Protocol of the Session on September 25, 2013

Passgenauere Angebote können aber auch – da bin ich ganz bei Ihnen, Frau Thimm – in der Tagespflege liegen. Im CDU-Antrag fehlt mir die Kooperation zwischen Kita und Tagespflege; darauf sollten wir noch einmal schauen. Deswegen finde ich es gut, dass der Antrag überwiesen wird, denn auch die Tagespflege spielt natürlich eine Rolle, um etwas passgenauere Angebote zu stricken.

Wir sind uns, glaube ich, alle einig darüber, dass eine gewisse Flexibilität der Betreuungszeiten gut ist, da brauche ich die Redezeit gar nicht künstlich auszudehnen. Auf eines möchte ich am Ende aber noch zu sprechen kommen. Mir ist ganz wichtig – Herr de Vries hat es eben schon angedeutet –, dass eine Ausweitung der Öffnungszeiten nicht automatisch heißt, dass wir längere Betreuungszeiten brauchen. Ich bin zwar anders als Herr de Vries der Meinung, dass wir eine Ausweitung der Öffnungszeiten und auch das Angebot einer 24-Stunden-Kita brauchen, aber das bedeutet nicht, dass wir möchten, dass die Kinder dort zehn oder zwölf Stunden betreut werden. Ich glaube nämlich, dass wir uns, wenn wir über den Betreuungsumfang reden, auch Gedanken darüber machen müssen, wohin wir in Hamburg mit unserer Familienpolitik steuern wollen. Flexibilität hat auch ihre Grenzen, sowohl was die pädagogischen Konzepte angeht, als auch was die Arbeitszeiten der Kitas angeht. Wir müssen am Ende auch darauf schauen, was für das Kindeswohl gut ist.

Dazu möchte ich Ihnen einen Artikel aus der "Zeit" ans Herz legen, in dem es um Frankreich geht. Frankreich ist ja immer Vorbild, wenn es um Betreuungszeiten und Flexibilität geht. Dieser Artikel ist überschrieben mit "Liebe auf Distanz". Man sollte ihn sich durchlesen, um in dieser Diskussion nicht aus den Augen zu verlieren, was am Ende noch kindgerecht ist. Frankreich ist das Vorbild für Flexibilität in der Kita, für ausgebaute Kitas und für eine frühe Betreuung der Kinder in den Kitas. Ich möchte mit einem Auszug aus diesem Artikel enden, in dem ein Psychotherapeut zitiert wird:

(Carola Thimm)

"Aber der persönliche Preis, den Eltern und Kinder für diese Familienpolitik bezahlten, sei hoch",

so der Psychotherapeut.

"Auf diese Weise entsteht eine Gesellschaft, in der Erwachsene ungestört ihrer Arbeit und sogar ihren Hobbys nachgehen können, aber keine wirkliche Beziehung zu ihren Kindern aufbauen. Denn eine Beziehung braucht Zeit und auch Raum. Und genau das fehlt in Frankreich."

Meine Damen und Herren! Zum Glück sind wir davon noch weit entfernt, aber wenn wir über Betreuungsumfang und Flexibilität der Betreuungszeiten diskutieren, dann sollten wir die Frage in den Mittelpunkt stellen, was unserer Vorstellung nach für das Kindeswohl wichtig und passend ist. Und da hat Flexibilität immer dann Grenzen, wenn es um das Wohl des Kindes oder auch um pädagogische Konzepte geht. Deswegen finde ich es gut, wenn wir im Ausschuss weiter darüber reden. Der CDUAntrag ist ein guter Ansatz dafür, denn er fordert erst einmal die richtigen Dinge.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Ritter hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich mache das wahr, was Frau Blömeke angekündigt hat. Ich werde die Redezeit tatsächlich ökonomisch nutzen und mich möglichst kurz fassen.

Der Antrag auf Flexibilisierung der Kita-Betreuungszeiten ist ein wichtiges Thema; die CDU hat es richtig benannt. Meiner Kenntnis nach wird das Thema momentan auch im Rahmen der Landesrahmenverträge verhandelt.

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Wir können darüber also im Ausschuss noch einmal sprechen.

Als es um das Thema Betreuungsschlüssel ging, wurde der FDP von Herrn de Vries unseriöse Finanzierung vorgehalten. Nun kostet es auch Geld, wenn das total flexibilisiert wird, da muss man nur mit den Kita-Trägern sprechen. Man muss für die zusätzlichen Betreuungszeiten Personal vorhalten und das kostet nun einmal Geld; das wissen Sie auch, Herr de Vries. Dann schreiben Sie in Ihren Antrag – und das sollte kein Maßstab für Ihre zukünftigen Anträge sein – einen sensationellen Satz für die Haushaltspolitik der Zukunft:

"Ziel muss es sein, finanzielle Belastungen für die Eltern und den Hamburger Haushalt auf das erforderliche Maß zu beschränken."

