Das Bundesgesundheitsministerium muss aber natürlich trotzdem noch mitspielen. Daher bin ich gespannt auf den Beitrag der Hamburger FDP zu dem Thema, weil ich heute im "Hamburger Abendblatt" lesen konnte, dass anscheinend vonseiten
Eine Beratungspflicht für die betroffenen Frauen stellt vor allem eines sicher, nämlich dass wertvolle Zeit verloren geht und eine unnötige Hürde aufgebaut wird.
Es steht für uns als Fraktion außer Frage, dass jede Frau das Recht und die Möglichkeit haben muss, über die Verhütung von Schwangerschaften selbst zu entscheiden. Dazu gehört auch der unkomplizierte Zugang zur "Pille danach". Der Zugang zu einer wirksamen und gut verträglichen Verhütungsmethode darf nicht von der persönlichen Ausdauer der Betroffenen beim stundenlangen Warten in der Notfallambulanz und nicht von der Inkaufnahme unnötiger Untersuchungen oder einem dicken Fell gegenüber Moralurteilen abhängen. Die "Pille danach" ist auf Basis des Wirkstoffes Levonorgestrel eine sichere und erprobte Form der Notfallverhütung und bedarf keiner Rezeptpflicht. Ich freue mich, dass die SPD in Hamburg unseren Antrag unterstützt und wir beim Thema "Pille danach" an einem Strang ziehen. Das zeigt auch Ihr Zusatzantrag, der im Petitum eine andere Formulierung enthält, im Ergebnis aber zur gleichen Forderung kommt. Deswegen stimmen wir dem natürlich auch zu. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist Zeit, die "Pille danach" von der Verschreibungspflicht zu befreien. Sie sollte endlich rezeptfrei in Apotheken erhältlich werden. Diese Position vertritt die SPD seit Langem; so hat die SPD-Bundestagsfraktion in einem Antrag vom 17. Oktober vergangenen Jahres Entsprechendes gefordert.
Wie wichtig die Realisierung dieser seit langer Zeit erhobenen Forderung ist, wurde uns vor Augen geführt, als einer jungen Frau nach einer Vergewaltigung in zwei Kölner katholischen Krankenhäusern die Behandlung und somit ein Rezept für die "Pille danach" verwehrt wurden. Bei einer Rezeptfreiheit wäre ihr das nicht passiert.
Derzeit sind zwei Präparate mit unterschiedlichen Wirkstoffen auf dem Markt. Unsere Forderung nach Rezeptfreiheit bezieht sich allein auf die Pille mit dem Wirkstoff Levonorgestrel. Diese muss in
nerhalb von 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden. Die Verhinderung der Ovulation ist der maßgebliche Wirkmechanismus der "Pille danach". Wird sie rechtzeitig vor dem Eisprung eingenommen, dann verhindert das Hormon Levonorgestrel die Weiterentwicklung und Reifung des Eibläschens und/oder den Einsprung selbst. Die "Pille danach" hat also das Ziel, ungewollte Schwangerschaften und somit Schwangerschaftsabbrüche zu verhindern. Mit einer Abtreibung hat das gar nichts zu tun. Ist der Eisprung bereits erfolgt, verhindert die Pille nicht die Befruchtung. Voraussetzung der Verhinderung einer Schwangerschaft ist, wie gesagt, dass die "Pille danach" so früh wie möglich eingenommen wird. Nur wenn die Einnahme rechtzeitig erfolgt, wirkt sie auch sicher.
Und da liegt das Problem. Laut Umfragen bei jungen Frauen und nach Aussagen von Ärztinnen sehen sich Frauen mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert, um die "Pille danach" zu erhalten. Es ist für die Frauen oft schwierig, innerhalb dieses engen Zeitfensters einen Termin in einer gynäkologischen Praxis zu bekommen, insbesondere gilt das für das Wochenende. Die Folge ist, dass die Frauen oftmals unter Zeitstress geraten, ein Krankenhaus oder eine Notfallpraxis aufsuchen müssen, weil ihnen die Zeit sonst davonläuft. Dort haben sie sich kostspieligen Untersuchungen zu unterziehen, die zwischen 150 und 200 Euro kosten. Hinzu kommt eine Ultraschalluntersuchung zum Preis von 35 Euro. Zum Teil fallen, nach Berichten der Frauen, abschätzige Bemerkungen durch das Personal in den Klinikambulanzen.
In mehr als 79 Ländern der Welt ist die "Pille danach" auf der Basis des Hormons Levonorgestrel seit vielen Jahren frei verkäuflich oder über die Apotheke zu erhalten. In Frankreich beispielsweise gibt es die rezeptfreie Abgabe seit 1999. Gute Erfahrungen mit der rezeptfreien Zurverfügungstellung wurden in den vergangenen 13 Jahren in insgesamt 28 Ländern Europas gesammelt.
