geantwortet haben, dass Optimismus eben den Klimawandel nicht stoppt. Sie haben dort ernsthafte Maßnahmen gegen den Klimawandel von der Hamburger Politik gefordert, und sie haben damit auch recht, weil Hamburg eine große Verantwortung hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Und Herr Tjarks hat gerade einen wichtigen Hamburger

(Heike Sudmann DIE LINKE: Er ist gegan- gen!)

Klimaforscher erwähnt. Er hat gesprochen von Dirk Notz, der ein Interview am 12. November in der Zeitung "Die Zeit" gegeben und gesagt hat – Zitat –:

"Zurzeit lassen die Treibhausgase, die Hamburg ausstößt, jedes Jahr in der Arktis eine Packeisfläche abschmelzen, die so groß ist wie der Bezirk Eimsbüttel."

(Dr. Anjes Tjarks)

Er hat aber auch hinzugefügt, dass das seit 30 Jahren schon bekannt ist, aber dass sich seit 30 Jahren wenig verändert hat.

Herr Kienscherf, Sie haben eben eine sehr arrogante Rede gehalten, Sie haben eigentlich in Ihrer Rede nur die Opposition gebasht, und da würde ich mich an Ihrer Stelle einmal etwas zurückhalten, denn ich finde, Herr Trepoll hat recht,

(Dr. Monika Schaal SPD: Das sind neue Alli- anzen!)

es ist immer dasselbe Verfahren mit Rot-Grün seit 2015. Sie haben einen Plan, legen ihn 24 Stunden vorher vor, geben uns, der Opposition, wenig Zeit. Ich finde das undemokratisch, Herr Kienscherf, und das müssen Sie einmal einsehen.

(Beifall bei der LINKEN und bei André Tre- poll CDU)

Und dann rufen Sie dazu auf – das finde ich noch zynischer –, dass die Opposition sich doch bitte an diesen Prozessen beteiligen solle. Nein, jetzt einmal im Ernst, Sie müssen einsehen, dass das undemokratisch ist und dass die Opposition in diesem Parlament mehr Rechte hat, als Ihnen lieb ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei Carl-Edgar Jarchow FDP – Dirk Kienscherf SPD: Das wird in den Ausschüssen beraten, man muss nur hingehen!)

Ja, genau, wir sind alle Mitglieder der Ausschüsse, und das ist unsere Aufgabe, aber die Opposition hat hier auch eine bestimmte Funktion, die sie zu erfüllen hat, und das dürfen Sie nicht einfach ignorieren.

(Beifall bei der LINKEN und bei André Tre- poll CDU – Arno Münster SPD: Sie können das nachlesen!)

Ich hätte mir von Ihnen auch mehr Inhaltliches gewünscht. Ich fand es gut, dass Herr Tjarks selbstkritisch war und noch einmal daran erinnert hat, dass Sie Ihre Ziele nicht erreicht haben, und deshalb möchte ich Sie trotzdem noch einmal an ein Kapitel der rot-grünen Klimageschichte erinnern. Das ist ein Kapitel, das Sie offensichtlich gern verdrängen. Sie haben im Koalitionsvertrag 2015 festgehalten, dass Sie bis 2020 den Beitrag zum nationalen Klimaziel von 40 Prozent CO2-Reduktion leisten und diese Anstrengungen verstärken möchten. Dieses Ziel haben Sie leider schnell aufgegeben, das hat Herr Tjarks auch selbstkritisch erwähnt. Dieses Ziel haben Sie dann vergessen. Und ich weiß, warum Sie es schnell aufgegeben haben. Weil Sie nämlich gemerkt haben, dass mit Ihrer schwachen und ambitionslosen Klimapolitik dieses Ziel überhaupt nicht zu erreichen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb finde ich es wirklich verwunderlich, dass gestern Bürgermeister Tschentscher in seiner

Pressemitteilung gesagt hat, Hamburg habe viel erreicht. Herr Tschentscher, ein Blick auf die Klimaziele in Ihrem Koalitionsvertrag und in Ihrem Klimaplan von 2015 zeigt, dass eine selbstkritische Haltung angemessen wäre. Dass Sie sich heute vor dem Hintergrund Ihrer schwachen Klimapolitik noch auf die Schulter klopfen, ist wirklich selbstgefällig.

(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Rose SPD: Was wollt ihr denn machen?)

Schauen wir uns doch, Herr Rose, schauen Sie sich einmal die CO2-Bilanz an.

Daraus wird doch Folgendes deutlich: Fangen wir einmal an beim Sektor Verkehr. Der Sektor Verkehr hat seine Einsparverpflichtungen nicht erbracht. Das müssen Sie jetzt einmal akzeptieren. Die CO2-Emission nahm hier zwischen 2016 und 2017 um circa 2 Prozent zu, beim Flugverkehr sogar um mehr als 6 Prozent. Der Flugverkehr emittiert im Vergleich zum Basisjahr 1990 sogar fast 40 Prozent mehr CO2. Ich sehe nicht, warum Sie sich hier stolz auf die eigene Schulter klopfen.

(Wolfgang Rose SPD: Was wollt ihr ma- chen?)

