Protocol of the Session on December 11, 2013

Meine Damen und Herren! Handlungsbedarf hört sich aus politischem Mund immer sehr wichtig an, vor allem, wenn es um die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen geht. Es ist also wenig überraschend gewesen, dass in der Presse am Folgetag unter anderem zu lesen war, dass es in Hamburg "Zu wenige Kinderärzte in armen Stadtteilen" gebe, um stellvertretend für andere Zeitungen eine Schlagzeile aus "DER WELT" vom 12. November zu zitieren. Interessant an Ihrer Pressemitteilung vom 11. November war aber nicht nur ihr Inhalt und welche Wellen sie schlug, sondern dass die Verfasser des Gutachtens, also die Vertreter des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung, kurz ZI, scheinbar gar nichts dazu zu sagen hatten, zumindest tauchte kein Statement von ihnen in ihrer Pressemitteilung auf. Die interessierte Öffentlichkeit musste also mit Ihrer Lesart Vorlieb nehmen.

Ich komme zum dritten Akt, seitdem wissen wir auch, warum das so ist. Der dritte Akt besteht in dem vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion, der, welch Wunder, unter Punkt 2d auch wieder Handlungsbedarf bei Hausärzten, Kinderärzten und Kindertherapeuten suggeriert. Aber lassen wir doch zu diesem konkreten Punkt einmal die Verfasser des Gutachtens, also die Wissenschaftler vom ZI, zu Wort kommen. Diese sahen sich nämlich ob der medial vermittelten Thesen zu diesem Gutachten genötigt, schriftlich Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme wird in der noch unveröffentlichten nächsten Ausgabe des Journals der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg erscheinen. Der Artikel steht unter dem vielsagenden Titel "Was sagt das Gutachten wirklich?" und beschäftigt sich mit den Schlussfolgerungen aus dem Gutachten, die nicht durch die Daten gedeckt werden. Dazu gehört ausgerechnet der gesamte Komplex bezüglich der Kinder- und Jugendärzte – ich zitiere –:

"In der Medienberichterstattung zum 'Morbiditätsatlas' wurde dennoch ein Mangel an Haus- und Kinderärzten in armen Stadtteilen hervorgehoben. Das Gutachten selbst liefert hierfür keinen Beleg. […] Auch bei Kindern und Jugendlichen in sozial belasteten Stadtteilen muss die Unterversorgungs-These hinterfragt werden […]. So kann auch in Stadtteilen ohne Kinderarztpraxis die durchschnittliche Weglänge zur nächstgelegenen Kinderarztpraxis kurz sein, sofern sich direkt jenseits der Stadtteilgrenze gut erreichbare Kinderarztpraxen befinden."

Meine Damen und Herren! An diesem einen Punkt wird klipp und klar deutlich, dass so ein Gutachten gründlich und von verschiedenen Seiten beleuchtet werden sollte, bevor darauf aufbauend irgendwelche Beschlüsse gefasst werden. Sie aber tun genau das Gegenteil. Ihr Urteil stand von Anfang an fest. Statt ob dieser offenkundigen Widersprüche Ihren Antrag ergebnisoffen im Ausschuss be

(Dr. Isabella Vértes-Schütter)

raten zu lassen, drücken Sie diesen bereits heute mit aller Macht durch. Gönnerhaft wie Sie sind, lassen Sie dann den Ausschuss im Nachhinein über Ihren Antrag beraten – absurder geht es kaum. Das alles lässt mich abschließend zu zwei Schlussfolgerungen kommen.

Erstens: Die konkreten Ergebnisse des Gutachtens haben Sie nie wirklich interessiert. Stattdessen haben Sie diese Ergebnisse von Anfang an nach Ihren Interessen ausgelegt. Die Autoren der Studie waren Ihnen dabei nur im Weg; deswegen sind diese auch nicht zu Wort gekommen.

