Protocol of the Session on June 8, 2011

(Beifall bei der FDP)

Zusammenfassend möchte ich Sie nun auffordern, unserem Antrag zuzustimmen und so den Bürgermeister dazu aufzufordern, sich morgen in Berlin bei der Ministerpräsidentenkonferenz für Nachverhandlungen beim Glücksspielstaatsvertrag einzusetzen, die sich an den Regelungen, die die schwarz-gelbe Landesregierung in Kiel plant, orientieren. Sollte der Antrag an den Wirtschaftsausschuss überwiesen werden,

(Dirk Kienscherf SPD: Davon können Sie ausgehen!)

danke schön –, sprechen wir uns dafür aus, den Innenausschuss dazuzuladen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Dirk Kienscherf SPD: Das machen wir!)

Das Wort hat nun Herr Schmidt.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! In Beantwortung einer Anfrage der LINKEN gibt es eine ganz klare Ansage des Senats, dass im aktuellen Entwurf keine Netzsperren vorgesehen sind. In dem öffentlich bekannten Entwurf vom April, aus dem eben auch zitiert wurde, stehen diese noch drin; das ist korrekt. Mir bekannte Aussagen aus anderen Ländern bestätigen aber mittlerweile auch die Aussage des Senats. Zur Klärung dieses Sachverhalts ist es sicherlich richtig, das Ganze im Ausschuss zu besprechen, deswegen werden wir dieses auch beantragen.

Aus unserer Sicht sind Netzsperren kein geeigneter Weg zur Regulierung des Internets. Für den populistischen Vorstoß, Netzsperren zu implementieren, haftet Ursula von der Leyen bis heute das Etikett der "Zensursula" an. Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist wegen einer ähnlichen Debatte gescheitert und man sollte nicht den gleichen Fehler zum dritten Mal machen, sonst zweifeln die Bürger langsam an der Lernfähigkeit von Politik.

Olaf Scholz hat bei dem Online-JugendschutzSymposium – das Zitat wurde eben schon genannt – auch die Sinnhaftigkeit von Netzsperren klar verneint. Da hat er absolut recht und wir stimmen ihm vollkommen zu.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Ihnen geht es aber gar nicht um Netzsperren und Bürgerrechte. Wenn man sich den Antrag genau anschaut, dann zünden Sie hier eine Nebelkerze. Ihnen geht es um die komplette Liberalisierung des Glücksspielmarktes. Sie missbrauchen damit ein wichtiges Thema für niedere Zwecke und das ist schlichtweg nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen gemeinsam mit Schleswig-Holstein aus Norddeutschland eine Art Indianerreservat machen, in dem wie in Amerika das Glücksspiel komplett freigegeben ist. Ich stelle mir das vor: Peter Harry Carstensen ist dann der Häuptling, was Frau Suding dann ist, das überlassen wir unserer Fantasie. Wir sagen zu diesem Vorhaben Nein. Anscheinend sind wir der Sheriff, der in dieser Diskussion für Recht und Ordnung sorgen muss.

Eine Glücksspielkontrolle gibt es in Deutschland seit 50 Jahren. Sie dient der Verhinderung der Glücksspielsucht, dem Jugendschutz, dem Schutz der Spieler und ist weiterhin notwendig. Deswegen werden wir Wildwest bei dieser Diskussion verhindern.

Die Glücksspielsucht ist ein ernstes Problem.

(Katja Suding FDP: Das ist bedenklich!)

Über 50 Prozent der Umsätze kommen von 10 Prozent der Spieler. Das Problem betrifft insbesondere Arme, Junge und Menschen mit Migrationshintergrund. Jeder Süchtige beeinflusst das Leben von bis zu zehn weiteren Menschen negativ. Deswegen ist das Glücksspielmonopol in Verbindung mit unabhängiger Aufsicht gesundheitspolitisch und sozialpolitisch sinnvoll. Auf diesem Thema sollte weiterhin das Hauptaugenmerk der Debatte liegen. Darauf werden wir bei der Diskussion im Wirtschaftsausschuss drängen, wo wir dann gerne die Vertreter des Innenausschusses – weil die Innenbehörde das Thema federführend behandelt – und natürlich die Gesundheitspolitiker zur gemeinsamen Diskussion einladen. Und dann wird die ganze Sache geklärt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun Herr Voet van Vormizeele.

