Protocol of the Session on November 29, 2012

Bundesweit muss man feststellen, dass es rund 275 000 Menschen gibt, bei denen ein problematisches Spielverhalten festgestellt wurde. Bei rund 260 000 Menschen gibt es ein pathologisches, also ein krankhaftes Spielverhalten. Drei Viertel dieser Betroffenen haben Erfahrungen mit Spielautomaten gemacht, die in Gaststätten oder in Spielhallen stehen. Insgesamt 15 800 Spielsüchtige haben sich bundesweit wegen ihrer Spielsucht in Therapie begeben.

Das sind immens hohe Zahlen, und wenn man diese Zahlen auf Hamburg herunterbricht, dann sieht es hier nicht viel besser aus. In Hamburg ist die Zahl der Spielhallenstandorte in den Jahren 2005 bis 2010 zwar nicht dramatisch gestiegen, sie ist leicht zurückgegangen von 283 auf 280, aber die Anzahl der Spielhallenkonzessionen ist sehr gestiegen, und zwar von 376 auf 405 und inzwischen weiter steigend. Das sind diese sogenannten Mehrfachkonzessionen, zu denen ich später noch komme.

Wenn man eine Evaluation des Spielverhaltens heranzieht, dann haben 42 Prozent der befragten Spieler in Spielhallen und auch 30 Prozent der Spieler in Gaststätten gesagt, sie seien als pathologische Glücksspieler zu diagnostizieren. Und 6 Prozent beziehungsweise 38 Prozent dieser Spielerinnen und Spieler waren bereits in Behandlung.

Frau Schmitt, Sie haben es gesagt, allein in Hamburg wird die Zahl der pathologischen Glücksspielerinnen und -spieler auf rund 10 000 geschätzt.

(Heidrun Schmitt)

Gerade Automatenspiele tragen durch die Art und Weise der Bespielbarkeit und die schnelle Spielabfolge zu einem erheblichen Teil an der Spielsucht bei. Die Folgen der Sucht sind mannigfaltig. Die Mehrzahl der Glücksspielerinnen und Glücksspieler hat ein hohes Ausmaß an Schulden. Soziale Kontakte werden gekappt, es gibt Folgen in der Partnerschaft, Verschuldung, und die gesamte Familie wird in den Strudel der Spielsucht hineingezogen. Genau diese Entwicklung erfordert staatliches Handeln.

(Beifall bei der SPD)

Insbesondere die Mehrfachkonzessionen, die gerade zur Bildung dieser Spielhallenkomplexe führen, tragen zur Verschärfung der Situation bei. Es ist Ziel – nicht nur des Spielhallengesetzes, übrigens auch des Glücksspielstaatsvertrags –, der Glücksspielsucht, die erst seit 2001 als Krankheit anerkannt ist, zu begegnen. So hat auch der Glücksspielstaatsvertrag in zwei seiner gleichwertig zu betrachtenden Zielen festgelegt, dass das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettspielsucht zu verhindern sei. Die Voraussetzung für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen ist eines der Ziele, und daneben der Jugend- und Spielerschutz. Genau dies wurde auch im ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag noch einmal bekräftigt. Zusätzlich aufgenommen wurden nach Einwendungen des Europäischen Gerichtshofs insbesondere auch die Automatenspiele, damit sämtlichen verschiedenen Spielmöglichkeiten gleichermaßen Rechnung getragen wird. Und natürlich enthält der Glücksspieländerungsvertrag auch Regelungen, die sich auf die Kompetenzen beziehen, die auf die Länder übergegangen sind.

Genau das sind die Rahmenbedingungen für Spielhallen, die von den Ländern festgelegt werden können. Hamburg hat sehr frühzeitig darauf reagiert. Man muss dazu sagen, dass dies auf Initiative eines Antrags der GRÜNEN Fraktion zustande kam, die das zunächst gefordert hatte. Aber wir haben sehr frühzeitig darauf reagiert, nachdem es erste Spielhallengesetze in den Stadtstaaten Berlin und Bremen gab. Wir haben es uns dabei wirklich nicht einfach gemacht. Wir hatten eine Expertenanhörung im April dieses Jahres. Wir hatten dann im Mai die Auswertung und haben danach selbst noch einmal einen geänderten Gesetzentwurf vorgelegt. In der Zwischenzeit, in der nun einige Monate vergangen sind, haben zwölf Bundesländer ein Spielhallengesetz verabschiedet, das heißt, in zwölf Bundesländern ist dieses Spielhallengesetz in Kraft.