Zweitens: Eine offene Debatte über konkrete Ergebnisse des Gutachtens liegt daher gar nicht in Ihrem von Taktik geprägten Interesse. Wie sonst könnte es sein, dass Sie diesen Antrag, der auf so tönernen Füßen steht, bereits heute beschließen und erst danach an den Ausschuss überweisen wollen? Hier offenbaren Sie neben der fachlichen Voreiligkeit zusätzlich ein sehr krudes Parlamentsverständnis. Das grenzt schon an eine Arroganz der Macht,

(Hansjörg Schmidt SPD: Darauf habe ich gewartet!)

denn was bitte soll eine Ausschussberatung über Ihren Antrag inhaltlich bringen, wenn dieser schon angenommen worden ist?

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Dieser Politikstil wird der im Kern richtigen und wichtigen Sache nicht gerecht, weswegen wir als CDU vor der Beschlussfassung in diesem Hause eine Überweisung an den Ausschuss gefordert haben; die FDP hatte dies unterstützt. Deswegen können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen und hoffen sehr, dass Sie Ihren Stilfehler durch eine dennoch ergebnisoffene Beratung im Ausschuss wiedergutmachen werden. Besser noch: Sie vertagen die für heute angesetzte Beschlussfassung. Damit würden Sie Größe zeigen und diese Tragödie hätte tatsächlich noch die Chance auf ein Happy End.

(Beifall bei der CDU und bei Finn-Ole Ritter FDP)

Nun bekommt das Wort Frau Schmitt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Ärztemangel in ärmeren Stadtteilen ist tatsächlich auch aus unserer Sicht ein Problem in unserer Stadt. Daher halten wir es für ein richtiges Vorgehen, den richtigen Ansatz, dass der Senat detailliert die Versorgungsbedarfe erhoben hat. Die bereits im November vorgestellten Ergebnisse des Gutachtens haben allerdings nicht überrascht. Es ist keine neue Erkenntnis, dass der Gesundheitszustand der Bevölkerung

in den ärmeren Stadtteilen schlechter ist als in der restlichen Stadt, und dass Haus- und Kinderärzte gerade in diesen Stadtteilen fehlen,

wussten wir schon vor der Erhebung. Trotzdem können die Daten von Nutzen sein, da die neue Bedarfsplanungsrichtlinie aus 2012 durch den Gemeinsamen Bundesausschuss neue Möglichkeiten der regionalen Bedarfsplanung vorsieht. Ob dies aber auch am Ende dazu führt, dass tatsächlich Ungleichgewichte in der Versorgung abgebaut werden können, bleibt mehr als fraglich, denn es ist nicht der Senat, der letztlich darüber entscheidet, wo Ärztinnen und Ärzte sich niederlassen; die Bedarfsplanung obliegt weiterhin den Gremien der Selbstverwaltung. Erst im Juli haben Kassenärztliche Vereinigung und Krankenkassen im Bedarfsplan für Hamburg festgehalten, dass aus ihrer Sicht eine gute Erreichbarkeit der ärztlichen Versorgung über das gesamte Stadtgebiet bestehen würde und sie nicht beabsichtigen, von den neuen Möglichkeiten der regionalen Bedarfsplanung Gebrauch zu machen. Vor diesem Hintergrund sind meine Erwartungen an die realen Verbesserungen der Ärzteversorgung durch den nun vorliegenden Morbiditätsatlas einigermaßen gedämpft. Aber die SPD-Fraktion ist offenbar optimistisch und feuert ihre Senatorin an, ihre Ankündigung nun auch umzusetzen.

Tatsächlich ist es aber so, dass der Antrag nichts Neues bringt. Es werden Dinge aufgezählt, die bereits zugesagt und schon in die Wege geleitet worden sind. Schon im November konnten wir in der Pressemitteilung des Senats lesen, dass das Gutachten der Landeskonferenz Versorgung zugeleitet und dort mit den Akteuren über die Möglichkeiten einer besseren Versorgung beraten werden soll. Es schadet sicherlich nicht, wenn wir als Bürgerschaft diesen Beschluss noch einmal fassen; einen Nutzen sehe ich hierin allerdings auch nicht. Ich würde aber darum bitten, dass Sie noch einmal klarstellen, ob die Überweisung nun tatsächlich nachträglich oder, wie üblich, vorweg stattfindet. Das, Frau Vértes-Schütter, ist mir vorhin nicht klar geworden. Vielleicht können Sie das noch einmal konkretisieren, damit wir Klarheit über das weitere Verfahren haben.

