Protocol of the Session on June 8, 2011

nur ganz massiv die Prognose der drogenabhängigen Menschen, sondern auch die ihrer Kinder. Wenn wir darüber nachdenken, wie Kinder von drogenabhängigen Eltern besser geschützt werden können, dürfen wir auf keinen Fall – da stimme ich Herrn Schäfer zu – Hürden aufbauen, die Eltern davon abhalten können, an Substitutionsprogrammen teilzunehmen.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Kindeswohl und Elternwohl sind miteinander verwoben. An dieser Verbundenheit von Eltern und Kindern sollte auch die therapeutische Arbeit, solange dies möglich ist, ansetzen. Nur im äußersten Fall ist es geboten, Kinder und Eltern zu trennen. Hier darf es keine Automatismen geben und es muss Möglichkeiten geben, im Einzelfall richtig und angemessen zu entscheiden.

Zu den Bremer Untersuchungsergebnissen, den Haaranalysen, die zweifelsfrei alarmierend sind, muss erwähnt werden, dass die Kontamination der Kinderhaare mit den Suchtmitteln wahrscheinlich durch äußeren Kontakt zustande kam. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Eltern ihren Kindern tatsächlich Drogen verabreicht haben. Ich bitte Sie, in diesen schwierigen Fällen ganz genau hinzusehen und keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Den dauerhaftesten Schutz der Kinder werden wir erzielen, wenn es geschafft wird, die Eltern zu erreichen und mit einzubeziehen. Im Rahmen der Verträge, die in den Substitutionsprogrammen geschlossen werden, ist es möglich, vieles für den Schutz der Kinder zu erreichen. Es muss möglich sein, hier von Fall zu Fall die richtigen Lösungen zu finden. Lassen Sie uns im Ausschuss Experten zu dem Thema anhören und heute keinen Generalverdacht gegenüber Eltern in Substitutionsprogrammen aussprechen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD und der LINKEN)

Herr Dr. Schinnenburg, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es kommt nicht alle Tage vor, aber ich kann mich weitestgehend den Ausführungen von Herrn Schäfer und selbst von Frau Schmitt anschließen; es geht ja auch nicht um Fahrräder. Aber einen Punkt möchte ich doch noch einmal ausführen, der mich im Antrag der CDU geärgert hat. Dort steht wörtlich:

"Vielmehr werden notwendige Schutzmaßnahmen dem Zufall überlassen."

Wer eine Schriftliche Kleine Anfrage schreibt und eine Antwort bekommt, in der aufgeführt wird, welche Schutzmaßnahmen durchgeführt werden, sollte dann möglichst diesen Satz nicht schreiben. Nur

zur Ergänzung meiner Vorredner nenne ich einmal ein paar Punkte: Der ASD ist angewiesen, bei konkretem Verdacht Untersuchungen vorzunehmen. Es gibt eine Kooperationsvereinbarung der Beratungsstellen und der Bezirke mit konkreten Handlungsanweisungen. Es gibt ein Fortbildungsprogramm "Zertifikatskurs Kinderschutzkraft" für Kitas. Seit 2009 hat in mindestens 31 Fällen auch tatsächlich das Familiengericht eingegriffen und Kinder von ihren drogenabhängigen Eltern getrennt. Es gibt keine Fälle – mir sind zumindest keine Fälle bekannt –, dass Kinder Drogen von ihren drogenabhängigen Eltern bekommen haben. Mit anderen Worten: Es gibt keinen Zufall. Es ist wirklich sehr erstaunlich, dass Sie eine Schriftliche Kleine Anfrage stellen, Antworten bekommen und dann diesen Schluss ziehen. Er ist schlicht und ergreifend falsch.

Dennoch, auch da stimme ich Herrn Schäfer zu, ist es selbstverständlich erforderlich, jederzeit zu überprüfen, ob man es nicht noch besser machen kann. Es fragt sich nur, ob verpflichtende Haarproben und eine zentrale Erfassung das richtige Mittel sind. Zu Recht wurde schon auf die Gefahr hingewiesen, dass bei einer zentralen Erfassung möglicherweise dann die Eltern aus dem Drogenhilfesystem in irgendeiner Form aussteigen oder zumindest eher abgeschreckt werden. Das können wir nicht ernsthaft wollen.

