Protocol of the Session on August 27, 2014

(Beifall bei der SPD)

Selbst wenn man die Schadstoffmessungen betrachtet, die die Stadt an festgelegten Stellen regelmäßig durchführt, ergeben sich keine seriösen

(Dora Heyenn)

Anhaltspunkte für eine sozial-ökologische Schieflage. Lärm- und Luftbelastungen finden Sie nicht nur auf der Veddel, sondern auch auf der Elbchaussee. Umweltschutzanforderungen gelten unabhängig von der sozialen Lage und müssen überall erfüllt werden.

Im Rahmen des Wohnungsbauprogramms des Senats ist vorgesehen, den geförderten sozialen Wohnungsbau voranzutreiben. Unser Ziel ist es nach wie vor, 2000 Sozialwohnungen pro Jahr zu bauen, und dafür wurden seit 2011 jedes Jahr 2000 Förderungen erteilt. Mit Wohnungsbau, sozialer Stadtentwicklung und verschiedenen Instrumenten der Mietenpolitik sowie dem RISE-Programm oder der Sozialen Erhaltungsverordnung halten wir die Stadt zusammen und verhindern soziale Segregation. Hier konnte der SPD-Senat einiges aufholen, was seine Vorgänger versäumt hatten.

(Beifall bei der SPD)

Weil der Wohnungsbau in der Stadt generell nicht auf der grünen Wiese vonstattengehen soll, muss die Stadt verdichtet werden. Wir sagen, mehr Stadt in der Stadt, und das bringt für alle mit sich, unabhängig vom sozialen Status, dass man näher zusammenrücken muss. Der letzte Leitsatz des Programms für "Mehr Stadt in der Stadt" sagt, worum es dabei gehen muss, nämlich gemeinsam mit Transparenz, Dialogbereitschaft und kontinuierlichem Austausch mehr Lebensqualität in der Stadt für alle zu gewinnen. Das ist unsere Strategie für mehr Umweltgerechtigkeit.

Auch wenn wir die Forderungen der LINKEN aus ihrem Antrag kritisch sehen, wollen wir ihn gern vor dem Hintergrund unserer Umwelt- und Stadtentwicklungspolitik im Ausschuss diskutieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Stöver von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Beim Stichwort Umweltgerechtigkeit habe ich mich gefragt, ob es das wert ist, dass ein Parlament sich mit diesem Thema befasst. Ich habe festgestellt, dass dieser Begriff, wenn er bei Wikipedia auftaucht, und so, wie Sie es in Ihrer Prosa im Antrag geschrieben haben, für mich nicht ausreichend ist. Ich halte auch nichts von einer Befassung in der Bürgerschaft, wenn es den Kollegen von der LINKEN ausschließlich um ihr Lieblingsthema dabei geht, die Umverteilung von oben nach unten oder von Arm zu Reich voranzutreiben. Frau Heyenn, Sie lachen,

(Zuruf von Christiane Schneider DIE LINKE)

aber ich denke, das ist ganz wichtig. Ihr Statement hat mich ein bisschen daran erinnert, dass es vielleicht gut wäre, das anzusprechen, denn dieses Thema ist eigentlich zu ernst dafür.

(Beifall bei der CDU)

Dass diese Gleichmacherei und der überzogene Gerechtigkeitsanspruch auch fatal sein können, steht schon in der Bibel, das ist das salomonische Urteil. Das sollten Sie auch kennen, ich denke, das muss ich nicht weiter ausführen. Für die CDU steht fest, dass wir uns an dieser Gleichmacherei nicht beteiligen werden, denn wir stehen dafür, dass die Leistung des Einzelnen zählt und dass diese sich lohnen muss.

