Protocol of the Session on November 6, 2019

Als nächste Rednerin hat sich Frau Senatorin Dr. Melanie Leonhard für den Senat gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben hier gerade minutenlang erlebt, wie in unserem Land der Meinungskorridor für das Sagbare genau nicht eingeschränkt ist.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der LINKEN und der FDP)

Im Gegenteil, wie er ausgedehnt wird und unter der Überschrift der Meinungsfreiheit gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Diskriminierung, Diskreditierung bemäntelt und wie wirklich schlimmen Sachen hier an dieser Stelle das Wort geredet wurde.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Wolfhard Ploog CDU, Deniz Celik DIE LIN- KE und Carl-Edgar Jarchow FDP)

Das bezog sich nicht nur auf den letzten Redebeitrag, sondern auch auf den vorletzten, der neben der Minute zu dem eigentlichen Thema im Wesentlichen enthalten hat, dass man sich selbst als ein Opfer der gesamtdeutschen Debatte zum entschiedenen Zurückdrängen von Rechtsextremismus betrachtet.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und ver- einzelt bei der CDU und der FDP)

Der entschiedene Kampf gegen Rechtsextremismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Diskriminierung und Antisemitismus ist nicht nur durch die aktuellen Anlässe in Halle und die Ermordung von Walter Lübcke entschiedener als je zuvor zu führen, sondern er ist eine Daueraufgabe – leider eine Daueraufgabe – in unserer Gesellschaft. Deswegen hat sich der Senat bereits 2013 mit der ersten Auflage des Landesprogramms "Hamburg – Stadt mit Courage" auf den Weg gemacht und legt jetzt die Fortschreibung desselben vor.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir folgen dabei der Strategie – das ist hier schon vielfach angeklungen und gewürdigt worden –, das gesamte Thema nicht nur auf der Basis von Strafverfolgung des organisierten Rechtsextremismus,

(Dr. Ludwig Flocken)

begangener Straftaten, natürlich auch Hasskriminalität im Internet, anzugehen, sondern vor allen Dingen durch einen lebensweltlichen Ansatz, Prävention in vielen Bereichen, Zusammenarbeit im Netzwerk und vor allen Dingen auch das Einbeziehen der Perspektive derjenigen, die von Diskriminierung betroffen sind. In diesen Tagen ist nichts wichtiger, als diese Perspektive möglichst viel und an vielen Stellen einzubeziehen. In diesem Lichte, finde ich, sollten wir auch die vorgelegten Anträge im Ausschuss diskutieren, debattieren und nachher zur Ausführung bringen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und ver- einzelt bei der CDU und der FDP)

Denn die Erfahrungen aus unserer Beratungsstelle empower, die Beratung für Betroffene rassistischer und antisemitischer Gewalt anbietet, die Erfahrung unserer Beratungsstelle amira, wo es um individuelle Beratung von Diskriminierung geht, zeigen, dass rechtsextremistische Diskriminierung, Antisemitismus, gruppenbezogene Unmenschlichkeit in Worten und Taten viel mehr Eingang in unsere Gesellschaft gefunden haben, als uns lieb sein kann. Wer davon nicht betroffen ist, hat kaum eine Vorstellung von dem Ausmaß, wie sehr das das Leben beeinflussen kann. Deswegen finde ich es, wenn sich die Fraktionen auf den Weg machen, richtig, bei der Frage, wie man zum Beispiel jüdisches Leben in unserer Stadt fördern und ihm den Platz bieten kann, den es braucht und den wir wollen, auch die Positionen der jüdischen Gemeinden einzubeziehen. Genau um die muss es gehen. Wir müssen nicht über die Menschen, sondern mit ihnen reden; das gilt auch für die Konzeption der Position des Beauftragten an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und ver- einzelt bei der CDU und der FDP – Vizeprä- sidentin Barbara Duden übernimmt den Vor- sitz.)

Denn sie sind es, die unter Alltagsdiskriminierung leiden, die wir uns kaum vorstellen können, die wir nie erleben, weil wir nicht betroffen sind. Und ein handlungsleitender Vorschlag zum Schluss: Wir werden noch einen auswertenden Dialog im Ausschuss führen. Wir hatten sehr gute, sehr fachkundige Teilnehmer bei dem Fachtag – zu dem wir übrigens alle Fraktionen eingeladen hatten –, den wir in diesem Sommer gemeinsam mit den jüdischen Gemeinden vorbereitet hatten. Deswegen glaube ich, dass ein handlungsleitender Hinweis zum Schluss auch noch einmal an die AfD-Fraktion an dieser Stelle nötig ist. Sie selbst können extrem viel gegen Hass im Netz tun. Schauen Sie sich Ihre eigenen Webseiten an, machen Sie den ersten Schritt, löschen Sie all die diskriminierenden Beiträge über Mitglieder dieses Hauses, Menschen in dieser Stadt und alle anderen.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN, der LINKEN und der FDP)

Das Wort bekommt Herr Abaci von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Einen Aspekt möchte ich noch einmal erwähnen. Neben Antisemitismus und Rassismus ist auch Hass auf Frauen ein verbindendes Element in der Gedankenwelt von Rechtsextremen.

(Dr. Alexander Wolf AfD: So ein Unsinn!)

