Protocol of the Session on February 27, 2013

(Dirk Kienscherf SPD: Herr Wersich hat das eben noch anders geschildert!)

und Sie belasten diejenigen, die ohnehin schon die größte Last tragen. Wir nennen das unsoziale Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt zu Ihrem Politikstil, Herr Bürgermeister. Die absolute Mehrheit verändert auch den Stil, und wir haben gelesen – darauf wird immer gerne hingewiesen –, dass Sie sehr hohe Umfragewerte haben. Beliebtheit und Beliebigkeit liegen aber sehr eng beieinander liegen.

(Beifall bei der LINKEN)

In der Tat können wir feststellen, wenn man sich die Halbzeitpressekonferenz, die Regierungserklärung oder die Rede vor dem Übersee-Club anguckt, dass da viel Prosa und wenig Konkretes geboten wird. Die politischen Entwürfe, nach denen Sie handeln, stammen aus dem letzten Jahrhundert. Die Agenda 2010 schwebt immer noch als Geist obendrüber. Insofern haben Sie recht: Das ist betonhart, da sind keine Risse, da wird beigeblieben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Formel "Mehr Wachstum, mehr Wohlstand, mehr Lebensqualität und Chancengleichheit für al

(Jens Kerstan)

le" ist ebenso falsch wie ignorant, das hat vor über 60 Jahren schon der Club of Rome festgestellt. Das, was unbeliebt macht in der Politik, Herr Bürgermeister, das überlassen Sie anderen. Sie lassen kürzen – von Ihren Senatorinnen und Senatoren, von den Behörden und den Bezirken. Sie blenden die Realitäten in dieser Stadt aus. Wir haben in Hamburg sehr viele Menschen, die zu Dumpinglöhnen arbeiten und Aufstocker sind. Selbst in Schulen und Hochschulen ist prekäre Beschäftigung an der Tagesordnung. Die soziale Herkunft entscheidet immer noch über den Schulerfolg und misserfolg.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wir haben doch die Studiengebühren abgeschafft!)

Wenn Sie gut regieren wollen, müssen Sie die stärkste Herausforderung in dieser Stadt zur Kenntnis nehmen und dafür sorgen, dass die soziale Spaltung beseitigt wird. Wir werden nicht aufhören, das immer wieder einzufordern.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat nun der Erste Bürgermeister.

Frau Präsi- dentin, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich für die erneute Anmeldung dieser Debatte bedanken. Letzte Woche hat dies die SPDFraktion in der Aktuellen Stunde versucht, und jetzt haben andere dazu beigetragen, dass sie auch tatsächlich stattfinden kann.

Nach einer ganzen Reihe von Halbzeitdebatten, angefangen schon im letzten Jahr bei der Haushaltsdebatte, nach den Diskussionen, die wir dann vor der Presse geführt haben, in der sich jeder auch sorgfältig geäußert hat, und angesichts der vielen dargelegten Einschätzungen sollten wir versuchen, einigermaßen ruhig an die Sache heranzugehen. Sie alle sind beim Hierherkommen darauf gestoßen, dass heute das schöne Wetter in Hamburg maßgeblich ist.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Und wenn wir in der Bürgerschaft über Politik diskutieren, dann sollte die Regierung nicht den Eindruck erwecken, als wäre sie für das Wetter verantwortlich, und die Opposition sollte nicht, wenn es schlecht läuft, so argumentieren, als wäre die Regierung am Wetter schuld. Diesen Eindruck haben aber manche Bürgerinnen und Bürger, wenn sie politische Debatten verfolgen, dass nämlich nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit über die Fragestellungen der Zukunft unserer Stadt und unseres Landes diskutiert wird. Das finde ich aber wichtig. Es ist nie ein guter Rat, mit erhobenem Zeigefinger sehr aufgeregt zu schimpfen und dann feststellen zu müssen – nicht nur an den Umfragewerten, aber manchmal eben auch daran –, dass die

Bürgerinnen und Bürger diese Sicht der Dinge ganz und gar nicht teilen.

(Beifall bei der SPD)

Ich verspreche Ihnen, dass die Regierung betont sachlich bleiben wird und nicht großartig verkündet, was sie alles Tolles tut, sondern sich an ihre Arbeit macht.

(André Trepoll CDU: Keine Senatspresse- konferenz hier!)

Es wäre eine gute Idee, wenn diejenigen, die die Regierung mit Kritik begleiten – was in der Demokratie eine wichtige und unbedingt notwendige Aufgabe ist –, dies auch so tun, dass man glauben kann, dass es ihnen um die Dinge geht, die wirklich in unserer Stadt stattfinden. Das ist nicht immer sicher.

