Das, was wir vorschlagen, ist nicht zu viel. 8,50 Euro ist kein hoher Lohn, denn er führt zu 1360 Euro brutto im Monat und zu ungefähr 1100 Euro netto. Es ist nicht zu viel verlangt, dass man so viel für seine Hände Arbeit bekommt.
Mich wundert die Zurückhaltung der Bundesregierung allen Ernstes. In 20 von 27 europäischen Ländern gibt es einen Mindestlohn. In Dänemark und den skandinavischen Ländern, in Luxemburg liegt er höher, woanders liegt er auch niedriger, aber es gibt ihn. In England gibt es das Instrument der "Low Pay Commission"; darauf kommen wir noch zu sprechen. Die erhöht in regelmäßigen Abständen in einer Kommission aus Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Wissenschaft die Mindestlöhne in England. Und wenn die Ideologen gegen den Mindestlohn recht hätten, dann müssten nach jeder Lohnerhöhung des Mindestlohns am Arbeitsmarkt Arbeitsplätze wegfallen. Das tun sie aber nicht. Insofern ist ein angemessener Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro auch arbeitsmarktneutral. Er zerstört keine Arbeitsplätze, er schafft nur etwas Gerechtigkeit am Arbeitsmarkt.
Auch für das Land und die Stadt ist es gut, denn es sind 14,5 Milliarden Euro mehr Einkommen in privaten Haushalten, 2,7 Milliarden Euro zusätzliche Einkommensteuer, 2,7 Milliarden Euro höhere Sozialbeiträge und 1,7 Milliarden Euro gesparte Transferleistungen. Das wirklich schändliche Modell des öffentlich finanzierten Kombilohns wird zumindest teilweise abgeschafft. Auch dafür sollten wir uns gemeinsam einsetzen.
Berlin hätte das alles machen können. Da gibt es eine komfortable Mehrheit für eine Regierung, die über eine satte Mehrheit im Deutschen Bundestag verfügt und bei der wahrscheinlich sogar noch viele mitstimmen würden. Es gibt nämlich eine breite gesellschaftliche Akzeptanz für diesen Mindestlohn, aber es passiert schlichtweg gar nichts.
Mir kommt es so vor, als würde mit verteilten Rollen gespielt – Frau von der Leyen, Herr Laumann, Frau Föcking, Sie vorhin auch, das war ganz sympathisch –, aber links blinken und rechts abbiegen, das geht in dieser Frage nicht.
Wir versuchen jetzt, weil keiner etwas tut, mit den Mitteln, die wir als Stadt haben, uns selbst zu binden. Das wurde ganz richtig festgestellt, das haben wir auch in den Ausschussberatungen gesagt. Wir binden uns als Stadt, da gibt es keinen niedrigeren Tariflohn als 8,50 Euro. Ein Glück, kann ich nur sagen. Wir binden unsere öffentlichen Unternehmen. Das "Hamburger Abendblatt" hatte einen Artikel darüber geschrieben, an welchen Stellen es sich anders verhielt, es gab also schon Handlungsbedarf. Darauf kann man nicht stolz sein, aber wir haben ihn abgestellt.
Wir binden unsere Zuwendungsempfänger und wir binden die Auftragnehmer von öffentlichen Aufträgen, damit auch dort angemessene Löhne gezahlt werden, wenn man aus der öffentlichen Hand einen Auftrag finanziert bekommt.
Weil das so ist, braucht man in Hamburg für dieses Gesetz keine "Low Pay Commission". Wir haben nämlich keine Gesetzgebungskompetenz für einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn, wir regeln es in unserer eigenen Sphäre. Das, was wir im Deutschen Bundestag einbringen und was wir im Bundesrat diskutieren, enthält eine "Low Pay Commission". Es enthält eine Kommission aus Wissenschaft, aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Wenn man nämlich einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn über alle Unternehmen erstrecken will, dann braucht man eine solche Kommission. Wenn man aber seine eigenen Unternehmen und den Staat in Hamburg binden will, dann braucht man das nicht. Ich wäre froh, wenn dieses Gesetz durch ein Bundesgesetz nach dem 22. September überflüssig würde. Dann gäbe es nämlich endlich ein bisschen Gerechtigkeit durch einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn.
(Dietrich Wersich CDU: Ich sagte nur, wenn Sie wieder Staatssekretär würden, dann würden Sie auch den Kombilohn einführen, da hätten Sie gar keine Probleme mit!)