(Beifall bei der CDU)

Umweltgerechtigkeit in Deutschland ist kein unbekannter Begriff, deswegen möchte ich jetzt gern noch einmal auf das Thema kommen. Es wird bereits von mehreren Bundesländern – Frau Heyenn hat sie genannt, Nordrhein-Westfalen und Berlin – aufgegriffen. Auch die Bundesregierung hat dieses Thema aufgegriffen, wie das Umweltbundesamt deutlich macht. Das Projekt in Berlin wird durch das Umweltbundesamt gefördert, da ist ein Ansatz zu sehen. Die Frage ist, wie eine Befassung in Hamburg aussehen kann. Frau Dr. Schaal hat schon ihre Zweifel deutlich gemacht und ihre kritische Haltung dazu. Dennoch ist es schon richtig, dass wir uns mit dem Begriff und der Thematik Umweltgerechtigkeit befassen sollten, denn wie ist der Stand in Hamburg? Was wird bereits getan und sind diese Bemühungen ausreichend? Deshalb begrüße ich es, wie Frau Dr. Schaal schon angekündigt hat, dass wir dies im Umweltausschuss beraten werden.

Trotzdem habe ich Zweifel und Kritik der SPD bei Frau Dr. Schaal herausgehört. Ich habe sehr deutlich auf die Recherche von Frau Dr. Schaal gebaut, nämlich was Hamburg in der Vergangenheit getan hat und was der SPD-Senat getan hat; das möchte ich auch nicht noch einmal wiederholen.

Noch einmal zur LINKEN: Sie suggerieren mit Ihrem Antrag, dass Lärm- und Luftverschmutzung nur ein Problem der Armen wäre, während die Reichen davon völlig verschont seien.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Wo haben Sie das denn gelesen?)

— Das habe ich Ihren Worten entnommen.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Dann ha- ben Sie nicht richtig zugehört!)

Gut, dann provoziere ich ein bisschen, auch das darf ich von hier vorn tun.

Luftverschmutzung und Lärm machen vor Ländergrenzen, aber auch vor Stadtteilgrenzen nicht halt. Wenn Sie jetzt meinen, hiermit eine Gerechtigkeitslücke entdeckt zu haben, dann ist das nicht

(Dr. Monika Schaal)

ganz richtig, dann müsste man dahinter ein Fragezeichen setzen. Das als Ungerechtigkeit zu geißeln, ist einfach nur ein Teil der Ungleichheit, und in einer pluralistischen Gesellschaft gehört Ungleichheit, auch in Bezug auf Einkommen, Vermögen, Religion, Sprache und Lebensstil, nun einmal dazu.

Noch ein paar weitere Aspekte: Frau Dr. Schaal hat den "Sprung über die Elbe", den Wohnungsbau schon ausführlich besprochen. Liebe Kollegen, Sie sprechen in Ihrem Antrag unter anderem die Sorge vieler Menschen an, dass nach Fukushima vor allem die gewünschte Energiewende die Kosten des Einzelnen für die Energieversorgung in die Höhe treibe und dass die Energiewende sozial verträglich umgesetzt werden müsse. Diese Sorge ist natürlich berechtigt, und die Große Koalition in Berlin muss alles daransetzen, dass die Energiewende zum Wohle des Klimas und damit aller Menschen effektiv umgesetzt wird. Sie muss aber auch bezahlbar bleiben, und zwar für alle. Es ist stets die CDU gewesen, die in der Energiepolitik darauf gepocht hat, dass der Strom sicher, sauber und bezahlbar bleiben muss.

Meine Damen und Herren! Frau Dr. Schaal hat vielleicht bei der Recherche eines vergessen, nämlich dass die Verbesserungen im Umweltschutz seit Jahren auch schon bei der CDU im Fokus standen. Ich erinnere an dieser Stelle gern noch einmal an das Klimaschutzprogramm aus 2007, das damals darin wegweisend gewesen ist, wie man Klimaschutz und Energieeffizienz in den Köpfen der Menschen verankern kann. Dabei hat das Programm stets neben den zahlreichen klimapolitischen Facetten auch die sozialen Aspekte von Umweltschutz und Energieeffizienz berücksichtigt. Bei der Frage, wie der SPD-Senat dieses jetzt vorantreibt, ist die Opposition sich einig, dass der Senat im Moment zu wenig tut.

