Protocol of the Session on March 27, 2013

Meine Damen und Herren! Mit dem Krebsfrüherkennungs- und Registergesetz hat die schwarzgelbe Bundesregierung das erste vernünftige Gesetz im Gesundheitsbereich zustande gebracht.

(Beifall bei Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Das erste, wohlgemerkt, Herr Schinnenburg, das haben Sie gehört?

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN)

Allerdings hat auch dieses Gesetz Schwächen. So werden die privaten Krankenversicherungen bei der Finanzierung des Krebsregisters nur auf freiwilliger Basis beteiligt, obwohl natürlich auch die privaten Krankenversicherungen langfristig vom Krebsregister profitieren werden.

Bedauerlich ist außerdem, dass das Gesetz sich auf Mittel der Sekundärprävention, also auf die Früherkennung, beschränkt, und die Primärprävention, also die Vermeidung von Krebserkrankungen, nicht in den Blick nimmt.

(Beifall bei Dr. Till Steffen GRÜNE und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Hier gibt es aus unserer Sicht Potenzial, auch auf Landesebene zu überlegen, wie die Primärprävention in Hamburg gestärkt werden kann.

Meine Damen und Herren! Die Einrichtung flächendeckender klinischer Krebsregister ist ein wichtiger Baustein für die Bekämpfung von Krebserkrankungen in Hamburg und bundesweit. Wir werden daher beiden vorliegenden Anträgen zustimmen. Leider hat sich die SPD-Fraktion in ihrem Antrag darauf beschränkt, das altbekannte Vorhaben des Senats lobend zu erwähnen und in Erinnerung zu rufen, dass im Haushalt bereits Geld eingestellt wurde.

Der CDU-Antrag konkretisiert die Anforderungen an das Landesgesetz und setzt, im Gegensatz zur SPD-Fraktion, einen klaren Zeitrahmen. Diesen Ansatz unterstützen wir ausdrücklich. Wir begrüßen es daher auch, dass die SPD-Fraktion offensichtlich dem CDU-Antrag ohne Überweisung zustimmen möchte. Daher rechne ich damit, dass wir Ende November eine Gesetzesvorlage haben werden, über die wir dann im Ausschuss sprechen werden. Wunderbar, ich bin gespannt auf die Beratungen, wir werden sie konstruktiv begleiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dr. Moni- ka Schaal und Dr. Isabella Vértes-Schütter, beide SPD)

Das Wort bekommt Herr Dr. Schinnenburg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kekstadt, Sie baten um eine Allianz der Fraktionen zum Thema Krebs. Die FDP-Fraktion macht da gern mit. Wir werden Ihren Antrag unterstützen, kein Wunder, denn er basiert schließlich auf einem Bundesgesetz, das unser Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr erfolgreich durchgesetzt hat. Es ist selbstverständlich, dass wir es dann gut finden, dass auch in Hamburg die Umsetzung erfolgt.

(Beifall bei der FDP)

Welch ein Unterschied zu Ulla Schmidt, der SPD-Bundesgesundheitsministerin, die jahrelang an diesem Thema gescheitert ist. Also noch einmal vielen Dank an die schwarz-gelbe Bundesregierung. Das habt ihr gut gemacht. Es kommt nun darauf an, dass Hamburg das jetzt auch umsetzt.

(Beifall bei der FDP)

Nun habe ich mich natürlich gefragt, wieso so ein Antrag in der Bürgerschaft angemeldet werden muss. Die Mehrheitsfraktion fordert den Senat auf, das nun umzusetzen. Das macht doch eigentlich nur Sinn, wenn Sie Zweifel daran haben, dass Ihr Senat und Ihre Senatorin das auch umsetzen. Sonst macht so ein Antrag doch gar keinen Sinn. Wenn Sie also die Unterstützung der FDP-Fraktion brauchen, damit die SPD-Gesundheitssenatorin die Hamburger Umsetzung durchführt, machen wir das gern. In diesem Sinne werden wir dem Antrag zustimmen.

Beim CDU-Antrag werden wir uns enthalten, er kam einfach viel zu kurzfristig auf den Tisch. Ich vermute, dass nur richtige Dinge drinstehen, aber in den wenigen Stunden konnte ich das nicht überprüfen. Wir werden uns beim CDU-Antrag enthalten und dem anderen zustimmen. Wir freuen uns in der Tat darauf, wenn die Senatorin durch Ihren Druck, auch mit unserer Unterstützung, möglichst

(Heidrun Schmitt)

bald eine vernünftige Umsetzung eines tollen Bundesgesetzes herbeiführt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Artus.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Als Erstes sei gesagt: Es ist gut, dass flächendeckende klinische Krebsregister aufgebaut werden sollen. Noch besser wäre es allerdings gewesen, wenn bei diesem Aufbau die Erfahrungen mit bereits bestehenden Krebsregistern stärker einbezogen worden wären. So kann zum Beispiel das gemeinsame Krebsregister der ostdeutschen Bundesländer inzwischen auf Erfahrungen von 60 Jahren zurückblicken.

