Protocol of the Session on March 27, 2013

Wir kommen zur letzten echten Debatte, Punkt 74, Drucksache 20/7232, Antrag der CDU-Fraktion: Wachsende Stadt und ungewisse Schülerströme: Kein Verkauf von Schulgrundstücken.

[Antrag der CDU-Fraktion: Wachsende Stadt und ungewisse Schülerströme: Kein Verkauf von Schulgrundstücken – Drs 20/7232 –]

Die Fraktionen CDU und FDP möchten die Drucksache an den Schulausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Herr Heinemann bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Erste Bürgermeister hat sich neulich ein wenig in Visionen versucht und war dann so visionär zu sagen, dass er der CDUPolitik der wachsenden Stadt weiter folgen wolle. Das war eine große Leistung, und er hat immerhin ausgerechnet – auf welcher Basis, das ist mir noch nicht ganz klar –, dass wir bis 2030 exakt 38 zusätzliche Schulen in Hamburg brauchen. Wenn man nun den Schulbau und die Vorläufe kennt, die in der Planung immer bestehen, dann weiß man, dass man relativ bald damit anfangen sollte, wenn man 2030 fertig sein will, zumal wahrscheinlich die Schülerzahlen nicht 2030 auf einen Schlag steigen, sondern das kontinuierlich der Fall sein wird.

Die Frage, die sich mir bei 38 neuen Schulen gestellt hat, lautet: Wo bauen wir die denn eigentlich? Das Hauptproblem ist erst einmal, dass wir gar nicht wissen, wo wir sie bauen müssen, denn die Schulentwicklungsplanung, die der Schulsenator vorgelegt hat – er war der Meinung, er könnte schon nach Hause gehen –, basiert nicht auf einer regionalen Schülerprognose. Wir wissen zwar insgesamt, zumindest nach den Statistiken, wie die Schülerzahlen in Hamburg wachsen werden, wir wissen es aber nicht auf die Regionen heruntergebrochen. Daher wissen wir auch gar nicht, wo wir künftig neue zusätzliche Schulen brauchen.

Hinzu kommen die ganzen Unsicherheiten, die wir haben. Wir wissen natürlich noch nicht ganz genau, wie sich das Zweisäulenmodell einpendeln wird und wie das mit der Inklusion oder dem Thema Ganztagsschule weitergeht. Daher stehen wir vor zahlreichen Unsicherheiten. Was tut man, wenn man so unsicher ist? Dann sollte man ein wenig sein Pulver trockenhalten und die Möglichkeit beibehalten, künftig agieren zu können. Der Senat macht nun leider das Gegenteil, denn er plant, diverse Schulgrundstücke zu verkaufen. Das habe ich durch eine Anfrage im Februar erfahren.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Holster?

Das machen wir nachher, er redet doch gleich.

Der Senat plant dennoch, diverse Schulgrundstücke in Hohenfelde, Langenhorn, Groß Flottbek, St. Pauli, Hammerbrook, Wilhelmsburg und Neuallermöhe zu verkaufen, also durchaus in Stadtteilen innerstädtischer Lage, wo man sich vorstellen könnte, dass künftig die Menschen dorthin ziehen, von denen der Erste Bürgermeister gesprochen hat. Da frage ich mich natürlich schon, ob wir nicht irgendwann in einen Zielkonflikt geraten. Natürlich kann man die Grundstücke jetzt verkaufen und Wohnungsbau dort realisieren. Und dann stellen Sie in zehn Jahren fest, dass Leute in diese Wohnungen gezogen sind,

(Dr. Stefanie von Berg GRÜNE: Und die ha- ben auch Kinder!)

dass Sie aber nicht wissen, wo die Kinder zur Schule gehen sollen, die dort auch eingezogen sind. Dann stehen Sie vor einer Situation, wie sie beim Gymnasium Allee und beim Gymnasium Altona schon der Fall ist. Irgendwo muss jetzt noch ein Anbau rangequetscht werden, eigentlich ist kein Platz dafür da, und man fängt an, Spielplätze zu bebauen. So funktioniert es natürlich nicht. Daher sagen wir ganz klar: Solange der Senat nicht weiß – ich lade Sie herzlich ein, eine entsprechende Planung zu machen –, wo er die 38 Schulen in den nächsten Jahren bauen will und muss, solange sollte man bitte nicht ein einziges dieser wertvollen Schulgrundstücke verkaufen, sondern solange muss man sie genau dafür sichern, damit wir künftig auch die schulische Infrastruktur für die vielen Wohnungen, die Sie bauen wollen, gewährleisten können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Holster.

