Protocol of the Session on March 27, 2013

Herr Hakverdi hat versucht, die Historie Wilhelmsburgs ein wenig zu beleuchten. Herr Hakverdi, es reicht nicht aus, die Sturmflut von 1962 anzuführen. Da hat mir der Beitrag von Frau Sudmann deutlich besser gefallen, der die Verfehlungen des SPD-Senats definitiv auf den Punkt gebracht hat.

(Jörg Hamann CDU: Die SPD hat sich seit 1962 gar nicht um Wilhelmsburg geküm- mert!)

Seit 1962 haben Sie sich nicht nur nicht um Wilhelmsburg gekümmert, sondern Sie haben dort Ihren Müll abgelagert – Beispiel Müllberg – oder eben Hochhaussiedlungen geschaffen, also Fehlbelegungen, die nicht in Ordnung waren.

(Beifall bei der CDU)

Der "Sprung über die Elbe" hat nicht erst mit der Konzipierung der Internationalen Bauausstellung oder der "internationalen gartenschau" begonnen, sondern diese Entwicklung hat schon viel früher angefangen. Wilhelmsburg hat schon vor Eröffnung der Internationalen Bauausstellung davon profitiert, dass die Projekte angestoßen worden sind. Die Bürgerbeteiligung wurde angesprochen, es wurden aber auch schon vorher Viertel saniert

(Dr. Melanie Leonhard)

und attraktiv gestaltet. Das alles ist eine gute Entwicklung für die Wilhelmsburger Mitte. Zur Entwicklung der Wilhelmsburger Mitte gehört ganz eindeutig auch die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße, denn ohne die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße wird es eine Entwicklung der Wilhelmsburger Mitte nicht in dem Ausmaß geben, wie wir uns das vorstellen. Und – da bin ich wieder Harburgerin – die Harburger brauchen die Wilhelmsburger Reichsstraße. Die Leistungsfähigkeit der Wilhelmsburger Reichsstraße muss erhalten bleiben; wir müssen die 55 000 Autos pro Tag auch von Süd nach Nord führen können.

Bei der Internationalen Bauausstellung werden Wilhelmsburg und Harburg immer so schön in einem Atemzug genannt. Ich als Harburgerin sehe davon noch nicht viel. Die ganzen Projekte im Harburger Binnenhafen sind schön geplant, aber sie sind doch ganz stark ins Stocken geraten, und das nicht während unserer Regierungszeit. Dieses Stocken ist an allen Ecken und Kanten zu sehen, ob es nun eine fehlende Brückenquerung, noch nicht abgeschlossene oder noch nicht einmal ausgeplante Bauprojekte sind. Im Harburger Binnenhafen sieht man von der Internationalen Bauausstellung noch herzlich wenig.

(Beifall bei der CDU)

Ausstellung heißt auch, dass man etwas sehen kann, und diese sichtbaren Merkmale im Harburger Binnenhafen fehlen mir definitiv. Wir haben vor einigen Tagen ein IBA-Projekt, eine Ausstellung im Gloria-Tunnel eröffnet.

(Sören Schumacher SPD: Ihr wolltet ihn zu- schütten!)

Auch hier, liebe Kollegen von der SPD, lieber Senat: Die Aufwertung Harburgs, der "Sprung über die Elbe" muss weitergehen. Es wird immer so nett Wilhelmsburg und Harburg gesagt, aber Harburg kommt dabei nur so klein vor. Das muss anders werden. Sie müssen den "Sprung über die Elbe" konsequent weiterführen. Das muss im Binnenhafen Harburg noch sichtbarer werden, das möchte ich Ihnen definitiv auf die Fahnen schreiben.

Alle andere Kritik, wie die am Energiekonzept, verstehe ich nicht. Frau Sudmann, eine Energieautarkie eines Quartiers ist sehr viel wert, da muss es auch nicht immer um Wirtschaftlichkeit gehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat nun Herr Duge.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn wir über die IBA sprechen, dann müssen wir aufpassen, dass wir ihr nicht Funktionen und Aufgaben zuschieben, die sie nicht