Nach Meinung von Expertinnen und Experten sind die jetzt geplanten regionalen Register zu kleinteilig. Sie ermöglichen es Patientinnen und Patienten und Ärztinnen und Ärzten eben nicht, die beste Therapie für den konkreten Krankheitsfall zu finden. Da durch die regionale Erfassung von Krebserkrankungen die Fallzahlen zu gering sind, um belastbare Erkenntnisse zu bekommen, bräuchte es ein bundesweit einheitliches Krebsregister oder mindestens eine bundesweite Vergleichbarkeit der Daten.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Völlig unverständlich bleibt die widersinnige Trennung von gesetzlich und privat versicherten Krebspatientinnen und -patienten.

(Beifall bei Tim Golke DIE LINKE)

Die laufenden Kosten sollen zu 90 Prozent von den gesetzlichen Krankenkassen und zu 10 Prozent von den Ländern getragen werden. Die privaten Krankenversicherer hingegen dürfen sich aussuchen, ob sie sich an dem Register beteiligen, das heißt, ob sie freiwillig zahlen und Krebserkrankungen ihrer Mitglieder an das Register melden oder eben nicht. Eine fachliche Begründung dafür habe ich vergebens gesucht.

Da es in dem Antrag der SPD in Ziffer 1 nicht nur um das Krebsregister, sondern insgesamt um die Möglichkeiten des Krebsfrüherkennungs- und Registergesetzes geht, gibt es noch andere Punkte, die wir kritisieren. Ein großer Teil des Gesetzes bezieht sich auf die Ausweitung der Früherkennungsuntersuchungen. Ähnlich wie bei Brustkrebs durch das Mammografie-Screening soll nun auch für andere Krebsarten, zunächst für Darm- und Gebärmutterhalskrebs, ein verbindliches Einladewesen etabliert werden. Unsere Kritik am Mammografie-Screening ist die fehlende Aufklärung über die Risiken der flächendeckenden Früherkennungsuntersuchungen und die große Gefahr von Überdiagnosen und unnötigen Eingriffen, Chemotherapien,

Bestrahlungen und Operationen. Das habe ich schon in der abgelaufenen Wahlperiode öfter erläutert.

Seit 20 Jahren gibt es immer wieder neue Studien über den Nutzen von Mammografie-Screening. Sie kommen fast übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der Einfluss auf die Sterblichkeit durch das Screening äußerst gering ist. Die gesunkene Zahl der Brustkrebstoten ist fast ausschließlich auf verbesserte Therapien zurückzuführen. Stattdessen aber werden viel zu viele Frauen völlig unnötig zu Patientinnen gemacht und monatelang Todesängsten ausgesetzt, um des Profites willen. Anstatt also endlich das Mammografie-Screening infrage zu stellen, wird das Einladeverfahren auf andere Krebsarten ausgeweitet.

Besonders problematisch ist, dass trotz vieler Kritik und Forderungen nach einer sinnvollen Aufklärung und Beratung der Patientinnen die Einladung zum Mammografie-Screening weiterhin keine informierte Entscheidungsfindung ermöglicht. Da Reihenuntersuchungen aber immer das Ziel haben, die Teilnahmerate von über 70 Prozent zu erreichen, wird wohl auch bei den neuen Einladungen zu den Früherkennungsuntersuchungen die Aufklärung hinter der Werbung zurückstehen, um des Profites willen. Gesundheit ist aber keine Ware, sehr geehrte Herren und Damen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Antje Möller GRÜNE)

Leider findet sich in dem Gesetz auch keine Ausarbeitung zur Primärprävention, also um die Krankheit zu verhindern. Diese könnte aber laut Weltgesundheitsorganisation 30 Prozent aller Krebserkrankungen verhindern.

Ein weiterer Punkt, der unerwartet in diesem Gesetz auftaucht, ist die Regelung zu Bonuszahlungen in Krankenhäusern. Jede Patientin und jeder Patient muss sich im Krankenhaus aber sicher sein können, dass allein die medizinische Indikation darüber entscheidet, welche Therapien durchgeführt werden und ob eine Operation wirklich notwendig ist. DIE LINKE sagt: Jegliche finanzielle Anreize für die Steigerung von Leistungszahlen, zum Beispiel bei Operationen, müssen verboten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Stattdessen wird diesem Problem hier mit Empfehlungen und Qualitätsberichten begegnet. Dies war im Übrigen ein Grund, warum sich bei der Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag alle Oppositionsparteien enthalten haben.