Die Forderung nach einem niedrigschwelligen Beratungsangebot ist meines Erachtens nahezu erfüllt. Aber wir werden das Ganze noch einmal im Ausschuss debattieren. Ich bin sehr gespannt, was die SPD dort anbietet,

(Arno Münster SPD: Alles, was wir haben!)

ob sie Gutachten oder einer Ist-Datenaufnahme zustimmt, denn das kostet auch Geld, und wir sind in den Haushaltsberatungen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Bill von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hamburg gilt traditionell als reiche Stadt. Die Wirtschaft steht zurzeit auch recht gut da und auch die Steuerergebnisse

sind erfreulich. Das wird immer gemessen an Steuereinnahmen und auch am Bruttoinlandsprodukt, und beide Werte steigen. Doch Hamburg, das zeigt diese Debatte und viele andere, ist auch eine Stadt der Gegensätze. In Hamburg ist die Schere zwischen Arm und Reich bekanntermaßen besonders groß. Den rund 42 000 Millionären steht rechnerisch jedem ein Kind gegenüber, das von Hartz IV lebt. Das alles ist seit Langem bekannt, und es verwundert daher auch nicht, dass beispielsweise gestern die "Frankfurter Rundschau" titelte, dass in Großstädten das Armutsrisiko besonders hoch sei.

Wir GRÜNE haben vor den Sommerferien den regionalen Wohlfahrtsindex für Hamburg vorgelegt. Der regionale Wohlfahrtsindex für Hamburg ist eine Berechnung, die den gesamtgesellschaftlichen Wohlstand wesentlich objektiver darstellt als nur auf das Bruttoinlandsprodukt gestützt. Es werden beispielsweise Faktoren wie Einkommensverteilung, aber auch Umweltfaktoren wie Kosten der Luftverschmutzung, der Verschmutzung von Wasser und Boden, auch Lärmbelastungen und die Wirkung von Biotopen und Grünflächen mit eingerechnet. In der Tat ist der daraus folgende Schluss, einmal zu betrachten, wie eigentlich diese verschiedenen Indikatoren zwischeneinander wirken. Wie wirken beispielsweise Umweltschäden und soziale Spaltung zueinander, wo sind soziale Spaltungen besonders hoch und wo sind Umweltschäden besonders hoch? Genau da sind wir bei dem Thema, das DIE LINKE durch einen Antrag eingebracht hat. Meiner Meinung nach geht dieser Antrag genau in die richtige Richtung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dora Hey- enn DIE LINKE)

Ich wundere mich schon ein bisschen, Frau Stöver, wenn Sie dann gleich sagen, das sei alles Gleichmacherei. In der ersten Phase geht es doch darum zu erkennen, ob es Zusammenhänge gibt. Die Gleichmacherei käme, wenn überhaupt, dann bei dem Punkt, was wir daraus lernen.

Liebe Frau Dr. Schaal, es wundert mich auch, dass Sie aus der Schublade die Generalrede holen, was die SPD zurzeit alles Gutes macht; wir diskutieren immer wieder einmal darüber. Ich hätte aber schon gehofft, dass Sie ein wenig auf das Thema eingehen. Nur am Rande angemerkt: Es gibt zwar eine ganze Abteilung in der BSU, die damit beschäftigt ist, die Luftqualität zu messen. Die entscheidende Frage ist jedoch, was wir machen, wenn die europäischen Grenzwerte gerissen werden. Das ist die entscheidende Frage, aber die Antwort bleiben Sie schuldig.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dora Hey- enn und Christiane Schneider, beide DIE LINKE)

(Birgit Stöver)

Ich nehme einmal das Beispiel mit dem Lärm. Man kann doch nicht wegdiskutieren, dass an den Einund Ausfallstraßen Hamburgs, die besonders lärmbelastet sind, viele Menschen mit geringerem Einkommen wohnen, weil diejenigen, die das Geld dafür haben, doch sofort wegziehen und sich eine ruhigere Straße suchen. Natürlich gibt es Leute, die viel Geld haben und vielleicht auch Lärm abbekommen, weil sie beispielsweise in Blankenese wohnen und Airbus über sie hinwegfliegt. Das ist aber nicht das Hauptproblem in Hamburg. Zurzeit diskutieren wir über Lärmbelastungen an Hauptverkehrsstraßen immer dahingehend, dass die Wirtschaftsbehörde Maßnahmen ergreifen müsse, ebenso die Umweltbehörde, aber eigentlich müsste auch die Sozialbehörde einmal hellhörig werden und sagen, dass wir uns in Hamburg dringend mit diesem Problem beschäftigen müssten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dora Hey- enn und Christiane Schneider, beide DIE LINKE)