(Zurufe: Fünf Minuten!)

– Die fünf Minuten, Frau Präsidentin, hätte ich gerne, denn meine Fraktion hat mir gesagt, ich hätte nur zweieinhalb. Wie immer bekomme ich am Ende nur den Rest der Redezeit. Das ist eigentlich schade bei einem solch wichtigen Thema.

(Dirk Kienscherf SPD: Oh, das tut uns jetzt leid!)

Das ist schade, weil das Thema wirklich wichtig ist, Herr Kienscherf, vielleicht wichtiger als manch andere Beiträge, die wir heute aus Ihrer Fraktion gehört haben.

Andererseits muss ich ganz deutlich sagen, dass der Antrag der FDP nicht mehr als zweieinhalb Minuten wert ist.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der GAL)

(Finn-Ole Ritter)

Als Vertreter der CDU-Fraktion richte ich normalerweise ungern eine Aufforderung an den Ersten Bürgermeister. Diesmal muss ich aber sagen, liebe Kollegen der FDP, dass wir den Ersten Bürgermeister ganz deutlich auffordern, diesem Staatsvertragsentwurf in Tradition dessen, was der Vorgängersenat bereits eingeleitet hat, zuzustimmen.

Es lohnt sich, eine Sekunde lang auf die Geschichte dieses Staatsvertrags zurückzublicken. Und viele Kollegen in diesem Hause, die dieses Thema bewegt haben, werden sich an eine für mich zumindest beispiellose Lobbykampagne erinnern, die wir in den letzten Monaten erlebt haben. Ich habe noch niemals so viele Lobbyisten per Telefon, EMail, Brief, Fax, Brieftauben getroffen wie bei diesem Thema, die mit massivem Druck gedroht und gelockt haben. Das alles haben die meisten Fraktionen in diesem Haus relativ schnell an sich abperlen lassen. Und ich habe mich grundsätzlich nicht mehr bereit gefunden, mit den Vertretern dieser Verbände zu sprechen. Die einzigen, die das offensichtlich nicht begriffen haben, sind die Kollegen der FDP, denn dieser Antrag heute ist nichts anderes als der Text dieser Lobbyisten. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der FDP, Sie betreiben das Geschäft derer, die wirklich ungebremst diesen Markt unreguliert haben wollen. Und ich sage Ihnen ganz deutlich, das ist mit uns nicht zu machen. Es wäre Ihnen ein bisschen mehr Distanz zu diesen Lobbyisten zu wünschen. Das haben Sie bisher nicht geschafft, aber Sie können daran noch arbeiten.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU, der GAL und bei Finn-Ole Ritter FDP, Kersten Artus und Dora Heyenn, beide DIE LINKE)

Ich sage auch ganz selbstkritisch an meine Kollegen aus Kiel, dass ich das, was sie dort tun, bei Weitem nicht nachvollziehen kann und auch nicht erleben möchte, dass wir Norderstedt künftig mit Las Vegas, Atlantic City oder Ähnlichem vergleichen. Wenn die Kollegen in Kiel diese Vorstellung haben, dann mögen sie sich hier umtreiben. Ich halte das für den falschen Weg. Wir müssen diesen gefährlichen Markt regulieren und dazu ist der vorliegende Glücksspielstaatsvertrag der richtige Weg.

(Finn-Ole Ritter FDP: Wie kommen Sie ei- gentlich auf sieben Konzessionen?)

Verehrte Kollegen der FDP, ich kann verstehen, dass man sich als kleine Fraktion nicht alles leisten kann. Aber für eine eigene Meinung sollte es noch reichen.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Finn-Ole Ritter FDP: Von welchem Stern kommen Sie eigentlich?)

Das Wort erhält Frau Schmitt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Maßgebliches Ziel des Glücksspielstaatsvertrags, des bestehenden und auch des neuen Entwurfs, ist es, das Entstehen von Glücksspielsucht und Netzsucht zu verhindern. Der Europäische Gerichtshof fordert ein, dass die Glücksspiele entsprechend ihres Suchtpotenzials reguliert werden müssen. Dies ist bisher in Deutschland nicht der Fall und der jetzige Entwurf für die Änderung des Glücksspielstaatsvertrags schafft auch nur wenig Abhilfe. Auf das besonders schnell süchtig machende Automatenspiel geht der neue Staatsvertrag nur unzureichend ein. Deswegen ist es notwendig, dass Hamburg hier nachsteuert mit einem eigenen Spielhallengesetz, was wir bereits gefordert haben.