Die Forderung nach der Rezeptfreiheit hat eine lange Historie. So hat sich das Europäische Parlament im Jahr 2002 dafür eingesetzt und, wie Frau Schmitt ausführte, der Sachverständigenausschuss des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte hat die Aufhebung der Verschreibungspflicht empfohlen. Die WHO hat 2010 eine Bewertung der "Pille danach" vorgenommen und ausgeführt – Zitat –:
"Die Anwendung der Levonorgestrel-Methode ist einfach und eine ärztliche Betreuung ist für eine korrekte Anwendung nicht erforderlich. Studien haben gezeigt, dass sowohl erwachsene als auch jugendliche Frauen die Informationen zur Anwendung leicht verstehen. Die Nachverhütungsmethode […] wirkt nicht schädigend auf eine bereits bestehen
Für die "Pille danach" mit dem Wirkstoff Levonorgestrel existiert eine umfangreiche valide Datengrundlage, die demonstriert, dass sich im Falle einer Schwangerschaft weder für die Mutter noch für den Fötus Nebenwirkungen ergeben. In Langzeitstudien wurde der Verlauf von Schwangerschaften nach Levonorgestreleinnahme mit Schwangerschaften ohne Anwendung der "Pille danach" verglichen. Es wurden keine Unterschiede bei der Häufigkeit von Fehlgeburten, beim Geburtsgewicht, bei Fehlbildungen oder bei der Geschlechterverteilung festgestellt. Ein Einfluss auf eine bereits bestehende Schwangerschaft und auf Folgeschwangerschaften war in den Untersuchungen nicht ersichtlich.
Kurzum: Die "Pille danach" wird weltweit als Verhütungsmethode eingestuft. Ihr Wirkstoff ist auch in normalen Antibabypillen enthalten. Die Anwendung der "Pille danach" dient der Prävention einer Schwangerschaft nach ungeschütztem Sexualkontakt oder einer Verhütungspanne. Da es sich um ein hormonhaltiges Präparat handelt, besteht in Deutschland die Apothekenpflicht. Wir halten das auch für sinnvoll. Auf diese Weise findet vor der rezeptfreien Abgabe eine Beratung in der Apotheke statt. Zudem erachten wir es für sinnvoll, dass der Umgang mit der "Pille danach" nach Aufhebung der Rezeptpflicht evaluiert wird. Auch die aktuelle Bundesregierung hat mittlerweile festgestellt, dass in Bezugnahme auf europäische Untersuchungen keine arzneimittelrechtlichen Gründe gegen die Aufhebung der Rezeptpflicht für die "Pille danach" sprechen. Somit haben wir die Hoffnung, dass wir es über Bundestag und Bundesrat schaffen werden, die Notfallverhütung für Frauen zu erleichtern. Sollte die jetzige Regierung dabei nicht mitspielen, wird dies hoffentlich unter einer neuen rot-grünen Bundesregierung unter Peer Steinbrück ab Herbst 2013 gelingen,
denn die freie Verfügbarkeit der "Pille danach" hat große Bedeutung für die sexuelle Selbstbestimmung der Frauen. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu den beiden Anträgen, dem der GRÜNEN und dem der SPD. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Um sich bei dieser sehr emotional geführten öffentlichen Diskussion um die sogenannte "Pille danach"
eine Meinung bilden zu können, ist es wichtig, die Fakten zu kennen. So sollte, davon war eben schon die Sprache, inzwischen jedem klar sein, dass die "Pille danach" keine Abtreibungspille ist. Es handelt sich um ein hochwirksames Hormonpräparat, das den Eisprung um einige Tage verzögert. Ein bereits befruchtetes Ei wird jedoch nicht gefährdet. Damit ist die "Pille danach" ein gutes Notfallmedikament, und genau dabei sollte es aus meiner Sicht auch bleiben. Woher Sie, liebe Frau Schmitt, eine Abnahme der Wirksamkeit nehmen, wäre allerdings schon allein eine Überweisung an den Gesundheitsausschuss wert.
Ich halte eine ärztliche Beratung vor Abgabe der "Pille danach" für absolut notwendig, denn es gilt zu bedenken, dass aufgrund der hohen Hormondosis häufig starke Nebenwirkungen auftreten können. Außerdem kann sich neben Übelkeit und Kopfschmerzen auch der nächste Eisprung verzögern. Zudem sind derzeit mit Levonorgestrel und Ulipristal zwei sehr unterschiedliche Wirkstoffe auf dem Markt. Eine Abwägung, welcher Wirkstoff im Einzelfall geeignet ist, bedarf medizinischer Fachkenntnisse. Diese Medikamente sind keinesfalls austauschbar, wenn das eine gerade mal nicht in der Apotheke verfügbar ist. Hier greift der Antrag der GRÜNEN viel zu kurz. Von Unkenntnis zeugt auch, dass Sie, Frau Schmitt, im SPD-Antrag nur eine andere Wortwahl sehen. Nein, hier wird auf ein Präparat abgestellt.
