dort bleiben. Wenn Sie also innerhalb Europas verteilen wollen, dann müssten Sie aber dafür sorgen, dass die Flüchtlinge auch in den entsprechenden Ländern bleiben. Wenn Sie das nicht wollen, dann brauchen Sie auch nicht umzuverteilen, denn dann gibt es Flüchtlingsbewegungen in Europa, die wir überhaupt nicht mehr kontrollieren können. Das Ganze ist kurz angedacht, aber das war es dann, ehrlich gesagt, auch. Dieser Antrag ist die Wiederverwertung von FDP-Anträgen aus dem Europäischen Parlament, denn daher kommt er.
Nun noch eine letzte Bemerkung: Frau Kaesbach hat als besondere Rechtfertigung dieses Antrags auf den Kollegen Schulz, den Präsidenten des Europäischen Parlaments, der momentan nicht müde wird, in jeder Fernsehsendung zu dem Thema aufzutauchen, hingewiesen. Er hat ein bemerkenswertes Interview gegeben, in dem er sich auch zu Flüchtlingsfragen geäußert und Vorschläge letztendlich in Richtung einer Kontingentlösung gemacht hat. Ich finde diesen Text deshalb interessant, weil er in diesem Interview permanent Größen miteinander vermischt. Einmal redet er von Flüchtlingen, im nächsten Moment von Asylbewerbern und stellt Kontingentlösungen in Aussicht. Wenn wir für Menschen, die eigentlich keinen Asylgrund haben, sondern aus wirtschaftlicher Not fliehen, Kontingentlösungen wollen und wir Einwanderung in Europa regulieren wollen, dann müssen wir darüber reden. Das können wir auch, nur dann müssen wir alle wissen, dass in dem Moment natürlich das Asylrecht, wie wir es in Deutschland kennen, arg gefährdet ist.
Ich sage deutlich: Das Asylrecht, das wir in Deutschland haben, das eine geschichtliche Entwicklung durchgemacht hat als direkte Konsequenz unserer Vergangenheit in der Zeit von 1933 bis 1945, kann für mich nicht zur Disposition stehen. Sie müssen sich genau überlegen, ob Sie wirklich diese Art von Lösung wollen, denn dann schaffen wir das Asylrecht faktisch ab.
Das finde ich den falschen Weg und den wollen wir nicht mitgehen. Wenn die Kollegen der SPD den FDP-Antrag im Innenausschuss debattieren wollen, um den Kollegen aufzuzeigen, wo die vielen inhaltlichen Mängel liegen, dann wollen wir gern unterstützend tätig sein. Ich sage Ihnen aber sehr offen, dass dies kein Antrag ist, dem wir beipflichten werden.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube auch, dass es richtig ist, den FDP-Antrag an den Ausschuss zu überweisen, denn schon die heutige Debatte macht deutlich, dass jede Rednerin und jeder Redner andere Schwerpunkte setzt. Das Thema der europäischen Flüchtlingspolitik oder des europäischen Flüchtlingskompromisses ist sehr viel größer, als in dem FDP-Antrag deutlich wird und als in unseren Redebeiträgen überhaupt nur angerissen werden kann. Aus unserer Sicht ist die Verteilung überhaupt nicht das Hauptproblem, das haben einige andere schon gesagt. Ich finde, dass es einen völlig anderen Ansatz geben muss, nämlich einen, der von der Erkenntnis ausgeht, dass das gesamte in Europa gebastelte Abwehrsystem einfach versagt hat.
Es führt dazu, dass Tausende von Menschen im Meer ertrinken. Das hat immerhin Bewegung in die Überlegungen gebracht, dass wir in Europa ein aufnehmendes System brauchen mit Kriterien, mit einem Punktesystem. Auf diesen Gedanken muss man sich einlassen, und diesen Gedanken lässt man natürlich völlig außen vor, wenn man sozusagen rein technokratisch darüber redet, wie viele Flüchtlinge in welchem Land sein sollen und wohin sie sich dann noch bewegen dürfen. Herr van Vormizeele, Deutschland ist das einzige Land innerhalb Europas mit einer Residenzpflicht. In anderen Ländern ohne Residenzpflicht gibt es bisher deswegen keine Probleme.