Der einzige Punkt im Antrag, den ich wirklich für gewinnbringend halte, ist die vom Senat geforderte Berichterstattung an die Bürgerschaft. Es wird in der Tat sehr interessant sein, welche konkreten Ergebnisse die Beratungen erbringen. Detaillierte Daten sind gut, keine Frage, und Aufforderung zum Dialog ist auch gut, aber es wird natürlich darauf ankommen, ob schlussendlich neue Instrumente gefunden werden können über die heute schon mögliche Sonderbedarfszulassung hinaus. Ich möchte betonen, dass dieses Instrument schon besteht und auch in gewissem Sinne Abhilfe schafft, aber eben noch nicht in einem Maß, das zufriedenstellen kann. Es wird darauf ankommen,

(Birgit Stöver)

ob es neue Instrumente geben wird und ob die Selbstverwaltung diese dann auch anwendet.

Meine Damen und Herren! Die eigentliche Ursache der schlechten Ärzteversorgung in ärmeren Stadtteilen kann allerdings nicht in Hamburg und nicht von der Selbstverwaltung gelöst werden, sondern nur im Bund von der Politik. Es ist die unsinnige Trennung von privater und gesetzlicher Krankenversicherung,

(Beifall bei Dr. Martin Schäfer, Dr. Isabella Vértes-Schütter, beide SPD, Kersten Artus und Christiane Schneider, beide DIE LINKE)

die allen kosmetischen Korrekturen zum Trotz immer wieder für eine Ungleichverteilung sorgen wird. Viele Privatversicherte im Einzugsgebiet sind eben nach wie vor ein Standortvorteil für Arztpraxen – das ist so und das wird auch so bleiben. Leider hat die SPD bei den Verhandlungen zur Großen Koalition im Bund dieses Feld sehr rasch geräumt. Anstatt endlich die Bürgerversicherung durchzusetzen, ist nun ein wirrer Kompromiss herausgekommen, der im Kern die zukünftigen Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung weiterhin einseitig zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abwälzt. Dass die SPD dieses Verhandlungsergebnis als Erfolg verkauft, zeigt meiner Ansicht nach, wie gering die Erwartungen in diesem Politikfeld waren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

In den kommenden vier Jahren sind also maximal Trippelschritte in der Gesundheitspolitik zu erwarten, und der heute vorliegende SPD-Antrag passt da ins Bild.

Natürlich verweigern wir uns nicht möglichen kleinen Verbesserungen, aber leider werden wir auf diese Weise über ein Herumdoktern an den Symptomen nicht hinauskommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Nun erhält Herr Dr. Schinnenburg das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Selbstverständlich ist es ein ganz wichtiges Ziel, dass wir ein ausgewogenes medizinisches Angebot in allen Stadtteilen haben; das ist gar keine Frage und überhaupt nicht strittig. Man kann diskutieren über den Weg, den man einschlagen möchte. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Die eine ist Planung – um es deutlich zu sagen: Planwirtschaft – und die andere Möglichkeit ist ein Anreizsystem. Bisher wird beim System der gesetzlichen Krankenversicherung weitestgehend auf Planwirtschaft gesetzt mit, wie ich finde, sehr überschaubar guten Ergebnissen. Wir haben seit ungefähr 20 Jahren Zulassungsbeschränkungen. Trotzdem gibt es insge

samt mehr Ärzte und gleichzeitig, wenn es denn stimmt, weniger Ärzte in den genannten betroffenen Stadtteilen. Offenbar ist das staatliche Planungssystem nicht ganz geeignet, das Ziel zu erreichen. Erster Punkt.

Zweiter Punkt. Es gibt schon eine Planung des Behandlungsbedarfs. Viele von Ihnen wissen, dass es ein Budget gibt. Das wurde zum Glück etwas eingeschränkt, aber das Prinzip bleibt. Ärzte bekommen nicht mehr Geld, wenn mehr Patienten krank werden. Das ist Planwirtschaft pur und trägt dazu bei, dass es weniger attraktiv ist, hier tätig zu werden.