(Präsidentin Carola Veit)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Heinemann, sprechen Sie eigentlich manchmal mit Ihren Kollegen aus dem Haushaltsausschuss? Ich habe da so meine Zweifel, denn die finanziellen Auswirkungen Ihres Antrags haben Sie offensichtlich nicht bedacht. Ich will Ihnen die finanziellen Auswirkungen Ihres Antrags einmal an einem ganz konkreten Beispiel verdeutlichen. Ich wollte eigentlich eben nachfragen, ob Sie auch alle bereits stillgelegten Schulgrundstücke in diesen Antrag involvieren.

(Robert Heinemann CDU: Ja!)

Herr Heinemann nickt, dann kann ich festhalten, dass auch alle bereits stillgelegten Schulgrundstücke davon betroffen sein sollen. Zum Schuljahresende 2006/2007 wurde die Grundschule Flughafenstraße stillgelegt, die an der Alsterkrugchaussee liegt. Wenn man zur einen Seite fährt, dann kommt die U-Bahn Fuhlsbüttel-Nord, und wenn man zur anderen Seite fährt, dann sieht man schon das Ende der Start- und Landebahn 1. Es handelt sich um eine Grundstücksfläche von rund 20 000 Quadratmetern und circa 1900 Quadratmeter Gebäudefläche. Bis auf eine Turnhalle und einige Räume, die eine Kita angemietet hat, verfällt dieses Schulgelände seit nunmehr über sechs Jahren. Wenn wir diesen Antrag jetzt beschließen würden, ergäben sich allein für diese Immobilie folgende dauerhafte Auswirkungen auf das Sondervermögen Schulbau: Erstens würden keine Verkaufserlöse erzielt werden, das bedeutet höhere Kreditaufnahmen für Schulbau und Sanierung. Zweitens fielen weiterhin Abschreibungen an.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Heinemann?

Selbstverständlich.

(Heiterkeit bei der SPD)

Lieber Herr Holster, machen Sie mir auch gleich die Gegenrechnung für die Schulgrundstücke auf, die Sie natürlich dann in drei, vier Jahren für sehr viel mehr Geld kaufen müssen?

Herr Heinemann, hören Sie jetzt genau zu. Ich werde das weiter ausführen, und dann wird einiges deutlich.

Es fallen keine Verkaufserlöse für die Gebäude und die Grundstücke an, es fallen weiterhin Abschreibungen an. Drittens fallen – ein ganz zentraler Aspekt – dauerhaft Sach- und Personalkosten für eine Mindestinstandhaltung an. Da muss ein Hausmeister vorbeischauen, es gibt kleinere Reparaturen, es entstehen Kosten für Strom und Bewa

chung, die nicht ganz unwichtig bei diesen Geisterschulen sind. Und viertens ist im Fall genau dieser Grundschule Flughafenstraße eine Abmietung seitens der BSB erfolgt. Es gibt also keine Mieteinnahmen für das Sondervermögen Schulbau.

Die aus Ihrem Antrag entstehende Finanzlücke im Wirtschaftsplan müsste mit Zwischennutzungen gedeckt werden. Diese Zwischennutzungen müssten so aussehen, dass das Ganze später wieder für Schulzwecke reaktiviert werden kann, und natürlich muss das voll kostendeckend an einen Drittnutzer vermietet werden. Ich frage mich zum einen, wie realistisch diese kostendeckende Drittnutzung für die Vermietung ist, und zum anderen, was wir denn machen, wenn das Grundstück und das Gebäude in einem Zustand sind, in dem dies nicht an Dritte vermietet werden kann.

Dieser Antrag würde einen erheblichen zusätzlichen Leerstand von alten, nicht mehr nutzbaren Schulgebäuden verursachen, und das wäre kein verantwortliches Regierungshandeln.

(Beifall bei der SPD)

Wir setzen auf ein solides Gesamtkonzept zur Realisierung der geplanten und dringend notwendigen Investitionen im Schulbau, und hierzu gehören auch mögliche Verkaufserlöse aus Schulgrundstücken.