Eine weitere Schieflage entsteht im Verhältnis von Lotterien und Sportwetten. Die Konzessionierung, das heißt die Öffnung des Sportwettenmarktes, ist bei gleichzeitiger Beibehaltung des Lotteriemonopols nicht plausibel, sind doch die Suchtgefahren bei Sportwetten wesentlich höher als bei Lotterien.

(Beifall bei der GAL und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Eine noch weitergehende Öffnung des Sportwettenmarktes, wie die FDP es fordert, würde diese Schieflage nur noch zusätzlich verstärken.

(Katja Suding FDP: Dann machen sie es il- legal!)

Gegen den Petitumspunkt "einheitliche Regelung der Bereiche Online-Poker und Online-Casino" wäre im Prinzip nichts einzuwenden. Ein legales, kontrolliertes Angebot von Glücksspiel im Internet wäre durchaus wünschenswert. Allerdings steckt hinter dieser Formulierung der FDP keine wirksame Regulierung im Sinne des Spielerschutzes, sondern einzig eine weitgehende Freigabe dieser besonders süchtig machenden Spiele.

Es ist nur folgerichtig, dass die FDP auch einen Anschluss an das neue norddeutsche GlücksspielEldorado Schleswig-Holstein fordert. Diesen Alleingang lehnen wir gänzlich ab, untergräbt er doch alle Bemühungen, einen länderübergreifenden gerichtsfesten Konsens zu erzielen.

(Beifall bei der GAL)

Im vorliegenden Antrag wird deutlich, dass die FDP das Ziel der Suchtprävention im Staatsvertrag völlig verkennt und damit auch den Auftrag, den der Europäische Gerichtshof den Länderchefs gegeben hat. Für einen Markt, der nicht idealtypisch funktioniert, weil Konsumenten in großer Zahl süchtig werden, haben Sie schlicht und einfach kein Konzept. Im Falle der Glücksspielsucht spielt die Deregulierung des Marktes einzig den Anbietern in die Hände und treibt Spieler in die Abhängigkeit. Eine Ausweitung des Angebots lässt die

(Kai Voet van Vormizeele)

Zahl der Spielsüchtigen ansteigen, wie viele Studien belegen.

Einzig in einem Punkt sind wir einig, das sind die Netzsperren. Auch die lehnen wir grundsätzlich ab. Es gilt der Grundsatz löschen statt sperren, auch für illegales Glücksspiel im Internet.

(Zurufe von Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP und Finn-Ole Ritter FDP: Aber, aber!)

Gar kein Aber. Sie müssen sich keine Sorgen machen, denn die von den Grünen mitregierten Länder werden diesen Staatsvertrag nicht unterschreiben, wenn Netzsperren enthalten sind. Sie beschwören hier eine Gefahr herauf, die nicht besteht. Insofern sehen wir auch keinen Anlass, diesen Antrag weiter zu diskutieren. – Vielen Dank.

Dann hat Frau Artus das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Die Fraktion DIE LINKE ist ebenfalls gegen Sperren im Netz. Sie sind ein Akt der Zensur, sie sind weitgehend wirkungslos und sie sind netzpolitischer Blödsinn. Sie nützen auch im Kampf gegen die Spielsucht überhaupt nichts. Am 6. April hatten sich die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten und die Ersten Bürgermeister zu einer Sonderkonferenz in Berlin getroffen und ihre grundsätzliche Zustimmung zu Netzsperren signalisiert. Und es wurde auch ganz klar gesagt, warum: Damit sollen das derzeitige Geschäftsmodell sowie staatliche Einnahmen abgesichert werden. Hier haben wir offenbar einen Wissensdissens.

Die Links-Fraktion hat bereits im Sommer 2009 gefordert, den Glücksspielstaatsvertrag zu novellieren. Wir forderten, die Höhe einer Gewinnsumme zu begrenzen. Die Regelungen zur Suchtprävention lassen diesen Aspekt nämlich bislang außen vor.