Protocol of the Session on June 19, 2019

(Sylvia Wowretzko SPD: Hätten Sie man ge- baut!)

Dann ist in dem Antrag wieder die alte Leier mit der Abschaffung der Sanktionen zu finden. Das Prinzip des Förderns und Forderns findet in dem Antrag nicht einmal Erwähnung, ebenso wenig verraten Sie, welche Instrumente Sie den Mitarbeitern in den Jobcentern stattdessen anheimstellen wollen, wie sie den Kunden begegnen sollen, die jegliche Form der Zusammenarbeit verweigern. Da kann es durchaus sinnvoll sein, wenn schon in den gängigsten Fremdsprachen informiert werden soll, nicht nur über Rechte, so wie in dem Antrag gewünscht, sondern auch über die Pflichten zu informieren.

Gleichwohl entbindet all diese Kritik an dem Antrag den rot-grünen Senat nicht von der Pflicht zu prüfen, ob die Personalausstattung in den Jobcentern angesichts der Arbeitsbelastung der Mitarbeiter ausreichend ist, woran wir unsere Zweifel haben. Hier werden wir den Senat nicht aus seiner Pflicht entlassen.

(Beifall bei der CDU)

Die antragstellende Fraktion wirft der SPD einen weiten Interpretationsspielraum vor. Doch der vorgelegte Antrag selbst – erlauben Sie mir diese Bemerkung noch am Schluss – strotzt nur so vor schwammigen Begriffen und Allgemeinschauplätzen. Vom zeitgemäßen Niveau über Maßnahmen zur Begrenzung der Miethöhen bis hin zur großzügigen Anerkennung von wichtigen Gründen bei den Meldeversäumnissen ist da die Rede. Um diese Begrifflichkeiten mit Leben zu füllen und Ant

(Jens-Peter Schwieger)

worten auf die wichtigen Fragen zur Finanzierung der vorgeschlagenen Maßnahmen zu erhalten, stimmen wir dennoch der Überweisung an den Ausschuss zu, zumal auch wir der Ansicht sind, dass unser sehr guter Sozialstaat dennoch kleine Lücken enthält, die es zu schließen gilt, sodass wir immer wieder aufs Neue darüber diskutieren müssen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Rath. – Das Wort erhält jetzt Frau Engels für die GRÜNE Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass die Diskussion über Hartz IV wieder deutlich stärker geführt wird. Als GRÜNE sprechen wir uns schon seit Langem für die Anhebung der Regelsätze aus. Diese müssen ein würdevolles Leben finanziell absichern können. Die derzeitigen Regelsätze sind aber künstlich kleingerechnet und nicht in der Lage, dieses zu garantieren. Dies führt dazu, dass der Bezug von SGB II nicht ausreicht, um vor Armut zu schützen. Wir halten es außerdem für falsch, ein definiertes Existenzminimum zu kürzen. Unter anderem deswegen setzen wir uns für die Abschaffung von Sanktionen ein.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dr. Carola Ensslen DIE LINKE)

Jobcenter sollen stärker zu Dienstleistern der Arbeitssuchenden werden und kooperativ mit ihnen zusammenarbeiten. Deswegen wollen wir die Rechte von Leistungsberechtigten stärken und setzen in der Grundsicherung nicht auf Sanktionen, sondern auf Motivation, Anerkennung und Beratung. Wir wollen, dass die Arbeitsvermittlerinnen und -vermittler und die Arbeitssuchenden ihren Fokus auf die Arbeitsvermittlung legen können. Arbeitslose sollen passgenau darin unterstützt werden, einen neuen Job zu finden, etwa durch Weiterbildung, Sprachförderung, Sozialberatung, Eingliederungs- oder Gründungszuschüsse. Außerdem wollen wir auch, dass alle Menschen von ihrer Arbeit armutsfest leben können – so wären wir wieder beim Thema der Aktuellen Stunde –, sodass aufstockende Leistungen der Vergangenheit angehören. Für all das haben wir GRÜNE Lösungsvorschläge, die wir im Bund momentan aber leider nun einmal nicht umsetzen können. Deswegen ist es auch richtig, sich anzuschauen, was wir in Hamburg regeln können und wie wir das Leben der Menschen im Hartz-IV-Bezug in Hamburg verbessern können.