Wahnsinn, Herr de Vries. Genau darüber sollten wir im Ausschuss noch einmal sprechen, und deswegen freue ich mich, dass der Antrag überwiesen wird.

(Beifall bei der FDP und der SPD – Dirk Kienscherf SPD: Sehr gut!)

Das Wort bekommt Herr Yildiz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann mich den letzten Worten von Herrn Ritter anschließen. Ich freue mich, dass wir das im Ausschuss diskutieren, aber eines möchte ich betonen: Als ich mir den Antrag angeschaut habe, habe ich mich gefragt, ob eine Reihe von Unternehmern mit der Forderung in die CDU eingetreten sind, Herr de Vries, wir haben Mitarbeiter, die müssen so flexibel sein, dass wir Kitas brauchen, die sich ganz auf unsere Bedürfnisse einstellen. Ich finde, die Bedürfnisse der Kinder und der Eltern kommen dabei zu kurz. In den letzten Jahren hat man den Bereich der frühkindlichen Bildung und den Kita-Ausbau in der Regel unter das Motto "Beruf geht vor Familie" gestellt. Die Folge ist, dass viele Kinder immer länger in den Kitas sind und immer weniger Zeit mit ihren Vätern und Müttern verbringen. Und die Frage ist – Frau Blömeke hat zu Recht darauf hingewiesen –, was das für diese Kinder langfristig bedeuten wird.

In den Fünfziger- und Sechzigerjahren gab es einen sehr guten Spruch zum 1. Mai: Samstags gehört Vati mir. Es muss Zeiten geben, die die Kinder mit ihren Eltern verbringen können. Es sollten nicht die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen im Vordergrund stehen, sondern auch die Rahmenbedingungen. Eltern sollten zu einer Zeit nach Hause kommen können, die es ihnen ermöglicht, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen und ihnen Liebe und Zuneigung zu zeigen. Sie sollten nicht gezwungen sein, ihre Kinder so spät abholen zu müssen, dass sie nur noch zusehen können, wie sie ihren Bauch voll bekommen, bevor sie sie ins Bett schicken. Darüber sollten wir im Ausschuss diskutieren. Nur weil im Landesrahmenvertrag Verhandlungen vorgesehen sind, müssen wir nicht zu allem gleich mit dem Kopf nicken. Das darf nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie wollen die Eltern befragen. Ich sagen Ihnen, was man im Kita-Bereich tun muss: Es ist wichtig, dass man auch die Beschäftigten und die Träger befragt und nach Rahmenbedingungen, den Arbeitsbedingungen der Menschen, räumlichen Kriterien und so weiter fragt. Diese Befragung nur auf die Eltern zu beschränken, finde ich nicht richtig. Man müsste das breiter fassen, damit alle Proble

(Christiane Blömeke)

me auf den Tisch kommen und langfristig eine Lösung gefunden werden kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Kinder brauchen ihre Eltern. Sie sollten nicht nur in der Kita sein, sondern auch zu Hause Zeit mit ihren Eltern verbringen.

Ich freue mich, dass wir das im Ausschuss diskutieren, sonst hätte ich Ihrem Antrag nicht zugestimmt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer einer Überweisung der Drucksache 20/9335 an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist angenommen.

Tagesordnungspunkt 35, Drucksache 20/9324, Bericht des Innenausschusses: Residenzpflicht abschaffen.

[Bericht des Innenausschusses über die Drucksache 20/6931: Residenzpflicht abschaffen (Antrag der GRÜ- NEN Fraktion) – Drs 20/9324 –]

Hierzu liegen Ihnen als Drucksachen 20/9419 und 20/9441 Anträge der Fraktionen der GRÜNEN und der FDP vor.

[Antrag der GRÜNEN Fraktion: Residenzpflicht abschaffen – Drs 20/9419 –]

[Antrag der FDP-Fraktion: Der Senat muss seine Blockadehaltung bei der Residenzpflicht aufgeben – Drs 20/9441 –]

Bevor ich Frau Möller das Wort gebe, bitte ich das Plenum darum, die Lautstärke etwas zurückzudrehen. Alle, die "Jugend im Parlament" gesehen haben, werden gemerkt haben, wie leise ein Parlament sein kann. Davon sind Sie noch um Längen entfernt. – Frau Möller hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vielleicht liegt das auch daran, dass wir diese Debatte nicht zum ersten Mal führen und die Kolleginnen und Kollegen möglicherweise denken, es sei schon alles gesagt. Aber ich glaube, es ist noch nicht alles gesagt, und bin froh, dass man nicht mehr ganz von vorne anfangen

muss, dass man nicht mehr viel darüber sagen muss, dass Deutschland das einzige Land in Europa ist, das eine derartige Aufenthaltsbeschränkung für Menschen hat, die hierher geflohen sind und nun im ungesicherten – so muss man ihn nennen – Aufenthalt leben, dass wir seit 1982 eine Verschärfung unseres Asylrechts erleben mussten, verbunden mit einer über den Verteilungsschlüssel, den es schon gab und den es weiterhin gibt, hinweg eingeschränkten Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen und Menschen im Asylverfahren.

