Protocol of the Session on November 28, 2012

Ich kann Sie nur noch einmal davor warnen, diese Entscheidung so zu treffen, auch in dem Verfahren, wie Sie es bisher vorhaben. Die Sache ist noch nicht durch, Herr Tabbert, damit müssen Sie sich auseinandersetzen. Kommen Sie deshalb noch einmal auf unser Gesprächsangebot zurück. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt nach meiner Buchführung Frau von Berg. Herr Steinbiß, ich habe von Ihnen keine Wortmeldung gesehen. Wenn Sie sich zu Wort melden wollen, ist es immer gut, wenn Sie das kundtun. Ich habe das jetzt wahrgenommen. Frau von Berg hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Se

natorin Schiedek, in Ihrer Rede haben Sie ausschließlich als Justizsenatorin gesprochen, aber nicht ein einziges Mal als Frauensenatorin. Das finde ich wirklich beschämend.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nach "nicht meine Ministerin Schröder" im Bund haben wir jetzt auch "nicht meine Senatorin Schiedek" in Hamburg.

(Dirk Kienscherf SPD: Das können Sie doch gar nicht vergleichen!)

Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass es hier um Frauen geht und um Frauenstrafvollzug. Und für diese Frauen, Frau Senatorin Schiedek, sind Sie verantwortlich. Sie sind auch Frauensenatorin. Die Verhältnisse in der JVA Billwerder wurden schon ausführlich geschildert. Es ist eine völlig andere Anstalt als die in Hahnöfersand.

Es wurde auch noch eindeutig auf die Biografie von Frauen hingewiesen, die möchte ich noch einmal deutlich machen. 75 Prozent der Frauen haben Gewalterfahrungen. 50 Prozent der Frauen haben Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch. Und diese Erfahrungen, deren Biografie münden in Prostitution und Kriminalität. Deswegen sind diese Frauen auch häufig in Hahnöfersand inhaftiert.

Was passiert jetzt in der JVA Billwerder? Selbstverständlich werden dort ehemalige Prostituierte ihren Zuhältern begegnen oder vielleicht auch ihren Freiern, aber vor allem ihren Zuhältern. Und wir wissen, wie Prostitution funktioniert. Es wurde in der Expertenanhörung am 23. Oktober auch deutlich gemacht, dass überhaupt nicht auszuschließen sei, dass die Frauen, die ehemals Prostituierte auf der Straße waren, sich genauso in Billwerder prostituieren nach dem Motto: Ich tue etwas für dich, du tust etwas für mich. Und das muss verhindert werden, das geht nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP – Dr. Andreas Dressel SPD: Das muss man ver- hindern!)

Sie sagen, Sie werden es verhindern, aber Sie werden es nicht verhindern können. Wer sich im Justizvollzug auskennt – das haben die Expertinnen deutlich gesagt –, weiß, dass man es nicht verhindern kann. Hahnöfersand ist 1998 extra für Frauen errichtet und ausgelegt worden, für deren besondere Bedürfnisse und Bedarfe. Und Sie zerstören genau das ohne Not.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Das ist schon eine bedeutende Rolle rückwärts, was die SPD hier hinlegt. 1998 wurde Hahnöfersand unter den genannten Bedingungen wegen der besonderen Bedürfnisse und Bedarfe von Frauen eingerichtet. In der Opposition haben Sie sich zu Recht gegen die Schließung kleiner Anstal

(André Trepoll)

ten ausgesprochen, und Sie haben bei der JVA Glasmoor durchaus Einsicht gezeigt, aber jetzt gehen Sie mit dem Kopf durch die Wand. Sie gefährden die Resozialisierung von Frauen. Sie verschlechtern die Lebensqualität der Frauen und der Kinder, die mit ihnen inhaftiert sein können, und Sie verschlechtern die Qualifizierungsangebote. Vielleicht wird es künftig eine Koedukation an der Werkbank geben:

(Urs Tabbert SPD: Das steht nicht in der Drucksache!)

die Prostituierte mit ihrem ehemaligen Zuhälter. Man kann es sich sehr schön vorstellen.

(Dirk Kienscherf SPD: Unglaublich!)