DIE LINKE hat dazu einen sehr ausführlichen Antrag vorgelegt, der sehr kleinteilig Vorschläge zur Verbesserung der Fachanweisungen und Regularien und zu anderen Aspekten enthält. Um die Punkte angemessen fachlich zu diskutieren, wer

den wir den Antrag an den Sozialausschuss überweisen. Denn dort können wir uns dann die gesamte Bandbreite des Antrags ansehen, teilweise werden Punkte nämlich auch schon umgesetzt.

Insgesamt möchte ich betonen, dass Hamburg teilweise bereits eine eher liberale Regelungspraxis hat, zum Beispiel durch großzügige KDU-Angemessenheitsgrenzen und vor allem durch einige Ausnahmen, die eine Überschreitung ermöglichen. Aktuell ist es auch so, dass Überschreitungen der Angemessenheitsgrenzen um weniger als 20 Prozent nicht zu einem Kostensenkungsverfahren führen, um die Nachfrage nach preisgünstigem Wohnraum dadurch nicht auch noch anzukurbeln.

Wie Sie wissen, prüfen wir im Ausschuss ebenfalls – dort haben wir letztens das Petitum beschlossen –, inwiefern die Grundsicherung im Alter in Hamburg aus Landesmitteln aufgestockt werden könnte. Wir haben einen Antrag gegen Energiearmut eingebracht, sodass Strom- und Gassperren künftig besser verhindert werden können.

Es ist also nicht so, dass wir auf Landesebene untätig sind. Ich finde es aber richtig, sich damit zu beschäftigen, welche Maßnahmen darüber hinaus in Hamburger Verantwortung liegen und wie wir das Leben von SGB-II-Beziehenden verbessern können. Deshalb lassen Sie uns gern auch über mögliche Bundesratsinitiativen beraten. Hier leuchtet nicht nur das Thema der Regelsätze ein, sondern auch die Forderung nach einer aufschiebenden Wirkung bei Widersprüchen und Anfechtungsklagen. Ich hoffe, dass die derzeitige Reformdiskussion auch im Bund genutzt wird, um einige Verbesserungen oder hoffentlich bald eine umfassende Reform zu erzielen. Denn eines muss klar sein: Die Verantwortung für existenzsichernde Regelsätze und gute gesetzliche Rahmenbedingungen für die Arbeitsvermittlung hat der Bund. Aus dieser Verantwortung sollten wir ihn nicht entlassen.

Denn so frustrierend es auch manchmal sein mag, Armutsbekämpfung geht nur im und mit dem Bund. Hamburg kann vor allem Armutsfolgen lindern und abfedern. Dazu sind wir natürlich bereit und tun es an vielen Stellen; das zeigt sich an den zahlreichen freiwilligen Leistungen. Starke Kommunen, starke Quartiere und eine gute Sozialpolitik aus dem Bund, diese Kombi brauchen wir, um Armut nachhaltig zu bekämpfen und den sozialen Zusammenhalt sowie die sozialen Rechte eines jeden Einzelnen zu stärken. Ich freue mich daher auf die weitere Diskussion im Ausschuss. – Danke sehr.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Engels. – Als Nächste erhält jetzt das Wort Frau Nicolaysen für die FDP-Fraktion.

(Franziska Rath)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! "Sozialstaat 2019" betitelt DIE LINKE ihren umfangreichen Forderungskatalog, welcher nach ihrem Wunsch noch dieses Jahr umgesetzt werden soll.

(Beifall bei Mehmet Yildiz DIE LINKE)

Der Sozialstaat in Deutschland hat im Allgemeinen zwei Seiten. Zum einen werden wir weltweit für unseren Sozial- und Wohlfahrtsstaat und für all die sozialen Errungenschaften beneidet, auf der anderen Seite ist unser Sozialstaat auch Teil einer gewaltigen Umverteilungsmaschine. Über 40 Prozent aller bundesweiten Steuereinnahmen werden Jahr für Jahr für Soziales ausgegeben.

(Wolfgang Rose SPD: Das ist aber schlimm!)

Um dieses Geld zu erwirtschaften, müssen die deutschen Arbeitnehmer lange und hart arbeiten. Viele sind gern bereit zu helfen, aber in der Diskussion über immer mehr soziale Wohltaten dürfen wir doch gerade diese Menschen, die all das ermöglichen, nicht vergessen.