Ursprünglich ging man davon aus, dass diese Menschen sich nur ganz kurz hier aufhalten würden, dass sie dann abgeschoben und zurückreisen würden. Über die Jahre hat sich das aber als Trugschluss herausgestellt, und wir haben an anderer Stelle Veränderungen des Ausländerrechts gehabt, die dem auch Rechnung tragen; es gibt inzwischen einigermaßen weitgehende Bleiberechtsregelungen. Seit einigen Jahren ist aber nun auch Bewegung in diese räumliche Aufenthaltsbeschränkung der einzelnen Länder gekommen. In fast allen Bundesländern ist Bewegung, um es deutlich zu sagen. In Hamburg gab es bisher keine.

Nun könnte man sagen, das ist Geschichte, darüber brauchen wir gar nicht mehr zu reden, aber das ist mitnichten so. Während Berlin und Brandenburg schon im Jahr 2010 eine Kooperation eingegangen sind, die sich darauf bezieht, dass sich Menschen in der Zuständigkeit eines der beiden Bundesländer uneingeschränkt zwischen den beiden Ländern bewegen können – die Zuständigkeit, wohlgemerkt, bleibt bei dem Bundesland, in dem die Flüchtlinge aufgrund des Verteilungsschlüssels gelandet sind –, gibt es jetzt nach sechs Monaten Nachdenken vier Tage vor der Sitzung des Innenausschusses ein Petitum der SPD mit einer nie zuvor angewandten Rechtskonstruktion. Wir haben im Ausschuss sehr lange über die Details des Ausländerrechts, den Paragrafen 58, geredet; das will ich hier nicht wiederholen. Ich begrüße, dass es bei der SPD Bewegung gibt, habe aber den Eindruck, dass dieser Weg nicht mit offenem Visier gegangen wird und er sich möglicherweise sehr schnell zu Ungunsten der Menschen, die ihn nutzen werden, erweisen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aufgrund der Initiative von Berlin und Brandenburg gab es schon im Jahr 2011 eine Gesetzesänderung in diesem wunderbaren Paragrafen 28, die es den Bundesländern sehr einfach macht, miteinander zu kooperieren und die Bewegungsfreiheit der Menschen, die sich bei ihnen im geduldeten Aufenthalt oder im Asylverfahren befinden, zu erleichtern. Alle anderen Bundesländer, die sich damit beschäftigen, gehen diesen Weg des kooperativen Einvernehmens mit ihren Nachbarländern. Ganz eindeutig ist dieses von Hamburg nicht gewünscht,

(Mehmet Yildiz)

und das halten wir für einen Schritt in die völlig falsche Richtung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Finn-Ole Ritter FDP)

Ich werde den Eindruck nicht los, dass es darum geht, bloß kein Signal an die anderen Bundesländer zu senden, dass es auch für Menschen, die dort leben, einmal interessant sein könnte, Hamburg zu besuchen. So wie der Innensenator einmal etwas flapsig sagte, wer wolle denn schon nach Hannover oder in die Lüneburger Heide, die Flüchtlinge wollten doch gar nicht nach Niedersachsen, könnte man andersherum sagen, dass es für den einen oder anderen aus den Nachbarländern vielleicht schon interessant sein könnte, sich Hamburg einmal anzuschauen und sich hier vorübergehend aufzuhalten. Und wir sollten diese Menschen eigentlich willkommen heißen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hamburg will also den Weg einer grundsätzlichen Erlaubnis für das vorübergehende Verlassen gehen. Dafür soll kein Grund mehr nötig sein, es soll kein Ziel mehr angegeben werden und auch kein Zeitraum. Interessant ist dann natürlich das Formale. Was genau ist denn eigentlich vorübergehend? Liest man unterschiedliche Gesetzeskommentare oder Erlasse der Länder, dann bewegt sich dieses "vorübergehend" zwischen drei und fünf Tagen. Alle sechs Monate soll diese vorübergehende Verlassenserlaubnis in Hamburg jeweils wieder erneuert werden.

Was genau bedeutet das für die Betroffenen? Ohne eine Vereinbarung mit den anderen Bundesländern werden diese Menschen, wenn sie kontrolliert werden – und das kommt, wie Ihnen allen sicherlich bekannt ist, relativ häufig vor –, neben ihrer Duldung für Hamburg eine Verlassenserlaubnis vorlegen, auf der kein Zeitraum, kein Ziel und kein Grund steht. Das ist zumindest ungewöhnlich und bringt sie in Erklärungsno, und das halten wir für unnötig.

(Beifall bei den GRÜNEN)