Jetzt möchte ich kurz darauf hinweisen, was uns besonders wichtig war. Das Verbot der Mehrfachkonzession ist ein zentraler Punkt. Das heißt, für einen Betreiber mit zwei oder mehr Spielhallen in einem Gebäudekomplex dürfen diese Konzessionen nicht mehr vergeben werden, sie sind zukünf

tig verboten. In räumlicher Nähe von Kinder- und Jugendeinrichtungen werden keine Spielhallen mehr eingerichtet.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Auch den Abstand zu weiteren Spielhallen und weiteren Anbietern haben wir auf 500 Meter begrenzt, das heißt, innerhalb von 500 Metern dürfen gleichartige Einrichtungen nicht angesiedelt werden. Das erschien uns sehr wichtig. Wir erachten diese 500 Meter auch für ausreichend. Wir haben im Spielhallengesetz festgelegt, dass die Spielgeräte in den Spielhallen mit einem Mindestabstand von 1,5 Metern aufgestellt werden dürfen und die Höchstzahl von zwölf Spielgeräten in einer Spielhalle auf acht sinken soll.

All diese Gründe und Voraussetzungen sollen dazu dienen, dass das Spielverhalten kurzfristig unterbrochen wird, dass es nicht mehr so verlockend ist, an mehreren Automaten zu spielen. Es ist auch nicht mehr möglich, in einem Haus zwischen mehreren Spielhallenangeboten hin- und herzuwandeln.

(Beifall bei der SPD)

Daneben haben wir eine Sperrzeit festgelegt, die von 5 bis 12 Uhr geht, und wir haben natürlich auch Sperrzeiten an verschiedenen Feiertagen festgelegt.

In unserer sehr langen Debatte und im Ausschuss vor einigen Wochen haben auch die Fraktionen der LINKEN und der GRÜNEN unserem Änderungsgesetz zugestimmt, worüber wir uns sehr gefreut haben. Die Fraktion DIE LINKE hat aber damals bereits angekündigt, dass sie selbst einen eigenen Antrag vorlegen möchte. Der liegt nun vor und ich würde gern kurz darauf eingehen.

Der Abstand der Spielhallen zueinander ist eine wichtige Frage. Sie fordern jetzt 1000 Meter. Wenn man sich die Gesetze der Bundesländer anschaut, dann variiert es zwischen 250, 300 und 500 Metern. Wir halten 500 Meter tatsächlich für ausreichend. Es geht doch darum, diesen Spielbetrieb kurz zu unterbrechen und den Ort wechseln zu müssen. Dafür halten wir 500 Meter für ausreichend und haben es deswegen entsprechend festgelegt. Auch zum Abstand zu den Spielgeräten, der bei Ihnen mit mindestens 2 Metern gefordert wird, sind nach unserer Auffassung 1,5 Meter bereits ausreichend, damit nicht an mehreren Spielgeräten gleichzeitig gespielt werden kann.

Die Problematik mit dem Tageslicht, die ich abschließend erwähnen möchte, ist, dass Sie keine Ausnahmeregelung fordern. Wir hatten gesagt, dass es Ausnahmeregelungen gibt für Spielhallen, in denen kein Tageslichteinfall möglich ist. Es gibt Spielhallen in Bahnhöfen und in Einkaufszentren, bei denen das nicht möglich ist. Auf der einen Seite kann man sagen, vielleicht wirkt es dem Sucht

verhalten entgegen, wenn man sich durch das Tageslicht klarer darüber wird, wie lange man schon dort sitzt und was man da eigentlich macht. Auf der anderen Seite könnte aber auch gerade die Einsehbarkeit von Spielhallen, der Tageslichteinfall, eher zu Spielen verlocken. Das ist die andere Seite der Medaille. Insofern haben wir uns für die Ausnahmeregelung entschieden und würden auch den Antrag der LINKEN heute ablehnen.

Abschließend noch kurz zu den Einlassungen, die Frau Schmitt gemacht hat zu den Änderungen, die auch von der GRÜNEN Fraktion gefordert wurden. Das Thema zentrale Sperrdatei ist ein ganz wichtiges Thema. Man muss dazu aber sagen, dass der Glücksspielstaatsvertrag es ausgeschlossen hat, Spielhallen in diese zentrale Sperrdatei aufzunehmen. Es werden Lotterien, Betreiber von Sportwetten und auch Spielbanken zurzeit aufgenommen, aber noch keine Spielhallen. Das heißt nicht, dass wir uns niemals dem Thema Zugangssperre nähern wollen, nur zurzeit wollen wir die Erfahrungen auf Bundesebene abwarten und werden dann weiter entscheiden.

Außerdem gibt es datenschutzrechtliche Probleme. Sie sagten, Sie hätten auf eine Bundesratsinitiative zur personengebundenen Spielerkarte verzichtet. Auch dazu muss man sagen, dass die Entscheidung im Bund gerade gefallen ist, eine spielerungebundene Karte zu favorisieren. Insofern ist eine Bundesratsinitiative zum jetzigen Zeitpunkt tatsächlich zwecklos, weil diese Entscheidung gerade gefallen ist. Aber auch das ist eines der Themen, die wir weiter verfolgen werden, denn natürlich ist die personengebundene Spielerkarte ein ganz wichtiger Faktor bei dem Ganzen.