Hinzu kommt ein zweiter Punkt. Es ist ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Kinder, wenn man permanent ihren Urin und ihr Haar untersucht, ohne dass es einen konkreten Verdacht gibt. Wenn der einzige Verdacht ist, dass sie in einer Familie leben, wo Drogen genommen werden, dann ist das kein ausreichender Grund, das Persönlichkeitsrecht der Kinder so stark einzuschränken. Eine Bemerkung am Rande: Es ist schon ungewöhnlich, dass eine Partei, die ein "C" im Namen führt, Eltern pauschal misstraut. Das ist schon ein bisschen komisch.

(Beifall bei der FDP)

Kurz gesagt, ich stimme meinen Vorrednern zu. Auch die FDP ist für eine Überweisung an den Gesundheitsausschuss. Wir wären allerdings auch dafür, es gerne mitberatend an den Familienausschuss zu überweisen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Artus, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Kinder müssen geschützt werden vor Drogen, aber auch vor Populismus, Instrumentalisierung und Stigmatisierung.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Martin Schäfer SPD)

(Heidrun Schmitt)

Es ist in hohem Maße bedrückend, wie hier willkürlich eine kleine Gruppe von Menschen, die keine große Lobby hat, unter Generalverdacht gestellt werden soll. Der Antrag der CDU knüpft an zweifelhafte Artikel der Boulevardpresse über Ergebnisse einer Bremer Studie vom Februar dieses Jahres an. Den Substitutionsbehandelten wurde unterstellt, in großem Maße ihre Kinder bewusst unter Drogen gesetzt zu haben, um diese ruhigzustellen. Angeblich sei bei 14 von 15 Kindern der Nachweis des Drogenkonsums gelungen. Die statistische Unwahrscheinlichkeit einer solch hohen Trefferquote ließ von Anfang an große Zweifel aufkommen. Das Gesundheitsressort in Bremen hat die Interpretation der Ergebnisse ebenfalls angezweifelt. Studien aus Kanada und Frankreich haben berücksichtigt, dass die gefundenen Stoffwechselabbauprodukte keinesfalls belegen, dass die betroffenen Kinder die Drogen konsumiert haben. Die in der Folge beauftragten Institute für Rechtsmedizin an der Berliner Charité und am UKE Hamburg haben ermittelt, dass die Haarproben von zehn der untersuchten 28 Kinder keinerlei harte Drogen aufwiesen. Bei zehn weiteren Kindern gab es geringe Spuren von Methadon und/oder Kokain. In oder an den restlichen Haarproben wurden stärkere Spuren gefunden. Fritz Pragst vom Institut für Rechtsmedizin an der Berliner Charité betont, dass aus den vorliegenden Befunden nicht geschlussfolgert werden kann, dass die Substanzen den Kindern verabreicht wurden – wie meine Vorrednerinnen auch schon gesagt haben – oder ob sie durch Schweiß oder den Konsum von Drogen im Umfeld des Kindes, zum Beispiel durch Rauchen von Cannabis, Heroin oder Kokain, an die Haare gelangt sind. In nur einem einzigen Fall der Untersuchung sei davon auszugehen, dass einem Kind ein Benzodiazepin-Medikament verabreicht wurde. Die Ergebnisse der Bremer Studie, dass eine absichtliche Verabreichung der Drogen an 14 von 15 Kindern erfolgte, wurden also nicht bestätigt. Diese Ergebnisse sind seit Anfang Mai auch für die Fraktion der CDU zugänglich.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass die Diskussion in Bremen jede Sachlichkeit vermissen ließ, mag dem dortigen Wahlkampf geschuldet gewesen sein. Aber was ist die Entschuldigung in Hamburg für solch eine verzerrende und manipulative Darstellung wie in diesem Antrag?

(Olaf Ohlsen CDU: Das ist völlig unglaub- lich!)