Sie gefährden das erfolgreiche Konzept, das in Hahnöfersand etabliert wurde. Und für was? Für angebliche Einsparungen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und da, Frau Senatorin Schiedek, zeigen sich Ihre zwei Gesichter. Einerseits – das ist das Gesicht, das Sie nach außen zeigen – lassen Sie sich für Ihre Frauenquote feiern, aber gleichzeitig vernachlässigen Sie Frauen, die dringend Ihrer Unterstützung bedürfen. Diese Frauen lassen Sie einfach im Regen stehen. Das wirkt auf mich wie ein Januskopf, in Ihrem Fall also wie ein Jana-Kopf. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Herr Steinbiß, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Etwas weniger Aufregung bei diesem Thema wäre vielleicht ganz angebracht. Es wurde zum Glück schon angesprochen, wem wir die Situation, in der wir uns befinden, zu verdanken haben, dem vielzitierten Herrn Kusch, wobei es, liebe CDU, geradezu Hohn ist zu behaupten, der Strafvollzug habe sich unter Herrn Kusch verbessert, einem Mann, der nach Arizona fuhr,

(Farid Müller GRÜNE: Lenken Sie nicht ab, Herr Steinbiß!)

um sich mit Sheriffs über den Strafvollzug zu unterhalten. Das ist sehr weit hergeholt.

(Beifall bei der SPD)

Darüber hinaus war es ein Staatsrat der FDP, der diesen Mammutbau mit zu verantworten hatte.

(Jens Kerstan GRÜNE: Jetzt reden Sie doch mal über den Plan Ihrer Senatorin! – Zurufe von der CDU)

Natürlich wollten wir erben und wir haben eine ganze Menge geerbt. Leider haben wir auch in diesem Bereich von Ihnen keinen allzu schönen Nachlass bekommen.

(Jens Kerstan GRÜNE: Dann heult doch und geht nach Hause!)

Jetzt müssen wir aufräumen; wir sind gerade dabei.

Aus Ihrer Ecke, liebe CDU und FDP, wirkt die angebliche Sorge um die Sicherheitsbedingungen der Frauen doch ziemlich vorgeschoben auf mich. Bedauerlich ist, dass Sie sich bisher nicht einmal die Gegebenheiten in Billwerder angesehen haben. Und dann solche Vorwürfe zu formulieren, Herr Trepoll, finde ich wirklich sehr verwunderlich. Wer sich so weit aus dem Fenster lehnt, sollte sich vorher wenigstens einmal vor Ort informiert haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich will gar nicht verhehlen, dass auch ich zuerst sehr kritisch war, als ich die ersten Pläne und Zeichnungen sah.

(Dietrich Wersich CDU: Und dann ist alles besser geworden?)

Wenn man Zweifel hat, ist es manchmal eben doch ganz gut, sich vor Ort zu informieren. Für mich ist ganz klar: Männer und Frauen müssen im Strafvollzug räumlich getrennt werden. Aber wenn man selber kein Architekt ist, ist mitunter sehr schwer zu erkennen, was wenige Zentimeter auf einer Skizze oder einem Plan in der Realität bedeuten. Da sind das plötzlich viele, viele Meter zwischen den einzelnen Bauten.

(Robert Heinemann CDU: Was für einen Schwachsinn reden Sie? Unterirdisch!)

Vielleicht hätten Sie sich tatsächlich einmal die Begebenheiten vor Ort ansehen sollen; mich hat das jedenfalls überzeugt. Auf diesem riesigen Gelände in Billwerder ist genügend Platz für eine abgeschirmte Unterbringung der Frauen.

(Robert Heinemann CDU: Mein Gott, wie peinlich!)

Auch wir haben die kritischen Stimmen in der Expertenanhörung vernommen, aber das Ganze fußt doch immer auf einer baulichen Grundlage und ist eben nicht nur abstrakt zu beurteilen. Ein Vollzug von Frauen und Männern auf einer Fläche kann funktionieren, muss aber nicht funktionieren.

(Jens Kerstan GRÜNE: Eben! Genau! – Glocke)

Herr Steinbiß, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Möller?

(Dr. Stefanie von Berg)

Frau Möller, es tut mir leid.

Die Frage ist, wie das Ganze ausgestaltet wird, und dann gibt es JVAs wie in Lübeck oder Bützow, wo die Voraussetzungen nicht so geeignet zu sein scheinen. Die Berichte des Leiters der JVA in Luckau-Duben hingegen haben uns gezeigt, dass es auch gut funktionieren kann, und diese Einrichtung ist räumlich vergleichbar mit Billwerder.

Sicherlich kann man nach der Anhörung der Experten zu unterschiedlichen inhaltlichen Bewertungen kommen, auch wenn diese Einschätzungen abstrakt und nicht aufgrund der Gegebenheiten in Billwerder erfolgten. Keinesfalls reden wir Risiken klein. Wir sind aber der festen Überzeugung, dass Risiken durch die geplanten Vorkehrungen auf ein Minimum reduziert werden können.

(Beifall bei der SPD – Farid Müller GRÜNE: Wo ist bei Ihnen das Minimum?)