hat und die sie nicht erfüllen kann, sondern wir müssen bei dem bleiben, was die IBA als Aufgaben zu lösen hat. Sie hat diese Bereiche zu Anfang selber definiert. Sie hat gemerkt, dass der Verkehrsbereich tatsächlich etwas ist, was im Rahmen einer Internationalen Bauausstellung schwierig bis gar nicht zu bewältigen ist. Wir haben da sicherlich noch eine Vielzahl von Aufgaben, was die Verkehrsführung in Wilhelmsburg betrifft, zu bewältigen. Ich sehe die Verlagerung der Wilhelmsburger Reichsstraße als eine der wesentlichen Aufgaben, um das fortzusetzen, was der eigentliche Kern der IBA ist. Wenn man das einmal mit der Stadtentwicklung der letzten zehn Jahre vergleicht, dann kann man sehen, dass hier keine Entwicklung wie in den Siebzigerjahren auf Freiflächen und grünen Wiesen stattfindet, dass wir keine Konversionsflächen haben, sondern dass Stadtentwicklung genau dort stattfindet, wo Stadt schon ist. Das ist auch das, was diese Stadtviertel aufwertet und interessant macht, dass man sie eben nicht beiseite liegen lässt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dass man dabei natürlich auch über die Sünden der Vergangenheit fällt – der Müllberg ist eben angesprochen worden –, ist ganz klar. Es gilt, intelligente Lösungen zu finden, um diese Vernachlässigungen in irgendeiner Art und Weise sinnvoll aufzufangen. Ich glaube, da sind ganz gute Schritte gemacht worden.

Ich finde es schon erstaunlich, dass innerhalb von sechs Jahren, in denen die IBA jetzt am Laufen ist – das ist eine relativ kurze Vorlaufzeit für eine Internationale Bauausstellung –, nicht nur sehr viel bauliche, sondern auch sozial-kulturelle Projekte vorangebracht wurden, und da müssen wir weiter ansetzen. Wir sind nicht fertig, wir müssen dort weitermachen, wo wir jetzt gelandet sind. Aber die Türen sind geöffnet, um diesen Stadtteil voranzubringen. Ich hoffe, dass das gelingt, wenn dann auch Projekte wie die Schwimmhalle, die jetzt eröffnet worden ist, und die Basketballhalle, die nach der igs kommen wird, weitere Impulse setzen. Da hat die IBA auch eine Nachhaltigkeitskonzeption, denn das, was wir dort machen, wird nachher nicht abgerissen, sondern weiter verwendet. Im Sinne des Stadtteils schafft das Chancen, die genutzt werden müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dr. Moni- ka Schaal SPD)

Nun hat noch einmal Herr Dr. Duwe das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will noch einmal ganz kurz darauf eingehen, dass die IBA wahrscheinlich den besten Public-Relation-Rekord einstellen wird, um Wilhelmsburg und den Hamburger

(Birgit Stöver)

Süden auch für die Hamburger selbst interessant zu machen. Weltweit wird das natürlich schnell geschehen, aber je näher man dran ist, desto eher halten sich Vorurteile. Ich denke aber, dass jetzt die große Chance besteht, dass Wilhelmsburg und auch der Hamburger Süden endlich bei den Hamburgern,

(Heike Sudmann DIE LINKE: Hamburgerin- nen!)

um es einmal vom Harburger Standort aus zu sagen, ankommt.

Herr Duge, Sie haben gerade erwähnt, dass keine Konversionsflächen oder freien Flächen genutzt worden seien. Im Gegenteil, es sind fast alles nur Flächen genutzt worden, die so da lagen. Die Wilhelmsburger Mitte war eine Einöde und auch der Harburger Binnenhafen war zum großen Teil eine Einöde, die nun langsam aber sicher entwickelt wird. Deshalb ist es wichtig, auch nach 2013 weiterzuarbeiten, und dass das, was in den nächsten Jahren an Investitionsausgaben im Haushalt steht, auch durchgeführt wird, insbesondere was den "Sprung über die Elbe" in Harburg angeht.

Es kann sogar sein, dass das Wunder geschieht und eine Fußgängerbrücke über den Harburger Lotsekanal gebaut wird, die preiswerter ist als 2 Millionen Euro. Es war kein Highlight des Landesbetriebs, als er sagte, dass das, was da vorgestellt wurde, auch mit den eingeworbenen Geldern baubar wäre. Persönlich – das ist nicht die Meinung der FDP-Fraktion – würde ich dieses Geld lieber woanders im Harburger Binnenhafen investieren. Da werden mir wahrscheinlich einige Harburgerinnen und Harburger aufs Dach steigen,

(Dirk Kienscherf SPD: Wir sind ja unter uns, sprechen Sie es doch mal deutlich aus!)

aber ich denke, dass das nicht die wichtigste Investition im Harburger Binnenhafen ist. Man könnte eine andere Brücke sanieren, die viel wichtiger wäre.

Aber insgesamt freue ich mich, dass dieses Thema angestoßen worden ist, und wenn der Winter endlich weicht, werden wir die IBA richtig erleben können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Andreas Dressel, Dirk Kienscherf und Dr. Melanie Leonhard, alle SPD)

Gibt es weitere Wortmeldungen zu diesem Thema? – Wenn das nicht der Fall ist, können wir zum zweiten Thema kommen, angemeldet von der SPD-Fraktion.