Auch der Täter von Halle war frauenfeindlich. Im Video, das ins Netz gestellt worden ist, ist enthalten, Feminismus sei schuld an der sinkenden Geburtenrate im Westen, die die Ursache für die Massenmigration sei, und die Wurzel dieser Probleme sei der Jude. Also verbindendes Element ist Frauenfeindlichkeit, auch Hass auf Ausländer und Antisemitismus sind verbindendes Element bei den Rechtsextremen. In der Rede von Herrn Nockemann ist es mir noch einmal klar geworden. Wir beraten heute über die Drucksache gegen rechts. In diesem Zusammenhang das Thema Muslime, das Thema Linksextreme mit dem rechten Terror gleichzusetzen ist eine Relativierung von Rechtsextremen.

(Beifall bei der SPD)

Die Rechtsextremen haben seit 1990 über 200 Menschen in diesem Lande getötet. Diese Verharmlosung kann so überhaupt nicht stehenbleiben.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und ver- einzelt bei der CDU)

Die Hauptquelle ist Rechtsextremismus, aber Antisemitismus, ob muslimisch oder links geprägt, kann in dieser Stadt keinen Platz haben. Deshalb werden wir die Anträge im Sozialausschuss gemeinsam diskutieren, beraten, wobei es darum geht, gemeinsam eine konzeptionelle Grundlage zu entwickeln, auch zusammen mit den jüdischen Einrichtungen, deren Meinung in diesem Zusammenhang wichtig ist, und gemeinsam mit ihnen zu schauen, welche Maßnahmen wir benötigen und was die jüdischen Einrichtungen wollen. Es geht doch darum, nicht über deren Köpfe hinweg, sondern es gemeinsam mit ihnen zu entwickeln. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LIN- KEN, der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Demirel von der GRÜNEN Fraktion.

(Senatorin Dr. Melanie Leonhard)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Anträge, die wir heute diskutieren, haben eines gemeinsam: Sie betonen etwas, das eigentlich selbstverständlich ist, das man aber gerade in der heutigen Zeit nicht oft genug sagen kann: Das jüdische Leben gehört untrennbar zu unserer Gesellschaft.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Deshalb ist Antisemitismus nicht nur ein Angriff auf das jüdische Leben, sondern auch ein Angriff auf uns und auf unsere Demokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

In einer Zeit, in der die Grenzen des Sagbaren verschwinden und in der die rechtsextremen und antisemitischen Einstellungen wieder salonfähig werden und salonfähig gemacht werden, dürfen wir Demokratinnen und Demokraten uns nicht auseinanderdividieren lassen. Gerade in Zeiten von Hetze und Hass und sogar Morddrohungen und Morden müssen wir Mut haben. Wir müssen den Mut haben, für unsere offene Gesellschaft, unsere Demokratie und unsere Freiheit zu kämpfen und uns dafür einzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Und wir müssen den Mut haben, denjenigen die Grenzen aufzuzeigen, die Extremismus und Gewalt den Boden bereiten.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Umso mehr freut es mich, dass die vorliegenden Anträge der demokratischen Fraktionen in der Hamburgischen Bürgerschaft allesamt in eine Richtung zeigen. Wir sind uns offensichtlich darin einig, dass wir das Amt einer oder eines Antisemitismusbeauftragten einrichten sollten, dass wir die relevanten Akteure in diesem Feld besser vernetzen, dass wir unsere Anstrengungen in den Bereichen Sicherheit, Prävention und Beratung überprüfen und, wo nötig, auch nachbessern. Hinzu kommen weitere konstruktive Anträge, die wir im Sozialausschuss weiter diskutieren werden.

Natürlich freue ich mich außerdem auch darüber, dass ebenso weitgehende Einigkeit darin besteht, dass das jüdische Leben in Hamburg sichtbarer werden muss, dass wir über das jüdische Leben nicht nur im Kontext antisemitischer Anschläge oder Vorfälle sprechen, sondern auch endlich einmal in einem ausschließlich positiven Kontext.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der SPD und bei Christiane Schneider DIE LIN- KE)

Daher ist es toll, dass die von Landesrabbiner Bistritzky und auch von meinem Kollegen Herrn Tjarks initiierte Debatte über einen Neubau der

Synagoge am Bornplatz die Aufmerksamkeit bekommen hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Seit über 40 Jahren sind Jüdinnen und Juden ein Teil der Hamburger Gesellschaft. Sie haben die Entwicklung der Hansestadt geprägt, verändert und neu definiert. Ich denke, es ist unsere historische Verantwortung, dafür zu sorgen, dass das jüdische Leben in Hamburg sichtbarer wird. Das schulden wir den Millionen Opfern des Nationalsozialismus 75 Jahre nach der Shoah und gerade einige Tage vor dem 9. November, der Pogromnacht.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das kann natürlich das Geschehene nicht rückgängig machen, aber es kann dazu beitragen, nicht zu vergessen. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und ver- einzelt bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Wolf von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrtes Präsidium, meine Damen und Herren! Zum Thema Antisemitismus und dem Engagement der AfD-Fraktion für jüdisches Leben in Hamburg und für Israel habe ich mich vor zwei Wochen ausführlich geäußert, das brauche ich heute nicht zu wiederholen. Daher heute zum Landesprogramm "Hamburg – Stadt mit Courage", Kampf gegen Rechtsextremismus, wie es angemeldet wurde. Ich bekräftige noch einmal im Namen meiner Fraktion, dass auch wir die erhöhte Bedrohungslage im Bereich des Rechtsextremismus sehr ernst nehmen und dass insbesondere die Überwachung rechtsextremistischer Gefährder lückenlos sichergestellt sein muss.

(Beifall bei Dirk Nockemann AfD – Zurufe von der LINKEN)

Dazu mahnen eindringlich die jüngsten Verbrechen gegen den Regierungspräsidenten Lübcke und der antisemitisch motivierte Anschlag von Halle. Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus muss entschieden bekämpft werden.

(Glocke)