Lassen Sie mich abschließend noch sagen, Herr Heinemann, dass die Schulpolitik natürlich das wichtigste Thema überhaupt in dieser Stadt ist, und eine größtmögliche Flexibilität in der Schulentwicklungsplanung ist manchmal wünschenswert. Dennoch können wir Schulpolitiker uns nicht hier hinstellen und mit allergrößter Weisheit sagen, wir dürften jetzt kein einziges Schulgrundstück mehr verkaufen. Wenn wir noch einmal den Fall der Flughafenstraße annehmen, dieses Gebäude, welches wir heute nicht mehr brauchen, dann frage ich Sie, wie groß denn die Wahrscheinlichkeit ist, dass irgendwann in Zukunft an dieser Stelle genau so ein Grundstück und genau so ein Gebäude benötigt wird. Das ist unrealistisch, und deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Frau Dr. von Berg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Heinemann hat bereits aufgezeigt, wie es um das Thema Schulflächen steht. Wir haben parallel angefangen zu recherchieren, aber ich bin aus einer etwas anderen Sichtweise an das Thema herangegangen. Ich habe nämlich gehört, dass nicht nur freistehende Grundstücke verkauft werden sollen,

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Das haben wir auch schon gehört!)

sondern dass an jetzt bestehenden Schulen ganz technokratisch vermessen wird, wie groß sie überhaupt sind und wie viel Freifläche da eventuell noch zur Verfügung steht. Ich habe drei Schriftliche Kleine Anfragen gestellt, und was da an Senatslinie offenbar wird, ist ganz technokratische Politik. Das kritisieren wir scharf, weil das nichts mit moderner Stadtentwicklungs- und Schulpolitik zu tun hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Robert Heinemann CDU)

Ich will das gerne an einem Beispiel deutlich machen. Ich habe zum Beispiel gefragt, wo Sie diese fünf Quadratmeter Freifläche, die einem Kind zugestanden werden, hergenommen haben. Das ist eine technische Richtlinie, TR-Schulen von 1983, schlanke 30 Jahre alt. Ich habe in meiner Schriftlichen Kleinen Anfrage nachgefragt, warum man eine 30 Jahre alte Richtlinie nehme. Die Antwort des Senats will ich gerne verlesen:

"Es gibt keine neuen empirischen Erkenntnisse, welche die bisherige Richtlinie infrage stellen."

(Heiterkeit bei Robert Heinemann CDU)

Da muss ich auch lachen.

"Aus Sicht der zuständigen Behörde ist nicht das Alter der Richtlinie entscheidend, sondern deren Sinnhaftigkeit."

(Beifall und Heiterkeit bei den GRÜNEN und Beifall bei Robert Heinemann und Karin Prien, beide CDU)

Sie sehen, es fällt mir schwer, ernst zu bleiben. So wird jetzt mit Kindern in dieser Stadt umgegangen.

Dahinter steckt natürlich eine Geschichte: Der Wohnungsbau drückt, die Zielzahlen drücken. 6000 Wohnungen pro Jahr müssen gebaut werden,

(Ksenija Bekeris SPD: Ja, braucht man ja auch!)

und es gibt einfach wenig Flächen in dieser Stadt. Wir unterstützen den Wohnungsbau, aber wir finden es falsch – und da hat Herr Heinemann absolut recht –, jeden Quadratmeter zuzumetern und nachher keinen Platz mehr für Infrastruktur für unsere Kinder zu haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Robert Heinemann CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Dann lieber auf die grüne Wiese, oder wo?)

Ich möchte Ihnen noch einmal verdeutlichen, was auf diesen 5 Quadratmetern Freifläche alles stattfinden soll: Pausennutzung, Rückzugs- und Ruhe

flächen, Rasenspiele, behindertengerechte Spielgeräte, mindestens ein Kleinspielfeld, Sitz- und Klönecken, Ruhebereiche, Sach- und Naturkundeunterricht, Pflanzflächen, die auch eine Auswahl der wichtigsten heimischen Gehölze aufnehmen, Wasserbecken, Terrarien und Ansaatflächen. 5 Quadratmeter pro Kind – und das soll auch noch alles Platz haben. Können Sie sich das vorstellen?