Der dritte Punkt ist die Planung des Verschreibungsbedarfs. Wenn Sie gesetzlich versichert sind und zum Beispiel Rückenschmerzen haben und eine Massage verschrieben haben wollen, dann können Sie die vielleicht bekommen, aber möglicherweise nicht so oft, wie Sie sie eigentlich benötigen würden. Warum? Weil der Arzt sonst in Regress genommen wird. Wenn er zu viele Massagen verschreibt, wird das, obwohl sie medizinisch indiziert waren, nachher nicht bezahlt und er muss diese Kosten zum Teil selber tragen. Das ist das Regress-System. Das Ergebnis ist eine Fehlallokation von Mitteln. Der Arzt wird nämlich stattdessen Schmerzmittel verschreiben oder etwas anderes, was nicht so richtig ist, weil die eigentliche Behandlung aufgrund der Planwirtschaft nicht bezahlt wird.

Sie merken, meine Damen und Herren, Planung hat viele Schwächen – das ist auch nicht überraschend, Planung hat meistens Schwächen – und offenbar nichts gebracht. Im Gegenteil, sie hat sogar zu Negativeffekten geführt. Deshalb halten wir es für wenig sinnvoll, noch mehr Planungsreglementierungen einzuführen.

Nehmen Sie doch einmal ein Beispiel. Seit 2007 ist es bei Zahnärzten anders als bei Ärzten so, dass es keine Bedarfsplanung mehr gibt. Mit anderen Worten: In ganz Deutschland können sich Zahnärzte beliebig niederlassen und erhalten eine vertragszahnärztliche Zulassung – übrigens wurde das von Schwarz-Rot eingeführt, eine der wenigen guten Ideen von Schwarz-Rot. Da müsste doch jeder Planliebende sagen: Jetzt geht die Welt unter, jetzt gibt es nur noch am Jungfernstieg Zahnarztpraxen, Geld wird verballert. Das ist alles nicht passiert. Die Liberalisierung bei den Zahnärzten hat zu keinerlei negativen Effekten geführt, ganz im Gegenteil, sie hat sehr viel Geld gespart, denn die ganzen Prozesse wegen der Sonderbedarfszulassungen kosten schlicht und einfach Geld. Das hat Geld in meine Kassen gebracht – seit 2007 verdiene ich damit nicht mehr so viel –, aber das ist unsinnig ausgegebenes Geld. Die Liberalisierung hat im Teilbereich Zahnärzte gute Fortschritte gebracht. Es macht also keinen Sinn, mehr Pla

(Heidrun Schmitt)

nung zu machen, es wäre sinnvoll, weniger Planung zu machen.

Deshalb ist das bessere System, Anreize zu schaffen. Das ist aber bei allen Beiträgen, die ich bisher gehört habe, noch gar nicht gefallen. Sie können auf Dauer mit Planwirtschaft gegen schlechte Voraussetzungen nicht anarbeiten, Sie werden sogar schlechtere Ergebnisse erzielen. Das Ganze würde ich gerne mit Ihnen vor der Beschlussfassung im Gesundheitsausschuss diskutieren. Ich sehe es genauso wie Frau Stöver: Es ist erschreckend, dass erst beschlossen und danach überwiesen werden soll.

Unser Abstimmungsverhalten ist Folgendes: Wir werden beim Antrag der SPD-Fraktion dem ersten Punkt zustimmen, denn es ist in der Tat sinnvoll, das mit den Betroffenen zu diskutieren. Bei Punkt 2 werden wir uns enthalten, weil das doch zu sehr nach neuen planwirtschaftlichen Maßnahmen riecht. Beim Antrag der LINKEN Fraktion kann es nur eine Ablehnung geben, Frau Artus,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das se- hen wir doch gleich, das müssen Sie uns jetzt nicht erzählen!)