Der FDP-Antrag hat mehrere Punkte angerissen. Zum Beispiel sollen die Verfahren verkürzt werden. Damit meinen Sie hoffentlich nicht den Rechtsweg, meine Damen und Herren von der FDP. Sie sagen, der Zugang zur Arbeitserlaubnis solle verkürzt werden. Das reicht leider nicht aus. Wenn in Europa aufgenommene Flüchtlinge Zugang zu einem Schengen-Visum haben, dann müssen sie auch in jeweils allen Schengen-Staaten arbeiten dürfen. Nur dann gibt es innerhalb der Europäischen Union eine Beweglichkeit, die auch Sinn macht. Das hat nichts mit der Zuständigkeit eines bestimmten Landes zu tun. Entscheidend ist doch, welche Perspektiven das jeweilige europäische Land, das nach dem jetzigen Aufnahmeverfahren zuständig ist, dann den Ländern bietet. Hier haben die Länder unterschiedliche Voraussetzungen. Es ist ein Märchen – auch das ist hier schon gesagt worden –, dass die europäischen Randländer, im Sinne von Außengrenzen, die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Es sind Länder, die eine weniger hohe Bevölkerungsdichte haben wie Schweden, Luxemburg oder Malta, die den größten Anteil der Flüchtlinge pro Kopf ihrer Bevölkerung tragen
ja, Luxemburg und die Schweiz im Übrigen auch –, während Italien, Spanien, Deutschland, Frankreich, Polen und so weiter einen wesentlich geringeren Anteil haben.
Darüber hinaus gibt es aber eine weitere große Fragestellung, nämlich die Frage nach der Anerkennungsquote. Sie wissen alle, dass die europäischen Länder unterschiedliche Asylregelungen haben. Die Schwankungsbreite innerhalb der Europäischen Union liegt bei 30 Prozent Anerkennung von Asylanträgen bis hin zu mehr als 70 Prozent. Hier braucht es gleiche Chancen für alle Flüchtlinge in Europa. Deshalb ist aus unserer Sicht der wichtigste Änderungsauftrag, dass man die Flüchtlinge wieder selbst entscheiden lässt, in welchem Land sie einen Antrag stellen wollen. Das war einmal die Ausgangsposition des europäischen Asylrechts nach 1945, das war nämlich Teil der Genfer Flüchtlingskonvention. Das ist aber längst Vergangenheit. Trotzdem glaube ich, dass wir darüber reden müssen.
Im Übrigen, Herr Schäfer, wissen Sie genau, dass die Sophienterrasse ein gemeinsames Eimsbütteler Projekt ist.
Der Kollege Steffen war erstens die ganze Zeit über hier, und zweitens gibt es dort ausnahmsweise einmal keinen Dissens mit der SPD.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Knapp 14 Jahre nach dem Startschuss zu einem europäischen Asylrecht ist immer noch kein Europa des Asyls geschaffen worden. Es gibt keinen gemeinsamen Schutzraum für Flüchtlinge. Diese dringende, lebensrettende Notwendigkeit ist jedoch seit dem Stockholmer Programm von 2009 eigentlich expliziter Anspruch der EU. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist tatsächlich eine radikale Wende in der Flüchtlingspolitik notwendig.
Völlig zu Recht kritisiert etwa Pro Asyl nach der Verabschiedung der Dublin-III-Verordnung, dass wir es im Asylrecht auch weiterhin mit einem Flickenteppich zu tun haben. Das inhumane und unsolidarische Asylzuständigkeitssystem bleibe in seinen Grundstrukturen erhalten und werde die flüchtlingspolitische Systemkrise in Europa nur weiter verschärfen. Wir selbst sind alle Zeuginnen und Zeugen davon.