Nein, als ich Staatssekretär war, bin ich oft auf Ihre Parteifreunde gestoßen, die mir Folgendes gesagt haben: Sie müssen den niedrigsten Tariflohn in der Zeitarbeitsbranche erstrecken. Der niedrigste Tariflohn, Herr Wersich, war von der CGZP vereinbart worden, die Sie immer ins Feld geführt haben. Diese Gewerkschaft ist vom Bundesarbeitsgericht als tarifunfähig gemaßregelt worden. Das ist Ihre Partei, die so etwas vorschlägt.
Jetzt kommt es darauf an, zügig zu handeln. Herr Golke hat darauf hingewiesen, wie wir das machen können. Es gibt unterschiedlichste Möglichkeiten. Es gibt Anpassungsklauseln in einzelnen Verträgen, wir können Verträge kündigen oder wir müssen uns mit Anbietern verständigen. Die Behörden werden auf ihre Unternehmen und Zuwendungsempfänger einwirken, dass das möglichst schnell geschieht, weil wir natürlich möchten, dass das, was Sie heute als Bürgerschaft beschließen, möglichst schnell den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugutekommt. Es ist ein kleiner Schritt auf dem richtigen Weg. Der richtige Weg ist der allgemeine gesetzliche Mindestlohn. – Vielen Dank.
(Finn-Ole Ritter FDP: Erst Herr Scheele und dann Herr Rose, das ist ja ein Traum! – Zu- rufe von der CDU)
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte den zweiten Beitrag unserer Fraktion dazu nutzen, mich mit einigen Positionen der Oppositionsfraktionen auseinanderzusetzen. Ich fange einmal mit der größten Oppositionsfraktion an, der CDU. Sie haben sich schon vorher öffentlich in einer Pressemitteilung geäußert, wo gleich drei Fraktionsmitglieder ihre Meinung zu diesem Thema zum Ausdruck gebracht haben. Frau Dr. Föcking erklärte in ihrer Pressemitteilung, die CDU setze sich für faire Löhne und gegen Lohndumping ein, und Frau Prien ergänzte, es bestehe die Gefahr, dass bei willkürlich festgelegten Mindestlöhnen Geringqualifizierte nur schwer einen Einstieg in den Arbeitsmarkt fänden. Ein Arbeitsplatz, der sich nicht trägt, entfalle, entgleite in die
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das ist die typische Argumentation zur Unterstützung von Lohndumping und Niedriglöhnen und gegen einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn.
Wissen Sie eigentlich, welches die am schlechtesten bezahlten Tätigkeiten in unserem Land sind? "Bild.de" hat sie aufgezählt, und ich sehe die dort Beschäftigten schon samt ihrer Betriebe unser Land verlassen und mit ihrer Tätigkeit ins Ausland fliehen: die Textilreiniger und Büglerinnen, die Gebäude- und Fensterreiniger, die Zimmermädchen in Hotels und die Raumpflegerinnen in Büros, die Wachleute in Gebäuden und Parkhäusern, die Köche und Küchenhilfskräfte im Hotel- und Gaststättengewerbe, die Floristinnen und Arzthelferinnen und auch die Verkäuferinnen und viele andere mehr. Armutslöhne gibt es in Deutschland fast ausschließlich in ortsgebundenen und einfachen Dienstleistungsbereichen für Personen, Privathaushalte und Unternehmen, und zwar vorwiegend in Tätigkeitsbereichen, in denen überwiegend Frauen arbeiten.
Darum sind Armutslöhne keine soziale Maßnahme zur Integration von Arbeitslosen, sondern sie eröffnen eine Lohndumpingspirale nach unten, und sie sind somit schlicht das Ergebnis einer unsozialen Fehlentwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die in einer sozialen Marktwirtschaft durch einen gesetzlichen Mindestlohn korrigiert werden muss.
Herr Rose, Sie haben eben in Ihrer Aufzählung auch die Raumpflegerinnen erwähnt. Wissen Sie, dass der Mindestlohn im Gebäudereinigerhandwerk bei über 9,50 Euro liegt?
Natürlich gibt es eine ganze Reihe von Berufen und Tätigkeiten, bei denen wir bundesweit ein Spektrum von angefangen bei 3,15 Euro bis 10 Euro haben, weil es einfach tarifungebundene Betriebe gibt, die sich nicht an Tarifverträge halten. Deswegen ist es dringend notwendig, dass ein gesetzlicher Mindestlohn auch für die Bereiche, in denen Tarifverträge vorhanden sind, gelten muss. Das ist in Ihrem Modell nicht der Fall.
Ich möchte gerne zur Hamburger Diskussion zurückkommen. Dass Sie hier gerne über bundespolitische Vorhaben reden, kann ich verstehen. Meine Frage: Welche der von Ihnen aufgezählten Berufsgruppen profitieren durch den Hamburger Gesetzesvorstoß?