Ich hoffe, dass insbesondere die Fraktion DIE LINKE und die GRÜNEN auch heute unserem Antrag zustimmen können und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Stemmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Frau Schmitt zitieren, aber mit einer leichten Abwandlung: Hamburg bekommt heute ein unzulässig zustande gekommenes Spielhallengesetz,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Stimmt ja über- haupt nicht! – Dirk Kienscherf SPD: Lächer- lich!)

und das ist für den Spielerschutz nicht gut.

(Beifall bei der CDU)

Wer bisher glaubte, und dazu zählte ich mich auch, dass ihn so schnell nichts von dem, was die SPD

so fabriziert, noch erschüttern könnte, wurde gestern wieder einmal eines Besseren belehrt.

(Jan Quast SPD: Oh, Stemmann!)

Die SPD-Fraktion hat nicht nur die Beratungen in der Bürgerschaft und in den Fachausschüssen verschleppt – Frau Domres hat eben die große Zeitspanne von Mai bis Oktober erwähnt, in der nichts passiert ist –, sie will jetzt auch vorsätzlich gegen europäisches Recht verstoßen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt nicht! – Dirk Kienscherf SPD: Das müssen Sie erst einmal beweisen!)

Einem europarechtswidrigen Gesetz will und kann die CDU-Fraktion aber nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Wir mögen uns erinnern: Bereits im März des Jahres 2011 brachte die GAL-Fraktion einen Antrag zum Spielhallengesetz ein. Was machte der Senat? Nichts. Ein Jahr später erreichte den Gesundheitsausschuss ein Entwurf für ein Spielhallengesetz der SPD. Mehrfach sorgten die Vertreter der SPD-Fraktion dafür, dass der Gesetzentwurf nicht beraten wurde mit der Begründung, dass die Notifizierung der Änderung des Glücksspielstaatsvertrags noch ausstehe.

(Arno Münster SPD: Stimmt ja auch!)

Und dann sollte alles ganz schnell gehen. Gerade einmal 24 Stunden vor der abschließenden Beratung Ende Oktober brachte die SPD ein umfangreiches Änderungspetitum an ihrem eigenen Gesetzentwurf ein.

Meine Damen und Herren! Als selbstständiger Unternehmer habe ich größtes Verständnis dafür, dass man neben der Politik auch anderen Verpflichtungen nachgehen muss. Aber das darf nicht auf Kosten unserer Landesgesetze gehen. Im Zweifelsfall gilt: Qualität vor Schnelligkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kienscherf, Sie haben Ihren gestrigen Beitrag zur Geschäftsordnung mit sehr viel Pathos begonnen. Es ist richtig, wir müssen uns um einen effektiven Spielerschutz bemühen. Aber so geht es nicht, so helfen Sie und Ihre Fraktion niemandem. Ihr Auftritt war pure Heuchelei.

(Beifall bei der CDU – Hansjörg Schmidt SPD: Jetzt kommen gleich die Inhalte!)

Und Frau Möller, wenn mir diese Bemerkung gestattet ist, an Ihrer gestrigen Äußerung war klar erkennbar, dass Sie sich mit der europäischen Rechtsprechung überhaupt nicht auseinandergesetzt haben. Hauptsache schnell, aber mit einer anständigen Parlamentskultur hat Ihr Handeln nun wirklich nichts zu tun.

(Anja Domres)

(Beifall bei der CDU – Jan Quast SPD: Was wollen Sie denn jetzt wirklich, Herr Stem- mann?)

Bereits dieses Verfahren ist ein Unding und muss eigentlich dazu führen, dass man Ihr Gesetz, liebe Kollegen der SPD, ablehnt. Aber es kommt noch dicker: Vor wenigen Tagen erhielten wir den unmissverständlichen und absolut nachvollziehbaren Hinweis, dass ein hamburgisches Spielhallengesetz vor seiner Verabschiedung durch die EUKommission geprüft und freigegeben werden muss. Was macht der Senat? Nichts.

Wagen wir einmal einen kleinen Blick über den Tellerrand. Der Landtag des Landes Brandenburg hat ein sehr ähnliches Spielhallengesetz beraten. Ich erwähnte bereits in der gestrigen Sitzung, dass sich der brandenburgische Wirtschaftsminister nicht nur für ein Notifizierungsverfahren einsetzte, sondern es sogar für erforderlich hielt. Und Sie alle wissen spätestens seit den gestrigen Äußerungen von Herrn Schinnenburg, dass es sich bei Minister Christoffers nicht um ein Mitglied unserer Partei handelt.

Liebe Kollegen aus der SPD-Fraktion! Täglich steht einer Ihrer Genossen vor den Kameras und Mikrofonen dieser Republik, um die Europafreundlichkeit der Sozialdemokraten zu beschwören.

(Jan Quast SPD: Was ist denn jetzt zum Thema zu sagen?)