Völlig absurd ist aber dann, dass die Erfolge, die in den letzten Jahren im Hamburger Suchthilfesystem zu verzeichnen sind, durch den Antrag gleich mit konterkariert werden. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass es einige Substitutionspatientinnen gibt, die teilweise starken Beikonsum haben. Erstens ist aber Beikonsum an sich noch kein Hinweis auf Kindeswohlgefährdung und zweitens ist

diese Erkenntnis wirklich nicht neu. Deshalb wurde im Jahr 2000 die von Hamburg geleitete bundesweite Studie zur heroingestützten Behandlung durchgeführt. Der Beikonsum konnte bei diesen Patientinnen erheblich reduziert werden. Hamburg geht bei der Weiterführung dieses Hilfsangebots mit gutem Beispiel voran und auch das Bremer Suchthilfesystem fordert seit Langem die kontrollierte Heroinabgabe. 2009 wurde unter dem damaligen Gesundheitssenator und jetzigen CDU-Fraktionsvorsitzenden Wersich die Kooperationsvereinbarung "Familie, Kind, Sucht" zwischen den Trägern der Suchthilfe und dem Allgemeinen Sozialen Dienst unterzeichnet und 2008 die Rahmenvereinbarung zum Wohle der Kinder von schwangeren Süchtigen. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit und die Motivation der Familie ist eine wesentliche Grundlage für das Gelingen jedes Hilfeprozesses, heißt es dort.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Isabella Vértes-Schütter SPD)

Mit dieser Zusammenarbeit sind die Grundlagen geschaffen worden, den richtigen Weg zu beschreiten. Sie schaffen die Möglichkeiten, bei konkreten Hinweisen tatsächlich zum Wohl der betroffenen Kinder zu handeln. Der Fokus liegt auf einer vertrauensvollen Zusammenarbeit, die die betroffenen Kinder schützt und nicht zusätzlich belastet.

(Beifall bei der LINKEN)

Warum die CDU-Fraktion die richtigen Schritte ihrer eigenen Regierungszeit nun einreißen will und warum der damalige Gesundheitssenator dabei zusieht, der übrigens nicht auf diesem Antrag steht, bleibt wirklich kurios.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Der steht doch nicht auf jedem Antrag!)

Zentrale Erfassung und zwangsweise Drogenkontrollen werden das notwendige Vertrauen zerstören. Wer befürchten muss, dass ihm die Kinder entzogen werden, wird sich dem Hilfesystem entziehen. Gerade besonders gefährdete Familien drohen damit durch alle Raster zu fallen.

Kinder sind gefährdet durch Drogen, aber dies betrifft auch die viel höhere Anzahl von Kindern stark Alkohol konsumierender Eltern. Sie sind potenziell und auch ganz konkret gefährdet, Alkohol zu bekommen, entweder wissentlich von den Erwachsenen verabreicht oder weil er einfach verfügbar ist. Auch hier werden im Übrigen häufig Schmerzmittel und Psychopharmaka beikonsumiert. Es ist notwendig, das Wohl der Kinder zu schützen und deshalb sind das hier der Vorschläge der Links-Fraktion: Die bestehenden Kooperationen zwischen dem ASD, der Suchthilfe und den Professionellen aus dem Gesundheitswesen sind zu stärken und auszubauen. Die Mitarbeiterinnen in den betroffenen Arbeitsfeldern müssen regelmäßig weitergebildet werden. Die Familienhilfe, die in vielen Fällen be

reits in den betroffenen Familien agiert, ist besser auszustatten; mit circa fünf Stunden wöchentlich können die bestehenden Belastungen nicht aufgefangen werden. Die Familienhebammen müssen deutlich aufgestockt werden und nachhaltige Aufklärungskampagnen zum Umgang mit Drogen, Alkohol und Medikamenten wie auch die Einsicht in die Notwendigkeit, Kindern den Zugriff auf alle Substanzen einschließlich Alkohol zu verunmöglichen, wären eine weitere Möglichkeit, die Kinder zu schützen. Wir werden die Diskussion im Ausschuss dann weiter vertiefen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/621 an den Gesundheitsausschuss zu? – Das ist einstimmig so beschlossen.

Wer möchte darüber hinaus die Drucksache mitberatend an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überweisen? - Gegenprobe. - Dann ist dieses Überweisungsbegehren abgelehnt.

Wir kommen zu Punkt 36 unserer Tagesordnung, Drucksache 20/628, Antrag der GAL-Fraktion: Umwelthauptstadt Hamburg 2011: Kosteneffizienz durch Energieeffizienz – Zukunftsweisende Standards für alle städtischen Gebäude.