Die Begründung des FDP-Antrags ist im Hinblick auf Dublin III unseres Erachtens deutlich zu positiv geraten. Besonders übel an Dublin III ist, dass die
Inhaftierung von Asylsuchenden in der EU zur Regel zu werden droht. Zwar gibt es im Detail etliche, auch wichtige Verbesserungen. Sie sind aber vor allem Grundsatzurteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg und des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg zu verdanken. So wird etwa die Rechtsstellung von Minderjährigen verbessert. Flüchtlinge sollen gegen die Abschiebung in einen Drittstaat klagen können. Während in Deutschland bis dato ein zwölfmonatiges Arbeitsverbot galt, muss dies künftig auf neun Monate verkürzt werden. So gibt es einige Verbesserungen, die im Wesentlichen in langen und zähen Auseinandersetzungen vor Gericht erkämpft wurden. Das Grundproblem des DublinVerfahrens aber bleibt. Primär zuständig für Asylsuchende bleiben die EU-Randstaaten, in denen die Flüchtlinge erstmals ihren Fuß auf EU-Territorium setzen. Italien, Malta, Zypern und Griechenland liegen an jenen Routen, über die circa 90 Prozent der Flüchtlinge in die EU einreisen. Jeder kann die desaströsen Zustände etwa in Griechenland, Italien oder Ungarn kennen. Zur Genüge gibt es Bilder, Filme und Berichte von den furchtbaren Zuständen in den Randstaaten oder sogenannten Drittstaaten. Dort erhalten Menschen vielfach keinen Schutz, sondern sie verelenden. Selbst unter dem Eindruck der schrecklichen Katastrophe im Mittelmeer und dem Tod von einigen Hundert Menschen hat sich der EU-Gipfel, das ist schon gesagt worden, vor zwei Wochen nicht dazu verstanden, das bisherige System der Verteilung, oder besser Nichtverteilung, der nach Europa gelangenden Flüchtlinge zu reformieren. Es soll bis auf Weiteres alles beim Alten bleiben. Vor allem die bisherige Bundesregierung blockiert den dringend notwendigen Richtungswechsel in der EU-Politik. Für diese Verantwortungslosigkeit fehlen mir die Worte.
Insofern stimmen wir der Intention des FDP-Antrags durchaus zu. Wir dürfen die Augen vor dem Elend, das das bisherige System der Nichtverteilung hervorbringt, nicht länger verschließen; es muss gehandelt werden. Dem von der FDP vorgeschlagenen Lösungsweg stehen wir allerdings sehr kritisch gegenüber. Die FDP schlägt einen Schlüssel zur Verteilung der Flüchtlinge vor, der sich am Königsteiner Schlüssel orientiert. Dazu hat Herr Schäfer zum Beispiel schon einiges gesagt. Das führt in jedem Fall dazu – darauf hat Frau Möller bereits hingewiesen –, dass Menschen ohne Berücksichtigung ihrer persönlichen Wünsche und nicht selten unter Trennung von Familienangehörigen zwangsverteilt werden. Es gibt ganz andere Vorschläge, etwa von Pro Asyl, die humaner und günstiger sind. Asylsuchende sollen sich das Land aussuchen können, in dem sie Asyl beantragen. Statt Flüchtlinge hin- und herzuschieben, muss die EU einen Mechanismus für den Ausgleich unterschiedlicher finanzieller Belastungen durch die Flüchtlingsaufnahme schaffen. Damit wäre sowohl
Ganz kann ich Sie, Herr Voet van Vormizeele, nicht verstehen und auch die SPD, die dazu geklatscht hat, nicht. Man kann nicht sagen, dass die EU in dieser Angelegenheit solidarisch handelt, sondern die Probleme werden hin- und hergeschoben und wer sie hat, der hat sie. Ich kritisiere die Intention, die Italien hatte, eine Veränderung zu beantragen, genauso wie die Intention, die zum Beispiel die Bundesregierung hatte, genau das zu verhindern. Beide haben hier nicht solidarisch gehandelt, beide sind ihren Aufgaben nicht nachgekommen.