NPD-Verbotsverfahren: Bundesregierung handelt verantwortungslos und fällt Ländern in den Rücken

Herr Wysocki, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben uns exakt vor einem Jahr an dieser Stelle schon einmal über das NPD-Verbotsverfahren unterhalten, auch in einer Aktuellen Stunde. Viele von uns haben damals die Hoffnung ausgedrückt, es solle mehr gehandelt als gesprochen werden. Genau das ist auch passiert. Auf der Basis einer Materialsammlung haben die Länderinnenminister und die Ministerpräsidenten einstimmig beschlossen, eine Klage zum Verbot der NPD einzureichen. Damit war natürlich zugleich die Hoffnung verbunden, dass sich auch die anderen Verfassungsorgane, nämlich Bundesregierung und Bundestag, dieser Klage anschließen würden. Während die Entscheidung des Bundestags noch aussteht, hat die Bundesregierung – übrigens nach Vorankündigung der FDP und ihres Parteichefs – bereits einen Beschluss gefasst: "Der Beschluss der Länder wird mit Respekt zur Kenntnis genommen und der Antrag des Bundesrats wird unterstützend begleitet. Die Bundesregierung hält einen zusätzlichen Antrag für nicht erforderlich." Einen solchen Beschluss zu fassen, nachdem man wochenlang laviert hat, spricht schon für sich.

(Beifall bei der SPD)

Wenn aber dann noch die Entscheidung von FDPChef Rösler damit begründet wird, Dummheit könne man nicht verbieten, so ist das nur noch beschämend. Damit zeigt man, dass man die rechte Gefahr nicht ernst nimmt, und verharmlost zugleich menschenverachtendes rassistisches Gedankengut und rechtsextremistische Straftaten.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe, Nationalität oder Religion Opfer rechtsextremistischer Übergriffe geworden sind, werden sich nur schwer damit abfinden können, dass sie Opfer Dummer geworden sind. Damit missachtet man auch den Charakter dieser Partei, ihrer Ideologie und ihrer Auswirkung in der Fußgängerzone und in den Zeltlagern, wo es Übergriffe gegeben hat. Es ist einfach nur noch beschämend, wie ein solches parteitaktisches Verhalten der FDP begründet wird.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Schneider DIE LINKE – Dr. Andreas Dressel SPD: So sind sie!)

Viel schlimmer ist aber, dass die Bundesregierung mit dieser Entscheidung die Chance vertan hat, ein starkes und nötiges Signal der Geschlossenheit im Kampf gegen den Rechtsextremismus zu setzen, nämlich durch das geschlossene Vorgehen der Verfassungsorgane. FDP und Bundesregierung fallen damit den Ländern in den Rücken und verhindern ein einheitliches Signal der Demokraten,

(Dr. Kurt Duwe)

dass wir demokratie- und verfassungsfeindliches Handeln auf parlamentarischer Ebene nicht tolerieren. Die Bundesregierung hat stattdessen den Zuschauerplatz eingenommen, weil sie Angst vor der Verantwortung hat.

(Beifall bei der SPD)

Was Ihnen aber, meine Kollegen von der FDP, vor allem zu denken geben sollte, sind zum Beispiel die Reaktionen der Türkischen Gemeinde in Deutschland oder auch der jüdischen Gemeinden in Deutschland, die sich nach diesem Beschluss eindeutig geäußert haben. Ich hatte die Hoffnung, dass damit bei Ihnen ein Umdenken verbunden ist. Das habe ich bisher leider nicht festgestellt.

(Beifall bei der SPD)

Ein Parteienverbot ist in einer Demokratie immer ein sehr sensibel zu handhabendes Instrument. Wenn aber die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, dann muss dieses Mittel im Sinne einer wehrhaften Demokratie auch angewandt werden.

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Die Erfahrungen aus der Weimarer Republik lehren uns, welche Gefahren sonst drohen. Natürlich lässt sich der Ausgang eines Gerichtsverfahrens nicht mit aller Sicherheit voraussehen, allerdings wurden die Lehren aus dem damaligen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts gezogen, und die von Bund und Ländern zusammengetragene ausgiebige Materialsammlung hat dazu geführt, dass sich sämtliche Innenminister und Ministerpräsidenten der Länder für ein NPD-Verbotsverfahren ausgesprochen haben, darunter auch Länder, in denen die FDP in der Verantwortung ist. Dies ist ein deutlicher Hinweis auf die Bewertung der Erfolgsaussichten. Nicht zuletzt wurden damit auch vehemente Kritiker – man denke an den ehemaligen Innenminister von Niedersachsen – von den vorliegenden Fakten überzeugt. Bei einem solchen Verbotsverfahren darf es sich nicht um eine ShowVeranstaltung handeln, sondern ein solches Verfahren muss von der Überzeugung hinreichender Erfolgsaussichten geprägt sein. Das ist auf Länderseite offenkundig der Fall. Warum nicht aufseiten der Bundesregierung?