Bitte lassen Sie uns nicht vergessen: Die Pille danach ist kein Hustenbonbon. Es ist wichtig, dass beraten und aufgeklärt wird. Die häufig jungen Frauen müssen aber auch menschlich begleitet werden. Weder das eine noch das andere ist in der Atmosphäre einer Apotheke angemessen zu leisten. Eine Beratung, mit weiteren Apothekenbesuchern hinter einem, ist sicherlich angenehm, oder?
Eine Verweigerung der "Pille danach" aus religiösen Gründen halte ich im Übrigen für falsch. Dass sich die katholische Kirche in Deutschland im Rahmen der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe in der vergangenen Woche in Trier auf eine Erlaubnis der "Pille danach" für Vergewaltigungsopfer verständigt hat, ist ein guter Schritt in
(Vereinzelter Beifall bei der CDU und bei Dr. Melanie Leonhard SPD – Jan Quast SPD: Dann gehen Sie doch mal mit!)
Die "Pille danach" ersetzt keine wirksame Empfängnisverhütung im Sinne der Selbstverantwortung. Genau hier sollte auch eine verantwortungsvolle Politik ansetzen. Die Aufklärung an Schulen muss intensiviert werden, und auch über die kostenlose Abgabe von Kondomen an Schülerinnen und Schüler sollte man nachdenken. Verhütung ist nicht nur eine Sache der Frau, sondern eine partnerschaftliche. Über den Druck auf die Frauen bei freier Verfügbarkeit der "Pille danach" können wir uns auch noch einmal im Gesundheitsausschuss unterhalten, wenn die SPD die Überweisung akzeptiert. Ich spreche mich im Übrigen, wie auch die Hersteller, die die Risiken am besten einschätzen können, dafür aus, dass es bei der Rezeptpflicht bleibt. Das Rezept kann jeder Arzt ausstellen, nicht nur Gynäkologen. Hier ist sicherlich noch Aufklärung notwendig.
Die CDU-Fraktion lehnt daher die Anträge der GRÜNEN und der SPD ab. Einer Überweisung an den Gesundheitsausschuss stimmen wir zu. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als ich diesen Antrag das erste Mal sah, habe ich ein bisschen geschmunzelt. Ausgerechnet die GRÜNEN wollen eine leichtere Verfügbarkeit von Hormonpräparaten, dieselben GRÜNEN, die sonst hinter jeder Ecke ein gefährliches Molekül vermuten; Hormone seien sogar besonders gefährlich, und übrigens müssten die Bürger auch vor sich selbst geschützt werden.
(Heike Sudmann DIE LINKE: Schlechter Einstieg, Herr Schinnenburg! – Antje Möller GRÜNE: Am Thema vorbei! – Jens Kerstan GRÜNE: Es geht nicht um Massentierhal- tung, Herr Schinnenburg!)
Es gibt zwei Argumente für die Abschaffung der Rezeptpflicht, die auch hier schon genannt wurden, die immer wieder genannt werden. Der eine Punkt betrifft die Eile. Man hat in der Tat nur begrenzt Zeit, die entsprechende Pille einzunehmen. Manche sprechen von 24 Stunden, die SPD nennt in ihrem Zusatzantrag 72 Stunden. Ich persönlich bin der Meinung, dass 72 Stunden eine etwas sehr lange Zeitspanne ist. Aus meiner Sicht ist es dringend erforderlich, deutlich weniger Zeit als 72 und sogar 24 Stunden vergehen zu lassen, nicht gerade ein bis zwei Stunden, aber selbst 24 Stunden
sind schon eine ganze Menge. Insofern wundert mich diese Formulierung im SPD-Antrag ein bisschen. Zeit ist also ein Argument, das auf jeden Fall zu beachten ist. Denken Sie aber bitte auch daran, dass in vielen Hamburger Krankenhäusern – dazu ist gerade eine Schriftliche Kleine Anfrage, Drucksache 20/6838, der Kolleginnen Schmitt und Dr. von Berg hereingekommen – viele Hundert Male im Jahr diese "Pille danach" vergeben wird, auch in Notfallsituationen. Das heißt, gerade in Hamburg ist es sicherlich kein Problem, innerhalb von 24 Stunden das Medikament zu bekommen; in ländlichen Regionen mag das anders sein. Nebenbei gesagt haben Apotheken auch nicht immer auf. Sie können am Wochenende nicht in jede Apotheke gehen, sondern müssen den Apothekennotdienst aufsuchen. Auch das ist nicht so ohne Weiteres möglich. Das heißt also, dass das erste Argument zwar die Sache trifft, aber doch zu relativieren ist.
Das zweite Argument, dass viele andere Länder es machen und die WHO und andere Institutionen es empfehlen, finde ich vergleichsweise schwach. Meine Damen und Herren, wir sind doch sonst immer sehr stolz auf unsere deutschen Sicherheitsstandards. Mit anderen Worten: Es gibt zwei Argumente für die Abschaffung der Rezeptpflicht, die beide aus meiner Sicht zu beachten, aber nicht zwingend sind.