Wir jedenfalls wollen sowohl die Solidarität mit den Schutzsuchenden als auch die Solidarität innerhalb der EU. Die unterschiedlichen Belastungen können auf finanziellem Wege ausgeglichen werden, denn es ist humaner, Geld statt Menschen zu verschieben. Das sind aber alles Fragen, die wir im Ausschuss ausführlich erörtern können. Ich habe allerdings die leichte Befürchtung, dass das Thema nur an den Ausschuss verschoben wird. Da liegt es erst einmal, und die SPD, die gerade in Berlin verhandelt, ist nicht genötigt, sich zu erklären, was sie machen will.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Schäfer, Sie sprachen gerade von schwarz-gelber Koalition. Aber ich möchte Sie daran erinnern, dass im Moment
schwarz-rote Koalitionsgespräche geführt werden. Ich bin mir sicher, dass es auch dort manche Kröte zu schlucken gilt. Man denke zum Beispiel an die Pkw-Maut für Ausländer. Ich bin gespannt, wie diese Gespräche ausgehen.
Sie haben gesagt, dass auf Bundesebene nichts passiert ist. Die FDP hat sich auf europäischer Ebene sehr wohl dafür eingesetzt; das hat Herr van Vormizeele schon angedeutet. Unsere Europaabgeordnete Nadja Hirsch hat schon vor Jahren die Einführung des Verteilerschlüssels gefordert.
Das EU-Parlament hat dies in der Tat auch beschlossen, es hat zumindest im vergangenen Jahr die EU-Kommission beauftragt, das zu prüfen. Leider ist daraus bis jetzt nichts geworden.
Zum Thema Königsteiner Schlüssel: Wie mein Kollege Robert Bläsing schon sagte, sollte der in der Tat als Orientierung dienen. Natürlich kann man über die Kriterien noch streiten und sie erarbeiten. Wir wollen mit dem Antrag, das habe ich auch gesagt, dass die Asylpolitik grundsätzlich mehr in Richtung einer gesamteuropäischen Verantwortung geht. Mit einem Schlüssel gibt es immer mehr Transparenz, und mit Transparenz gibt es bessere Planbarkeit, und davon wird jedes Land profitieren.
Herr van Vormizeele, wir als FDP-Fraktion haben in keiner Weise gesagt, dass Deutschland nicht genügend für Flüchtlinge tut.
Entschuldigen Sie, Frau Kaesbach. Ich hatte eben schon einmal zaghaft den Versuch unternommen. Es ist im Augenblick deutlich zu laut, und insbesondere die hinteren Reihen fast aller Fraktionen könnten sich ein bisschen mäßigen.
Sie haben sicher auch festgestellt, dass während der gesamten Diskussion, auch im Vorfeld des EU-Gipfels, mit unterschiedlichen Größenordnungen hantiert wurde. Mal hieß es, Deutschland stehe bei der Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern an erster Stelle. Das stimmt auch, was die absoluten Zahlen betrifft. In Relation zur Bevölkerungszahl aber liegt Deutschland auf Platz elf. Ich erlebe selbst, dass darüber sehr viel Unsicherheit herrscht. Hier hilft genau ein Verteilerschlüssel, denn dann herrscht Transparenz und Planbarkeit.
Zu Ihnen, Frau Möller, möchte ich sagen, dass es in diesem Antrag um einen Systemwechsel geht. Natürlich ist klar, dass das Asylverfahren noch einiges Potenzial zur Verbesserung hat, zum Beispiel das Thema Arbeitserlaubnis. Darauf haben wir als FDP auch immer hingewirkt, aber in diesem Antrag geht es eben um die Forderung nach einem Systemwechsel.