(Beifall bei der SPD)

Zum Haushalt: Ich habe die letzte Haushaltsdebatte schon angesprochen, und wir werden die nächste Haushaltsdebatte kurz vor der nächsten Bürgerschaftswahl haben. Das wird sehr beeindruckend sein, denn wir werden zeigen können, dass wir unsere Ansage, die Steigerungen in den Haushaltsplänen Jahr für Jahr nicht über 1 Prozent kommen zu lassen, eingehalten haben werden.

(Dietrich Wersich CDU: Das ist die Realität!)

Und was aus meiner Sicht mindestens genauso wichtig ist: Wir werden noch vor der nächsten Bürgerschaftswahl einen Haushalt vorlegen, bei dem das für die weiteren Jahre auch skizziert wird. Einen Haushalt, der zeigt, dass man das auf diese Art und Weise machen kann, der dazu beitragen soll, dass wir gleichzeitig das modernste Haushaltswesen eines deutschen Bundeslandes bekommen werden. Dieses wird dann auch zum Beispiel Abschreibungen enthalten und sicherstellen, dass der Verfall unserer Infrastruktur im Haushalt nicht mehr unberücksichtigt bleibt, der verhindert, dass man neue Projekte entwickelt, aber die Instandhaltung des Bestehenden nicht finanziert werden kann. Das wird sich ändern, und das ist sehr modern.

(Beifall bei der SPD – Glocke)

Herr Bürgermeister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wersich?

Ja.

Herr Bürgermeister, wie erklären Sie uns und der Öffentlichkeit, dass die tatsächlichen Ausgaben von 2010 auf 2011 um 4,5 Prozent und von 2011 auf 2012 um 2 Prozent gestiegen sind?

(Dora Heyenn)

Erster Bürgermeister Olaf Scholz (fortfahrend): Sehr geehrter Herr Wersich, es gab schon in der griechischen Demokratie die rhetorische Form des Sophismus.

(Dietrich Wersich CDU: Ist das jetzt eine Selbsterkenntnis?)

Das ist die Art und Weise, etwas zu verdrehen, um dann über das, was man verdreht hat, besonders sorgfältig zu sprechen. Leider muss ich Ihnen vorhalten, dass Sie den Sophismus sorgfältig studiert haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen auch sagen, woran das liegt. Schon in der Bürgerschaftswahlkampagne stand in unserem Programm und in der Erklärung von mir und dem späteren Finanzsenator Tschentscher, dass die Ausgabensteigerung pro Jahr, ausgehend vom Haushaltsplan-Entwurf 2010, nicht mehr als 1 Prozent betragen darf.

(Dietrich Wersich CDU: Also Pläne! – Zurufe von der CDU)

Diese Aussage ist schriftlich verfasst, in Pressekonferenzen dargestellt und im Übrigen mit Zeichnungen unterlegt worden, und man muss sich sehr anstrengen, um da ständig wegzugucken und über etwas anderes zu reden. Was Sie machen, ist eine klassische Strategie in der Demokratie. Schon die attische Demokratie kannte das, aber dies hatte auch schon damals keinen guten Ruf.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben: Für jemanden, der eine Partei anführt, die bei der letzten Bürgerschaftswahl so abgeschnitten hat, wie sie abgeschnitten hat,

(Zurufe von den GRÜNEN)

und davon nicht sehr weggekommen ist, ist es schon ein gewagtes Unterfangen zu behaupten, eigentlich wäre alles, was man bisher gemacht habe, super gewesen, leider könne man sich das Wahlergebnis nicht erklären.

(Zurufe von der CDU)

Mein Rat an Sie: Überlegen Sie sich zu diesem Gedankenansatz doch einmal etwas Neues.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen ist es schon kühn, sich hinzustellen und zu sagen, man habe zehn Jahre lang vergessen, Wohnungen zu bauen,

(Dietrich Wersich CDU: Sie wissen, dass das nicht stimmt!)

und dann der aktuellen Regierung vorzuwerfen, es fehle ihr an einer Vision. Ihnen ist jahrelang vorgehalten worden, dass Sie überbordende Fantasien für die HSH Nordbank hatten und dafür gesorgt

haben, dass diese Bank eine Expansionsgröße erreicht hat, für die wir noch zehn, zwanzig Jahre lang zu büßen haben werden. Aber es ist Ihnen nicht eingefallen, ganz bodenständig dafür zu sorgen, dass in dieser Stadt Wohnungen gebaut werden, die die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs benötigen.