Statt der erforderlichen 7 Millionen Tonnen CO2 hat Hamburg bis zum Jahr 2017 erst 4,3 Millionen Tonnen im Vergleich zum Basisjahr 1990 eingespart.

Also, vor dem Hintergrund dieser Zahlen müsste doch der erste Schritt dieser Regierung sein, ihre eigene Bilanz kritisch aufzuarbeiten und auf Grundlage dieser selbstkritischen Aufarbeitung Maßnahmen zu entwickeln. Wie sollen denn die Bürgerinnen und Bürger dieser Regulierung glauben, die ihre eigene mangelhafte Bilanz doch noch nicht einmal selbstkritisch aufarbeitet, wie sollen sie einer Regierung glauben, die kurz vor Ende der Legislaturperiode einen Plan vorlegt, der Maßnahmen beinhaltet, die vage oder unkonkret sind?

(Farid Müller GRÜNE: Das ist teilweise schon sehr konkret!)

Warum kann diese Regierung nicht erklären, woran ihre Klimaziele von 2015 eigentlich gescheitert sind? Und jetzt einfach neue, kräftige Ziele für 2030 zu definieren ohne selbstkritische Fehleranalyse, überzeugt uns nicht und die Menschen da draußen auch nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Interessante ist doch, Herr Bürgermeister, dass Sie gestern auf der Landespressekonferenz noch nicht einmal die Frage beantworten konnten – vielleicht kann Herr Rose sie beantworten –, warum der Anteil des Sektors Industrie im Vergleich zu den anderen Sektoren so gering ausfällt. Ich kann Ihnen die Frage beantworten. Sie verschonen nämlich die Industrie. Die wesentlichen

Einsparmaßnahmen werden in diesem Bereich durch die Bundesmaßnahmen erreicht, das können Sie auch an dieser Tabelle sehen, und diese sind in der Hoffnung auf einen besseren Energiemix aufgestellt und mit keinen konkreten Maßnahmen unterlegt. Die wirklich komplizierten und mit Anstrengungen zu schaffenden Hamburger Maßnahmen treffen private Haushalte, treffen auch den Sektor Gewerbe, Handel, Dienstleistung und den Sektor Verkehr, aber nur zu 13,7 Prozent die Industrie, obwohl die Industrie größter Emittent von CO2 unter den vier Sektoren ist. Wem machen Sie denn eigentlich hier etwas vor?

Die anderen Zahlen machen es doch auch noch einmal deutlich. Unter der Spalte anteilige Einsparung durch Hamburger Maßnahmen der Emission 2017/2030 können wir das auch noch einmal deutlich sehen. Sektor private Haushalte: minus 30,5 Prozent. Sektor Gewerbe, Dienstleistung und Handel: minus 35,6 Prozent. Sektor Verkehr: minus 25,9 Prozent. Sektor Industrie: minus 12,4 Prozent.

Wir kommen nicht weiter, wenn weiterhin die Industrie verschont wird, wir kommen nicht weiter, wenn Sie weiterhin vor der Industrie kuschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Gerade der Sektor Industrie hat bis jetzt am wenigsten zur CO2-Einsparung beigetragen, und Grund dafür ist unter anderem, und das ist eine berechtigte Kritik auch des BUND, dass die Freiwilligkeitsvereinbarungen zwischen Stadt und 15 großen Industrieunternehmen nicht ambitioniert genug waren. Es braucht hier klare Vorgaben, es braucht hier auch klare Bestimmungen, das zeigt die Bilanz der kleinen ökologischen Veränderungen wie das FCKW-Verbot oder das Beispiel Katalysator in der Vergangenheit.

Man muss dazu sagen, verbal ist Rot-Grün das Thema Klima wichtig, aber real nur unzureichend. Das hat Herr Kienscherf mit seiner Rede eben deutlich gemacht. Real ist nämlich der CO2-Ausstoß im Verkehrsbereich weiter angestiegen, von knapp 4,3 Millionen Tonnen im Jahr 2011 auf gut 4,6 Millionen Tonnen im Jahr 2017.

Herr Tschentscher, meinten Sie das, als Sie gestern sagten, Sie hätten viel erreicht? Ein solcher Anstieg des CO2-Ausstoßes ist wirklich das Letzte, was diese Stadt noch braucht.

(Beifall bei der LINKEN)

Die ernst zu nehmenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sagen immer wieder, dass der motorisierte Autoverkehr sofort reduziert werden muss, dass wir da keine Zeit zu verlieren haben, aber Sie setzen treuherzig weiterhin darauf, dass die Autofahrenden von selbst auf Bus und Bahn, auf Fuß und Rad umsteigen,

(Dr. Monika Schaal SPD: Wie wollen Sie es denn machen?)

wenn in ein paar Jahren beziehungsweise einem Jahrzehnt das Angebot dann endlich ausgebaut ist. Wir haben diese Zeit nicht. Und wer jetzt nicht bereit ist, den Autoverkehr einzuschränken, wird keine Verkehrswende geschweige denn eine Klimawende für Hamburg hinbekommen.

(Beifall bei der LINKEN)