(Wolfgang Rose SPD: Unglaublich!)

Allein für die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende, im Volksmund Hartz IV genannt, werden jährlich Bundesmittel in Höhe von 37 Milliarden Euro bereitgestellt, davon allein 5,4 Milliarden Euro für Verwaltungskosten. Daher begrüßen wir jeden sinnvollen Vorschlag zur Reduzierung der Verwaltungsbürokratie.

(Beifall bei der FDP)

Dort, wo Regelungen einfacher und klarer gestaltet werden sollen, sind wir gern dabei. Oft ist es doch so, dass Menschen mit transparenten Pauschalen mehr geholfen ist als mit vermeintlicher Einzelfallgerechtigkeit. Dort, wo Regelungen lebensfremd sind und zu unnötigen Problemen führen, sind Anpassungen dieser durchaus geboten. Allerdings kann die Lösung in vielen anderen Bereichen nicht einfach darin liegen, mehr Geld für einzelne Leistungen bereitzustellen.

Grundsätzlich müssen wir uns fragen, ob wir am Grundkonzept des Förderns und Forderns festhalten wollen, oder aber nicht einfach eine zusammengefasste Leistung nach wenigen Kriterien oder sogar bedingungslos auszahlen wollen. Je weniger Bedingungen, umso weniger Verwaltungskosten.

Allerdings könnte auch bei vielen Menschen, die heute noch bereit sind, einen hohen Teil ihrer Arbeitsleistung abzugeben, die Bereitschaft dazu sinken. Es bietet sich an, hier auf jeden Fall schrittweise vorzugehen. Eine Zusammenfassung von Leistungen und stärkere Pauschalierung führen zu Vereinfachung, höherer Transparenz und auch Effizienz. Das steigert die Akzeptanz in der Bevölkerung und senkt die Verwaltungskosten. Und das

Beste ist: Ein solches Konzept gibt es tatsächlich schon. Es ist unser Konzept des liberalen Bürgergeldes,

(Beifall bei der FDP)

des liberalen Bürgergeldes, das weise Köpfe schon Anfang der Neunzigerjahre entwickelt haben. Vielleicht haben Sie davon schon einmal gehört.

Wir wissen alle, dass die Mühlen des politischen Geschäfts sehr langsam mahlen. Umso ambitionierter ist es, den umfangreichen Forderungskatalog der LINKEN noch dieses Jahr umsetzen zu wollen. Lassen Sie uns doch erst einmal damit anfangen, die Verwaltungsbürokratie durch Vereinfachung und zusammengefasste Pauschalen zu reduzieren. Dann entstehen auch finanzielle Spielräume, um an der einen oder anderen Stelle nachzusteuern, Stichwort Gegenfinanzierung. Damit sind wir wieder bei dem leidigen Grundfehler der meisten Ihrer Anträge, liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN. Ohne einen seriösen Gegenfinanzierungsvorschlag in Ihrem Antrag werden wir diesem prinzipiell nicht zustimmen. Vieles, was vielleicht gut gemeint ist, ist ohne Gegenfinanzierungsvorschlag einfach schlecht gemacht. Vielleicht beim nächsten Mal. Es liegt bei Ihnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Nicolaysen. – Das Wort erhält jetzt Herr Feineis für die AfD-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab: SGB II ist europaweit eine der am besten ausgearbeiteten Grundsicherungen, denn es geht nicht nur um Regelleistungen und Geld für Kosten der Unterkunft, sondern auch um Milliarden Euro für Umschulungen, Qualifizierungen. Das heißt aber nicht, dass das SGB II nicht kritisch betrachtet werden muss. Es muss mit Sicherheit evaluiert werden, um die krassen Fehlentwicklungen in diesem System zu verändern.

Ich will auf den Antrag der LINKEN zurückkommen und auf einige Forderungen eingehen. Ich persönlich bin der Meinung, dass die Jobcenter in Hamburg nicht so schlecht sind, wie der Antrag es vermuten lässt, und ich will einige Forderungen entkräften.