denn erst einmal ist das nun wirklich Planwirtschaft pur, und zum anderen haben Sie nicht einmal das System der Selbstverwaltung begriffen. Der Senat kann, egal, was er macht, nicht beeinflussen, wo Ärzte niedergelassen werden. Das ist in der Tat – zum Glück und im Sinne des Subsidiaritätsprinzips – Sache des Gemeinsamen Ausschusses der Selbstverwaltung. Das ist auch gut so, das soll auch so bleiben. Da ist schon der Ansatz falsch. Deswegen werden wir den Antrag der Links-Fraktion ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Artus hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! 8000 Kinder leben in den vier Stadtteilen Heimfeld, Eißendorf, Cranz und Altenwerder, ohne dass sie einen Kinderarzt oder eine Kinderärztin in der Nähe haben. In Veddel und in Wilhelmsburg müssen sich jeweils fast 3000 Kinder eine Kinderarztpraxis teilen. Zugleich ist in Veddel und in Wilhelmsburg die höchste Krankheitsdichte im Kindes- und Jugendalter vorzufinden. Bei der Erkrankungsdichte stechen auch Poppenbüttel, Harburg und Lurup dramatisch hervor. Das kann nicht so bleiben, verehrte Abgeordnete, sehr geehrter Senat, das muss sich umgehend ändern, und ich setze große Erwartungen in Sie, dass endlich etwas geschieht.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Stöver, ich hatte bei Ihrem Redebeitrag den Eindruck, dass Ihre gesundheitspolitische Geschichtsschreibung erst im Jahr 2010 losgeht, denn der Vorgängersenat hat nicht nur gepennt in dieser Frage, er hat auch systematisch geleugnet, dass er in der Verantwortung steht zu handeln. Die damaligen Regierungsfraktionen haben die Lage in mehreren Plenardebatten schöngeredet und alle Lösungen, die die Opposition damals vorgeschlagen hat, vom Tisch gefegt. Nicht einmal an die Ausschüsse wurden die Anträge von SPD und der LINKEN damals überwiesen. Die CDU hatte einfach nur großes Verständnis dafür, dass Ärztinnen und Ärzte sich dort ansiedeln, wo es viele privatversicherte Menschen gibt. Und leider haben auch die GRÜNEN, damals noch als GAL, sich der politischen Brisanz entzogen, indem sie lapidar erklärten, dass der Staat den Auftrag, die ärztliche Versorgung in den Stadtteilen sicherzustellen, an die Kassenärztliche Vereinigung abgegeben habe. Ich habe Ihren Beitrag heute allerdings als viel differenzierter wahrgenommen, Frau Schmitt. Insofern haben die GRÜNEN vielleicht ein bisschen was dazugelernt, womöglich auch, weil sie nicht mehr in der schwarz-grünen Regierungsverantwortung sind.

Das jetzt vorgelegte Gutachten kommt auch zu dem Ergebnis, dass nicht nur tausende Kinder und Jugendliche doppelt bestraft werden – einmal durch die Armut ihrer Eltern und dann durch eine schlechte ärztliche Versorgung –, sondern dass auch die Stadtteile, in denen Volkskrankheiten wie Herzschwäche, Diabetes oder Bluthochdruck bei den Bürgerinnen und Bürgern ab 18 Jahren überproportional häufig auftreten, die wenigsten Hausärztinnen und Hausärzte haben; in Hausbruch etwa gibt es nur einen Hausarzt für 3400 Menschen. Für unsere älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger sieht die Situation noch schlimmer aus. Dabei gilt gerade für sie der Grundsatz, dass sie kurze Wege benötigen, übrigens auch und gerade zu Facharztpraxen wie zum Beispiel Orthopäden.

Daher ist meiner Fraktion der vorgelegte Antrag der SPD auch zu schwach. Nachdem der Senat dieses Gutachten veröffentlicht hat, sind verbindlichere und klarere Aufträge an den Senat erforderlich, verehrte SPD-Fraktion. Die Presseerklärung von Dr. Isabella Vértes-Schütter spricht eine sehr viel deutlichere Sprache. Dabei leugnen wir natürlich nicht, dass die Praxenvergabe an der Kassenärztlichen Vereinigung hängt, aber man kann trotzdem etwas klarer an die Frage herangehen. Deswegen haben wir einen Antrag vorgelegt, der den politischen Willen der Bürgerschaft dem Senat gegenüber deutlicher formuliert.

(Beifall bei der LINKEN – Glocke)

Meine Damen und Herren, ich verstehe, dass Sie das,

(Dr. Wieland Schinnenburg)