Gleichzeitig darf man auch nicht vergessen – das haben Sie, Frau Dr. Schaal, auch gesagt –, dass in Gebiete, die beispielsweise von Gentrifizierung betroffen sind oder schon gentrifiziert sind, Menschen ziehen, die sehr solvent sind und andere mit geringem Einkommen in andere Stadtteile oder an die Stadtgrenzen verdrängen. Aber trotzdem ist in diesen Quartieren wahrscheinlich die Luftbelastung enorm hoch, weil sie so verdichtet sind. Auch das wäre interessant untersucht zu werden. Das zeigt auch, wie vielschichtig dieses Thema ist und wie richtig es ist, das einmal im Umweltausschuss zu debattieren.

Wir mit dem Wohlfahrtsindex für Hamburg und Sie mit Ihrem Antrag sind nicht die Ersten, die dieses Thema erkannt haben, auch die Wissenschaft hat sich des Problems angenommen. Es gibt seit Kurzem an der Universität Hamburg Projekte, die dieses Thema wissenschaftlich aufarbeiten, und auch das Umweltbundesamt hat Forschungsergebnisse vorgelegt. Deswegen finde ich die Überweisung an den Umweltausschuss sehr richtig. Ich hoffe, dass wir uns da ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen, dass wir auf der Forschung aufbauen und schauen, welche Faktoren wir für Hamburg erheben können und welche wir vielleicht sogar noch neu erfassen müssen und was wir daraus schließen. Wir können das dann beispielsweise in die Stadtplanung mit implementieren, in RISE-Projekte, aber zum Beispiel auch in den Masterplan Klimaschutz. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Dr. Duwe von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Antrag

zeigt, dass man diesem Senat sehr viel Arbeit aufhalsen will, die er eigentlich nicht machen sollte, denn es ist nicht Herrenaufgabe des Senats, vor allen Dingen nicht der BSU, Forschungsaufgaben zu übernehmen. Das, was man in diesem Antrag liest, bedeutet eigentlich, dass der Senat bis zum 15. Januar einen Forschungsauftrag erteilen muss, an dem mindestens fünf Personen beteiligt sind. Dies ist meines Erachtens ein reiner Showantrag, um das wirklich zu schaffen, was dort gefordert wird, unabhängig davon, dass die Daten auch nicht vorliegen. Da kommt ein linker Antrag, auf dem hinten "Gerechtigkeit" steht und vorn "Umwelt". Dann packt man das einfach zusammen, und das ist der eigentliche Beweggrund, warum dieser Antrag gestellt wird.

Ich kann Ihnen nur sagen, dass es in der Wissenschaft strittig ist, wo die Zusammenhänge liegen. Es gibt einige Zusammenhänge zwischen niedrigem Einkommen und Umweltbelastung, aber das einfach 1:1 zu übernehmen, ist relativ unsinnig. Wir haben beispielsweise die Bürgerinitiativen aus dem Alstertal gehört, die sich über Fluglärm beschweren. Da kann ich keinen Zusammenhang mit Umweltgerechtigkeit herstellen; das ist sehr schwierig.

Kernaufgabe des Senats ist es natürlich, Umweltschäden zu vermeiden und für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Ich halte es für kontraproduktiv, diese beiden Sachen zu vermengen. Und angesichts der Personallage und der Finanzen ist es auch nicht die Kernaufgabe der BSU. Ich kann eigentlich nur mit Woody Allen sagen: Zwei Pferde kann man nicht mit einem Hintern reiten. – Vielen Dank.