Beispiel Bearbeitungszeit: Es ist schon seit einiger Zeit in den Jobcentern so, dass nach Antragstellung die ersten Gespräche mit der Arbeitsvermittlerin oder dem Arbeitsvermittler innerhalb von 15 Tagen über die Bühne gehen müssen. In dieser Zeit werden dann auch die Leistungsanträge bearbeitet. Weiterbewilligungsanträge können innerhalb von drei Tagen bearbeitet werden, wenn alle Unterlagen vorliegen, und das ist oftmals das Pro

blem. Es muss also nicht monatelang gewartet werden, bis irgendwann ein Brief vom Jobcenter kommt.

Die Erreichbarkeit per E-Mail: Jeder Standort hat ein Teampostfach, die eingehenden Mails werden von der E-Zone zu den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern, zu den Vermittlerinnen oder Vermittlern verteilt. Die Sozialkarte wird, wie Sie gefordert haben, schon dann ausgehändigt, wenn die Leistungsempfängerin oder der Leistungsempfänger im Jobcenter nachweisen kann, dass sie/er einen Minijob hat oder in einem Teilzeitjob arbeitet, um dann immer noch Aufstockung zu beziehen.

Meine Frage ist nur: Warum wollen Sie die Verantwortungsgemeinschaften oder besser formuliert die Bedarfsgemeinschaften abschaffen? Und warum sollen Hausbesuche wegfallen und Kontoauszüge geschwärzt werden? Haben Ihre Forderungen das Ziel, Hartz-IV-Empfänger zu Opfern zu stilisieren und den Leistungsgeber zum Täter zu machen? Anders kann ich mir das gar nicht vorstellen. Sollen hier Feindbilder geschaffen werden? Ich weiß es nicht. Aber durch diese immer wiederkehrende Forderung, die Sanktionen abzuschaffen, zwingen Sie den Steuerzahler, auch diejenigen zu finanzieren, die ihren Lebensunterhalt, aus welchen Gründen auch immer, nicht selbst bestreiten wollen.

Wer morgens nicht aus dem Bett kommt oder den Termin wegen Schwarzarbeit nicht wahrnimmt oder weil er sich vielleicht sogar im Ausland aufhält, muss selbstverständlich mit Kürzungen rechnen. Wer zumutbare Arbeiten oder Arbeitsmöglichkeiten ablehnt oder zu wenige Bewerbungen schreibt, sollte das auch in seinem Portemonnaie spüren. Harz IV ist kein Freibrief, sich den Lebensunterhalt dauerhaft und ohne Gegenleistung von anderen finanzieren zu lassen. Es gilt immer noch Fordern und Fördern. Das hat schon der SPD-Altkanzler Schröder im Vorfeld der Hartz-Reformen gesagt. Von der Leyen hat im Arbeitsagenturablauf sehr stark umgesetzt, mit den Arbeitsunwilligen eine andere Gangart einzuschlagen.

Das SGB II steckt, wie nirgends sonst auf der Welt, voller wahrer Chancen für jeden, der sein Leben nach Arbeitslosigkeit wieder in den Griff bekommen möchte. Wohlgemerkt, es muss evaluiert werden, es muss nachgedacht werden, was zu verbessern ist, was zu ergänzen ist, was durchgestrichen werden muss. Nur, ohne Sanktionen scheint es nicht zu gehen, denn es ist nachweisbar so, dass sanktionierte Leistungshilfeempfänger wesentlich schneller in Arbeit kommen als nicht sanktionierte. Und das lässt mich immer darüber nachdenken, warum das so ist.

Dem Antrag stimmen wir nicht zu, aber wir wollen gern im Sozialausschuss weiterhin darüber diskutieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Feineis. – Frau Ensslen bekommt jetzt wie angekündigt die Chance, ihren Beitrag fortzusetzen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich begrüße es sehr, dass seitens der SPD und der GRÜNEN Schritte – das ist doch schon längst auf Bundesebene in der Diskussion – unternommen werden sollen, um die Bedingungen, unter denen Menschen in Hartz IV leben, zu verbessern. Was mich ein bisschen daran stört, ist Sozialstaat 2025, wie die SPD es nennt. Ich finde, das muss schneller gehen. Auf jeden Fall begrüßen wir jede Form von Verbesserungen. Das heißt aber nicht, dass auf Bundesebene nicht nach wie vor unsere Forderung gilt, sanktionsfreie Mindestsicherung statt Hartz IV.

(Beifall bei der LINKEN)