[Antrag der GAL-Fraktion: Umwelthauptstadt Hamburg 2011: Kosteneffizienz durch Energieeffizienz – Zukunftsweisende Standards für alle städtischen Gebäude – Drs 20/628 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion federführend an den Haushaltsausschuss und mitberatend an den Umweltausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Duge, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir möchten mit diesem Antrag einen Beitrag leisten zur Umwelthauptstadt 2011, um den Energiestandard in städtischen Gebäuden zu verbessern und dem anzupassen, was heute technisch möglich ist, gerade auch in Anbetracht dessen, dass wir eine zunehmende Klimaerwärmung haben und den Atomausstieg jetzt endlich angegangen sind. Auch in Anbetracht knapper Kassen und der Kostensteigerung bei der Energie kann man gar nicht oft genug sagen, dass es das Beste ist, die Energie zu nutzen, die man eigentlich gar nicht braucht. Das ist das Wichtigste und das ist der erste Schritt.

(Glocke)

Herr Duge, verzeihen Sie die Unterbrechung. Meine Damen und Herren! Es ist eindeutig zu laut. – Bitte fahren Sie fort.

Das ist der wichtigste Schritt. Energieverschwendung statt Energieeffizienz hat viele Jahre hindurch geprägt, Energie war preiswert und man hat sich nicht so viele Gedanken darüber gemacht. Gerade die Effizienzfrage hat in betriebswirtschaftlichen Bereichen übrigens schon lange Einzug gehalten unter verschiedenen Philosophien, die dort beigebracht worden sind, und es stellt sich die Frage, warum nicht auch der Staat hier zu einer solchen effizienten wirtschaftlichen Handlung beitragen und auch als Vorbild gelten sollte. Laut Eurostat 2010 entfallen circa 40 Prozent des Endenergieverbrauchs auf Gebäude. Das sind sowohl die öffentlichen Gebäude als auch private Gebäude, Betriebe, Geschäfte, eben alles, was es da gibt. Zwei Drittel dieser 40 Prozent, die auf Gebäude entfallen, entfallen auf das Heizen. Gerade Haushaltspolitiker wissen, dass man am besten da sparen kann, wo die Maße am größten sind, und das wäre in diesem Bereich des Heizens. Wer sparen will, der muss an diesem Punkt ansetzen.

Meine Damen und Herren! Wie der Senat sich hier auf die Zukunft vorbereitet, macht mir manchmal Sorge, wenn ich die umweltpolitischen Optionen sehe. Wer die Energiewende will, wer die Atommeiler unwiderruflich abschalten will, wer keine Kaltreserven wieder anschalten möchte und wer fossile Brennstoffe wie Kohle zur CO2-Förderung nicht weiter hochfahren möchte, der muss energieeffizient wirtschaften.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

Und womit ginge das besser, als bei der Heizenergie zu sparen, wo viele Wärmeeinheiten sinnlos in die Luft gepulvert werden und nicht nur Wärmeeinheiten. Das sind auch Steuergelder, die in die öffentlichen Gebäude hineinfließen.

Das ist eine riesige Aufgabe. In Anbetracht der Sorglosigkeit, mit der man über Jahrzehnte gewirtschaftet hat, gibt es hier eine Vielzahl von Möglichkeiten, die in Angriff genommen werden können. Der Staat hat bei dieser Aufgabe der Gebäudesanierung und des energieeffizienten Handelns eine Leitfunktion. Er sollte mit gutem Vorbild vorangehen. Das gilt besonders für die Umwelthauptstadt, das gilt besonders für Hamburg. Es gilt zum Beispiel für Verwaltungsgebäude, für die anstehenden Neubauten, die im Universitätsbereich geplant sind, aber auch für viele Schulbauten, die durch Erweiterungen, Verschiebungen und Veränderungen notwendig sind. Nirgendwo können wir das von staatlicher Seite gerade der jungen Generation besser zeigen, der wir diese Option besonders na

(Kersten Artus)

hebringen sollten. Hier lassen sich Synergieeffekte aus Bildung und Umweltschutz sehr gut verbinden.

(Beifall bei der GAL)