Wir werden daher der Ziffer 1 nicht zustimmen und fordern die SPD auf, ihren Antrag noch einmal an den Gesundheitsausschuss zu überweisen. Dort können wir uns dem Thema dann noch einmal fachpolitisch widmen. Beim CDU-Antrag werden

(Dr. Wieland Schinnenburg)

wir uns enthalten, der kam jetzt wirklich zu kurzfristig. Wir würden ihn aber auch gern überweisen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Senatorin Prüfer-Storcks.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In Hamburg erfahren jedes Jahr über 10 000 Menschen von der Diagnose Krebs, fast 5000 Menschen sterben jährlich daran. Aber 45 000 leben auch mit Krebs. Und das zeigt schon, dass durch eine intensivere Früherkennung und bessere Behandlungsmethoden die Krankheit Krebs inzwischen von einer tödlich verlaufenden zu einer chronischen Erkrankung geworden ist.

Aber Erfolg der Therapie und damit auch Überlebenschancen für Patientinnen und Patienten hängen in hohem Maße vom Geschick und der Erfahrung der behandelnden Ärztinnen und Ärzte, der Einrichtungen und auch den vorhandenen Kenntnissen über erfolgreiche Behandlungsmethoden und weniger erfolgreiche Behandlungsmethoden ab. Und weil das so ist, brauchen wir dringend in Hamburg und auch bundesweit ein klinisches Krebsregister. Ein solches Register, mit dem wir die Erstdiagnose, die Therapie, den Verlauf und das Ergebnis der Krebserkrankungen flächendeckend verfolgen können, wird wirklich ein Meilenstein für eine bessere onkologische Versorgung in Hamburg sein.

Deshalb hat der Senat die Einrichtung eines klinischen Krebsregisters vor zwei Jahren auch in sein Arbeitsprogramm aufgenommen, zu einem Zeitpunkt übrigens, als weit und breit auf Bundesebene noch keine Rede von einem Krebsregistergesetz war.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben dazu auch Beratungen und Verhandlungen mit allen Beteiligten aufgenommen und waren weit fortgeschritten. Es gab auch die freiwillige Bereitschaft der Krankenkassen, ein solches Krebsregister in Hamburg als Vorreiter zu finanzieren. Aber selbstverständlich haben wir keinen Hamburger Sonderweg betrieben, als der Bundesgesundheitsminister angekündigt hat, es würde ein Bundeskrebsregistergesetz geben. Wir sind natürlich froh darüber und ich begrüße es ausdrücklich, dass es die gesetzliche Grundlage gibt, dass es eine Finanzierungsverpflichtung der Krankenkassen gibt und kein Angewiesensein auf Freiwilligkeit, und dass es eine bundeseinheitliche Datensammlung geben wird.

Wir haben mit unseren frühzeitigen Aktivitäten an die gute Hamburger Tradition angeknüpft, darauf wurde schon verschiedentlich hingewiesen. Das weltweit erste epidemiologische Krebsregister ist

mittlerweile von sehr hoher Qualität und auch Vollständigkeit. Deshalb ist es auch eine ausgezeichnete Grundlage, jetzt voranzuschreiten. Mit dem epidemiologischen Krebsregister können wir zwar verfolgen, wie häufig bestimmte Tumorerkrankungen in welchen Stadtteilen in Hamburg vorkommen, und wir können dann bei auffälligen Häufungen auch Ursachenforschung betreiben. Aber Daten über die Qualität der Versorgung bekommen wir mit dem vorhandenen Krebsregister nicht. Dazu brauchen wir ein klinisches Krebsregister, um eine wirklich umfassende Dokumentation der Erkrankungen und der Behandlungen und ihres Erfolges in Hamburg zu bekommen.

Damit wird es möglich, durch die Dokumentation aller an der Behandlung beteiligten Ärztinnen und Ärzte, stationär und ambulant, auf einer objektiven Datengrundlage Therapien zu vergleichen, den Erfolg von Einrichtungen zu vergleichen und damit die medizinische Qualität transparenter zu machen. Und Transparenz ist immer der erste Weg zur Verbesserung.

Krebsregister sind Instrumente der Aufklärung, sie sind keinesfalls nur Stellen zum Sammeln, zum Archivieren oder gar zum Verstecken von Daten. Objektivierbare Informationen zum Krebsgeschehen sind medizinisch unverzichtbar, damit wir die therapeutischen Möglichkeiten auch kontinuierlich verbessern.